Ende des Rätselratens? Gesetzesentwurf zur Erbschaftsteuerreform bringt deutliche Mehrbelastungen! [03.06.2015] Von: Dr. Hannspeter Riedel, Dr. Thomas Fritz und Dr. Jasper von Hoerner Mit Urteil vom 17. Dezember 2014 hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die steuerliche Begünstigung von betrieblichem Vermögen im Rahmen von Erb- und Schenkungsfällen nicht gänzlich im Einklang mit dem Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 des Grundgesetzes steht. Der Gesetzgeber wurde daher aufgefordert bis 2016 eine Neufassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes zu verabschieden. Seit Erlass des Urteils durch das Bundesverfassungsgericht wurde eine Vielzahl von Mutmaßungen über die anstehenden Gesetzesneuregelungen, an Konzeptpapieren und alternativen Reformvorschlägen veröffentlicht und in Medien, Fachwelt, aber auch in Teilen der Politik durchaus kontrovers über Inhalte und Zielsetzung diskutiert. Erste konkrete Anhaltspunkte in welche Richtung die Neufassung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes gehen könnte, lieferte im Frühjahr diesen Jahres ein Eckpunktepapier des Bundesfinanzministeriums. Mit dem am 2. Juni durch das Bundesfinanzministerium veröffentlichten Referentenentwurf liegt nun aktuell der erste belastbare Gesetzesentwurf der geplanten Neuregelungen vor. Eine der vielen Mutmaßungen hat sich mit dem vorliegenden Entwurf in jedem Fall bewahrheitet: Aufgrund der grundlegenden Änderungsvorschläge und vor allem der Begrenzung des Anwendungsbereichs der bestehenden Regelungen zur Betriebsvermögensbegünstigung droht für eine Vielzahl von Unternehmensübergaben eine deutliche Mehrbelastung mit Erb- und Schenkungsteuer oder aber zumindest erhöhte Anforderungen. Verschärfungen für Großunternehmen – die Bedürfnisprüfung Die wohl gravierendste Neuregelung gründet auf der Kritik des Bundesverfassungsgerichts, wonach derzeit auch größere Unternehmen in die Verschonungsmöglichkeiten von Betriebsvermögen mit einbezogen würden, ohne dass konkret in jedem Einzelfall überprüft wird, ob überhaupt ein „Bedürfnis“ für eine solche Verschonung gegeben sei. Hier erreiche die Ungleichbehandlung schon wegen der Höhe der von der Besteuerung ausgenommenen Beträge ein Maß, welches mit einer gleichheitsgerechten Besteuerung nicht in Einklang zu bringen sei. 1/6 Nach dem augenblicklich vorliegenden Gesetzesentwurf ist Folge dieses gerichtlichen Vorwurfs nicht weniger als die Verankerung eines „Fallbeils“ im Gesetz. Übersteigt der Wert eines geerbten oder geschenkten Unternehmens gewisse Grenzen, so muss ein Bedürfnis für die Verschonung dieses Erwerbs von Erb- und Schenkungsteuer nun künftig nachgewiesen werden. Gelingt dies, indem dargelegt werden kann, dass die Zahlung der anfallenden Erb- oder Schenkungsteuer nicht bestritten werden kann, ohne das Unternehmen in seinem Bestand zu gefährden, geht damit eine 85-prozentige oder auch 100prozentige Verschonung einher. Kann ein solches Bedürfnis hingegen nicht begründet werden, ist keine Verschonung möglich und der gesamte Erwerb wird vollständig der Besteuerung unterzogen. Bei der Beurteilung, ob eine Steuerlast durch den jeweiligen Erwerber getragen werden kann, wird vor allem auf die liquiden, „verfügbaren“ Mittel des Unternehmens aber auch auf das Privatvermögen des betreffenden Erwerbers zurückgegriffen werden. Dem augenblicklichen Gesetzesentwurf nach würde Betriebsvermögen nicht zwangsläufig deshalb verschont, weil eine Steuerbelastung nicht