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NZZ – ZEITUNG FÜR DIE SCHWEIZ
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gegründet 1780
Samstag/Sonntag, 24./25. Januar 2015 V Nr. 19 V 236. Jg.
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Grossbritanniens
grösster Staatsmann
Griechische Zauberkünstler
Salman ist neuer
König Saudiarabiens
Vor 50 Jahren starb Churchill
Sollte der Oppositionsführer Tsipras die Wahlen am Sonntag gewinnen und Regierungschef werden, stehen
Griechenland unsichere Zeiten bevor. Doch sein Handlungsspielraum ist eingeengt. Von Cyrill Stieger
Machtkämpfe drohen
Umstrittene Regeln
für Wohnungen
Vieles erinnert dieser Tage in Athen an die Parlamentswahlen
von Mai und Juni 2012. Damals war die Aufregung gross, vor
allem bei westlichen Politikern. Von einer Schicksalswahl war
die Rede, die nicht nur über die Zukunft Griechenlands entscheiden werde, sondern auch über das Schicksal der EuroZone. Gross war die Befürchtung, dass das Bündnis der radikalen Linken, Syriza, mit Alexis Tsipras an der Spitze die
Wahlen gewinnen könnte. Dieser hatte im Wahlkampf verkündet, er werde die Sparpolitik beenden und die von den
westlichen Geldgebern aufgezwungenen Strukturreformen
rückgängig machen. Eine Stimme für Syriza sei eine Stimme
für den Austritt aus der Euro-Zone, sagte damals der heutige
Ministerpräsident Antonis Samaras. Tsipras scheiterte, wenn
auch nur knapp. Samaras siegte, doch fand er keine Koalitionspartner. So musste nochmals gewählt werden. Diesmal
bildeten die beiden Traditionsparteien, die Panhellenische
Sozialistische Bewegung (Pasok) und die konservative Nea
Dimokratia, eine grosse Koalition. Etwas anderes blieb den
beiden Rivalen, die nach dem Ende der Militärherrschaft 1974
und der Rückkehr zur Demokratie abwechselnd und oft in
selbstherrlicher Weise allein regiert hatten, auch gar nicht
übrig. Die lange Zeit der Einparteiregierungen war vorbei.
Probleme bei Stockwerkeigentum
Wunsch nach Änderung
dsc. V Die Mitbestimmung im Stockwerkeigentum sorgt immer wieder für
Konflikte, weil einzelne Miteigentümer
etwa energetische Sanierungen blockieren oder hinauszögern. Die zuständige
Fachkammer des Schweizerischen Verbands für Immobilienwirtschaft regt
neue Gesetze an, doch der Bund gibt
sich zurückhaltend. Ein Problem ist oft
die fehlende Professionalität der mit der
Verwaltung beauftragten Treuhänder.
Schweiz, Seite 13
Heute gilt Tsipras sogar als Favorit. Syriza, ein loses Bündnis
linker Splitterparteien und Plattformen, war 2012 praktisch
aus dem Nichts aufgetaucht. Auch wenn das Linksbündnis bei
den Wahlen am Sonntag am meisten Stimmen erhalten sollte,
bedeutet das noch lange nicht, dass der nächste Regierungschef Alexis Tsipras heisst und dass damit erstmals in der
Nachkriegsgeschichte Griechenlands eine weit links stehende
politische Kraft an die Macht kommt. Denn dazu müsste Tsipras wohl Koalitionspartner finden, und das dürfte nicht einfach sein. Während Syriza kometenhaft aufstieg, erlebt die
einst mächtige Mitte-Links-Partei Pasok einen beispiellosen
Niedergang. Bei den Wahlen von 2009 erhielt sie noch fast 44
Prozent der Stimmen und erreichte eine absolute Mehrheit.
Inzwischen ist sie bedeutungslos geworden und hat sich vor
kurzem auch noch gespalten. Ausgerechnet Jiorgos Papandreou sagte sich von der von seinem Vater gegründeten Partei
los. Die Pasok, die zu Beginn der schweren Finanzkrise die
Last des Sparkurses allein tragen musste, bekam den Zorn der
Bevölkerung zu spüren und wurde – zu Unrecht – für alle
Übel allein verantwortlich gemacht. Sie musste dafür bitter
büssen. Die Partei könnte nun sogar an der 3-Prozent-Hürde
für den Einzug in das Parlament scheitern.
Im Gegensatz zu 2012 ist die Aufregung im Westen diesmal
weniger gross. Die Euro-Zone ist stabiler geworden, und die
Furcht vor einer Ansteckung hat sich verflüchtigt. Zwar bestehen westliche Politiker und die Geldgeber noch immer auf
einer Fortsetzung des Reformkurses und der Einhaltung der
eingegangenen Verpflichtungen. Gönnerhafte Belehrungen
und offene oder versteckte Warnungen davor, was alles geschehen könnte, wenn Tsipras gewählt würde, sind jedoch
Wasser auf die Mühlen von Syriza. Es ist nur allzu menschlich,
wenn die griechische Bevölkerung nach fünf Jahren Misere
genug hat vom Sparen und von Reformen, die ihr jene auferlegen, die das Land mit Krediten über Wasser halten. Der
So sehen Schweizer
Muslime ihre Rolle
Gespräch mit drei Islam-Vertretern
hhs. V Nach den Anschlägen von Paris
stehen auch die Schweizer Muslime im
Zentrum des Interesses. Die türkischstämmige Islamwissenschafterin Dilek
Ekinci, der iranisch-schweizerische Soziologe Amir Sheikhzadegan und die
Kosovarin Fitore Sinanaj vom Islamischen Zentralrat diskutieren über Integration, Islamismus und Säkularisierung. Einig sind sie sich, dass der Islam
in 20 Jahren ein selbstverständlicher Teil
der Schweizer Gesellschaft sein wird.
