Erbschaftssteuer

Titelthema im Februar
Korrektur der Erbschaftssteuer
Chance auf Rechts- und Planungssicherheit gegeben
Es gibt ein kompliziertes System von Verschonungsregeln von der Erbschafts- und
Schenkungssteuer, um den Fortbestand
von Unternehmen zu sichern und Arbeitsplätze zu erhalten. Benachteiligt
werden Erben von Kapitalvermögen, die
nicht, auch nicht teilweise, von der fälligen Steuer befreit werden können.
Da der Bundesfinanzhof Zweifel an der
Verfassungsmäßigkeit dieses Erbschaftsund Schenkungssteuergesetzes (ErbStG)
hatte, musste das Bundesverfassungsgericht entscheiden. Am 17. Dezember
2014 wurde das Urteil (Az. 1 BvL
21/12) verkündet. Grundsätzlich sei
das ErbStG, also Betriebsvermögen bei
der Steuerfestsetzung gegenüber Privatvermögen zu privilegieren, verfassungsgemäß. Allerdings seien die Paragrafen
13a (Steuerbefreiung für Betriebsvermögen, Betriebe der Land- und Forstwirtschaft und Anteile an Kapitalgesellschaften) und 13b (Begünstigtes Vermögen)
sowie Paragraf 19 Abs. 1 (Steuersätze)
ErbStG nicht mit dem Gleichheitssatz,
Art. 3, Abs 1 des Grundgesetzes - GG
(„Alle Menschen sind vor dem Gesetz
gleich.“) vereinbar.
Die Richter gaben dem Gesetzgeber Zeit
bis zum 30. Juni 2016, um eine Neuregelung zu treffen. Der Gesetzgeber hat
die Wahl, entweder nur die beanstandeten Regelungen entsprechend den Vorgaben zu ändern, eine gänzlich neue
Konzeption zu verabschieden oder die
Schenkungs- und Erbschaftssteuer komplett abzuschaffen. Letzteres ist in Anbetracht des Steueraufkommens in Höhe
Historie
Im Jahre 1995 wurde das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz in der Fassung
von 1987 vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig erklärt. Es erfolgten Änderungen. 2006 stellten die Richter erneut Verfassungswidrigkeit fest. Wieder wurde geändert. Im Dezember 2014 wurde das bestehende Gesetz grundsätzlich für verfassungsgemäß erklärt, allerdings müssen Details geändert werden. Das Gericht hat aber nur die Richtung aufgezeigt, keine konkreten Angaben gemacht. Es besteht nun die Chance, dass es nach 27 Jahren endlich Rechtsund Planungssicherheit geben wird.
von rd. fünf Milliarden Euro pro Jahr
eher unwahrscheinlich. Auch eine Neukonzeption dürfte nicht in Frage kommen, da diese wohl erneut vor dem Bundesverfassungsgericht verhandelt werden dürfte und so keine Rechtssicherheit
entstehen würde. Es wird also zu einer
Umsetzung der gerichtlichen Vorgaben
kommen, damit das Gesetz verfassungsgemäß wird. Das Bundesfinanzministerium hat sich im Januar auch schon entsprechend geäußert.
Betroffene Unternehmen
Von den Änderungen besonders betroffen sind:
A) Unternehmen mit einem hohen Anteil
an Verwaltungsvermögen
B) große Unternehmen und
C) kleine Unternehmen mit ungewisser
Zukunft und demzufolge einem Lohnsummenrisiko.
Fehlende Rechtssicherheit
Es gibt keine Rechtssicherheit, solange
keine Entscheidung seitens des Gesetzgebers gefallen ist, da die Karlsruher
Richter zwar Änderungen bis zum
30.06.2016 verlangt haben, aber offen
EU-Definition von KMU
Unternehmens- Mitarbeiter Umsatz
kategorie
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oder Bilanzsumme
Mittleres
Unternehmen
< 250
<
_ 50 Mio. Euro
<
_ 43 Mio. Euro
Kleinunternehmen
< 50
<
_ 10 Mio. Euro
<
_ 10 Mio. Euro
Kleinstunternehmen
< 10
<
_ 2 Mio. Euro
<
_ 2 Mio. Euro
gelassen haben, ob die neuen Regeln
ab der Verabschiedung, ab dem
01.07.2016 oder rückwirkend seit dem
17.12.2014 gelten müssen. Der Gesetzgeber - in diesem Fall Bundestag und
Bundesrat - hat hier freie Hand. Aber die
beiden Seiten müssen sich einigen. Sollte es nicht zu einer Einigung kommen,
könnte die gesamte Erbschafts- und
Schenkungssteuer wegfallen, da laut
dem Bundesverfassungsgericht der
Gleichheitssatz des Grundgesetzes gewahrt werden muss.
