„Eine komplette Nullsteuer wird es nicht mehr geben“

Die Erbschaftsteuerreform kommt
„Eine komplette Nullsteuer wird es nicht mehr geben“
Nach langem politischen Tauziehen scheint nun die Erbschaftsteuerreform Realität zu werden. Vor allem
für größere Unternehmensvermögen kommt es dicke. Die neuen Regelungen und ihre Folgen im Überblick.
Nachdem das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) Ende 2014 den Startschuss für eine notwendige
Überarbeitung der erbschaftsteuerlichen Regeln für die Nachfolge in Unternehmensvermögen gegeben
hat, folgte ein langes politisches Tauziehen um Entwürfe zur verfassungskonformen Ausgestaltung. Der
Vermittlungsausschuss hatte am 23. September einen Kompromiss beschlossen, der nunmehr vom
Bundestag und heute auch vom Bundesrat gebilligt wurde. Das bedeutet ein Ende des Ringens um
neue Erbschaftsteuerregelungen.
Kritiker unken mit der erneuten Verfassungswidrigkeit und bemängeln wiederum zu weitreichende
Privilegien für Unternehmen.
Der nachfolgende Beitrag zeigt, dass sich Firmenerben entgegen dieser Kritik auf deutlich komplexere
und strengere Regeln einstellen werden müssen und die Nachfolge in der Regel teurer wird. Wie immer
gibt es aber Handlungsspielraum, den es zu nutzen gilt.
Was bisher galt
Zur Erinnerung: bisher war es für Unternehmenserben oder -nachfolger möglich, das Unternehmen
beziehungsweise Anteile daran sogar komplett erbschaft- und schenkungsteuerfrei zu erhalten.
Voraussetzung sind, dass sie das Unternehmen lange genug fortführen – je nach Regelung fünf oder
sieben Jahre –, Arbeitsplätze erhalten (sogenannte Lohnsummenerfordernis) und das Unternehmen nur
in gewissen Grenzen nicht produktives Vermögen umfasst (sogenannte Verwaltungsvermögen).
Gestalterische Auswüchse dieser Regelung, die es erlaubten, reines Privatvermögen im Mantel eines
Unternehmens komplett steuerfrei zu verschenken, die sog. Cash GmbH, wurden bereits vor wenigen
Jahren beseitigt. Durch geschicktes Ansiedeln von Verwaltungsvermögen auf unteren
Unternehmensebenen konnten aber in mehrstufigen Unternehmen bis heute immer noch immense
Werte solcher Vermögensbestandteile im Unternehmen steuerfrei mitübertragen werden.
Volle Steuerpflicht von Teilen des Unternehmensvermögens
Und jetzt? Firmenerben sollen grundsätzlich auch künftig verschont werden, wenn sie das
Unternehmen lange genug fortführen und Arbeitsplätze erhalten. Teilweise ist zu hören, dass für kleine
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und mittlere Unternehmen beziehungsweise kleine und mittlere Erwerbe alles beim Alten bleibt und
deshalb die Verschonung wiederum zu weit ginge.
Dem ist aber nicht so!
Zwar ist es diesen Unternehmen weiterhin möglich, wie bisher eine 85- oder gar 100-prozentige
Verschonung, die sogenannte Regel- oder Optionsverschonung, zu erhalten. Die Voraussetzungen der
Haltedauer hierzu bleiben erhalten. Die Lohnunsummen-Regelungen greifen – wenngleich in
stufenweisen Schritten – jetzt aber schon für kleinere Unternehmen ab mehr als fünf Arbeitnehmern.
Bisher lag die Schwelle bei 20 Arbeitnehmer.
Entscheidend ist aber, dass es nicht mehr möglich sein wird – in gewissen Quotengrenzen –, die
Verschonung auf alle Vermögensbestandteile des Unternehmens anzuwenden. Eine komplette
Nullsteuer wird es in aller Regel nicht mehr geben. Die Verschonung wird vielmehr nur auf das
sogenannte begünstigte Vermögen gewährt.
Vereinfacht gesagt, wird jedwedes nicht begünstigte Vermögen (Verwaltungsvermögen) nach Abzug
eines 10-prozentigen „Schmutzzuschlags“ im Ergebnis besteuert. Dementsprechend sollte versucht
werden, die Bilanz vor einer Nachfolge von solchen Vermögenswerten zu bereinigen. Dies kann dazu
führen, liquide Vermögenswerte aus dem Unternehmen in das Privatvermögen zu überführen. Etwas,
das auch aus anderen Aspekten sinnvoll sein mag.
