Ferienkurs Analysis 1

Skript
Ferienkurs Analysis 1
Fabian Hafner und Thomas Baldauf
TUM Wintersemester 2014/15
17.03.2015
Das Skript wurde teilweise u
¨bernommen vom Skript des Ferienkurses WS 2014, verfasst von Andreas W¨orfel. Fragen k¨onnen bis zum Abend vor der n¨achsten Vorlesung an [email protected]
geschickt werden, damit sie intensiver in der Vorlesung behandelt werden k¨onnen.
Inhaltsverzeichnis
1 Folgen und Grenzwerte
1.1 Reelle Folgen und Konvergenz . . . . . . . . . . .
1.2 Konvergenzkriterium und Grenzwertarithmetik . .
1.3 Bestimmte Divergenz, Limes superior und inferior
1.4 Metrischer Raum . . . . . . . . . . . . . . . . . .
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1
1
2
3
6
2 Reihen
2.1 Absolute Konvergenz und Umordnung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
2.2 Potenzreihen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .
7
8
10
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1 Folgen und Grenzwerte
1.1 Reelle Folgen und Konvergenz
Eine Folge besteht aus Objekten (genannt Glieder), hier Zahlen aus R, die fortlaufend nummeriert sind. Jedem Glied wird eine (positive, ganzzahlige) Nummer (genannt Index) zugewiesen.
Mathematisch korrekt:
Definition: Eine reelle Folge ist eine Abbildung
a : N → R, n 7→ a(n) =: an
Notation: (an )n∈N , (an )
Bei unendlichen Folgen entsteht das Problem, dass man ein Bildungsgesetz finden muss. Dies
kann auf verschiedene Weisen geschehen:
• Angabe einer Funktionsvorschrift
• Angabe einer Rekursionsvorschrift
• Angabe von Anfangsgliedern
• Angabe eines Algorithmus (Herausforderung: welches Programm ist am k¨
urzesten?)
Eigenschaften von Folgen:
Definition: Monotonie und Beschr¨anktheit:

steigend
• (an ) (streng) monoton
fallend
• (an ) nach

oben
unten


:⇔ ∀n ∈ N : an+1




(>) ≥
(<) ≤

a ≤ M
n
beschr¨ankt :⇔ ∀n ∈ N :

a ≥ m


an

.
n
M heißt obere Schranke und m heißt untere Schranke. Die kleinste obere Schranke heißt
Supremum (sup), die gr¨oßte untere Schranke heißt Infimum (inf).
1
Definition: Eine Folge (an ) heißt alternierend, wenn an · an+1 < 0 ∀n ∈ N, wenn also benachbarte Folgenglieder verschiedene Vorzeichen haben.
Definition: Eine reelle Folge (an ) heißt konvergent gegen a ∈ R, falls
(1.1.1)
∀ > 0 ∃N ∈ N : ∀n ≥ N : d(an , a) < (∗)
Dann liegen fast alle an in einer Epsilon-Umgebung um a:
⇔ ∀ > 0 : an ∈ U (a) f¨
ur fast alle n ∈ N
U (a) := {x ∈ R|d(x, a) < }
In diesem Fall heißt a Grenzwert (oder Limes) und man schreibt
a = lim an oder an → a
n→∞
Existiert kein a ∈ R welches die Bedingung (1.1.1) erf¨
ullt, heißt (an ) divergent.
∗
) Bem: d ist, wie in der Vorlesung vereinbart, die Euklidsche Metrik (Betrag). Die Definition
gilt jedoch auch allgemein f¨
ur metrische R¨aume (siehe Def. metrischer Raum).
Definition: : (an ) heißt Nullfolge :⇔ lim an = 0.
n→∞
1.2 Konvergenzkriterium und Grenzwertarithmetik
Satz: Jede konvergente Folge ist beschr¨
ankt

steigende
Satz: Jede beschr¨ankte, monoton
fallende


reelle Folge konvergiert gegen

Satz: (Grenzwertarithmetik): “Rechenregeln” f¨
ur den Limes:
Seien (an ), (bn ) konvergent mit a = lim an , b = lim bn . Dann:
n→∞
n→∞
i) lim (an + bn ) = a + b
n→∞
ii) lim (an · bn ) = a · b
n→∞
2

sup a(N)


inf a(N)