Zu dem Urteil gab es auch ein Minderheitenvotum, das das Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG) stärken will: Es
dürfe nicht immer mehr Reichtum in den
Händen Weniger konzentriert werden.
Die Politik müsse einen Ausgleich schaffen. 1993 habe mehr als 60 % des
gesamten Nettogeldvermögens in den
Händen von 18,4 % der privaten Haushalte gelegen, im Jahre 2007 seien es
nur noch zehn Prozent der privaten
Haushalte. Der Gesetzgeber ist durch
Art. 20, Abs. 1 GG verantwortlich für
einen Ausgleich. Er sei reativ frei in der
Gestaltung, müsse aber begründen,
wieso starke Leistungsträger sich an diesem Ausgleich nicht oder nur in geringem Maße beteiligen müssen.
Bundesfinanzminister Schäuble hat sich
im Januar dahingehend geäußert, dass
die beanstandeten Punkte zügig - möglichst noch in diesem Jahr - korrigiert
werden sollen. Es solle keine grundlegende Reform geben. Inwieweit die
Neuregelungen rückwirkend gelten sollen, ließ er offen.
Was muss der Gesetzgeber tun?
Das Gericht fordert eine Definition, was
ZHH-Info 2/2015
Titelthema im Februar
kleine und große Unternehmen kennzeichnet. Hierbei verweist es auf die EUDefinition von KMU („kleine und mittlere
Unternehmen“).
Die für die Einstufung eines Unternehmens als KMU ausschlaggebenden Faktoren sind:
Zahl der Mitarbeiter und
entweder
Umsatz oder
Bilanzsumme.
Diese Schwellenwerte in nebenstehender Übersicht gelten nur für die Zahlen
einzelner Gesellschaften. Eine Firma,
die Teil einer größeren Gruppe ist, muss
ggf. Daten zur Mitarbeiterzahl, zum Umsatz und zur Bilanzsumme dieser Gruppe einbeziehen.
Große Unternehmen müssen nach Auffassung des Gerichtes einen Nachweis
erbringen, dass sie eine Verschonung
von der Erbschaftssteuer benötigen
(Nachweis der Bedürftigkeit).
Der Gesetzgeber muss sicherstellen,
dass die Mehrheit aller betroffenen Unternehmen einen Nachweis erbringt,
dass die Arbeitsplätze erhalten bleiben.
Was ist nicht verfassungskonform?
Die alte Regelung, dass Unternehmen
mit weniger als 20 Mitarbeitern keinen
Nachweis erbringen müssen, dass sie
keine Arbeitsplätze abgebaut haben,
um weniger bzw. gar keine Erbschaftssteuer zu zahlen, sei zu umfassend. 90
Prozent der Unternehmen müssten keinen Nachweis erbringen, so dass aus
der Ausnahme die Regelung geworden
sei, stellten die Richter fest. Der Kreis
derer, die keinen Nachweis erbringen
müssen, muss deutlich eingeschränkt
werden. Die Kontrolle der Lohnsummenprüfung muss deutlich ausgeweitet werden. Nur noch Unternehmen mit einigen
wenigen Mitarbeiter dürften ohne Kontrolle verschont werden. Die Ausnahme
müsse eine Ausnahme bleiben.
Die Alles-oder-Nichts-Regel durch die
Trennung von sog. Verwaltungsvermögen (Bankguthaben, vermietete Immobilien, Gemälde ....) und betriebsnotwendigem Vermögen muss geändert werden. Hier gebe es für Unternehmer zu
viel Spielraum, um durch Vermögensverschiebungen Steuern zu sparen. Große
ZHH-Info 2/2015
Unternehmen müssen künftig Steuern
zahlen oder nachweisen, dass sie diese
Zahlungen nur leisten können, wenn sie
das Unternehmen übermäßig belasten.
Diese Bedürftigkeit muss geprüft werden.
Die Richter merkten an, dass 2012 rd.
4,3 Mrd. Euro Erbschaftssteuern eingenommen worden seien, aber rd. 40
Mrd. Euro Steuern gespart worden
seien. In den Jahren 2009 - 2012 wurden mehr als ein Drittel des unentgeltlich
übertragenen Vermögens aufgrund des
Paragrafen 13a und b ErbStG übertragen.