Bei der Frage, was begünstigtes und nicht begünstigtes Vermögen im Unternehmen ist, wird zur
Abgrenzung auf den Begriff des bisherigen Verwaltungsvermögens zurückgegriffen. Das bedeutet, dass
Wertpapiere, Kunst, fremdvermietete Immobilien, Minderheitsbeteiligungen und – über eine bestimmte
Quote hinaus – bestehende Finanzmittel (Cash, Festgelder, Forderungen et cetera) nicht begünstigt
sind. Sind solche Vermögensgegenstände im Unternehmen vorhanden, so sind diese zu bewerten und
es fällt beim Erwerb dieser Wirtschaftsgüter in jedem Falle Erbschaft- und Schenkungsteuer an.
Das bedeutet eine klare Verschlechterung der Bedingungen und erfordert, dass Unternehmen zukünftig
mehr Liquidität für die Nachfolge einplanen müssen.
Modifikationen beim Verwaltungsvermögen
Erschwerend kommt hinzu, dass das neue Gesetz den Begriff des Verwaltungsvermögens weiter
ausweiten und mithin die Gefahr einer Steuerlast steigt. So sind zukünftig auch sonstige
Wirtschaftsgüter der privaten Lebensführung wie etwa Oldtimer, Briefmarkensammlungen,
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Segelflugzeuge, Yachten et cetera erfasst. Bisher mögliche Gestaltungen für vermögende Klientel
entfallen dementsprechend. Eine gewisse Erleichterung gibt es für sogenannte Deckungsvermögen für
Altersvorsorgeverpflichtungen.
Dies zeigt, dass die genaue Identifizierung und Bewertung dieser Vermögensgegenstände künftig noch
wichtiger wird. Hier können programmatische Tool-Lösungen dem Steuerpflichtigen in Zukunft helfen.
Die Regelverschonung ist dafür künftig nicht mehr abhängig von der Einhaltung einer
Verwaltungsvermögensquote. Es kann also immer das begünstigte Vermögen in einem Unternehmen
verschont werden, aber eben nur dieses. Die Vollverschonung (Optionsverschonung) setzt aber voraus,
dass das Verwaltungsvermögen nicht mehr als 20 Prozent des gemeinen Wertes des Unternehmens
ausmacht. Bisher lag die Grenze bei 10 Prozent Verwaltungsvermögen.
Eingeschränkte Verschonung für große Vermögen
Neben den Verschlechterungen in der Bemessungsgrundlage für den Verschonungsabschlag kommt es
für große Unternehmensvermögen dicke: Bei Erwerben mit einem Wert ab 26 Millionen Euro entfällt der
Verschonungsabschlag grundsätzlich völlig. Die 26-Millionen-Grenze gilt aber pro Erwerb. Hier kann
natürlich durch Einschaltung mehrerer Erwerber (Erwerbergesellschaften, Stiftungen,
Kettenschenkungen und so weiter) ein gewisser Gestaltungsspielraum genutzt werden. Allerdings
werden alle Erwerbe der vergangenen zehn Jahre addiert – und zwar wohl auch solche vor dem 30.
Juni 2016.
Betroffene Steuerpflichtige haben aber zwei Antragsmöglichkeiten. Sie können eine sogenannte
abschmelzende Verschonung oder den Erlass der Steuer beantragen.
Letzteres klingt gut, setzt aber eine sogenannte Bedarfsprüfung voraus. Hierbei kommt es darauf an,
inwieweit das Vermögen des Erwerbers zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld reicht. Bei der
Bedarfsprüfung werden 50 Prozent des bereits vorhandenen Privatvermögens und
Verwaltungsvermögens, beispielsweise in bereits vorhandenen Unternehmen oder Beteiligungen, sowie
des mit übertragenen Privat- und Verwaltungsvermögen und des innerhalb der nächsten zehn Jahre
erworbenen Privat- und Verwaltungsvermögen einbezogen.
Nicht nur, dass diese Regelung einer Vermögensbesteuerung nahekommt. Es lohnt sich, sein
Unternehmen an einen „armen Erwerber“ zu übertragen. Dies macht eine noch sorgfältigere Planung
der vorweggenommenen Erbfolge unter mehreren Personen erforderlich, die zukünftig mehr und mehr
von steuerlichen Beweggründen und weniger strategischen Überlegungen geleitet wird. Auch hier kann
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natürlich über den Einsatz von neu zu schaffenden Rechtseinheiten als Erwerber
(Gesellschaften/Stiftungen) nachgedacht werden.
