"Die Parlamentsabstimmung", 21. Juli 2015 - Hanns-Seidel

POLITISCHER BERICHT AUS
GRIECHENLAND
Polixeni Kapellou
Leiterin der Verbindungsstelle Athen
Nr. 16 / 2015 – 21. Juli 2015
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Die Parlamentsabstimmung
von Polixeni Kapellou
Mit den Stimmen der proeuropäischen Oppositionsparteien (Nea Dimokratia, Pasok und Potami) hat
der Ministerpräsident Alexis Tsipras die ersten tiefgreifenden Reformen durch das Parlament
gebracht.
Das griechische Parlament hat in den frühen Morgenstunden vom 16. Juli 2015 mit einer breiten
Mehrheit (229 Ja-Stimmen, 64 Nein-Stimmen und 6 Enthaltungen) das Spar-und Reformpaket
gebilligt.
Die Opposition unterstützte den Kurs von Tsipras, doch ein Viertel seiner eigenen Syriza-Fraktion
verweigerte ihm die Gefolgschaft - darunter Linken-Anführer und Energieminister Lafazanis, ExFinazminister Varoufakis und die Parlamentspräsidentin Zoi Konstantopoulou.
32 Abgeordnete der Syriza-Fraktion, die meisten aus der sogenannten „Linken Plattform“ haben mit
„Nein“ votiert, während sich sechs Abgeordnete der Stimme enthielten.
Die Abstimmung im Parlament hat deutlich gezeigt, dass es zum ersten Mal seit fünf Jahren eine
breite politische Mehrheit und Zustimmung dafür gibt, Griechenland gegen harte Auflagen in der
Eurozone zu halten. Die Abstimmung hat jedoch auch gezeigt, dass innerhalb der Regierungspartei
eine tiefe, die Stabilität des Landes gefährdende politische Kluft besteht.
Der Ministerpräsident steht nun vor der Herausforderung, sowohl diese breite Mehrheit im Parlament
aufrechtzuerhalten und damit den Verbleib des Landes im Euro zu sichern, als auch die deutlichen
politischen Diskrepanzen und Unstimmigkeiten innerhalb seiner Partei und seiner Fraktion zu
überwinden.
Es ist offensichtlich, dass sich die Regierung nicht weiter auf Parlamentarier und auf Minister
verlassen kann, die gegen die Vereinbarung mit der Eurogruppe und damit gegen eine
zukunftsorientierte Reformpolitik gestimmt haben.
Der Ministerpräsident muss nun Initiativen ergreifen, um die reibungslose Umsetzung des
Reformkurses zu gewährleisten und das Abkommen mit den europäischen Partnern mit Leben zu
füllen.
Kabinettsumbildung und Neuwahlen
Nach der Parlamentsabstimmung versuchte Alexis Tsipras einen Befreiungsschlag, um sich der
Abhängigkeit von den 32 Abweichlern zu entledigen. Tsipras ist entschlossen, Griechenland in der
Eurozone zu halten und dafür hat er den Rückhalt der proeuropäischen Parteien im Parlament.
Allerdings fehlt ihm die Unterstützung eines Viertels seiner eigener Partei. Tsipras soll laut
Presseberichten gegenüber engen Mitarbeitern erklärt haben, er würde die 32 Abweichler nicht mehr
als Mitglieder seiner Fraktion betrachten.
1 Am Samstag, den 18. Juli 2015, wurde die neue Regierung vereidigt. Am Vorabend hatte der
Ministerpräsident im Rahmen einer Kabinettsumbildung zahlreiche Vertreter des linken Flügels
seiner Syriza-Partei entlassen. Sie wurden durch enge Mitarbeiter und Vertraute des Regierungschefs
ersetzt. Das wichtige Ministerium für Umwelt und Energie, das zahlreiche Privatisierungen
vornehmen muss, übernahm Tsipras Mitarbeiter Panos Skourletis. Finanzminister bleibt Euklidis
Tsakalotos. Auch Außenminister Nikos Kotzias behält sein Amt.
Unter den Entlassenen war der Energie- und Umweltminister Panagiotis Lafazanis, ein
kompromissloser Gegner des Reformpakets. Zudem wurde der stellvertretende Minister für
Sozialfragen, Dimitris Stratoulis, gefeuert. Die beiden gelten als Anführer des linken Flügels der
Partei von Tsipras. Sie sperrten sich gegen weitere Sparmaßnahmen und Privatisierungen und
befürworteten offen den Austritt aus der Eurozone. Neben ihnen mussten auch mehrere Vizeminister
gehen.
Neuwahlen im Herbst wahrscheinlich
Alexis Tsipras will die Verhandlungen über das dritte Milliarden-Hilfsprogramm mit einer neuen
Regierung unter Dach und Fach bringen.
Der nächste Schritt sollen vorgezogene Neuwahlen voraussichtlich im September oder Oktober sein.
Die Vertreter der „Linken Plattform“ von Syriza, Ex-Energieminister Lafazanis, Ex-Finanzminister
Varoufakis und Parlamentspräsidentin Konstantopoulou, wollen allerdings keine Neuwahlen.
Sollte es zu Neuwahlen im kommenden Herbst kommen, hätte der Ministerpräsident laut Wahlgesetz
freie Hand bei der Zusammensetzung der Wahlliste seiner Partei. Er dürfte dann nur Kandidaten
aufstellen, die seine Politik unterstützen. Mitglieder der „Linken Plattform“ würden kaum mehr
berücksichtigt werden.
Athen setzt die Reformmaßnahmen um
Mit sofortiger Wirkung müssen die Griechen für viele Produkte mehr bezahlen, denn die Regierung
hat die Mehrwertsteuer von 13 auf 23 Prozent angehoben. Auf viele Waren und Dienstleistungen, für
die bislang der ermäßigte Satz von 13 Prozent galt, wird nun der reguläre Satz von 23 Prozent fällig.
Für alle verarbeiteten Lebensmittel beträgt die Mehrwertsteuer künftig 23 Prozent. So werden unter
anderem bestimmte Fleisch- und Speiseölsorten, Kaffee, Tee, Kakao, Essig, Reis, Mehl,
Milchprodukte usw. teurer Der erhöhte Satz trifft auch Dienstleister wie Taxifahrer,
Bestattungsunternehmer und Nachhilfelehrer. Anfang August dürften auch die Fahrscheine für den
öffentlichen Nahverkehr teurer werden. Die Mehrwertsteuererhöhung soll dem Staat allein bis
Jahresende 800 Millionen Euro zusätzlich einbringen.
Der zweite Teil des Reform- und Sparpakets soll nach der Einigung mit den Gläubigern bis Mittwoch,
den 22.07.2015, verabschiedet werden. Es ist eine ebenso entscheidende wie kritische Abstimmung
im Parlament zu erwarten, von deren Ausgang auch der Verbleib der Tsipras-Regierung im Amt
abhängt.
2 Banken sind wieder geöffnet
Die seit drei Wochen geschlossenen griechischen Banken haben am Montag, den 20. Juli 2015,
wieder geöffnet. Der entsprechende Erlass wurde von den zuständigen Ministern unterzeichnet. Die
meisten Kapitalverkehrskontrollen bleiben aber in Kraft. Damit es nicht mehr zu langen
Warteschlangen vor den Geldautomaten kommt, können die Bürger pro Woche maximal 420 Euro
abheben. Bislang waren es pro Tag höchstens 60 Euro.
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