KU N D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 KO M M E N TA R Zippert zappt THEMEN Harte Abrechnung mit der bisherigen Führung REUTERS/TORU HANAI; ADSD DER FES/J.H. DARCHINGER Eine Frau in Tokio trauert um den von der Terrormiliz IS enthaupteten Journalisten Kenji Goto. Ihr Schild mit der Aufschrift „Wir brauchen keine Schwerter“ zeigt die Zerrissenheit des Landes, denn die Botschaft richtet sich auch gegen die japanische Politik. Regierungschef Shinzo Abe sagte, dass Japan den Terroristen „niemals vergeben“ werde. Goto berichtete vor allem über das Schicksal von Kindern in Konfliktregionen. Der IS hatte den 47-Jährigen Siehe Kommentar und Seite 7 im Oktober verschleppt. Tsipras bemüht sich um Schadensbegrenzung Die Stimme der Erinnerung ist verstummt Seite 8 Finanzen Die besten Finanzämter Deutschlands Seite 13 Sport Das Ende des ChampagnerFußballs N ach dem spektakulären Rauswurf der Troika hat sich der neue griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras bemüht, die Wogen im Schuldenstreit mit den europäischen Geldgebern zu glätten. Er zeigt sich vor Gesprächen mit den Euro-Partnern deutlich gemäßigter als zuletzt. „Obwohl es unterschiedliche Perspektiven gibt, bin ich sehr zuversichtlich, dass wir bald eine für beide Seiten zufriedenstellende Vereinbarung treffen können, für Griechenland und für Europa“, teilte Tsipras der Nachrichtenagentur Bloomberg zufolge in einer EMail mit. „Wir brauchen Zeit zum Atmen, um unser eigenes mittelfristiges Reformprogramm zu erarbeiten.“ Tsipras habe am Wochenende mit EZBPräsident Mario Draghi telefoniert, hieß es in Athener Regierungskreisen. In dem Gespräch „sei der Wille erklärt worden, eine für Griechenland und Europa gleichermaßen vorteilhafte Lösung zu finden“. Offenbar rief Tsipras auch EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker und Parlamentspräsident Martin Schulz an, um die harten Worte seines Finanzministers Janis Varoufakis zu relativieren. Varoufakis hatte der Troika, die bislang für die Geldgeber Hilfen und Auflagen mit dem hoch verschuldeten Land aushandelt, am Freitag die Zusammenarbeit aufgekündigt. Die von der linken Syriza geführte Regierung in Athen lehnt die Sparauflagen der Troika ab und will auch das laufende Rettungsprogramm nicht verlängern. Griechenland wird seit 2010 von den Euro-Partnern und dem IWF mit insgesamt 240 Milliarden vor der Staatspleite bewahrt. Mit Span- Rückschlag im Ringen um Frieden in der Ostukraine: Die ersten Krisengespräche seit mehr als einem Monat sind gescheitert. In einer ungewohnt offenen Reaktion machte die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) die prorussischen Separatisten dafür verantwortlich. Statt über eine Waffenruhe zu sprechen, hätten die Aufständischen in der weißrussischen Hauptstadt Minsk eine Korrektur bisheriger Vereinbarungen gefordert, kritisierte die OSZE. Nun stehe der Friedensprozess insgesamt auf der Kippe, meinte Waleri Tschaly von der Präsidialverwaltung in Kiew. Die Konfliktparteien hatten sich nach dem fast vierstündigen Treffen in Minsk gegenseitig vorgeworfen, eine Einigung mit ultimativen Forderungen zu verhindern. Die Gefechte gingen unterdessen mit unverminderter Härte weiter. Die Kämpfe dauerten an allen Frontabschnitten an, teilten Medien in Kiew mit. Mindestens 28 Soldaten und 22 Zivilisten seien zuletzt getötet worden, hieß es. Essay