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Kommentar: 19. 03. 2015: Michael Obergfell,
AfD: Wie oben so unten, Teil 1/2
Die AfD ist eine junge deutsche Partei. Sie ist gerade einmal 2 Jahre alt
geworden (gegründet Februar 2013). Aktuell kommuniziert die AfD Führung
einen offenen Machtkampf zwischen „Flügeln“, die eine existentielle
Zerreißprobe innerhalb der AfD andeuten.
Neue Parteien sind zuerst einmal Sammlungsbewegungen von vielfältigen
Interessen und Konflikten, die in der Gesellschaft gären. So war das ehemals
mit der SPD, die ihren Aufstieg im Zuge des aufsteigenden Kapitalismus nahm,
indem sie sich der Interessen der Industriearbeiter annahm. Zur
Entstehungszeit der SPD stand die „Soziale Frage“ auf der Tagesordnung, weil
im jungen Kapitalismus viele Menschen ihre traditionelle Arbeit verloren und
entweder auf der Straße standen, hungerten und froren, oder in einer sehr
schlecht bezahlten Arbeit unter schlechten Lebensbedingungen ein Leben lang
rechtlos arbeiteten, ohne je eine andere Perspektive zu bekommen.
Die 68er Generation und ihre Linke entstand, weil die westlichen
Gesellschaften einen großen Wohlstand errungen hatten und die Menschen
deshalb gegenüber ihren Regierungen mehr Rechte einforderten. Dabei wurde
die Studentenrevolte aus vielen weiteren Quellen gespeist. Die Grünen
entstanden aus der Friedensbewegung, die in Folge des
Nachrüstungsbeschlusses anwuchs und aus der Ökobewegung, die sich die
Bewahrung der Natur auf ihre Fahnen schrieben und aus der Bewegung der
Linken, die neue Ausdrucksformen suchte.
Die AfD setzt sich zusammen aus Personen, die ehemals in der CDU waren und
denen die Merkel – CDU zu links geworden ist. Sie setzt sich weiterhin
zusammen aus ehemaligen Liberalen, Eurogegnern und einem bürgerlichen
Teil, der sich ganz generell aus der Politik der letzten 20 Jahre ausgegrenzt
fühlte und sich gar nicht mehr politisch artikulieren konnte. Dass die AfD zuerst
eine Sammlungsbewegung war, ist ein gutes Zeichen, denn alleine
Sammlungsbewegungen haben sich bisher dauerhaft in der politischen
Landschaft positionieren können. Nur Parteien, die es verstehen,
unterschiedlichste Gruppen an sich binden zu können, haben die Kraft eine
dauerhafte Größe in der deutschen Politiklandschaft zu sein und zu bleiben.
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Die anfänglichen Erfolge in der Europawahl und in den Landtagswahlen in
Brandenburg, Sachsen, Thüringen und Hamburg geben diesem Konzept recht.
Doch kaum hat sich die AfD ein wenig etablieren können, entzündete sich ein
interner Richtungsstreit. Während in den ersten 1,5 Jahren die gemeinsame
Gegnerschaft gegen den Euro, die Gegnerschaft gegen die etablierten Parteien,
und der allgemeine Politikverdruss in Deutschland die unterschiedlichen
Gruppen zusammen hielt, treibt der innere Konflikt um die richtige Politik der
AfD einer Zuspitzung entgegen.
Die Ankündigung von Bernd Lucke Ende 2014, er wolle keine Parteiführung mit
drei gleichberechtigten Sprechern mehr, sondern eine Führung mit einem
Sprecher bzw. Vorsitzenden, sowie einem Generalsekretär und
stellvertretenden Sprechern war der Beginn eines wohl länger anhaltenden
Machtkampfes. Geschickt warf Lucke sein persönliches Ansehen in die
Waagschale, da kaum jemand in der AfD an eine AfD ohne Lucke glaubt. Er ist
mit Recht diejenige Person mit der größten Öffentlichkeitswirkung und daher in
gewisser Weise für das Wachstum der Partei unverzichtbar.
