Der Kompromiss – die Einigung der großen Koali

Der Kompromiss – die Einigung der großen Koalition zur Reform der Erbschaftsteuer
[22.06.2016]
Von: Dr. Hannspeter Riedel und Dr. Jasper von Hoerner
Anderthalb Jahre nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts zur Verfassungswidrigkeit des deutschen Erbschaftsteuergesetzes ist zumindest im Gesetzgebungsprozess der
Durchbruch geschafft. Mit gemeinsamer Erklärung von Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble, Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel und Ministerpräsident Horst
Seehofer wurde am Montag, den 20. Juni 2016 die Einigung der großen Koalition zur
Reform der Erbschaft- und Schenkungssteuer verkündet.
Die durch das Bundesverfassungsgericht für eine Neufassung des Gesetzes ursprünglich
gesetzte Frist bis zum 30. Juni kann mit dieser spät erfolgenden Einigung dennoch nicht
mehr gehalten werden. Geplant ist jedoch, dass der Bundestag zeitnah über den Gesetzesentwurf entscheidet, damit das neu gefasste Erbschaftsteuergesetz am 8. Juli 2016
kurz vor der Sommerpause noch den Bundesrat passieren kann. Um die Frist bis zum
30. Juni 2016 zumindest auf Umwegen noch zu wahren, soll die Gesetzesreform rückwirkend zum 1. Juli 2016 in Kraft treten.
Nachfolgend fassen wir die wichtigsten Punkte zusammen:
Begünstigtes Vermögen
Zentraler Punkt der Einigung dürfte die zukünftige Regelung von begünstigungsfähigen
Vermögensbestandteilen innerhalb eines Betriebes in Abgrenzung zu nicht originär betrieblich genutztem und damit nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts auch
nicht per se begünstigungsfähigem Vermögen darstellen. Während nach den bisherigen
Reformüberlegungen stets die Beseitigung der Unterscheidung nach originär betrieblich
genutztem Vermögen zu sog. „Verwaltungsvermögen“ zur Debatte stand und damit
sämtliche Vermögensbestandteile, die nicht „dem Hauptzweck eines Unternehmens
dienen“, grundsätzlich von jeder Verschonung auszunehmen wären, zeigt der nun erzielte Kompromiss in eine andere Richtung. So ist es u. E. zu begrüßen, dass nun der
auch von Seiten der Finanzbehörden präferierte sog. „Verwaltungsvermögenstest“ beibehalten werden soll. Die zukünftige Regelung wird demnach wie folgt aussehen:
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
Vermögensbestandteile, die wie bisher als „Verwaltungsvermögen“ zu qualifizieren
sind, können grundsätzlich nicht im Rahmen eines Betriebsübergangs begünstigt
mitübertragen werden.

10 % des Verwaltungsvermögen können allerdings pauschal als steuerlich begünstigtes Betriebsvermögen behandelt werden.

Drittlandsbeteiligungen bei einer Holdinggesellschaft, Altersvorsorgeverpflichtungen
und verpachtete Grundstücke, die zum Zwecke des Absatzes von eigenen Produkten überlassen werden, stellen kein „Verwaltungsvermögen“ dar und unterfallen
somit der Begünstigung als Betriebsvermögen.

Finanzmittel wie Geld und geldwerte Forderungen können zu 15 % zum steuerlich
begünstigten Betriebsvermögen gerechnet werden, um Unternehmen notwendige
Liquidität zu sichern.

Die Begünstigung eines gesamten Betriebsvermögens ist dann ausgeschlossen,
wenn dieses zu 90 % aus nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen besteht.