.
iii) Falls b 6= 0 :
lim an
n→∞ bn
=
a
b
iv) an ≤ bn ⇒ a ≤ b
v) lim abnn = ab
n→∞
vi) lim acn = ac
n→∞
Folgende Grenzwerte sollte man kennen:
√
n
a
→ 0, a > −1,
n
a → 1,
an
→ 0,
n!
√
n
n → 1,
nn
→ ∞,
n!
√
n
n! → ∞,
1
n
n

0 < a < 1
a
→0
k fest
nk
√
n
n
→ e,
n
1
1+
→ e,
n
x n
1+
→ ex ,
n
1−
x n
→ e−x ,
n

a > 1
n
,
n! → 1e ,
n+1
n
a
→∞
k fest
nk
1.3 Bestimmte Divergenz, Limes superior und inferior
Definition: Eine reelle Folge (an ) heißt bestimmt divergent (oder uneigentlich konvergent)
gegen +∞, falls
∀k ∈ R ∃N ∈ N : ∀n ≥ N : an ≥ k.
Schreibweise: lim an = ∞ oder an → ∞
n→∞
Analog heißt (an ) bestimmt divergent gegen −∞, falls −an → ∞
Schreibweise: lim an = −∞ oder an → −∞
n→∞
3
Definition: Limes superior und Limes inferior einer reellen Folge (an ) sind:
lim sup an :=
n→∞
lim inf an :=
n→∞
lim an
n→∞
lim an
n→∞
Der Limes inferior ist der kleinste H¨aufungspunkt, der Limes superior ist der gr¨oßte
H¨aufungspunkt einer beschr¨ankten reellen Zahlenfolge (mehr dazu siehe Def. H¨aufungspunkt).
Definition: (an ) heißt Cauchy-Folge, falls
∀ > 0 ∃N ∈ N : ∀n, m ≥ N : d(an , am ) < Satz: (Cauchy-Konvergenzkriterium)
(an ) ist Cauchy-Folge ⇔ (an ) ist konvergent
f¨
ur d(an , am ) = |an − am | und (an ) reelle Zahlenfolge.
Es gilt i.A. außerdem folgender Satz:
Jede konvergente Folge ist Cauchy-Folge.
Allerdings gilt nicht die Umkehrung i.A.!!! Nur f¨
ur reelle und komplexe Zahlen
Definition: F¨
ur Folge (an ) und eine streng monoton wachsende Folge k : N → N heißt:
a ◦ k : N → R, n 7→ a(k(n)) = akn
Teilfolge von (an ).
4
Definition: x ∈ R heißt H¨aufungspunkt von (an ), falls es eine Teilfolge (akn ) gibt mit
x = lim akn .
n→∞
⇔ ∀ > 0 : an ∈ U (x) f¨
ur unendlich viele n ∈ N
⇔ ∀ > 0 N ∈ N; ∃n ≥ N : an ∈ U (x)
Bemerkungen zu H¨aufungspunkten:
• Unterschied Grenzwert und H¨aufungspunkt: Konvergieren alle Teilfolgenn einer Folge
gegen den selben Wert, so ist dieser der Grenzwert. Bei einem H¨aufungspunkt muss nur
eine Teilfolge gegen diesen konvergieren. In einer Epsilon-Umgebung um den Grenzwert
liegen fast alle Folgenglieder, in einer Epsilon-Umgebung um einen H¨aufungspunkt nur”
”
unendlich viele. Fast alle” bedeutet, dass h¨ochstens endlich viele Glieder außerhalb liegen.
”
• Der Grenzwert ist auch immer H¨aufungspunkt. In metrischen R¨aumen ist der Grenzwert
einer konvergenten Folge eindeutig und der einzige H¨aufungspunkt.
Wichtige Aussagen u
¨ber H¨aufungspunkte und Teilfolgen liefert der Satz von Bolzano-Weierstraß:
Satz: Bolzano-Weierstraß
• Version 1
Jede beschr¨ankte Folge komplexer Zahlen (mit unendlich vielen Gliedern) enth¨alt
(mindestens) eine konvergente Teilfolge.
• Version 2
Jede beschr¨ankte Folge komplexer Zahlen (mit unendlich vielen Gliedern) besitzt
(mindestens) einen H¨aufungspunkt. Jede beschr¨ankte Folge reeller Zahlen hat einen
gr¨oßten und einen kleinsten H¨aufungspunkt.