Schweiz, Seite 15
WETTER
Schwacher Schneefall
Im Norden bewölkt, an den Voralpen
zu Beginn noch schwacher Schneefall.
Vor allem in den Alpen vorübergehend sonnige Abschnitte. Am Nachmittag bewölkt und Schneefall oder
Regen. Um 0 Grad. Im Süden vorwiegend sonnig und windig. Im Engadin
am Abend etwas Schneefall.
Seite 65
BÖRSE
Dow Jones
17672,60
–0,79%
8161,16
2,02%
Euro in Franken
0,9879
–0,20%
Erdöl (WTI in $)
45,34
SMI
–2,79%
Seite 35
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Wunsch nach einer Alternative, mit welchem Risiko und mit
welcher Ungewissheit diese auch immer behaftet sein mag, ist
weit verbreitet; ebenso der Wunsch nach neuen, unverbrauchten Kräften und einer gerechteren Verteilung der Lasten.
Tsipras kündigte Sozialprogramme an, die viel Geld kosten. Zugleich will er einen ausgeglichenen Haushalt. Mehr
Sozialstaat bei weniger Reformen, mehr Wohlstand ohne
Austerität, lautet seine Zauberformel. Die Frage ist nur, wie
das finanziert werden soll. Syriza verspricht zwar, die Korruption und die Steuerhinterziehung endlich energisch zu bekämpfen. Dabei sollen vor allem die Reichen, unter ihnen die
Reeder, die kaum Steuern bezahlen, stärker zur Kasse gebeten werden. Das wäre auch dringend notwendig. Doch daran haben sich schon viele Politiker die Zähne ausgebissen.
Es wird für Tsipras schwierig sein, die Anti-Spar-Rhetorik
in konstruktive Politik umzuwandeln, ohne die eigene Glaubwürdigkeit zu untergraben. Er will zwar, wie er nun betont,
mit den europäischen Partnern über einen teilweisen Schuldenerlass verhandeln. Auch eine Syriza-Regierung ist auf
westliche Finanzhilfe angewiesen, die nicht ohne Auflagen zu
haben ist. Tsipras hat denn auch in den letzten Wochen seinen
Ton gemässigt. Er gibt sich kompromissbereiter als 2012. Damals hatte er verkündet, er werde nie einer Regierung beitreten, die bereit sei, die im Gegenzug für die Finanzhilfe vereinbarten Sparmassnahmen umzusetzen. Tsipras hat aus der
Wahlniederlage Lehren gezogen. Allerdings gibt es in seiner
Partei radikalere Kräfte, die sich – anders als Tsipras – vom
Euro abwenden und zur Drachme zurückkehren wollen.
Ein Samaras light?
Tsipras hat viele Gesichter, das Programm von Syriza ist unscharf, die Partei spricht mit verschiedenen Stimmen. Griechische Politiker waren schon immer sehr wandlungsfähig, wenn
es um die Macht ging. Wird Tsipras, sollte er tatsächlich Regierungsverantwortung übernehmen, angesichts der finanziellen
Zwänge ein neuer Samaras oder wenigstens ein Samaras
light? Und wird sich dann einer aus dem linken Flügel der linken Syriza zum neuen Tsipras aufschwingen? Auch Samaras
hatte 2011 das von den Geldgebern verordnete Sparpaket
strikt abgelehnt. Er tat genau das, was Tsipras heute tut. Damals war die Pasok an der Macht und Samaras in der Opposition. Mit seiner Obstruktionspolitik konnte er, wie Tsipras
heute, bei den Wählern punkten. Einmal an der Macht, wandelte sich Samaras dann aber rasch zum verlässlichen Partner
des Westens und zum Garanten des Sparkurses. Der Volkstribun Tsipras ist allerdings mit seiner klassenkämpferischen
und antiliberalen Rhetorik und seinem linken Populismus
weiter gegangen als der wendige und wandlungsfähige Samaras im Jahr 2011. Eine ähnlich halsbrecherische Kehrtwende,
wie sie Samaras vollführte, ist von Tsipras nicht zu erwarten.
Er würde sie politisch auch gar nicht überleben.
Dennoch wird sich auch Tsipras, sollte er an die Macht
kommen, mit den Gläubigern arrangieren müssen. Griechenland ist noch lange nicht über den Berg. Geht Tsipras zu viele
Kompromisse ein, werden sich seine Anhänger in Scharen von
ihm abwenden. Bleibt er unerbittlich, droht dem Land neues
wirtschaftliches Ungemach. Es könnte sein, dass Tsipras zum
Verlierer wird, auch wenn er die Wahlen gewinnt.