unmittelbar aus diesem bestritten werden könnte, ohne zu einer Existenzgefährdung des Betriebs zu führen. Der jeweilige Unternehmenserbe soll in solchen Fällen vielmehr gezwungen sein, bis zu 50 Prozent seines bereits vorhandenen oder mitübertragenen schädlichen Vermögens zur Tilgung der Steuerlast einzusetzen, bevor wirklich ein Bedürfnis für eine Steuerverschonung anerkannt wird. Dabei soll es auch keine Rolle spielen, ob das Privatvermögen liquide oder beispielsweise in Immobilien gebunden ist. Steuerpflichtige werden damit zur Begleichung der Steuerschuld vielfach gezwungen sein ihr nicht fungibles Vermögen zu veräußern. Die Intention hinter der Neuregelung für „Großunternehmen“ ist letztlich klar: Ein eigenkapitalstarkes Unternehmen, welches über ein hohes Maß an Liquidität bzw. die entsprechenden Rücklagen verfügt, kann eine Belastung mit Erbschaftsteuer zumindest rein theoretisch tragen, ohne dadurch in seiner Existenz gefährdet zu werden, womit jedes Bedürfnis für eine Steuerverschonung entfällt. Gleiches gilt bei vorhandenem oder mitübertragenem Privatvermögen des jeweiligen Erben oder Beschenkten. Insgesamt eine zu einfache und nur schwer nachzuvollziehende Wertung, wird doch am Ende derjenige steuerlich belohnt, der weniger vorausschauend geplant und unsolide gewirtschaftet hat. Derjenige hingegen, der Rücklagen gebildet oder Privatvermögen aufgebaut und erhalten hat, wird dieses nun zu weiten Teilen für die Bestreitung seiner Steuerlasten einsetzen müssen. Einer der Hauptdiskussionspunkte der letzten Wochen war dementsprechend auch die Definition von sog. „Großunternehmen“ und die damit einhergehende Frage, ab wann 2/6 die Verschonungsbedürftigkeit nachgewiesen werden muss. Der Referentenentwurf folgt dem bereits bekannten Eckpunktepapier und erklärt Unternehmensübertragungen ab einem Wert von 20 Million Euro für „groß“. Entscheidend ist folglich nicht der Wert des Unternehmens insgesamt, sondern der der jeweiligen Übertragung. Zu beachten ist dabei, dass die Wertgrenze nicht für jeden Erwerb neu auflebt, sondern nur einmal für alle Erwerbe innerhalb von 10 Jahren zur Verfügung steht. Die Wertgrenze kann sich allerdings auf 40 Millionen Euro erhöhen, wenn der Gesellschaftsvertrag des betroffenen Unternehmens dauerhaft bestimmte Regelungen enthält, die in klassischen Familienunternehmen üblich sind und dort vor allem für eine hohe Thesaurierung von Unternehmenserträgen im Unternehmen sowie eine klare Bindung des Unternehmens an Familienangehörige sorgen. Mit der Erfüllung dieser Vorgaben gehen allerdings auch erhebliche ertragsteuerliche Auswirkungen einher, die bei der erbschaftsteuerlichen Optimierung nicht außer Acht gelassen werden dürfen. Als Alternative zu der risikobehafteten Überprüfung des Bedürfnisses einer Steuerverschonung und der damit verbundenen Chance auf eine 85-prozentige oder auch 100prozentige Verschonung kann der Erbe eines „Großunternehmens“ wahlweise auch von vornherein und unwiderruflich zu einer geringeren Verschonung optieren, die ihm dann auch ohne Bedürfnisprüfung - allerdings unter Einhaltung der bekannten Lohnsummen und Behaltensfristen - gewährt wird. Die Höhe dieser Verschonungsmöglichkeit richtet sich nach dem übertragenen Unternehmenswert. Ab 110 Millionen Euro übertragenem Vermögen gilt ein einheitlicher Verschonungsabschlag von 25 Prozent bei der bisherigen sog. „Regelverschonung“. Bei Einhaltung der verschärften Voraussetzungen der Lohnsummenregelung und Behaltensfrist ist bei einer