Man kann die Konvergenz einer Folge auch daran erkennen, wenn die Folge durch zwei konvergente Folgen eingeschlossen wird, die beide gegen den selben Grenzwert streben. Dann nimmt
auch die zu untersuchende Folge diesen Grenzwert an.
5
Satz: Sandwichkriterium
Seien die Grenzwerte a und b der Folgen (an ) und (bn ) bekannt und sei a = b. Dann gilt f¨
ur
eine Folge (cn ) mit unbekanntem Grenzwert und mit an ≤ cn ≤ bn : lim cn = a = b
n→∞
Zusammenfassung
Wir k¨onnen f¨
ur die Konvergenz folgende Regeln festhalten: Eine Folge konvergiert, wenn:
• sie monoton und beschr¨ankt ist (Monotoniekriterium)
• sie das Cauchy-Kriterium erf¨
ullt (und eine reelle oder komplexe Folge ist!!!)
• sie das Einschließungskriterium/Sandwichkriterium erf¨
ullt
1.4 Metrischer Raum
Folgen kann man auch auf metrischen R¨aumen definieren. Man ben¨otigt dies z.B. f¨
ur die Konvergenz in der komplexen Ebene oder im 2D.
Die Metrik wurde in diesem Skript bereits vor diesem Abschnitt benutzt. Nun aber noch einmal
eine formale Defintion eines metrischen Raumes:
Definition: Eine Menge M mit Abb. d : M × M → R heißt metrischer Raum mit Metrik
d, falls f¨
ur alle x, y, z ∈ M gilt:
• d(x, y) ≥ 0 und d(x, y) = 0 ⇔ x = y (positiv definit)
• d(x, y) = d(y, x) (symmetrisch)
• d(x, y) ≤ d(x, z) + d(z, y) (Dreiecksungleichung)
Man nennt d(x, y) den Abstand ( distance“) von x und y. F¨
ur > 0 und a ∈ M heißt
”
U (a) := {x ∈ M |d(x, y) < } die -Umgebung von a.
Spezialf¨alle: M = C, M = R, M = Rn , M = Cn
Hier auch noch eine wichtige Anmerkung:
Definition: Ein metrischer Raum heißt vollst¨andig, falls jede Cauchy-Folge konvergiert.
Beispiele: Rn , C
6
2 Reihen
Zun¨achst die Definition:
F¨
ur eine komplexwertige Folge (an ) bezeichnet die Reihe
∞
X
an
n=1
die Folge der Partialsummen
sn :=
n
X
ak , n ∈ N.
k=1
Falls (sn ) konvergiert, so bezeichnet
∞
P
an ebenfalls den Grenzwert lim sn . Andernfalls
n→∞
n=1
spricht man von einer divergenten Reihe.
Es gelten f¨
ur Reihen mehrere Konvergenzkriterien. Je nachdem, welche Reihe vorliegt, ist mal
das eine, mal das andere anzuwenden.
Satz: Cauchy-Kriterium
∞
X
an konvergent ⇔ ∀ > 0 ∃N ∈ N : ∀n ≥ m ≥ N :
n=1
n
X
k=m
Daraus folgt auch folgender Satz: :
∞
X
an konvergent ⇒ lim an = 0
n→∞
n=1
Die Umkehrung (⇐) gilt i.A. nicht (vgl. harmonische Reihe)!
7
!
ak
<
Satz: : Leibniz-Kriterium
Sei (an ) eine monotone Nullfolge mit lim an = 0 mit an ≥ 0. Dann konvergiert
n→∞
sn =
n
X
(−1)k ak
k=1
und es gilt die Fehlerabsch¨atzung: n ∈ N
∞
X
(−1)k ak − sn ≤ an+1
k=1
2.1 Absolute Konvergenz und Umordnung
Definition: Die Reihe
∞
P
an heißt absolut konvergent, wenn
n=1
∞
X
|an | konvergiert
n=1
Satz: Majorantenkriterium f¨
ur absolut konvergente Reihen:
∞
∞
P
P
ak
bk konvergent mit bk ≥ 0. Falls |an | ≤ bn f¨
ur fast alle n ∈ N, dann konvergiert
Sei
k=1
k=1
absolut.
Satz: Minorantenkriterium f¨
ur divergente Reihen:
