GASTKOMMENTAR Die Richtung stimmt E s ist kein Geheimnis, dass es für die besonders durch große Familienunternehmen geprägte deutsche Unternehmenslandschaft bei der Reform der Erbschaftsteuer auch um faire Wettbewerbschancen geht. Neun europäische Staaten haben diese Steuer vollständig abgeschafft, in elf weiteren gelten weitreichende Verschonungsregeln für Betriebsvermögen. Ab einem Übertragungswert von 26 Millionen Euro liegt der Steuersatz der Erbschaft- und Schenkungsteuer bei 30 Prozent. Da die für die Zahlung der Erbschaftsteuer nötigen Mittel zunächst vom Unternehmen ausgeschüttet und damit ertragsteuerlich versteuert werden müssen, liegt die Belastung von Familienunternehmen und Erben ohne Verschonung nochmals deutlich höher. Dies verdeutlicht die Dimension des Problems für unsere Familienunternehmen. Die Einigung der Großen Koalition auf die Reform der Erbschaftsteuer bringt nun im Vergleich zu den Eckwerten, die das Bundesfinanzministerium Anfang 2015 vorgelegt hatte, einen deutlichen Fortschritt. Dabei sind folgende Elemente hervorzuheben: das Abschmelzmodell als Alternative zur Bedarfsprüfung, die Investitionsrücklage, der Rechtsanspruch auf zinslose Stundung – leider nur im Todesfall – und das Festhalten an der bisherigen Abgrenzung von nicht begünstigtem Verwaltungs- zu begünstigtem Betriebsvermögen. Auch die Präzisierung, dass ebenfalls Drittlandsbeteiligungen in Holdinggesellschaften zum begünstigten Betriebsvermögen zählen, war für die stark im Ausland engagierten größeren Familienunternehmen wichtig. Für eine große Anzahl von Familienunternehmen wird sich die Belastung durch die Erbschaftsteuer jedoch deutlich erhö- Die Reform der Erbschaftsteuer muss weiter präzisiert werden, sagt Rainer Kirchdörfer. hen und leider auch zu alternativen Überlegungen bis hin zu Verkaufs- und Verlagerungsstrategien führen. Im weiteren Gesetzgebungsverfahren sind deutliche Präzisierungen unabdingbar. Nimmt man zum Beispiel die derzeitige Gesetzesformulierung wörtlich, besteht die Gefahr, dass schrittweise Unternehmensübergaben bei jedem einzelnen Übertragungsschritt mit einem Einsatz von 50 Prozent des Privatvermögens bestraft werden. In der Folge wären Übergaben in mehreren Raten, wie sie in der Praxis üblich und unverzichtbar sind, deutlich erschwert. Leider nimmt der Kompromiss insgesamt auch zu wenig Rücksicht auf die Praxis. In der Folge drohen massive Schwierigkeiten bei der Übergabe großer Familienunternehmen. Der Rechtsanspruch auf Stundung muss auch im Schenkungsfall gelten. Dies leuchtet bei einem Minderheitsgesellschafter sofort ein, der Schenkungsteuer auf den Bestand von im Unternehmen befindlichem, nicht begünstigtem Verwaltungsvermögen wie Geld- und Forderungsbeständen bezahlen muss, aber keinen Einfluss auf die Ausschüttung von Gewinnen des Unternehmens hat. Der Vorwegabschlag für Verfügungsbeschränkungen des Gesellschafters darf ferner nicht auf einzelne Rechtsformen beschränkt bleiben und muss auch bei Einzelunternehmen, AG oder SE greifen. Der bisherige Entwurf würde dazu führen, dass Satzungen von Familienunternehmen nicht mehr kapitalmarktfähig geregelt werden können. Der Autor ist Vorstand der Stiftung Familienunternehmen. Sie erreichen ihn unter: [email protected]
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