Merkel verspricht: Flüchtlinge bekommen schneller Arbeit

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Heute
in der
WELT.
EIN KUNSTMAGAZIN
SAMSTAG, 27. FEBRUAR 2016
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Zippert zappt
KOMMENTAR
D
THEMEN
Angriff auf die
Festung Trump
CLEMENS WERGIN
A
PA/UWE GEISLER; GLEN LUCHORD FOR GUCCI; AP/MICHAEL PROBST; JAKOB HOFF
ie Bundesregierung hat
die Einführung von
großformatigen Schockfotos auf Zigarettenschachteln
beschlossen. Hersteller müssen
zwei Drittel einer Packung für
Bilder von verfaulten Gliedmaßen, zerfetzten Lungen, Warnhinweise und Ausrufezeichen
frei halten. Die Produzenten
sind angehalten, bewusstseinserweiternde Substanzen in den
Tabak einzuarbeiten, damit der
Raucher apokalyptische Visionen
seines verfallenen Körpers und
die Einfahrt in die Hölle plastisch erlebt. Das ist jedoch erst
der Anfang. Ab 2017 werden auf
Schnaps-, Bier- und Weinflaschen Schockfotos zu sehen
sein, von Autounfällen oder
Eheversprechen unter Alkoholeinfluss, aber auch von versagenden Lebern, porösen Gehirnen und tätowierten Bierbäuchen. Alles, was Zucker enthält,
also vor allem Zucker, wird dann
ab 2018 mit Schockfotos von
Parodontitis im Endstadium,
adipösen Dreijährigen und zerplatzenden Dreißigjährigen bebildert. Auch Religionen können
geistigen und körperlichen Schaden anrichten, es ist allerdings
eher unwahrscheinlich, dass in
naher Zukunft Bibeln oder Korane mit Schockfotos und Warnhinweisen bedruckt werden.
Gerüchte gab’s schon länger: Justizminister HEIKO
MAAS soll sich gut mit Schauspielerin Natalia Wörner
verstehen – wieder ist eine Ehe am Totalitarismus
des politischen Betriebs gescheitert. Seite 6
Große Modefirmen nutzen DAS NEUE PULSIERENDE BERLIN gerne für ihre weltweiten Werbekampagnen. Die Landespolitiker aber verharren
seit Jahren genüsslich in der Provinzialität. Seite 8
Auf ihm ruhen jetzt die Hoffnungen des Weltfußballs:
Der Schweizer Jurist GIANNI INFANTINO, 45, ist der
neue Fifa-Präsident. Er setzte sich gegen Scheich Salman (Bahrain) durch. Leitartikel Seite 3, Seite 22
Merkel verspricht: Flüchtlinge
bekommen schneller Arbeit
Übermäßige Bürokratie soll abgebaut werden. Aber der Mindestlohn wird nicht infrage gestellt
MOTOR
Braucht ein
Rapper eigentlich
einen Land Rover?
Seite 16
LITERARISCHE
WELT
Die Gedanken des
Peter Handke
Beilage
STIL
Mailand will seine
Stellung im
Modebusiness nicht
kampflos aufgeben
Seite 31
KREUZFAHRTEN
B
undeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat der deutschen
Wirtschaft Erleichterungen
bei der Integration von
Flüchtlingen in den Arbeitsmarkt zugesagt. Merkel stellte unter anderem den Abbau übermäßiger Bürokratie, die Schaffung von Einarbeitungsmöglichkeiten und Erprobungsphasen
für Flüchtlinge sowie die Verlängerung
von Praktika in Aussicht. „Ich verspreche
Ihnen, dass wir über die Bundesagentur
für Arbeit sehr eng zusammenarbeiten“,
sagte die Kanzlerin bei einem Treffen
mit den vier Spitzenverbänden der Wirtschaft in München. Es seien sich aber alle einig, dass man den Mindestlohn nicht
infrage stelle.
Alle vier Verbände – der Arbeitgeberverband (BDA), der Bundesverband der
Deutschen Industrie (BDI), der Industrie- und Handelskammertag (DIHK)
und der Handwerksverband – stellten
sich im Streit über die Flüchtlingspolitik
geschlossen hinter die Kanzlerin. „Sie
widersetzt sich diesen populistischen
Äußerungen, die in ganz Deutschland immer wieder zum Vorschein kommen, und
versucht, mit vielen Einzelschritten dieses Problem in den Griff zu bekommen“,
sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer.
