Presseaussendung RoundTABLE Walter Russell Mead

Was diese US-Präsidentschafts-(Vor-)Wahlen so spannend macht
US-Politologe Walter Russell Mead bei RoundTABLE der ACADEMIA SUPERIOR
Wird ein neuer Präsident in den USA gewählt, interessiert das die ganze Welt – und speziell bei dieser
Wahl, bei der sich aufgrund der Akteure auch die Vorwahlen schon sehr spannend gestalten. Die
Linzer ACADEMIA SUPERIOR lud in Kooperation mit der US-Botschaft und der Austro-American
Society Upper Austria den renommierten US-Außenpolitik-Experten, ehemaligen Yale-Professor und
vielzitierten Meinungsmacher Walter Russell Mead ein, um mit ihm über den Ausgang der Wahlen in
Amerika, mögliche globale politische Konsequenzen und globale politische Herausforderungen
unserer Zeit zu diskutieren.
Wahlen so spannend wie noch nie
„Demokratie ist die unterhaltsamste Form der Regierung“, meint der Universitätsprofessor Walter
Russell Mead mit einem Augenzwinkern und führt drei Punkte an, was den diesjährigen USPräsidentenwahlkampf nicht nur für US-Amerikanerinnen und -Amerikaner so spannend macht:
1. Eine neue Baby-Boom Generation in den USA wählt heuer erstmals. Diese jungen USAmerikanerinnen und –Amerikaner konzentrieren sich auf sich selbst, sind unabhängiger und
scheinen sich nicht mehr an die alten politischen Restriktionen früherer Generationen
gebunden zu fühlen – was beispielsweise Sozialismus für sie zu einem attraktiveren Modell
als für ihre Eltern und Großeltern macht.
2. Die etablierten gesellschaftlichen Modelle funktionieren für viele Menschen nicht mehr so
gut wie früher. In den sogenannten „guten Jahren“ war das Leben vorhersehbar, die
Arbeitslosigkeit niedrig und das Wohlstandswachstum erreichte breitere Schichten. Die
Dynamiken der letzten zwanzig Jahre haben das verändert, weshalb heute auch immer
stärkere Unterschiede zwischen extremer Armut und Reichtum beobachtbar sind. Diese
Dynamik macht sich auch im Wahlkampf bemerkbar: Trump, der die frustrierte, wütende
Wählerschicht anspricht und Sanders, der Stabilität verspricht.
3. Das internationale politische System hat sich überraschend verändert. Vor wenigen Jahren
noch hätte niemand gedacht, dass Russland einmal wieder aktiv Kriege, wie in Syrien, der
Ukraine oder im Kaukasus führen wird, dass ein islamisches Kalifat real entstehen könnte
oder Chinas Politik seinen Nachbarn gegenüber derart aggressive Töne anschlagen würde.
Wenn die globalen Ereignisse nicht mehr einem positiven Skript folgen, werden
Wirtschaftssysteme, Lebensstandard und Sicherheit plötzlich in Frage gestellt. Fazit: das
Establishment der letzten zwanzig Jahre hat nichts verbessert und die Menschen sehnen sich
nach Neuem.
Diese drei Entwicklungen, von denen die letzten beiden auch auf Europa zutreffen, stellen die
Politikerinnen und Politiker vor große Herausforderungen: Die Menschen fordern von der Politik
dafür zu sorgen, dass sie in einer zunehmend unsicherer werdenden Welt ihren Wohlstand und ihre
Sicherheit erhalten.
US-Experte Mead sieht derzeit aber niemanden, der eine einfache Lösung für diese Probleme
anbieten kann: „Die eine Person, die Lösungen für all diese Probleme anbieten kann, habe ich leider
noch nicht getroffen“. Deshalb werde der politische Stil derzeit auch immer aggressiver und
populistischer und so haben im US-Wahlkampf auch Persönlichkeiten wie Donald Trump eine reale
Chance, was früher undenkbar gewesen wäre.
Keine Angst vor einem Clown-Präsidenten
Auf die Frage, ob die Konsequenzen für die Welt katastrophal wären, wenn jemand wie Donald
Trump zum US-Präsidenten werden würde, beruhigte Mead: „Trump erinnert mich an Silvio
Berlusconi. Der wollte um jeden Preis italienischer Ministerpräsident werden und hat dafür schräge
außenpolitische Ansichten in den Wahlkämpfen formuliert. Aber als die Wahl gewonnen war, war
sein Programm beendet. Berlusconi wollte eigentlich nur mehr eins: es sich gut gehen lassen und
Spaß haben.“ Mit großen außenpolitischen Konsequenzen rechnet der Politik-Experte deshalb auch
nicht, wenn Trump Präsident werden würde.
Hillary gegen Trump?
Bei den Demokraten sieht der Politik-Professor Hillary Clinton in der besseren Position, den
Vorwahlkampf für sich zu entscheiden – auch wenn mit Bernie Sanders ein ungeahnt starker
Konkurrent aufgetreten ist. Mit dem guten Abschneiden von Donald Trump hätte er aber nie
gerechnet, gibt Mead unumwunden zu. Trump ist zwar derzeit der eindeutige Favorit bei den
Republikanern, aber wie es wirklich ausgehen wird kann man noch nicht sagen – „vor allem weil fast
alle Repräsentanten der Partei gegen Trump sind. Das macht die Sache sehr unsicher.“ So könnte
Trump zwar die Vorwahlen in vielen Staaten gewinnen, aber trotzdem nicht genügend Wahlstimmen
sammeln, so der Experte.
Ist die US-Demokratie fit für die Zukunft?
Auch wenn die Politikerinnen und Politiker derzeit noch keine Antworten auf die großen Probleme
haben, für Mead ist das demokratische System der USA trotzdem dasjenige politische Modell, dass
am ehesten dazu in der Lage sein wird, diese zu entwickeln. „Kein politisches System kann die
komplexen Probleme der Welt einfach lösen. Wenn aber ein System das leisten kann, dann nur
eines, das stabile politische Rahmenbedingungen aufweist – und die haben die USA “, führte Mead
aus.
EU muss sich auf die wichtigen Herausforderungen konzentrieren
„Die USA brauchen die EU“, ist Mead überzeugt, denn immer wenn Europa in eine Krise gefallen ist,
litten darunter auch die USA. Der Außenpolitik-Experte sieht viele Parallelen zwischen den USA und
der EU und warnt davor, die EU zu sehr zu belasten: „Die EU soll sich auf das konzentrieren, was
wirklich wichtig ist und sie gut kann und andere Entscheidungen die einzelnen Länder treffen lassen,“
so der Außenblick des Experten.
Walter Russell Mead
Geboren am 12. Juni 1952, derzeit Professor für Außenpolitik am US-Bard College, lehrte er davor an
der renommierten Yale Universität. Bis 2010 war er außerdem Senior Fellow für amerikanische
Außenpolitik im Think Tank „Council on Foreign Relations“. Er ist Editor-at-Large für das Magazin
„The American Interest“ und Mitglied des Hudson Institute.
Foto 1: US-Politologe Walter Mead bei Academia Superior
Foto 2: US-Politologe Walter Mead
Fotos honorarfrei © Academia Superior/ Otto Eysn
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