SWR2 DIE BUCHKRITIK

SWR2 MANUSKRIPT
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SWR2 DIE BUCHKRITIK
Hernán Ronsino: Lumbre
Aus dem argentinischen Spanisch und mit einem Nachwort von Luis Ruby
Bilgerverlag, Zürich 2016
342 Seiten
25,80 Euro
Rezension von Eva Karnofsky
Freitag, 11. November 2016 (14:55 – 15:00 Uhr)
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere
Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
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2012 erschien der Roman Letzter Zug nach Buenos Aires des Argentiniers Hernán
Ronsino. Es war der erste Teil einer Trilogie über die argentinische Pampa, und einige
Kritiker waren begeistert. Inzwischen ist mit Lumbre, zu Deutsch „Glühen“, der zweite Teil
dieser Trilogie auf dem Markt und wird auf Platz zehn der Hotlist der besten Bücher
unabhängiger Verlage 2016 gelistet. Eva Karnofsky hat den Roman gelesen.
Wer sich nicht gut auskennt in argentinischer Politik, Geschichte und Literatur und wer
über das tägliche Leben in der Pampa nichts weiß, der wird zu Lumbre, dem neuen
Roman von Hernán Ronsino, schwerlich Zugang finden. Auch das fragmentarische
Nachwort von Übersetzer Luis Ruby trägt für den nicht landeskundlich geschulten Leser
kaum zum Verständnis bei, und das Glossar erklärt zwar Begriffe, ordnet sie aber nur
unvollständig ein. In Argentinien wurde Lumbre von der Kritik gelobt, weil man die Pampa,
das Herz des Landes, darin wiederfand. Außerdem haben argentinische Leser eine
Vorliebe für Romane, die ihnen historische und literarische Bildung abfordern.
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Der Leser braucht viel Geduld, wenn er den mit Ortsbeschreibungen sowie mit den
argentinischen Mythen und Symbolen vollgestopften Text verstehen will. Doch da
korrespondieren Form und Inhalt, denn der eilige Großstädter braucht in der
argentinischen Provinz, in die das Buch führt, ebenfalls Geduld. Dort geht es wie im
Roman behäbig zu.
Und dies ist der Inhalt von Lumbre, was zu Deutsch „Glühen“ heißt: Der Drehbuchautor
und Ich-Erzähler Federico Souza erfährt, dass Pajarito Lernú, ein etwas überdrehter
Hobby-Schriftsteller und Freund der Familie, gestorben ist und ihm eine Kuh vermacht hat.
Daraufhin entschließt er sich, nach zwölf Jahren wieder in seinen Heimatort Chivilcoy zu
fahren, einen verschlafenen Ort inmitten endloser, grüner Weiden der Pampa. Bei
Federico Souzas Ankunft schreiben wir den 1. März 2002, Argentinien steckt in der Krise,
die Wirtschaft ist fast völlig zum Erliegen gekommen. Die Stimmung der Menschen
schwankt zwischen Depression und Wut auf die Politik. Sehr viele Andeutungen im
Roman sind nur vor diesem Hintergrund zu erklären, wenn etwa Federico zufällig Zeuge
wird, wie die über hundert Jahre alte Mühle am Ort der Abrissbirne zum Opfer fällt oder ein
alter Bekannter nach Spanien auswandern will.
Der Roman ist chronologisch in die Kapitel Ankunft und Abreise sowie dazwischen Tag
eins bis drei des Aufenthaltes unterteilt, und der Leser begleitet Federico bei seinen
Unternehmungen in Chivilcoy, die dieser wie in einem Drehbuch Szene für Szene erzählt.
Innerhalb der Kapitel springt er allerdings in der Zeit.
Federicos Aktivitäten sind nicht sonderlich aufregend: Er schaut sich die Kuh an, die
Pajarito Lernú ihm vererbt hat und identifiziert im Leichenschauhaus Pajaritos Leichnam;
er sucht nach dem Grab seiner verstorbenen Mutter und trifft Bekannte von früher. Dabei
fallen ihm neben Ereignissen aus der Stadtgeschichte Erlebnisse aus der Kindheit ein,
beispielsweise seine Teilnahme am örtlichen Folklorefestival.
Federico denkt auch über Domingo Faustino Sarmiento nach, ab 1868 argentinischer
Präsident, bis heute hochgeschätzter Schriftsteller, unermüdlicher Vorkämpfer des
Fortschritts und wichtiges Mitglied des argentinischen Mythen-Kanons. Für Sarmiento
symbolisierte der Gaucho einst die Barbarei, Chivilcoy aber war für ihn ein bedeutender
Vorposten der Zivilisation. Die Zeiten haben sich geändert seitdem.
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Das Buch verzichtet auf Dialoge und lebt weniger von der Handlung als vielmehr von
diesen Mythen, sowie von Bildern und Symbolen, über die Federico nachdenkt. So
versucht Federico, seine Freundin in Buenos Aires anzurufen und bekommt keine
Verbindung: Wenn wundert es, denn Hauptstadt und Binnenland hatten noch nie einen
guten Draht zueinander.
Auch die literarischen Helden Argentiniens, Jorge Luis Borges und Julio Cortázar, dürfen
auf Federicos geistigen Spaziergängen nicht fehlen. Unter dem Namen Julio Denis hat
Cortázar einige Jahre lang an einer Schule in Chivilcoy unterrichtet. Er zeichnete
mitverantwortlich für den Film „Der Schatten der Vergangenheit“. Dieser erzählt die
Geschichte des Lyrikers Carlos Ortiz, der 1910 in Chivilcoy erschossen wurde, und
Federico erzählt dem Leser die Geschichte des Films.
In Federicos Schilderungen kommt der ausführlichen und nuancenreichen Beschreibung
des jeweiligen Lichts große Bedeutung zu, woraus sich der Buchtitel „Glühen“ ableitet. Ein
Funke will jedoch nicht so recht überspringen. Lumbre verbreitet vor allem Langeweile.
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