Sonstige Mittel aus einem Erbe können einem begünstigten Betriebsvermögen zugerechnet werden, wenn diese gemäß des vorgefassten Willens des Erblassers innerhalb von zwei Jahren nach seinem Tod in das übertragene Unternehmen investiert
werden. Mit dieser neu eingefügten Regelung sollen Investitionen in Unternehmen
angeregt und vor Abfluss durch Steuerzahlungen geschützt werden.
Lohnsummenregelung
Zentrales Anliegen insbesondere der CSU war es, kleinen Unternehmen die Chance auf
eine Begünstigung zu geben und diese dabei von bürokratischen Pflichten zu entlasten.
Anders als in den bislang diskutierten Reformentwürfen vorgesehen, sollen nun Unternehmen mit bis zu 5 Beschäftigten von der sog. Lohnsummenprüfung befreit werden.
Erst ab einer Anzahl von mehr als 5 Beschäftigten müssen Unternehmen folglich nach
einem Betriebsübergang den Erhalt der Lohnsumme und der Arbeitsplätze nachweisen,
um in den Genuss einer steuerlichen Verschonung zu kommen. Rund 70 % der bundesdeutschen Unternehmen haben weniger als 5 Beschäftigte und fallen somit unter die
Befreiung von der Lohnsummenprüfung.
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Begünstigungsprüfung bei Großvermögen
Den dritten wesentlichen und viel diskutierten Punkt der lange währenden Reformbemühungen dürfte die Behandlung von Großvermögen darstellen. An diesem Punkt
kam es im Vergleich zu den bisherigen Gesetzesentwürfen gar zu weiteren Verschärfungen. Nicht zuletzt war die Einschränkung der Verschonung bei großen Vermögensübergängen gerade auch zentrale Forderung des Bundesverfassungsgerichts. Dabei sieht
der vorliegende Gesetzesentwurf in Anlehnung an die bisherige Diskussion zunächst
vor, dass ab einem Vermögen von EUR 26 Mio. pro Erwerber eine individuelle Verschonungsbedarfsprüfung zum Tragen kommt, in deren Rahmen geprüft wird, ob eine
Erbschaftsteuerlast – auch unter Einbeziehung von Teilen des Privatvermögens – getragen werden kann. Alternativ zu der Verschonungsbedarfsprüfung kann der jeweilige
Erwerber ein Abschlagsmodel wählen, in dessen Rahmen zwar grundsätzlich die Begünstigung von Betriebsvermögen gemäß der gesetzlich vorgesehenen Verschonungsabschläge in Anspruch genommen werden kann. Soweit der Erwerb jedoch über einem
Betrag von EUR 26 Mio. angesiedelt ist, soll sich der Verschonungsabschlag nun bereits
für jede EUR 750.000 oberhalb dieser Grenze um einen Prozentpunkt verringern. Ab
einem Erwerb von EUR 90 Mio. wird folglich keine Verschonung mehr gewährt.
Verschärfend kommt hinzu, dass Familienunternehmen dabei nicht mehr – wie ursprünglich diskutiert – privilegiert behandelt und erst ab einer Schwelle von EUR 52
Mio. als Großvermögen der Begünstigungsprüfung bzw. dem Abschlagsmodell unterzogen werden. Vielmehr soll die Privilegierung von Familienunternehmen künftig über
einen Verschonungsabschlag von bis zu 30 % auf den Unternehmenswert und damit
allein im Rahmen der Unternehmensbewertung erfolgen.
Die Definition eines Familienunternehmens wird vorrangig über die auch bislang schon
angedachten Regelungen in den Gesellschaftsverträgen der betreffenden Unternehmen
erfolgen. Ein Familienunternehmen soll dann gegeben sein, wenn im Gesellschaftsvertrag Beschränkungen bei Entnahmen und der Verfügung über die Anteile des betreffenden Unternehmens vorgesehen sind, die 2 Jahre vor und 20 Jahre nach der Übertragung
im Gesellschaftsvertrag verankert sein müssen.
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Unternehmensbewertung
Einen Lichtblick stellt die geplante Änderung der Bewertungsregelungen für Betriebsvermögen dar. Wie in unserem PSP-Leitfaden zur Erbschaftsteuer ausführlich thematisiert, führt das augenblicklich gesetzlich vorgesehene vereinfachte Ertragswertverfahren
zu unrealistisch hohen Unternehmenswerten. Der daraus folgenden Forderung nach
einer Absenkung des Kapitalisierungsfaktors im Rahmen der Unternehmensbewertung
will die Politik nun nachkommen. Der Kapitalisierungsfaktor, der multipliziert mit dem
nachhaltig erzielbaren Jahresertrag den Wert eines Unternehmens ergibt, soll von derzeit hohen 17,86 auf einen Korridor von 10 bis max. 12,5 abgesenkt werden. Auch
wenn die Begünstigungsregelungen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer nun
verschärft werden, besteht damit zumindest die Möglichkeit, die Unternehmenswerte
auf ein realistischeres Maß abzusenken.
Mit dem nun verabschiedeten Kompromiss herrscht zumindest Klarheit über die zukünftige Gesetzeslage. Offen bleiben trotz dessen viele der bereits im Vorfeld geäußerten
Fragen und Bedenken – vor allem aus der Praxis. Es bleibt abzuwarten, ob der vorliegende Entwurf nun das Gesetzgebungsverfahren unverändert passiert und auf lange
Sicht wirklich eine Verbesserung auch vor dem Hintergrund der Kritikpunkte des Bundesverfassungsgerichts bringt.
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