ZÜRICH UND REGION
ROHWAREN
Seite 9
Seite 19
Seite 37
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INTERNATIONAL
PANORAMA
SPORT
Seite 10
Seite 26
Seite 52
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SCHWEIZ
FOKUS DER WIRTSCHAFT
FEUILLETON
Seite 17
Seite 33
Seite 55
Justizdirektion
entlastet Kesb
Lyon «redynamisiert»
Problemviertel
Wenn Fahrende
Winterpause machen
Sportresultate 49
TV/Radio 66, 67
Ausstellung:
Krieg spielen ist «in»
Griechenland:
Was Syriza verspricht
Anlagefonds 45
Kunsthandel 54
Willkommene
Euro-Schwäche
«Währungskrieg» kaum realistisch
cae. V Die vorgesehene Flutung der
Märkte mit Liquidität schwächt den
Aussenwert des Euro. Diese Nebenwirkung der Politik der Europäischen Zentralbank kommt den Währungshütern
gerade recht. Sie kurbelt die Exportwirtschaft an und reduziert die Gefahr
einer Deflation. Dass mehrere Länder
ähnliche Rezepte anwenden werden,
scheint derzeit wenig wahrscheinlich.
Während der Euro schwächelt, haussieren die Kurse an den Aktienbörsen. In
der Euro-Zone klettern vor allem die
Valoren der Exportwirtschaft. Der
deutsche DAX erklimmt Rekordstände.
Meinung & Debatte, Seite 23
Wirtschaft, Seite 27
Börsen und Märkte, Seite 35
Phantastische Malerei
INTERNATIONAL
Thailand: Yingluck
aus Politik verbannt
ks. V Salman bin Abdelaziz Al Saud ist
dem verstorbenen saudischen König
Abdallah am Freitag auf den Thron gefolgt. Nur wenige Stunden nach dem
Tod Abdallahs hat der neue Herrscher
die künftige Thronfolge bereits geregelt. Damit sollen wohl Gerüchte über
einen Machtkampf im Hause Saud zerstreut werden. Ob dies gelingt, ist zweifelhaft: Alte und neue Allianzen unter
den Hunderten von Prinzen werden
versuchen, einem der Ihren einen Platz
in der Thronfolge zu verschaffen. Einen
Machtkampf kann sich das Land angesichts der aussenpolitischen Herausforderungen nicht leisten. Die Terrormiliz
IS untergräbt die Legitimität der saudischen Herrschaft und bedroht die Nordgrenze des Landes; im Nachbarland
Jemen ist der Staat zerbrochen, und
schiitische Rebellen geben dort nun den
Ton an. In der ganzen Region wird
Saudiarabien vom Erzrivalen Iran herausgefordert. Aber auch im Inneren
drohen Gefahren: Der Staat ist verschuldet und muss wegen des tiefen Ölpreises mit zunehmenden Einbussen
rechnen. Die Jugendarbeitslosigkeit ist
hoch, die Wirtschaft von Gastarbeitern
abhängig. Als Modernisierer wird sich
der neue König aber kaum profilieren.
Salman unterstützte zwar stets die zaghaften Reformen seines Vorgängers, bezeichnete sie aber als zu schnell.
International, Seite 5, 7
Kommentar, Seite 5
Debatte um angeblich
schädliche Spekulation
Federer verliert
und wird hinterfragt
Was Gewalt gegen
Provokateure bezweckt
Veranstaltungen 56–60
Kino 58
Redaktion und Verlag: Neue Zürcher Zeitung, Falkenstrasse 11, Postfach, 8021 Zürich, Telefon +41 44 258 11 11,
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Rendez-vous 58
Trauer 16
BPK
srs. V Als Winston Spencer Churchill
am 24. Januar 1965 mit 90 Jahren starb,
trauerte nicht nur Grossbritannien um
einen grossen Politiker. Millionen von
Menschen zollten am Staatsbegräbnis
einem Mann Tribut, der mit Entschlossenheit an der Spitze Grossbritanniens
im Zweiten Weltkrieg stand. Churchill
stürzte sich als junger Mann in mehrere
Kriegsabenteuer, durchlief eine wechselvolle politische Karriere und wurde
1940 Premierminister, mit bereits 65
Jahren. Schon zuvor hatte er öffentlich
vor Hitler gewarnt. Den Freiheitswillen
der Briten befeuerte er mit berühmt gewordenen Reden. Sich mit Hitler zu
arrangieren, wie es wohl andere getan
hätten, lehnte er ab. Stattdessen bot er
dem Diktator die Stirn.
International, Seite 11
Der sienesische Maler Giovanni di Paolo suchte in seinen Bildern nach maximaler Intensität – und entschied sich dabei bewusst gegen eine möglichst wirklichkeitsnahe Darstellung, wie sie zu
jener Zeit Mode war. Das zeigt unter
anderem seine «Kreuzigung Christi» in
der Berliner Gemäldegalerie.
Literatur und Kunst, Seite 61