Das sei der richtige Weg. „Solch eine
Situation kann man nicht durch einen
großen Hammerschlag lösen“, betonte
der Verbandschef. DIHK-Präsident Eric
Schweitzer sagte, es könne keine Ober-
griechische Regierung lehnte einen Besuch von Österreichs Innenministerin Johanna Mikl-Leitner ab, nachdem diese
Athen mit einem De-facto-Ausschluss aus
dem Schengenraum gedroht hatte. Slowenien und Kroatien führten derweil eine
Tagesobergrenze von 580 Flüchtlingen
ein. EU-Migrationskommissar Dimitris
Avramopoulos warnte vor einem Scheitern des bevorstehenden EU-Gipfels mit
der Türkei zur Flüchtlingskrise. Ohne eine Einigung auf eine gemeinsame Vorgehensweise werde die EU auf ein „Desaster“ zusteuern.
Der Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer (Grüne) schlug in einem Inter-
grenzen für Flüchtlinge in Deutschland
geben, „weil sie nicht umsetzbar sind“.
Merkel zeigte sich erfreut: „Ich möchte mich ausdrücklich bedanken für Ihre
positive und konstruktive Haltung gegenüber den Menschen, die zu uns kommen als Flüchtlinge.“ Die „große Bewährungsprobe“ stehe aber noch bevor, „weil
ja gerade im letzten Jahr viele gekommen
sind“. Merkel verwies aber auf die große
Zahl junger Flüchtlinge unter 25. „Das
zeigt, welches Potenzial da ist, ihnen eine Chance zu geben.“
Im Streit über das weitere Vorgehen in
der Flüchtlingskrise werden die Gräben in
der Europäischen Union immer tiefer. Die
Deutschland soll investieren und höhere Gehälter zahlen
in der Leistungsbilanz wird nach Prognose der EU-Kommission sowohl in
diesem als auch im kommenden Jahr
über der Marke von acht Prozent des
Bruttoinlandsproduktes verharren. Sie
stuft allerdings schon Werte von dauerhaft mehr als sechs Prozent als
stabilitätsgefährdend ein. Denn Ländern mit Überschüssen stehen solche
mit Defiziten gegenüber, die diese mit
Schulden finanzieren müssen. Etwa
drei Viertel der gesamten Überschüsse
der Euro-Zone gehen allein auf das
Konto Deutschlands.
Die EU-Kommission fordert angesichts anhaltend hoher Exportüberschüsse mehr Investitionen und steigende Löhne in Deutschland. Der
Überschuss spiegele zwar die starke
Wettbewerbsfähigkeit der Industrie
wider. „Er ist aber auch Ausdruck der
Investitionszurückhaltung.“ Spielraum
für steigende staatliche Investitionen
sei vorhanden, „da die Lage der öffentlichen Finanzen gesund bleibt“. Die
EU-Kommission hält außerdem Lohnzuwächse für ratsam, um den Konsum
anzukurbeln. Der deutsche Überschuss
view der „Welt“ vor, „für jeden Flüchtling, den irgendein Land im Rahmen
eines Kontingents in Europa aufnimmt,
nehmen wir Deutsche noch einen auf.
Damit würden wir 50 Prozent der Aufgabe tragen. Das sollten wir unseren Partnern offensiv anbieten.“
Unterdessen ist es in Kiel offenbar zu
einem neuen Fall von Belästigung durch
Personen mit Migrationshintergrund gekommen. Mehr als 20 Männer hätten in
einem Einkaufszentrum drei Mädchen belästigt, berichtete die Polizei. Zunächst
hätten zwei Asylbewerber aus Afghanistan
die Teenager verfolgt und mit Handys gefilmt. Nach und nach stieg die Zahl der
Männer auf 20 bis 30. Zwei Afghanen im
Alter von 19 und 26 Jahren und zwei weitere Verdächtige wurden festgenommen,
nachdem sie Polizisten bedroht hatten.
Innenminister Stefan Studt SPD) sagte, es sei nicht hinnehmbar, an einem öffentlichen Ort belästigt zu werden. Sein
Mitgefühl gelte den Mädchen. „Das ist
schon wirklich ein wahnsinniger Eingriff,
eine wahnsinnige Belastung für die Mädchen, eine wahnsinnige Belastung für die
Familien.“ Die Polizei in Kiel habe gut
und richtig reagiert.
