POLITISCHER BERICHT AUS GRIECHENLAND Polixeni Kapellou Leiterin der Verbindungsstelle Athen Nr. 16 / 2015 – 21. Juli 2015 IMPRESSUM Herausgeber Copyright 2015, Hanns-Seidel-Stiftung e.V., München Lazarettstraße 33, 80636 München, Tel.: +49 (0)89 1258-0, E-Mail: [email protected], Online: www.hss.de Vorsitzende Prof. Ursula Männle Staatsministerin a.D. Hauptgeschäftsführer Dr. Peter Witterauf Verantwortlich Ludwig Mailinger Leiter des Büros für Verbindungsstellen Washington, Brüssel, Moskau, Athen / Internationale Konferenzen Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Tel.: +49 (0)89 1258-202 oder -204 Fax: +49 (0)89 1258-368 E-Mail: [email protected] Alle Rechte, insbesondere das Recht der Vervielfältigung, Verbreitung sowie Übersetzung, vorbehalten. Kein Teil dieses Berichtes darf in irgendeiner Form (durch Fotokopie, Mikrofilm oder ein anderes Verfahren) ohne schriftliche Genehmigung der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. reproduziert oder unter Verwendung elektronischer Systeme verarbeitet, vervielfältigt oder verbreitet werden. Das Copyright für diese Publikation liegt bei der Hanns-Seidel-Stiftung e.V. Namentlich gekennzeichnete Beiträge geben nicht unbedingt die Meinung des Herausgebers wieder. Die Autoren tragen für ihre Texte die volle Verantwortung. Die Parlamentsabstimmung von Polixeni Kapellou Mit den Stimmen der proeuropäischen Oppositionsparteien (Nea Dimokratia, Pasok und Potami) hat der Ministerpräsident Alexis Tsipras die ersten tiefgreifenden Reformen durch das Parlament gebracht. Das griechische Parlament hat in den frühen Morgenstunden vom 16. Juli 2015 mit einer breiten Mehrheit (229 Ja-Stimmen, 64 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen) das Spar-und Reformpaket gebilligt. Die Opposition unterstützte den Kurs von Tsipras, doch ein Viertel seiner eigenen Syriza-Fraktion verweigerte ihm die Gefolgschaft - darunter Linken-Anführer und Energieminister Lafazanis, ExFinazminister Varoufakis und die Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou. 32 Abgeordnete der Syriza-Fraktion, die meisten aus der sogenannten „Linken Plattform“ haben mit „Nein“ votiert, während sich sechs Abgeordnete der Stimme enthielten. Die Abstimmung im Parlament hat deutlich gezeigt, dass es zum ersten Mal seit fünf Jahren eine breite politische Mehrheit und Zustimmung dafür gibt, Griechenland gegen harte Auflagen in der Eurozone zu halten. Die Abstimmung hat jedoch auch gezeigt, dass innerhalb der Regierungspartei eine tiefe, die Stabilität des Landes gefährdende politische Kluft besteht. Der Ministerpräsident steht nun vor der Herausforderung, sowohl diese breite Mehrheit im Parlament aufrechtzuerhalten und damit den Verbleib des Landes im Euro zu sichern, als auch die deutlichen politischen Diskrepanzen und Unstimmigkeiten innerhalb seiner Partei und seiner Fraktion zu überwinden. Es ist offensichtlich, dass sich die Regierung nicht weiter auf Parlamentarier und auf Minister verlassen kann, die gegen die Vereinbarung mit der Eurogruppe und damit gegen eine zukunftsorientierte Reformpolitik gestimmt haben. Der Ministerpräsident muss nun Initiativen ergreifen, um die reibungslose Umsetzung des Reformkurses zu gewährleisten und das Abkommen mit den europäischen Partnern mit Leben zu füllen. Kabinettsumbildung und Neuwahlen Nach der Parlamentsabstimmung versuchte Alexis Tsipras einen Befreiungsschlag, um sich der Abhängigkeit von den 32 Abweichlern zu entledigen. Tsipras ist entschlossen, Griechenland in der Eurozone zu halten und dafür hat er den Rückhalt der proeuropäischen Parteien im Parlament. Allerdings fehlt ihm die Unterstützung eines Viertels seiner eigener Partei. Tsipras soll laut Presseberichten gegenüber engen Mitarbeitern erklärt haben, er würde die 32 Abweichler nicht mehr als Mitglieder seiner Fraktion betrachten. 