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Ukraine: Über 70 Prozent der Menschen
sind mit der Poroschenko-Regierung
unzufrieden
Der Rücktritt von Jazenjuk hat nichts
verändert, die Menschen sind kriegsmüde
und der Oppositionsblock würde nach
einer Umfrage stärkste Partei werden
.
Nicht nur in Syrien gibt es eine vereinbarte Waffenruhe, die am
Zusammenbrechen ist. Außenminister Frank-Walter Steinmeier und sein
französischer Kollege Jean-Marc Ayrault hatten in der Ukraine eine
Waffenruhe ausgehandelt, um das Minsker Abkommen voranzubringen, das
von allen Seiten blockiert wird. Separatisten und ukrainische Truppen
werfen sich gegenseitig Beschießungen vor.
Es gibt allerdings offenbar wenig Druck vom Westen auf die ukrainische
Führung, die Voraussetzungen von ukrainischer Seite umzusetzen, um das
Minsker Abkommen voranzubringen. Vielmehr wird die Ukraine, besser
gesagt: die ukrainische Regierung unter dem Präsidenten Poroschenko,
einem Oligarchen und damit Teil des korrupten Systems, weiter
unterstützt. Zuletzt hat der IWF der Ukraine, obgleich sie mit
Wirtschaftsreformen und der Korruptionsbekämpfung nicht vorankommt,
eine weitere Kredittranche von einer Milliarde US-Dollar bewilligt
(Die Pleite-Ukraine erhält neues IWF-Geld).
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Gebäude des ukrainischen Parlaments, der Werchowna Rada. Bild: kuchin
ster/ CC-BY-3.0
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Verzweifelt scheint der Westen die ukrainische Führung unterstützen zu
wollen, um so das Land gegen Russland zu positionieren, was für den
Zusammenhalt der Nato unverzichtbar zu sein scheint. Dazu gehört
weiterhin die realpolitisch irreale Weigerung, die Eingliederung der
Krim abzulehnen, als auch die die Akzeptanz, dass Kiew nicht direkt
mit den Separatisten verhandeln und weder lokale Wahlen noch Amnestie
gewähren will. Kiew beharrt darauf, dass die Ukraine zuerst die
Kontrolle
über
Separatisten,
die
Grenze
dass
nach
übernehmen
dem
muss,
Abkommen
Moskau
Kiew
und
zuerst
die
eine
Verfassungsveränderung umsetzen muss, die Amnestie, Autonomie und
lokale Wahlen garantiert. Kiew selbst dürfte interessiert sein, den
Konflikt einzufrieren. Das ist Garant dafür, dass der Westen die
Regierung trotz aller Bedenken weiter politisch, militärisch und
wirtschaftlich
unterstützt
und
die
Sanktionen
gegen
Russland
verlängert.
Schaut man aber in die Ukraine, fragt sich, auf welches Pferd in der
Ukraine der Westen, darunter eben auch die deutsche Regierung, setzt.
Nach einer repräsentativen Umfrage, die Ende August, Anfang September
mittels Befragungen bei Hausbesuchen in der Ukraine, ausgenommen die
von Separatisten kontrollierten Gebiete und die Krim, durchgeführt
wurde, sind über 70 Prozent mit der Poroschenko-Regierung unzufrieden.
Die Ablehnung stieg seit der letzten Befragung im Juli um mehr als 4
Prozent. Mit dem neuen Regierungschef, dem Poroschenko-Vertrauten
Wolodymyr Hrojsman, sind gerade einmal 15 Prozent zufrieden, 3 Prozent
weniger als im Juli.
Mit der Ersetzung von Washingtons Favoriten Jazenuk, der mitsamt
seiner Partei Volksfront und seiner Verstrickung in Korruption jedes
Vertrauen in der Bevölkerung verspielt und der den Konflikt mit
Russland immer geschürt hatte, wollte Poroschenko einen Umschwung
zustande bringen (Rücktritt von Jazenjuk: Kiew will Neuwahlen
vermeiden), was aber nicht gelungen ist. 75 Prozent lehnen nun auch
die Regierung von Hrojsman ab, nur 1,4 Prozent stehen ganz hinter ihr.
Ein vernichtendes Ergebnis, das allerdings auch für das westliche
Projekt der neoliberalen Umstrukturierung der Ukraine gilt.
