Deutscher AnwaltSpiegel

5 // Steuerrecht
Deutscher AnwaltSpiegel
Ausgabe 22 // 2. November 2016
Erbschaftsteuerreform 2016
Im Blickpunkt: Was jetzt an Veränderungen auf Unternehmen zukommt
Von Dr. Johannes Stehr
Beibehaltung der bisherigen
Verschonungssystematik
Die bisherige Systematik von Regelverschonung (Verschonung von 85% des begünstigten Vermögens) und
Optionsverschonung auf Antrag (Verschonung von 100%
des begünstigten Vermögens) bleibt für Erwerbe bis zu
26 Millionen Euro bestehen. Voraussetzung für die Verschonung ist die Einhaltung der Lohnsummenregelung,
der Behaltefrist und der Verwaltungsvermögensquote.
Die Ausgestaltung dieser Voraussetzungen ist jedoch
im Vergleich zum bisherigen Recht teilweise angepasst
worden:
Voraussetzungen
RegelverschonungOptionsverschonung
(85%)(100%)
Lohnsummenregelung
innerhalb von 5 Jahren
innerhalb von 7 Jahren
nicht mehr als 5 Beschäftigte
mehr als 5, aber nicht mehr als 10 Beschäftigte
Lohnsumme mindestens 250%
Lohnsumme mindestens 500%
mehr als 10, aber nicht mehr als 15 Beschäftigte
Lohnsumme mindestens 300%
Lohnsumme mindestens 565%
mehr als 15 Beschäftigte
Lohnsumme mindestens 400% Lohnsumme mindestens 700%
Behaltefrist
5 Jahre
7 Jahre
Verwaltungsvermögennicht mehr als 20% des begünsti­
gungsfähigen Vermögens
Begünstigtes Vermögen
Begünstigungsfähiges Vermögen ist, wie bisher, grundsätzlich der inländische Wirtschaftsteil des land- und
forstwirtschaftlichen Vermögens, inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb eines Betriebs, Teilbetriebs oder
einer Beteiligung an einer Personengesellschaft sowie
Anteile an einer Kapitalgesellschaft bei einer Mindestbeteiligung von 25%.
Aus diesem begünstigungsfähigen Vermögen ist jedoch das Verwaltungsvermögen herauszunehmen, um
das tatsächlich begünstigte Vermögen zu erhalten. Das
Verwaltungsvermögen unterliegt – mit Ausnahme eines
Anteils von 10% – also der normalen Besteuerung. Dies
ist im Vergleich zum bisherigen Recht eine deutliche 
© kunertus/iStock/Thinkstock/Getty Images
Mit Urteil vom 17.12.2014 hatte das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschieden, dass die Verschonung von
der Erbschaft- und Schenkungsteuer beim Übergang betrieblichen Vermögens angesichts ihres Ausmaßes und
der eröffneten Gestaltungsmöglichkeiten verfassungswidrig sei. Aufgrund der Anrufung des Vermittlungsausschusses wurde die dem Gesetzgeber vom BVerfG
gesetzte Frist für eine Neuregelung bis zum 30.06.2016
nicht eingehalten. Nun haben aber der Bundestag und
der Bundesrat dem im Vermittlungsausschuss am
22.09.2016 erzielten Kompromiss zugestimmt.
Die neuen Regelungen zur Betriebsvermögensverschonung, die rückwirkend zum 01.07.2016 in Kraft treten, hier nun im tabellarischen Überblick:
Schulden können nach dem neuen Recht mit Verwaltungs­
vermögen verrechnet werden.
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Verschlechterung für die Steuerzahler, da bislang der Erwerb von begünstigungsfähigem Vermögen selbst dann
uneingeschränkt verschont wurde, wenn es bis zu 50%
aus Verwaltungsvermögen bestand.
Beträgt das Verwaltungsvermögen 90% des begünstigungsfähigen Vermögens, scheidet nach neuer Rechtslage jegliche Verschonung aus.
Verwaltungsvermögen
Der gesetzliche Katalog des Verwaltungsvermögens ist
größtenteils ins neue Recht übernommen worden. Zur
Missbrauchsbekämpfung wurden zusätzlich jedoch
noch Briefmarkensammlungen, Oldtimer, Yachten, Segelflugzeuge sowie sonstige typischerweise der privaten
Lebensführung dienende Gegenstände aufgenommen.
Schulden können nach dem neuen Recht mit Verwaltungsvermögen verrechnet werden. Vorrangig sind dabei die Schulden mit Finanzmitteln zu verrechnen. Ein
verbleibender Schuldenüberhang ist dann auf begünstigtes Vermögen und Verwaltungsvermögen aufzuteilen
und steht in Höhe des auf das Verwaltungsvermögen
entfallenden Anteils weiter zur Verrechnung zur Verfügung.
Neu ist auch die Einführung einer Investitionsklausel. Beim Erwerb aufgrund eines Todesfalls entfällt die
Zurechnung von Vermögensgegenständen zum Verwaltungsvermögen rückwirkend auf den Todeszeitpunkt,
wenn der Erwerber das Verwaltungsvermögen innerhalb
von zwei Jahren in begünstigtes Vermögen investiert.
Voraussetzung hierfür ist jedoch, dass die Investition bereits vom Erblasser geplant war und in einen originär
betrieblichen Bereich investiert wird (Ausschluss von
Vermögensverwaltung).
