Prozesspraxis PAK DARLEGUNGS- UND BEWEISLAST Schutzgesetze: Entstehen sekundärer Darlegungslast 1. Den Prozessgegner der primär darlegungsbelasteten Partei kann eine sekundäre Darlegungslast treffen, wenn die nähere Darlegung der primär darlegungsbelasteten Partei nicht möglich oder zumutbar ist, während der Prozessgegner alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. 2. Diese Grundsätze gelten auch bei Schadenersatzansprüchen wegen Verletzung eines strafrechtlichen Schutzgesetzes. Dabei spielt keine Rolle, ob ein entsprechender Auskunftsanspruch gegen den Schädiger besteht. (BGH 10.2.15, VI ZR 343/13, Abruf-Nr. 176024) IHR PLUS IM NETZ pak.iww.de Abruf-Nr. 176024 Sachverhalt Die Kläger begehren von den Beklagten, ehemalige Geschäftsführer einer inzwischen insolventen Wohnungsverwaltungs-GmbH, im Wege der Durchgriffshaftung vorenthaltene Erträge aus der Verwaltung. Klage und Berufung blieben u.a. erfolglos, weil das OLG annahm, dass eine sekundäre Darlegungs- und Beweislast bei einer vermeintlich verletzten Strafrechtsnorm nicht begründet werden könne. Dies führe nämlich zu der nicht zumutbaren Pflicht, einen strafrechtlichen Entlastungsbeweis zu führen. PDF erstellt für Gast am 22.04.2016 Entscheidungsgründe/Praxishinweis Der BGH sah dies ganz anders. Die Beklagten traf eine Vermögensbetreuungspflicht i.S.d. § 266 Abs. 1 StGB. Nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB ist die Vorschrift des § 266 StGB in Ansehung der primär die GmbH treffenden Vermögensbetreuungspflicht auch auf die Beklagten als deren Geschäftsführer anzuwenden. Der Kläger muss alle Tatsachen behaupten und beweisen, aus denen sich sein Anspruch herleitet. Stützt er sich auf deliktische Haftung wegen Verletzung eines Schutzgesetzes, muss er alle Umstände darlegen und beweisen, aus denen sich die Verwirklichung der Tatbestandsmerkmale des Schutzgesetzes ergibt. Grundsatz In manchen Fällen ist es aber Sache der Gegenpartei, sich im Rahmen ihrer Erklärungspflicht (§ 138 Abs. 2 ZPO) zu den Behauptungen der beweispflichtigen Partei substanziiert zu äußern. Diese sekundäre Darlegungslast, die die Verteilung der Beweislast unberührt lässt, setzt voraus, dass die nähere Darlegung dem Behauptenden nicht möglich oder nicht zumutbar ist, während der Bestreitende alle wesentlichen Tatsachen kennt und es ihm zumutbar ist, nähere Angaben zu machen. Sie kommt vor allem bei Schadenersatzansprüchen zur Geltung, die aus der Veruntreuung anvertrauter Gelder hergeleitet werden. Ausnahmen Dass es sich bei dem Schutzgesetz um eine Strafrechtsnorm handelt, bleibt nach dem BGH unerheblich. Auch müsse kein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch bestehen. Folge: Bei Ansprüchen nach § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266 StGB muss der Beklagte eine vollständige Abrechnung vorlegen. Dies ist aber nicht unbillig, weil es notwendiger Inhalt jeder Vermögensbetreuungspflicht ist, jederzeit Rechenschaft ablegen zu können. Nach dem BGH kann auch erst nachfolgend beantwortet werden, ob ein Vermögensschaden eingetreten ist und eine vorsätzliche Verletzung der übernommenen Pflichten vorliegt. Hierzu muss der Anspruchsteller erneut vortragen. Vollständige Abrechnung durch Beklagten erforderlich 06-2015PROZESSRECHT AKTIV 98 Prozesspraxis PAK Der BGH vereinfacht die Geltendmachung von Schadenersatzansprüchen wegen der Verletzung einer Vermögensbetreuungspflicht damit nachhaltig. Es bietet sich damit prozessual insbesondere eine Alternative zur Stufenklage, wenn ein materiell-rechtlicher Auskunftsanspruch zweifelhaft sein kann. Alternative zur Stufenklage BERUFUNGSRECHT Klageabweisung aus mehreren, unabhängigen und selbstständig tragenden Erwägungen Die Berufungsbegründung muss eine aus sich heraus verständliche Angabe enthalten, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen oder rechtlichen Gründe er ihnen im Einzelnen entgegensetzt. Hat das Erstgericht die Abweisung der Klage auf mehrere voneinander unabhängige, selbstständig tragende rechtliche Erwägungen gestützt, muss die Berufungsbegründung in dieser Weise jede tragende Erwägung angreifen (BGH 3.3.15, VI ZB 6/14, Abruf-Nr. 175839). IHR PLUS IM NETZ pak.iww.de Abruf-Nr. 175839 PDF erstellt für Gast am 22.04.2016 Entscheidungsgründe/Praxishinweis Der BGH stellt zunächst noch einmal die Grundsätze für die Begründung einer Berufung auf zwei Ebenen dar: Die Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 ZPO muss die Umstände bezeichnen, aus denen sich nach Ansicht des Berufungsklägers die Rechtsverletzung durch das Erstgericht ergibt. Der Anwalt sollte hier stets die verletzte Rechtsnorm mit deren Voraussetzungen nennen und dann eine klar begründete Subsumtion zeigen. Sodann muss er die Erheblichkeit des Fehlers für die angefochtene Entscheidung darlegen. Der Fehler kann im materiellen Recht liegen, sodass eine andere Entscheidung in der Sache begründet ist. Soweit der Fehler im Verfahrensrecht liegt, ist dagegen darzulegen, wie sich der Prozess ohne den Fehler fortentwickelt hätte, etwa was nach einem gebotenen gerichtlichen Hinweis nach § 139 ZPO vorgetragen worden wäre und in welcher Weise dieser Vortrag den Prozess beeinflusst hätte. Sachverhalt unter verletzte Rechtsnorm subsumieren Die Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 3 ZPO muss konkrete Anhaltspunkte bezeichnen, die Zweifel an Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Achtung: Der Kläger kann gezwungen sein, einen Tatbestandsberichtigungsantrag nach § 320 ZPO in der Notfrist von zwei Wochen ab der Zustellung des angefochtenen Urteils zu stellen, wenn der Tatbestand Unrichtigkeiten enthält. Insoweit ist unter Angabe der Blattzahlen der Gerichtsakte darzulegen, wann welcher Vortrag gehalten und/oder bestritten wurde oder eben nicht. Gleiches gilt bei „Auslassungen, Dunkelheiten oder Widersprüchen“. Nach Ablauf der Frist sind diese Korrekturen im Berufungsverfahren nicht mehr ohne Weiteres möglich. Tatbestandsberichtigungsantrag kann erforderlich werden Zur ordnungsgemäßen Berufungsbegründung gehört nach dem BGH eine aus sich heraus verständliche Angabe, welche bestimmten Punkte des angefochtenen Urteils der Berufungskläger bekämpft und welche tatsächlichen Berufungsbegründung auf konkreten Streitfall zuschneiden 06-2015PROZESSRECHT AKTIV 99
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