Seite 2 [email protected] – AfD-Gründer Bernd Lucke hat seine Macht in der Partei ausgebaut. Die rund 1700 Teilnehmer des AfD-Parteitags in Bremen folgten am Wochenende mit deutlicher Mehrheit Luckes Wunsch, die AfD nur noch von einem Vorsitzenden führen zu lassen. Mit der bislang dreiköpfigen Spitze rechnete Lucke schonungslos ab: Deren Arbeit sei „stümperhaft“ gewesen. Die neue Führungsstruktur solle die AfD professioneller und schlagkräftiger machen. Parteiinterne Kritiker warfen Lucke vor, mit der Reform seine Machtstellung in der Partei ausbauen zu wollen. Ein Redner attestierte ihm ein Streben nach „Alleinherrschaft“. Die bisherigen Co-Vorsitzenden Frauke Petry und Konrad Adam hatten sich Luckes Plänen nach anfänglicher Ablehnung gebeugt – auch, um den öffentlich ausgetragenen Streit zu beenden. Auch der bayerische Finanzminister Markus Söder kritisiert den Streit in der Partei. „Sie ist innerlich total zerrissen und beschäftigt sich mit sich selbst. Inhaltlich hat sie nichts zu bieten,“ sagte er im Interview. Seiten 4 und 5 nung wurde erwartet, wie sich Varoufakis bei seinem Treffen mit dem französischen Finanzminister Michel Sapin am Sonntag in Paris positioniert. Sapin machte bereits im Vorfeld klar, dass ein Schuldenerlass nicht zur Debatte stehe. „Wir werden die Schulden nicht streichen. Wir können darüber diskutieren, wir können aufschieben, wir können ihre Last mindern – aber wir werden sie nicht streichen“, sagte er dem Fernsehsender Canal plus. EU-Kommissionspräsident Juncker plant offenbar, die Troika abzuschaffen. Das Gremium aus Vertretern der Europäischen Zentralbank (EZB), des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der EUKommission solle nicht mehr nach Athen reisen, berichtete das „Handelsblatt“. Zu einer Reform der Troika sei im Prinzip auch die Bundesregierung bereit. Tsipras will sich in den kommenden Tagen mit Juncker treffen und plant außerdem Antrittsbesuche in Zypern, Rom und Paris. Die Gespräche dürften auch auf den geplanten EU-Gipfel und das nächste Treffen der Euro-Finanzminister Mitte Februar zielen. Ein Treffen mit Bundeskanzlerin Angela Merkel in Berlin steht dagegen bisher nicht auf dem Plan. BERATER FÜR DEN SCHULDENSCHNITT Athen hat zur Vorbereitung eines weiteren Schuldenschnitts eine Investmentbank als Berater engagiert. Dabei handelt es sich um das US-Finanzberatungsinstitut Lazard. Es ist die gleiche Bank, die Griechenland beim ersten Schuldenschnitt für private Gläubiger 2012 beraten hatte. Damals wurden Griechenlands Schulden um mehr als 100 Milliarden Euro reduziert. Die neue Regierung strebt dennoch einen weiteren Schuldenschnitt an, um mehr finanziellen Spielraum für das Land zu schaffen. Kommentar Seite 3 und Seite 6 Ein globaler Krieg an muss nicht Carl von Clausewitz heißen, muss kein ausgefuchster Strategieexperte sein, um den Zusammenhang zwischen der Befreiung der Stadt Kobani und der Enthauptung der japanischen Geisel durch die Mörder der Terrorgruppe Islamischer Staat (IS) zu erkennen. Spätestens die Einnahme der heiß umkämpften, zu einem Symbol gewordenen kurdischen Stadt auf syrischem Staatsgebiet hat der Welt vor Augen geführt: Der IS ist nicht allmächtig, er kann zurückgeschlagen werden. Auf diese Niederlage musste die islamistische Mörderbande unter ihrem Führer Abu Bakr al-Baghdadi antworten. Der Terrorismus dieser Sorte gleicht einer flutenden