Es ist auch hauptsächlich Lucke zu verdanken, dass die AfD von den
Leitmedien bisher ziemlich erfolglos als rechtsradikal oder rechtspopulistisch
verunglimpft werden konnte.
Auf dem Bremer Bundesparteitag Ende Januar 2015 trat die von Lucke
herausgeforderte Zerreißprobe überdeutlich hervor. Wie stark die Spannungen
schon vor 2 Monaten waren, zeigt der Umstand, dass nur ein Vorschlag zur
Güte, nämlich eine Doppelspitze bis zum Ende des Jahres, vom
Bundesparteitag angenommen wurde. Erst am Ende des Jahres soll aus der
Doppelspitze die von Lucke angestrebte Ein-Mann-Führung werden. Auf dem
Parteitag kam es zwischen den Parteiflügeln nicht wirklich zur Aussprache.
Lucke obsiegte mit seiner Forderung, der alleinige Vorsitzende zu werden. Der
konservative Flügel hingegen fühlte sich durch das Ergebnis seiner
Einflussmöglichkeiten auf die Geschicke der AfD beraubt.
Dass sich dieser konservative Flügel als Antwort auf die Niederlage in Bremen
besser organisieren würde, war nur eine Frage der Zeit. Und nun kommt diese
Strömung der AfD gleich mit mehreren Initiativen an die Öffentlichkeit mit dem
klaren Ziel, sich für den nächsten Bundesparteitag, auf dem die vereinbarte
Doppelspitze gewählt werden sollte, neue Mehrheiten zu schaffen und seine
Position zurück zu erobern. So gibt es seit einiger Zeit eine patriotische
Plattform innerhalb der AfD. Hinzugekommen ist neuerdings eine Initiative
Bürgerliche AfD in Niedersachsen, sowie um die Verwirrung noch perfekt zu
machen, eine „Bürgerliche AfD“ in NRW, die nichts mit der Gründung in
Niedersachsen zu tun hat oder haben soll.
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Und die allerneueste Entwicklung ist Björn Höckes Aufruf „Der Flügel“, hinter
dem bis jetzt ca. 1000 Unterzeichner für eine „Erfurter Resolution“ stehen, die
aus den verschiedensten Bundesländern kommen. Zu den Unterzeichnern
gehören neben Höcke (Landeschef der AfD Thüringen und MdL) auch Alexander
Gauland(Landeschef der AfD Brandenburg und MdL) sowie André Poggenburg
(Landeschef der AfD Sachsen-Anhalt). Durch die Starke Präsenz von mehreren
Landeschefs bekommt eine solche Resolution natürlich ein ganz anderes
Gewicht.
Und prompt wird dies vom wirtschaftsliberalen Lager gekontert mit einer
Deutschland-Resolution, gezeichnet von Größen wie Bernd Kölmel(Landeschef
der AfD Baden-Württemberg, MdEP), Ulrike Trebesius (Landeschefin der AfD
Schleswig-Holstein, MdEP), Joachim Starbatty(MdEP, Gründungsmitglied der
AfD), Hans-Olaf Henkel(MdEP) u. v. a. m.
Bei Licht betrachtet wurde nun aus einer Partei mit zwei Strömungen ein recht
vielflügelige Wesen, von dem man noch nicht recht weiß, wie das fliegen
können soll. Dabei fragt man sich natürlich, um was der Streit denn jetzt
genau geht? Je mehr man sich in die Materie und die ausgetauschten
Argumente einarbeitet, desto mehr begreift man, dass es bitter nötig ist, die
angeblich unterschiedlichen Argumente und Standpunkte in ihrem wahren
Gehalt zu verstehen. Doch darüber gibt’s mehr im zweiten Teil der Analyse.
Ihr
fortunato
Stichworte: Politik, Innenpolitik, Parteien, Wahlen, Demokratie, AfD
Namen: Bernd Lucke, Alexander Gauland, Björn Höcke, Hans Olaf Henkel,
Joachim Starbatty, fortunato
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