Zum Kommentar im Handelsblatt - Stiftung Familienunternehmen

Gastkommentar
Die Stunde der Politik
Betriebsübergaben müssen auch
künftig ohne Eingriff in die
Unternehmenssubstanz möglich
bleiben, fordert Rainer Kirchdörfer.
W
enn der Vermittlungsausschuss heute erneut
zusammentritt, geht es für viele Familienunternehmen um die existenzielle Frage, ob sie
bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer künftig noch
Verschonungsregeln für das Betriebsvermögen nutzen
können. 43 Prozent der Familienunternehmen erklärten in einer Studie des Ifo Instituts, dass ihre Firma ohne Verschonung in Teilen oder ganz verkauft werden
müsste. Allein in den 500 größten deutschen Familienunternehmen werden mehr Mitarbeiter beschäftigt als
im gesamten Handwerk mit einer Million Betrieben. Die
Erbschaftsteuer trifft auch nicht etwa US-Konzerne, die
ihren Steuerbeitrag kleinrechnen, sondern einen Unternehmenstyp, der heute schon überdurchschnittlich zu
den Ertragsteuern in Deutschland beiträgt.
Es geht beim neuen Erbschaftsteuerrecht auch nicht
um eine steuerliche Entlastung der Unternehmen, sondern ausschließlich um das Ausmaß einer Mehrbelastung. Dies belegen die Analysen großer Wirtschaftsforschungsinstitute wie des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung in Mannheim, das von „erhebli-
chen Mehrbelastungen für große Betriebsvermögen im
Vergleich zur momentanen Rechtslage“ spricht.
So wird künftig das im Betrieb befindliche Verwaltungsvermögen deutlich höher besteuert als bisher,
weil die Grenze des steuerlich mitbegünstigten Verwaltungsvermögens von 50 auf zehn Prozent herabgesetzt
wird. Für größere Unternehmen und damit höhere
Übertragungswerte kommen weitere steuerliche Belastungen hinzu: Entweder wird der bisherige Verschonungsabschlag künftig deutlich kleiner ausfallen und
oberhalb von 90 Millionen Euro ganz gestrichen, oder
es wird zur Zahlung der Erbschaftsteuer sowohl auf die
Hälfte des im Betrieb befindlichen Verwaltungsvermögens als auch auf 50 Prozent des Privatvermögens des
Erwerbers zugegriffen.
Daneben hat der Unternehmenserbe selbstverständlich das erhaltene Privatvermögen in voller Höhe der
Erbschaft- bzw. Schenkungsteuer zu unterwerfen. Wer
angesichts dieser Belastung von Steuergeschenken für
reiche Erben spricht, ignoriert die neuen Voraussetzungen der Verschonung. Die Entlastung des Betriebsvermögens von der Erbschaftsteuer wird künftig an nochmals deutlich schärfere Bedingungen geknüpft sein.
Nach anderthalb Jahren Diskussion sind die Argumente jetzt ausgetauscht. Es schlägt die Stunde der Politik, die ihre Zusage erfüllen muss, dass auch künftig
Betriebsübergaben ohne Eingriff in die Unternehmenssubstanz möglich bleiben. Unsere Familienunternehmen brauchen Rechtssicherheit und steuerliche Rahmenbedingungen, die es ihnen ermöglichen, Stabilitätsanker der Wirtschaft zu sein.
Der Autor ist Vorstand der Stiftung
Familienunternehmen. Sie erreichen ihn unter:
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