1 Am Samstag, den 18. Juli 2015, wurde die neue Regierung vereidigt. Am Vorabend hatte der Ministerpräsident im Rahmen einer Kabinettsumbildung zahlreiche Vertreter des linken Flügels seiner Syriza-Partei entlassen. Sie wurden durch enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs ersetzt. Das wichtige Ministerium für Umwelt und Energie, das zahlreiche Privatisierungen vornehmen muss, übernahm Tsipras Mitarbeiter Panos Skourletis. Finanzminister bleibt Euklidis Tsakalotos. Auch Außenminister Nikos Kotzias behält sein Amt. Unter den Entlassenen war der Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis, ein kompromissloser Gegner des Reformpakets. Zudem wurde der stellvertretende Minister für Sozialfragen, Dimitris Stratoulis, gefeuert. Die beiden gelten als Anführer des linken Flügels der Partei von Tsipras. Sie sperrten sich gegen weitere Sparmaßnahmen und Privatisierungen und befürworteten offen den Austritt aus der Eurozone. Neben ihnen mussten auch mehrere Vizeminister gehen. Neuwahlen im Herbst wahrscheinlich Alexis Tsipras will die Verhandlungen über das dritte Milliarden-Hilfsprogramm mit einer neuen Regierung unter Dach und Fach bringen. Der nächste Schritt sollen vorgezogene Neuwahlen voraussichtlich im September oder Oktober sein. Die Vertreter der „Linken Plattform“ von Syriza, Ex-Energieminister Lafazanis, Ex-Finanzminister Varoufakis und Parlamentspräsidentin Konstantopoulou, wollen allerdings keine Neuwahlen. Sollte es zu Neuwahlen im kommenden Herbst kommen, hätte der Ministerpräsident laut Wahlgesetz freie Hand bei der Zusammensetzung der Wahlliste seiner Partei. Er dürfte dann nur Kandidaten aufstellen, die seine Politik unterstützen. Mitglieder der „Linken Plattform“ würden kaum mehr berücksichtigt werden. Athen setzt die Reformmaßnahmen um Mit sofortiger Wirkung müssen die Griechen für viele Produkte mehr bezahlen, denn die Regierung hat die Mehrwertsteuer von 13 auf 23 Prozent angehoben. Auf viele Waren und Dienstleistungen, für die bislang der ermäßigte Satz von 13 Prozent galt, wird nun der reguläre Satz von 23 Prozent fällig. Für alle verarbeiteten Lebensmittel beträgt die Mehrwertsteuer künftig 23 Prozent. So werden unter anderem bestimmte Fleisch- und Speiseölsorten, Kaffee, Tee, Kakao, Essig, Reis, Mehl, Milchprodukte usw. teurer Der erhöhte Satz trifft auch Dienstleister wie Taxifahrer, Bestattungsunternehmer und Nachhilfelehrer. Anfang August dürften auch die Fahrscheine für den öffentlichen Nahverkehr teurer werden. Die Mehrwertsteuererhöhung soll dem Staat allein bis Jahresende 800 Millionen Euro zusätzlich einbringen. Der zweite Teil des Reform- und Sparpakets soll nach der Einigung mit den Gläubigern bis Mittwoch, den 22.07.2015, verabschiedet werden. Es ist eine ebenso entscheidende wie kritische Abstimmung im Parlament zu erwarten, von deren Ausgang auch der Verbleib der Tsipras-Regierung im Amt abhängt. 2 Banken sind wieder geöffnet Die seit drei Wochen geschlossenen griechischen Banken haben am Montag, den 20. Juli 2015, wieder geöffnet. Der entsprechende Erlass wurde von den zuständigen Ministern unterzeichnet. Die meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben aber in Kraft. Damit es nicht mehr zu langen Warteschlangen vor den Geldautomaten kommt, können die Bürger pro Woche maximal 420 Euro abheben. Bislang waren es pro Tag höchstens 60 Euro. 3
© Copyright 2024 ExpyDoc