Es müsse dabei bleiben, dass die Menschen sich in diesem Land weiter im öffentlichen Raum frei verhalten und frei
fühlen können. „Dafür müssen wir als
Gesellschaft, dafür müssen wir als Staat,
dafür muss unsere Landespolizei Sorge
Seiten 4, 5 und 7
tragen.“
m Donnerstagabend ist endlich passiert, worauf moderate
Konservative so lange gewartet haben: Bei der letzten TV-Debatte
vor dem entscheidenden Super Tuesday hat der Frontalangriff auf die Festung Trump begonnen. Hoffnungsträger Marco Rubio und der Erzkonservative Ted Cruz haben gemeinsam
getan, was die Kandidaten längst hätten tun müssen: Sie haben Donald
Trumps Lügen, seine Inkonsistenz,
seine Inhaltsleere und seine Hasskampagne entlarvt und ihm aggressiv
zugesetzt. In seinem Schlusswort rief
Rubio die Wähler dazu auf, „diesen
Unsinn, diese Verrücktheit“ zu beenden und die konservative Bewegung
vor Trump zu bewahren.
Warum erst jetzt, fragen sich all jene, die entsetzt sind über den Aufstieg Trumps in der Partei. Schließlich haben sich die moderaten Kandidaten in den vergangenen Monaten
mit Vorliebe untereinander zerfleischt. Jeb Bush gab Dutzende Millionen Dollar aus für eine Kampagne
gegen Rubio; Chris Christie fiel vor
drei Wochen in New Hampshire
nichts Besseres ein, als seine aggressiven Energien in einem überfallartigen Angriff statt auf Trump auf Rubio
zu lenken; der smarte Senator aus
Florida war seinerseits damit beschäftigt, sich als Sonnyboy zu präsentieren, statt gegen Trump in den
Nahkampf zu gehen. Cruz machte anfangs gar gemeinsame Sache mit
Trump, um von dessen Bonus als Außenseiter zu profitieren.
Nachdem Bush und Christie aus
dem Rennen sind und Trump am
1. März abräumen könnte, haben sich
Rubio und Cruz nun zum Kampf gegen den wahren Gegner entschieden,
der die Partei zu zerstören droht.
Und sie haben gezeigt, wie angreifbar
Trump in Wirklichkeit ist. Der hatte
mit seinem rüden Auftreten und seinen ätzenden Twitter-Kommentaren
eine Aura der Unverletzlichkeit um
sich verbreitet und gehörige Abschreckungsmacht entwickelt. Niemand wollte in sein Visier geraten
und vorgeführt werden. Doch nun
haben Cruz und Rubio keine andere
Wahl, wenn sie einen Durchmarsch
Trumps verhindern wollen. Mit dem
Mut der Verzweiflung haben sie gezeigt, dass sie auch Alphatiere sind
und die Kunst der politischen Demontage beherrschen.
Ob sich beide mehr dafür verdienen als einen Tapferkeitsorden, wird
man am Dienstag und am 15. März sehen, wenn in weiteren fünf Staaten
gewählt wird. Trumps Anhänger haben sich bisher jedenfalls erstaunlich
immun gezeigt gegen Argumente. Die
Wut aufs Establishment und auf die
Zustände im Land scheint zu tief zu
sitzen. Rubio und Cruz haben zumindest gezeigt, dass noch Widerstandswillen in dieser Partei steckt
und dass sie nicht bereit ist, sich vorschnell der feindlichen Übernahme
durch Trump zu ergeben.
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In einem Großsegler
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BLICK AUS BRÜSSEL
DAX
Sozialdemokratisierung eines Revolutionärs
Im Plus
Seite 19
Dax
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Nr. 49
O
FLORIAN EDER
ffiziell ist Gianni Pittella derzeit in Athen, um
mung geht noch weiter: François Hollande hat Tsipras
über die Flüchtlingskrise zu sprechen. Der Itaoffiziell zum europäischen Sozialistengipfel am
12. März nach Paris eingeladen. Das ist, als würde Sahra
liener ist eine große Nummer in der europäiWagenknecht auf dem SPD-Parteitag reden. Es ist ein
schen Sozialdemokratie, als ihr Fraktionschef im Eurogefährliches Spiel: Tsipras und seine Syriza haben jepaparlament und Italiener, dem gelobten Land der lindenfalls die griechische Pasok-Sozialdemokratie aufs
ken Mitte. Inoffiziell, heißt es aus der Partei, hat PittelMaß einer Kleinpartei reduziert. Tsipras’ Mehrheit im
la noch ein anderes Ziel: Er will einen Revolutionär zähmen. Er wird Alexis Tsipras treffen und versuchen, mit dem radikal Parlament ist knapp, er hat bewiesen, dass ihm Macht näher ist als
Linken gemeinsamen Grund zu finden über die Flüchtlingskrise hi- Ideologie. Er kann nur gewinnen, wenn er mit den Sozis schmust.
naus: in der Wirtschafts- und Fiskalpolitik, die die Italiener weniger Immer samstags: Florian Eder von „Politico“ mit einem Insider-Bericht
deutsch machen wollen, aber auch nicht gleich griechisch. Die Umar- aus Brüssel.
DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet.
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