Bewegung: Stehenbleiben ist für ihn Verhängnis, Rücklauf sein Ende, er muss verlangen, immer mehr verlangen, um sich zu behaupten. Er muss erobern, um nicht besiegt zu werden, und er muss dort Stärke zeigen, wo andere seine Schwäche aufgedeckt haben. Der IS weiß: Regierungen verlieren, solange sie nicht gewinnen; Terroristen aber gewinnen, solange sie nicht besiegt sind. Auch deswegen die Tat. Sie führt zu einem weltweiten Entsetzen. Ferner offenbart sie erneut, dass der Kampf gegen den Islamismus nicht einer zwischen Regionen wie dem Westen und dem Nahen und Mittleren Osten ist und auch kein Kampf der Kulturen, nicht einmal eine Auseinandersetzung zwischen demokratischen, offenen und autoritären, geschlossenen Gesellschaften im Sinne des Philosophen Karl Popper, sondern ein globaler Krieg. Er wird von einer totalitären Kraft gegen die restliche Welt geführt – gegen Japan genauso wie gegen Jordanien, gegen Amerika genauso wie gegen Australien, gegen Nigeria genauso wie gegen die Niederlande. Der Schluss, der aus dieser Erkenntnis zu ziehen wäre, ist – auf lange Sicht – ein erfreulicher. Die Geschichte lehrt uns, dass alle großen Weltplanungsunternehmungen, sämtliche Revolutionen, Gegenrevolutionen, Kreuzzüge und Beglückungsutopien, die am Ende einer langen Terrorherrschaft das Paradies bringen sollten, nie zu dem geführt haben, wozu sie führen sollten. Dem Islamismus – ob in Form von al-Qaida, dem IS, Boko Haram oder europäischen Einzelkämpfern – wird es über kurz oder lang ähnlich ergehen. Freilich heißt dieses Wissen nicht, die Hände in den Schoß zu legen. Im Gegenteil, diese Kenntnis sollte dazu dienen, selbstbewusst zu sein und entschlossen, den islamistischen Gegner ähnlich entschieden und kämpferisch niederzuzwingen, wie es der Westen schon zweimal tat, als er den Nationalsozialismus und dann den Kommunismus niederrang. Zu fürchten hat der Westen eigentlich nur die eigene Furcht. BREMEN Griechischer Premier verspricht „zufriedenstellende Vereinbarung“ für Athen und die Euroländer. Auch Frankreich gegen einen Schuldenschnitt Politik J ACQ U E S S C H U ST E R AfD macht Lucke zu ihrem starken Mann „Wir brauchen keine Schwerter“ P rofessor Lucke hat auf dem größten ChaosParteitag aller Nachkriegszeiten erklärt: „Wir sind kein Kegelklub oder Kaninchenzüchter-Verein.“ Diese Äußerung hat große Unruhe unter den deutschen Kegelbahnbetreibern hervorgerufen. Interessiert sich die AfD überhaupt für die Sorgen der Kegelschwestern und -brüder? Die deutsche Kegelszene wartet schon lange auf ein Signal aus der Politik. Es wäre schön gewesen, wenn die AfD ein Bekenntnis zum Kegel- und Bowlingsport abgelegt und Professor Lucke sich endlich als oberster Kegelbruder zu erkennen gegeben hätte. Diese historische Chance hat die Partei leider vertan. Noch schlimmer ist die Lage für die deutschen Kaninchenzüchter. Nachdem der Papst kürzlich erst die karnickelhafte Form der Vermehrung verteufelt und die ehrbaren Züchter damit als Steigbügelhalter der zügellosen Rammelei verunglimpft hatte, wäre es gut gewesen, wenn sich die AfD ohne Wenn und Aber hinter die deutschen Kaninchenzüchter gestellt hätte. Gerade die Schwächsten in unserer Gesellschaft brauchen Schutz, und in Deutschland gibt es viele katholische Kaninchen, die gerne kegeln. B * D 2,30 E URO M O N TAG , 2. F E B RUA R 2 015 Friedensprozess scheitert an Separatisten Erbitterte