Familienunternehmen
Für Familiengesellschaften hat der Gesetzgeber neben
dem Verschonungsabschlag als weitere Begünstigung
einen Sonderabschlag eingeführt. Voraussetzung ist,
dass der Gesellschaftsvertrag
• die Entnahme oder Ausschüttung auf höchstens
37,5% des steuerrechtlichen Gewinns nach Steuern
begrenzt – ebenso wie die Begleichung der Steuern
des Gesellschafters,
• die Verfügung über die Gesellschaftsanteile auf Mitgesellschafter, auf Angehörige oder auf eine Familienstiftung beschränkt sowie
• für den Fall des Ausscheidens aus der Gesellschaft
eine Abfindung vorsieht, die unter dem gemeinen
Wert liegt
und die gesellschaftsvertragliche Regelung den tatsächlichen Verhältnissen entspricht. Wenn diese Voraussetzungen zwei Jahre vor und 20 Jahre nach dem Zeitpunkt der Schenkung bzw. dem Erbfall vorliegen, wird
ein Sonderabschlag gewährt, der der Höhe nach der im
Gesellschaftsvertrag vorgesehenen prozentualen Minderung der Abfindung entspricht, maximal jedoch 30%.
Großerwerbe
Bei Großerwerben, also bei Erwerben mit einem begünstigten Vermögen von über 26 Millionen Euro pro
Erwerber, verringert sich der Verschonungsabschlag um
jeweils 1 Prozentpunkt für alle vollen 750.000 Euro, die
der Wert des begünstigten Vermögens 26 Millionen Euro übersteigt (sogenanntes Abschmelzungsmodell). Bei
einem Wert des begünstigten Vermögens von 90 Millionen Euro wird kein Verschonungsabschlag mehr gewährt.
Alternativ zum Abschmelzungsmodell kann der
Steuerpflichtige die sogenannte „Verschonungsbedarfsprüfung“ beantragen. Hierbei ist zu prüfen, ob der Erwerber persönlich in der Lage ist, die Steuer aus seinem
ihm zur Verfügung stehenden Vermögen zu begleichen.
Als verfügbares Vermögen werden im Gesetz 50% desjenigen Vermögens definiert, das sonst auf den Erwerb
übergegangen ist und das ihm sonst gehört. Kann der
Erwerber danach die Steuern nicht begleichen, ist die
Steuer zu erlassen. Der Erlass steht aber unter der auflösenden Bedingung, dass dieselben Lohnsummenregelungen und Behaltefristen eingehalten werden wie bei
der Optionsverschonung.
Stundungsregelung
Die Regelung zur Stundung einer auf begünstigtes Vermögen anfallenden Steuer wurde ebenfalls überarbeitet.
Bei Erwerben aufgrund eines Todesfalls wird zur Abmilderung möglicher erbschaftsteuerbedingter Härten für
Unternehmen ein Rechtsanspruch auf eine voraussetzungslose Stundung von bis zu sieben Jahren eingeführt.
Die Stundung des ersten Jahresbetrags erfolgt zinslos,
die restlichen Jahresbeträge werden hingegen nach den
allgemeinen Vorschriften der Abgabenordnung (AO) verzinst, womit ein Zinssatz von 6% jährlich angesetzt wird.
Bei einem Verstoß gegen die Lohnsummenregelungen
oder Behaltefristen endet die Stundung, und die Steuer
wird sofort fällig.
Kapitalisierungsfaktor
Der Kapitalisierungsfaktor für die Bestimmung des Unternehmenswerts nach dem vereinfachten Ertragswert
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verfahren wurde für Bewertungsstichtage nach dem
31.12.2015 auf 13,750 gesenkt (bisher: 17,857).
Die Senkung führt zu niedrigeren Unternehmenswerten und ist daher grundsätzlich für die Steuerpflichtigen günstig. Aufgrund der rückwirkenden Anwendung
auch auf Erwerbe im ersten Halbjahr 2016, für die noch
die §§ 13a, 13b ErbStG in der bisherigen Fassung gelten,
kann sich aber auch eine Schlechterstellung ergeben.
Durch den niedrigeren Unternehmenswert kann sich die
Verwaltungsvermögensquote derart erhöhen, dass die
bislang als sicher angenommene Verschonung wegen
Überschreitens der (nach bisherigem Recht) maßgeblichen 50%-Quote entfällt. Dies sollte aufgrund sogenannter „echter Rückwirkung“ verfassungswidrig sein,
könnte aber von den Finanzbehörden dennoch so umgesetzt werden.
T R A N S AT L A N T I C
Business Conference
The Transatlantic Marketplace 2016:
Leadership in a Challenging World
10. Transatlantische Jahreswirtschaftskonferenz
Erfahrungsaustausch, Strategien und Impulse für die wirtschaftliche und politische Partnerschaft
9./10. November 2016
Commerzbank Tower, Frankfurt am Main • Hilton Frankfurt Airport, Frankfurt am Main
Als Referenten
begrüßen wir u.a.:
Ausblick
Darüber, ob die neuen Regelungen zur Betriebsvermögensverschonung gelungen sind, kann gestritten werden. Es erscheint jedoch sicher, dass sich das BVerfG auch
mit diesen in naher Zukunft befassen wird. Eine entsprechende Aussage wurde sogar bereits in einer Pressemitteilung vom Ministerium der Finanzen des Landes Brandenburg veröffentlicht.
F
Sabine Bendiek
Vorsitzende der Geschäftsführung, Microsoft
Deutschland GmbH
VERANSTALTER
Jonas Prising
Chairman & CEO,
ManpowerGroup
IN KOOPERATION MIT
Prof. Dr. h.c. Martin Richenhagen
Vorsitzender, Präsident & CEO,
AGCO Corporation
MITVERANSTALTER
PARTNER
Dr. Johannes Stehr,
Rechtsanwalt Steuerberater, Fachanwalt
für Steuerrecht, Partner, Arnecke Sibeth,
München
HAUPTMEDIENPARTNER
[email protected]
www.arneckesibeth.com
Weitere Informationen und Anmeldung unter: www.transatlantikkonferenz.de
MEDIENPARTNER