Eine große Mehrheit von 72 Prozent misstraut auch dem jetzigen
Parlamentssprecher, in der Funktion der Nachfolger von Groisman,
Andrew
Parubij,
dereinst
„Kommandant“
der
militanten
Maidan-
„Selbstverteidigungskräfte“, der eng mit Jarosch und dem Rechten
Sektor zusammengearbeitet hat. Der rechtsnationalistische Mitbegründer
der „Sozial-Nationalistischen Partei“, aus der die rechte SwobodaPartei hervorging, wurde nach dem Sturz der Janukowitsch-Regierung zum
Vorsitzenden
des
wichtigen
Nationalen
Sicherheits-
und
Verteidigungsrats der Ukraine, wo er kräftig daran beteiligt war, die
Aufständischen im Osten, die sich zunächst nicht viel anders wie die
militanten Maidan-Aktivisten verhielten, schnell militärisch durch die
sogenannte „Antiterror-Operation“ (ATO) zu bekämpfen. Da der Stern von
Swoboda schnell unterging, wechselte Parubij schnell in Jazenjuks
Partei Volksfront, die mit dem Block Poroschenko und anderen eine
Regierungskoalition bildete.
Die Ironie der Geschichte ist, dass nach der Umfrage die politische
Landschaft weiterhin zersplittert ist, aber bei den nächsten Wahlen
den Oppositionsblock von ehemaligen Mitgliedern der JanukowitschPartei „Partei der Regionen“ mit gerade einmal 13,1 Prozent zur
stärksten Kraft werden könnte. Dicht dahinter folgt mit 12,6 Prozent
die Partei von Präsident Poroschenko und mit 12,1 Prozent die
Timoschenko-Partei Vaterland. Mit etwas über 7 Prozent wären die
Radikale Partei und Samopowitsch (Selbsthilfe) schon abgeschlagen,
letztere mit deutlichen Verlusten gegenüber der letzten Wahl. Die
Partei von Saakaschwili, des ehemaligen georgischen Präsidenten, der
Zuflucht
in
der
Ukraine
gefunden
hat
und
sich
dort
als
Korruptionsbekämpfer gibt, könnte die 5-Prozent-Hürde überwinden,
Swoboda wohl nicht. Jazenjuks Volksfront würden jetzt weniger als 1
Prozent wählen, Klitschkos Partei würden nur 1 Prozent wählen.
Bei Präsidentschaftswahlen würde Timoschenko mit 13,2 Prozent knapp
vor Poroschenko und Jurij Boiko, dem Führer des Oppositionsblocks,
liegen. Das politische System ist weiterhin nicht wirklich in der
Bevölkerung verankert. Nur 42 Prozent sagen, sie würden wählen gehen,
23 Prozent wahrscheinlich, 24 Prozent wollen nicht an Wahlen
teilnehmen, weiter 6 Prozent wahrscheinlich nicht.
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Unklarheit über Poroschenkos Position zu
Krieg und Frieden
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Aus einer anderen Umfrage, die Anfang Juli durchgeführt wurde, geht
hervor, dass die Menschen in der Ukraine kriegsmüde sind. 47,7 sind
der Meinung, dass man Russland Zugeständnisse machen sollte, um den
Krieg zu beenden, dagegen sind 39,3 Prozent. 22,8 Prozent sind dafür,
auch gewaltsam die „Volksrepubliken“ wieder in die Ukraine zu holen,
25,5 Prozent würden ihnen lieber mehr Autonomie und Sonderrechte
gewähren. 17,9 Prozent würden zwar nicht die „Volksrepubliken“
anerkennen, sie aber unabhängig bestehen lassen, 7,4 Prozent würden
sie als unabhängige Staaten anerkennen. Ein Viertel findet keine der
Alternativen akzeptabel oder weiß nicht, wofür es sich entscheiden
soll.
Interessant ist, dass Poroschenkos Partei sowohl als Falke als auch
als friedensorientierter Vermittler gilt. Die Menschen wissen also
nicht, welche Position er wirklich einnimmt. Der Oppositionsblock,
Samopowitsch und die Vaterlandspartei werden noch als Vertreter einer
Politik genannt, die den Konflikt mit friedlichen Mitteln lösen
wollen. Neben dem Rechten Sektor und Poroschenkos Block gelten
Swoboda, die Volksfront und die Radikale Partei als Falken. Wenn es
darum geht, wer in der Lage ist, die konstruktiven Kräfte zu vereinen,
um den Krieg zu beenden wird mit 15 Prozent an erster Stelle der
Oppositionsblock genannt, gefolgt von Poroschenkos Partei mit 10,5 und
die Vaterlandspartei mit 8,3 Prozent. Mit mehr als 30 Prozent gehen
jedoch die Meisten davon aus, dass dies keine Partei leisten kann.
Zwar sagt eine knappe Mehrheit, dass das Risiko eines Krieges mit
Russland hoch ist, aber nur 27 Prozent würden das Militär bei der
Verteidigung unterstützen.
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