solchen Vermögensgröße immerhin noch eine 40-prozentige „Optionsverschonung“ möglich. Bei Übertragungswerten zwischen 20 und 110 Millionen Euro variieren die möglichen Verschonungsabschläge je nach Wert der Übertragung. Je höher der Wert, desto geringer der Anteil der Verschonung. Neudefinition Verwaltungsvermögen Der Anwendungsbereich der bestehenden Begünstigungsregelungen wird neben der Verschärfung für Großunternehmen noch unter einem weiteren Aspekt beschränkt. Das bereits bislang diskussionsbehaftete sog. „Verwaltungsvermögen“ soll – im Gegensatz zur bisherigen Regelung - in Zukunft gänzlich der Besteuerung unterfallen. Diente bislang das in nahezu jedem Unternehmen vorhandene nicht unmittelbar und überwiegend produktiv eingesetzte Verwaltungsvermögen vornehmlich als Gradmesser für Umfang und Voraussetzungen einer Verschonung des Gesamtbetriebes, so sollen in Zukunft als 3/6 Verwaltungsvermögen einzuordnende Vermögensbestandteile auch von einer ansonsten zu gewährenden Betriebsvermögensbegünstigung grundsätzlich ausgenommen werden. Bei der Definition des nicht begünstigungsfähigen Verwaltungsvermögens schafft der Gesetzgeber das bislang bestehenden System von Einzelfällen mit vielen Ausnahmen und wiederum Rückausnahmen ab und stellt isoliert nun darauf ab, ob Vermögen seinem Hauptzweck nach überwiegend der betrieblichen Tätigkeit des betreffenden Unternehmens dient, was wenig greifbar erscheint und in Zukunft zu nicht weniger kontroversen Diskussionen mit dem Fiskus führen dürfte. Finanzmittel sollen nach den bereits bislang bestehenden Regelungen in Höhe von 20 Prozent des Gesamtbetriebswertes als betriebsnotwendig erachtet und somit in die Verschonung einbezogen werden. Die übrigen nicht seinem Hauptzweck dienenden Vermögensbestandteile eines Unternehmens werden zusätzlich in Höhe von 10 Prozent des Wertes des begünstigten Vermögens von einer Besteuerung freigestellt. Lohnsummenregelung auch für Kleinbetriebe Unmittelbar vom Gesetzgeber aufgegriffen wurde zudem der Vorwurf des Bundesverfassungsgerichts, kleinere Unternehmen mit der aktuellen Gesetzeslage zu weit von der Verpflichtung zur Erhaltung von Arbeitsplätzen zu befreien. Diese sei jedoch Grundvoraussetzung für eine erb- und schenkungsteuerliche Verschonung und dürfe folglich nicht erst ab der bislang im Gesetz verankerten Arbeitnehmeranzahl von 20 zur Voraussetzung einer Verschonung gemacht werden. Der Referentenentwurf sieht nun vor, dass die mit einer Verschonung einhergehenden Vorgaben an die Lohnsummenkonstanz bereits ab einer Arbeitnehmeranzahl von über drei Mitarbeitern anzuwenden sind. Soweit der Betrieb jedoch die Anzahl von 10 Arbeitnehmern nicht übersteigt, wird die zu erhaltene Mindestlohnsumme reduziert, so dass diesbezüglich eine gewisse Erleichterung für Kleinbetriebe besteht. Der Referentenentwurf macht deutlich, dass insbesondere das Thema Bewertung eine zentrale Rolle einnehmen wird. War die Bewertung bislang vor allem für die Höhe einer bereits ermittelten grundsätzlichen Steuerpflicht relevant, so wird sie mit der möglichen Neuregelung zu deren Voraussetzung: Die Bewertung als solche wird letztlich den Ausschlag dafür geben, ob eine Unternehmensübertragung oder von Teilen davon zumindest grundsätzlich vollkommen steuerfrei erfolgen kann, oder aber als „Großunternehmen“ ein konkretes Bedürfnis für eine Steuerverschonung nachgewiesen werden muss. 4/6 Im Rahmen der „Bedürfnisprüfung“ für Großunternehmen wird die Bewertung der einzelnen Bestandteile