Kämpfe in der Ostukraine KIEW – M Seite 16 Der heilende Blick eines mysteriösen Kroaten LOTTO: 7 – 27 – 42 – 45 – 46 – 47 Superzahl: 5 Spiel77: 4 5 9 0 9 3 5 Super6: 2 3 2 9 0 3 ohne Gewähr ANZEIGE Gefährliche Meeresbewohner „Geheimnisse der Tiefe: Räuber der Ozeane“ Heute um 22.05 Uhr facebook.com/welt Tochter, Tänzerin und Staatsgeheimnis Wladimir Putins Privatleben ist in Russland tabu. Jetzt ist seine Tochter enttarnt THILO MALUCH Seite 24 Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: ANZEIGE Wir twittern live aus dem Newsroom: twitter.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle E igentlich ist Wladimir Putin ein Freund der schamlosen Inszenierung. Wenn er sich seinem Volk als starker Mann und echter Russe präsentiert, dann zeigt er sich sogar mit nacktem Oberkörper. Wenn Putin hoch zu Ross, als Judoka, Eishockeyspieler oder beim todesmutigen Kampf gegen Waldbrände auftritt, dann schmunzelt das Ausland über diese PR am Rande der Schmerzgrenze. Über den Privatmann ist dagegen nicht viel bekannt, denn das Volk soll nur sehen, was der Kreml für richtig hält. Seine Scheidung verlief fast geräuschlos, wie und wo seine Ex-Frau lebt, ist unbekannt. Seine beiden Töchter sind bisher nie in der Öffentlichkeit aufgetreten. Nun machen Berichte die Runde, die jüngere der beiden Präsidententöchter sei enttarnt worden: Jekaterina, 28, soll unter dem falschen Namen Katerina Wladimirowna Tichonowa eine Organisation namens Innopraktika leiten, die für die Staatliche Moskauer Universität (MGU) ein Milliardenprojekt verantwortet. Mit im Boot sind offenbar auch Staatsunternehmen aus den Bereichen Öl, Nuklearenergie und Wehrtechnik. Wie ein russisches Internetportal nun öffentlich machte, soll der Putin-Gegner Alexej Nawalny die Identität der Tochter aufgedeckt haben. An dieses Tabu hatte sich bislang niemand getraut. Das offizielle Moskau gibt sich verschlossen, Frau Tichonowa ist nicht zu erreichen. Aus der Moskauer Universität kommt allerdings eine Bestätigung. „Ja, sie ist es,“ sagte ein anonymer Mitarbeiter der Nachrichtenagentur Reuters. Trotz des Verdachts auf Mauscheleien und Vetternwirtschaft interessierte sich kaum ein russisches Medium für die angebliche Putina. Die wenigen Bilder zu den spärlichen russischen Berichten zeigen eine junge Frau im Tanzkostüm, die eine gewisse Ähnlichkeit mit Putin und seiner ehemaligen Ehefrau aufweist. Warum im Tanzkostüm? Neben ihrer Tätigkeit bei Innopraktika soll Tichonowa auch noch Vizepräsidentin der World Rock’n’Roll Confederation sein. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail [email protected], Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail [email protected] ISSN 0173-8437 27-6 A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / FIN 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / H 820 FT / I 3,20 & / IRL 3,20 & / KRO 28 KN / L 3,20 & / MLT 3,20 & / N 38 NOK / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / S 42 SEK / SK 3,20 € / SLO 2,80 & + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung DIE WELT BERLIN-2015-02-02-swonl-86 1fba8efa54a718fe77364d1b5ccc7018 ZKZ 7109 NOCH 4 TAGE! „ M A NAGER VOR GER ICHT. WIR VERR ATEN, WER DIE BESTEN STR AFVERTEIDIGER SIND.“ Klaus Boldt, Chefredakteur D I E S E N F R E I TAG I N D E R W E LT DIE GUTEN SEITEN DER WIRTSCHAFT. 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