∞
P
Die Reihe
xk mit positiven Summanden ist divergent, wenn es eine divergente Reihe
∞
P
k=1
ak mit ak ≥ 0 gibt, sodass ak ≤ xk f¨
ur alle k ∈ N.
k=1
Satz: Quotientenkriterium:
Sei an 6= 0 ffa. n ∈ N.
an+1 < 1 ⇒ P∞ an absolut konvergent
• lim sup n=1
n→∞
an 8
an+1 P
> 1 ⇒ ∞ an divergent
• lim sup n=1
n→∞
an
an+1 = 1 keine Aussage m¨oglich!
• f¨
ur lim sup n→∞
an Es gibt außerdem ein paar Regeln f¨
ur die Umordnung von Reihen:
Definition: F¨
ur jede Bijektion σ : N → N heißt
∞
P
aσn Umordnung von
n=1
∞
P
an
n=1
Satz: Riemannscher Umordnungssatz:
∞
P
F¨
ur jede konv. Reihe
an , die nicht absolut konvergiert, und jedes s ∈ R gibt es eine Umordnung
∞
P
n=1
aσn , die gegen s konvergiert.
n=1
Satz: Umordnung
∞
P
an absolut konvergent ⇒ Jede Umordnung konvergiert gegen denselben Grenzwert.
n=1
Variante:
A oder B absolut konvergent ⇒ f¨
ur jede Abz¨ahlung σ : N → N × N konvergiert
∞
X
aσ(n) =: S
n=1
absolut und es gilt:
S = A = B =:
∞
X
anm
m,n=1
Satz: Wurzelkriterium
• lim sup
p
n
• lim sup
p
n
n→∞
n→∞
|an | < 1 ⇒
P∞
an absolut konvergent
|an | > 1 ⇒
P∞
an divergent
• F¨
ur lim sup
n→∞
p
n
n=1
n=1
|an | = 1 keine Aussage m¨oglich!
9
Beim Rechnen mit Potenzreihen kann man folgende Regeln verwenden
Rechenregeln fu
¨ r konvergente Reihen
∞
∞
P
P
Sind
ak ,
bk konvergente Reihen und ist r ∈ R, so gilt:
k=1
•
∞
P
k=1
(ak + bk ) = a + b (Addition konv. Reihen)
k=1
•
∞
P
k=1
Sind
∞
P
∞
P
r · ak = r ·
ak ,
k=0
ak = r · a (Multiplikation konv. Reihen mit r)
k=1
∞
P
bk absolut konvergente Reihen, so gilt:
k=0
∞
n
X
X
k=0
!
ak bn−k
= a · b (Cauchy-Produkt abs. konv. Reihen)
k=0
2.2 Potenzreihen
P
n
Definition: Jede Reihe der Form ∞
n=0 an (z − a) mit Koeffizienten an ∈ C, Variable z ∈ C
und Entwicklungspunkt a ∈ C wird Potenzreihe genannt. Man nennt
R := sup{|z − a| : z ∈ C und
∞
X
an (z − a)n konvergent}
n=0
den Konvergenzradius der Potenzreihe.
Satz: Sei R ∈ [a, ∞] Konvergenzradius von
∞
P
an (z − a)n .
n=0
• |z − a| < R ⇒
P∞
an (z − a)n konvergiert absolut
• |z − a| > R ⇒
P∞
an (z − a)n divergiert
n=0
1 p
oder
n
an+1 Formel von Cauchy-Hadamar. Hier gilt:
lim sup |an |
lim sup n→∞
n→∞
an = 0, 10 = ∞.
• R =
1
∞
n=0
1
10
Man kann zum Rechnen mit Potenzreihen folgende Regeln verwenden:
Rechenregeln mit Potenzreihen
Es seien folgende Potenzreihen definiert:
f (x) :=
∞
X
n
an x , g(x) :=
n=0
∞
X
bn x n
n=0
Dann gelten diese Rechenregeln:
∞
X
• f (x) ± g(x) =
(an ± bn )xn = a0 ± b0 + (a1 ± b1 )x + (a2 ± b2 )x2 + . . .
n=0
(Addition/Subtraktion der Koeffizienten)
• f (x) · g(x) =
∞
X
cn xn mit cn =
n=0
n
X
ak bn−k (Cauchy-Produkt)
k=0
! ∞
!
∞
∞
∞
X
X
X
f (x) X
an x n =
b n xn
cn x n
cn x n ⇔
=
•
g(x)
n=0
n=0
n=0
n=0
(Ansatz mit unbestimmten Koeffizienten. Bestimme cn durch Koeffizientenvergleich)
!n
∞
∞
∞
X
X
X
• f (g(x)) =
an (g(x))n =
an
bk x k
n=0
n=0
k=0
(Einsetzen von Potenzreihen ineinander)
11