eines Unternehmensvermögens darüber entscheiden, ob genug Mittel zur Verfügung stehen, um die drohende Steuerlast tragen zu können. Im Ergebnis wird die Bewertung infolgedessen den Ausschlag dafür geben, ob eine Steuerlast festgesetzt oder erlassen wird. Will ein Unternehmer den Weg in die Bedürfnisprüfung vermeiden und von vornherein geringere Verschonungsmöglichkeiten in Anspruch nehmen, so entscheidet allein die Bewertung seines Unternehmens über die Höhe der möglichen Verschonung. Die Bewertung und Klassifizierung der einzelnen Vermögensbestandteile eines Betriebsvermögens wird darüber entscheiden, welche Bestandteile eines Unternehmens in den Genuss einer Verschonung kommen können oder per se davon ausgeschlossen sind. Für die Verschonung des grundsätzlich nicht begünstigten Verwaltungsvermögens spielt wiederum der Unternehmenswert die ausschlaggebende Rolle. Finanzmittel sind in Höhe von 20 Prozent des Unternehmenswerts, Verwaltungsvermögen allgemein in Höhe von 10 Prozent des begünstigten Betriebsvermögens mitbegünstigt. Auch hier folgt die Möglichkeit der Steuerbefreiung unmittelbar der Bewertung des Betriebsvermögens insgesamt sowie dessen einzelner Bestandteile. Die Bewertung des Privatvermögens eines Unternehmenserben wird darüber entscheiden, ob und in welcher Höhe dieser in der Lage sein soll, Steuern zu bezahlen was bei einem positiven Ergebnis dann auch unmittelbar die entsprechende Steuerfestsetzung zur Folge hat. Vor diesem Hintergrund wird das auch heute schon umstrittene „vereinfachte Ertragswertverfahren“ als gängige Bewertungsmethode für Unternehmen im Rahmen der Erbschaft- und Schenkungsteuer von noch größerer Bedeutung werden. Die Auswirkungen der oftmals unrealistisch hohen und vom Markt entkoppelten vereinfachten Ertragswerte werden erheblich steigen, weshalb Steuerpflichtige in Zukunft deutlich häufiger gezwungen sein werden, sich eingehend mit der Bewertung ihres Unternehmens und vor allem dem dafür anzuwendenden Verfahren auseinander zu setzen. 5/6 Ausblick Selbst wenn die aufgeführten Neuregelungen lediglich einen Entwurf darstellen, so lassen sich daraus klare Tendenzen ablesen. Eines wird allerdings deutlich, die Chance einer grundsätzlichen Neukonzeption wurde vergeben. Vielmehr hat der Gesetzgeber nur punktuell die Kritikpunkte des Bundesverfassungsgerichts aufgegriffen und versucht diese nun selektiv zu beheben. Der aktuelle Referentenentwurf offenbart zusammengefasst deutliche Verschärfungen und Mehrbelastungen die nahezu den Charakter einer Vermögenssteuer (Bestandsaufnahme und Bewertung des gesamten Privatvermögens zu einem festen Stichtag) in sich tragen. Die Möglichkeiten einer Verschonung von der Erbschaftund Schenkungsteuer wird eingeschränkt werden, was letztlich zu nicht unerheblichen Liquiditätsabflüssen aus Unternehmen im Erb- oder Schenkungsfall führen wird. Auch wenn bezüglich des vorliegenden Gesetzesentwurfs mit Sicherheit noch nicht das letzte Wort gesprochen ist und noch vielfache Änderungen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wahrscheinlich sind, schließt sich das Zeitfenster für eine Ausnutzung der bestehenden Gesetzeslage unweigerlich. Für anstehende Unternehmensübertragung besteht dementsprechend in den meisten Fällen dringender Handlungsbedarf. Gerne stehen wir Ihnen für eine nähere Erörterung der anstehenden Änderungen und deren Auswirkungen auch auf Ihr Unternehmen und Vermögen zur Verfügung. 6/6
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