Die stufenweise Abschmelzung des Verschonungsabschlags vollzieht sich um ein Prozent je 750.000
Euro, um die die Grenze von 26 Millionen Euro überschritten wird. Beispiel: Ein Unternehmersohn
erwirbt GmbH-Anteile im Wert von 30,5 Millionen Euro. Die 26-Millionen-Grenze ist um 4,5 Millionen
Euro überschritten.
Hierdurch ergibt sich ein abgeschmolzener Verschonungsabschlag um 6 Prozent (4,5 Millionen geteilt
durch 750.000), das heißt 79 Prozent (Regelverschonung) oder 94 Prozent (Optionsverschonung). Ab
einem Wert von rund 90 Millionen Euro gibt es weder bei der Regel- noch bei der Optionsverschonung
einen Verschonungsabschlag bei Anwendung des Abschmelzmodells.
Privilegierung für bestimmte Familienunternehmen – ein zahnloser Tiger?
Familienunternehmen, die in ihren Satzungen bestimmte Beschränkungen der Verfügungsmöglichkeit
über die Anteile, Einschränkungen des Abfindungs-, Ausschüttungs- und Entnahmeanspruchs haben,
soll ein Vorab-Abschlag von maximal 30 Prozent vor Anwendung des Verschonungsabschlags gewährt
werden.
Die besonders strengen Voraussetzungen für die Satzungsregelungen müssen aber bereits zwei Jahre
vor der Übertragung und dann 20 Jahre danach noch bestehen. Daher ist die praktische Relevanz
dieser Privilegierung mehr als fraglich.
Bewertung des Unternehmens
Vorteilhaft ist grundsätzlich, dass der Faktor im Rahmen der Bewertung durch das vereinfachte
Ertragswertverfahren auf 13,75 gedeckelt wird. Hierdurch wird der gemeine Wert des Unternehmens als
Bemessungsgrundlage für die Erbschaftsteuer deutlich geringer.
Ab wann gilt das alles?
Es scheint nun klar zu sein, dass seit dem 1. Juli 2016 die schöne alte Welt der Erbschaftsteuer vorbei
ist. Wer es bis dahin geschafft hatte, hat grundsätzlich alles richtiggemacht, sofern er beim
Verwaltungsvermögen nicht zu sehr Spitz auf Knopf kalkulierte: die Deckelung des Vervielfältigers bei
der Bewertung gilt nämlich bereits für Erwerbe ab dem 1.Januar 2016.
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Diese führt zu einem niedrigeren Referenzwert für die Ermittlung der Verwaltungsvermögensquote.
Möglicherweise ist danach eine im sicheren steuerfreien Hafen geglaubte Nachfolge doch nicht
begünstigt und könnte in der Betriebsprüfung gekippt werden. Hier gibt es hoffentlich Rückfallklauseln
im Schenkungsvertrag, die einen Ausweg liefern können.
Fazit
Das nunmehr beschlossene Reformgesetz gestaltet die Nachfolge in Unternehmensvermögen zukünftig
komplexer und nachteiliger. Infolgedessen wird es noch wichtiger werden, die Übergabe auch aus
steuerlichen Gründen langfristig zu planen.
Die neuen Regelungen geben Handlungsspielräume, die genutzt werden sollten. Wichtig wird es zudem
alte Übertragungen bei den Überlegungen mit zu berücksichtigen, um Steuerrisiken zu vermeiden.
Letztlich bleibt die Frage, wie bestandsfest diese neuen Regelungen vor dem
Bundesverfassungsgericht sein werden und ob in dieses Themenfeld endlich etwas Ruhe einkehrt.
Über die Autoren:
Dr. Maren Gräfe ist Rechtsanwältin, Steuerberaterin und Direktorin bei der
Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Pricewaterhouse Coopers (PWC) in München. Sie leitet dort den
Bereich Private Clients/Familienunternehmen. Schwerpunktmäßig berät sie bei der rechtlichen und
steuerlichen Nachfolgeplanung, zu Inhaberstrategien und der Vermögensstrukturierung.
Dr. Steffen Huber ist Rechtsanwalt, Steuerberater und Partner bei PWC in Stuttgart. Dort leitet er den
Bereich Private Clients/Familienunternehmen. Sein Schwerpunkt liegt in der nationalen und
internationalen Nachfolgeplanung, inhaberstrategischen Fragestellungen sowie der Stiftungsberatung.
Dieser Artikel erschien am 14.10.2016 unter folgendem Link:
https://www.private-banking-magazin.de/die-erbschaftsteuerreform-kommt-eine-komplette-nullsteuer-wird-es-nicht-mehr-geben-1476125968/
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