Dieses Alles-oder-Nichts-Prinzip muss
nach dem Karlsruher Urteil geändert
werden. Möglich wäre es, diese 50 : 50
Grenze wegfallen zu lassen und grundsätzlich Verschonung zu gewähren allerdings nur für das Betriebsvermögen.
Da aber jedes Unternehmen Kapital
benötigt, um überhaupt existieren zu
können, müsste ein prozentualer Anteil
des Verwaltungsvermögens ebenfalls
verschont bleiben.
Mögliches alternatives Konzept
Wenn der Gesetzgeber sich für ein völlig neues Konzept entscheiden würde,
dann wäre das sog. „Flat-Rate-Konzept“
eine Alternative zum bestehenden System. Hier wäre die Übereinstimmung mit
dem Grundgesetz gegeben. Problematisch ist es aber, das Steueraufkommen
auf gleicher Hölhe zu halten.
Das Konzept stellt sich - grob vereinfacht
- folgendermaßen dar: Die Vergünstigungen für einzelne Vermögensarten fallen
weg und die Steuersätze werden gesenkt (und gegebenenfalls durch die
Möglichkeit der Stundung ergänzt). Dies
bedeutet, dass alle einheitlich besteuert
werden.
Hier ein Zahlenbeispiel:
100 Mio. Euro Kapitalvermögen müssen
momentan mit 30 % (30 Mio. Euro) versteuert werden, 100 Mio. Euro Unternehmenswert muss bei Verschonung mit
4 % (4 Mio. Euro) versteuert werden.
Wenn nun das Steueraufkommen in
Höhe von 34 Mio. Euro bleiben soll,
müssen bei gleicher Besteuerung beide
je 17 Mio. Euro Steuern zahlen. Diese
stark steigende Steuerbelastung bei Firmenerben widerspräche der bisherigen
Vorstellung, die die besondere Verantwortung von Unternehmern betont und
für den Erhalt der Unternehmen und Arbeitskräfte Sorge trägt.
Viele Fragen offen
Das Erbschafts- und Schenkungssteuergesetz muss geändert werden, um verfassungsgemäß zu werden. Noch stehen
die Änderungen nicht fest, das Gericht
hat nur die Richtung vorgegeben. Es ist
aber damit zu rechnen, dass Erben und
Schenken für Unternehmer teurer wird.
Höhere Steuern werden für Unternehmen mit viel Verwaltungsvermögen und
wenig Betriebsvermögen fällig werden.
Besonders kleinere Unternehmen müssen
sich auf höhere Dokumentationspflichten
einstellen, wenn sie weiterhin von (Teilen) der Steuer verschont bleiben wollen.
Große Unternehmen werden durch die
vom Gericht geforderte "Bedürfnisprüfung" zu Offenlegungen von Betriebsinterna gezwungen, wenn sie von (Teilen)
der Steuer verschont bleiben wollen.
Fraglich ist, wie Bedürftigkeit gemessen
werden soll. Inwieweit sind noch Investitionen möglich, wenn hohe Steuerzahlungen zu tätigen sind? Wie reagiert die
Bank, wenn sie von der "Bedürftigkeit"
erfährt? Werden Kredite teurer? Was
passiert, wenn der steuerliche Wert
eines Unternehmens höher ist als der tatsächliche Wert? Oftmals sind Erben vertraglich eingeschränkt und können nicht
frei über ihre Anteile verfügen. Viele Fragen sind noch offen, und es ist zu hoffen, dass seitens des Gesetzgebers Familienunternehmen weiterhin die - vom
Gericht ausdrücklich anerkannte - Möglichkeit der Steuerverschonung erhalten,
um nicht in Existenznöte zu kommen.
Mögliche Änderung beim Verwaltungsvermögen
Zurzeit wird das eigentlich nicht steuerbegünstigte Verwaltungsvermögen ebenfalls verschont, wenn es nicht mehr als
50 % des Gesamtwertes des Unternehmens beträgt. Und genauso wird das eigentlich steuerbegünstigte Betriebsvermögen besteuert, wenn das Verwaltungsvermögen mehr als 50 % beträgt.
Niemand sollte allerdings jetzt überstürzte Entscheidungen treffen, da Nachfolgeplanungen niemals allein von steuerlichen Erwägungen geleitet sein sollten.
Außerdem ist nicht sicher, ob die Änderungen nicht rückwirkend Geltung erlangen. Kontaktieren Sie gegebenenfalls
Ihren Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer, um zu klären, ob konkreter Handlungsbedarf besteht.
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