Prozesspraxis PAK BGH ZUR KRANKHEIT DES BEVOLLMÄCHTIGTEN Versäumung des Einspruchstermins durch eine plötzlich auftretende Krankheit | Versäumt der Bevollmächtigte einen Termin über den Einspruch gegen ein erstes Versäumnisurteil, drohen ein zweites Versäumnisurteil und eine Beschränkung der Rechtsmittel auf den Einwand, dass eine schuldhafte Säumnis nicht vorgelegen hat. Der Bevollmächtigte muss also für den Fall, dass er verhindert ist, vorsorgen, um das Gericht vorab zu informieren und eine Vertagung zu erreichen. Der BGH konkretisiert diese Pflichten für den Fall, dass der Bevollmächtigte erkrankt. | Sachverhalt Die Klägerin verlangt vom beklagten Rechtsanwalt Schadenersatz in Höhe von knapp 500.000 EUR wegen anwaltlicher Falschberatung. Das LG hat ihre Klage überwiegend abgewiesen. Hiergegen haben die Klägerin Berufung und der Beklagte Anschlussberufung eingelegt. Das OLG wies die Berufung mit Versäumnisurteil zurück und die Klage auf die Anschlussberufung vollständig ab. Gegen dieses Versäumnisurteil hat die Klägerin form- und fristgerecht Einspruch eingelegt. In dem anberaumten Termin zur Verhandlung über den Einspruch und die Hauptsache ist für die Klägerin trotz ordnungsgemäßer Ladung wiederum niemand erschienen, sodass das Gericht den Einspruch durch zweites Versäumnisurteil verworfen hat. Hiergegen richtet sich die Revision. Der Bevollmächtigte reklamiert für sich, erkrankt zu sein. 2. VU: Anwalt entschuldigte sich – er war erkrankt Der BGH hat die Revision verworfen. Er fasst dies in folgendem Leitsatz zusammen: IHR PLUS IM NETZ ◼◼Leitsatz: BGH 24.9.15, IX ZR 207/14 pak.iww.de Abruf-Nr. 180182 Bei einer plötzlich auftretenden Krankheit, die den Bevollmächtigten an der Wahrnehmung eines Einspruchstermins nach erstem Versäumnisurteil hindert, muss alles Mögliche getan werden, um das Gericht vorab zu informieren, um eine Vertagung des Termins zu erreichen (Abruf-Nr. 180182). PDF erstellt für Gast am 22.04.2016 Relevanz für die Praxis Gegen ein zweites Versäumnisurteil eines Berufungsgerichts ist die Revision gemäß § 565 S. 1, § 514 Abs. 2 S. 1 ZPO statthaft, ohne dass sie zugelassen wird (BGH WM 08, 1231). Die säumige Partei muss jedoch schlüssig darlegen, dass kein Fall der schuldhaften Versäumnis vorgelegen habe. Genau daran fehlt es aber nach Ansicht des BGH: Er hat allein den Umstand, dass der Kläger eine Erkrankung dargelegt hat, nicht genügen lassen, um eine schuldlose Versäumnis der mündlichen Verhandlung anzunehmen. Der Vortrag zum mangelnden Verschulden muss den gleichen Anforderungen genügen wie ein Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand. Erforderlich ist also, dass kein Verschulden des Prozessbevollmächtigten festzustellen ist, das sich die Klägerin als eigenes Verschulden zurechnen lassen muss (§ 85 Abs. 2 ZPO). Legen Sie großen Wert auf Ihren Vortrag 02-2016PROZESSRECHT AKTIV 31 Prozesspraxis PAK PRAXISHINWEIS | Eine schuldhafte Säumnis liegt regelmäßig vor, wenn ein Anwalt einen Termin kurzfristig und überraschend nicht wahrnehmen kann, dann nicht das ihm Mögliche und Zumutbare tut, um dem Gericht rechtzeitig seine Verhinderung mitzuteilen, um hierdurch eine Vertagung zu ermöglichen. Anforderungen an den erkrankten Rechtsanwalt Erkranken Sie also unvorhergesehen, müssen Sie unmittelbar das Gericht informieren oder Kollegen bzw. Mitarbeiter in der Kanzlei, damit diese die Information übernehmen. Auch die Bitte an einen Arzt oder ein Krankenhaus, kurz die Kanzlei zu informieren, ist zumutbar. Dabei muss in Ihrer Kanzlei für diesen Fall die allgemeine Weisung bestehen, alle Termine zu überprüfen und fachgerecht abzusagen, soweit ein Bürokollege die Termine nicht übernehmen kann. An einem Verschulden fehlt es nur, wenn auch dies nicht mehr möglich war. Das ist angesichts der modernen Kommunikationsmittel nur in wirklichen Notfällen denkbar. Im konkreten Fall sah der BGH diese Voraussetzungen jedenfalls als nicht gegeben an. Denn für die noch bis zum Termin zurückzulegende Strecke hatte der Bevollmächtigte die Zeit sehr knapp bemessen, als ihm auf der Fahrt übel wurde. PRAXISHINWEIS | Der BGH verlangt auch, dass Sie auf eine solche Situation immer vorbereitet ist. Aus anwaltlicher Vorsicht müssen Sie daher die für eine Kontaktaufnahme zum Berufungsgericht erforderlichen Telefonnummern oder diejenigen der Bürokollegen verfügbar halten. Telefonnummern bereithalten Das Berufungsgericht muss bei der nicht nachvollziehbaren, weil nicht angekündigten Säumnis auch nicht mit dem Erlass des zweiten Versäumnisurteils warten. Die aufgrund des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG) gebotene Rücksichtnahme auf die Verfahrensbeteiligten wird durch eine solche Verfahrensweise nicht verletzt (BVerfGE 93, 99; BGH NJW 99, 724; NJW 06, 448). Gegen den Regressanspruch kann sich der Bevollmächtigte angesichts der feststehenden Pflichtverletzung nur damit verteidigen, dass das Berufungsurteil bei einem Berufungsverfahren ohne eine solche Pflichtverletzung in gleicher Weise ausgefallen wäre. Das kann zumindest für die Anschlussberufung schwierig zu begründen sein, weil auf einen Hinweis auf die offensichtliche Erfolglosigkeit der Berufung diese hätte zurückgenommen werden können. Das hätte der Anschlussberufung die Grundlage entzogen, § 524 Abs. 4 ZPO. ARCHIV PDF erstellt für Gast am 22.04.2016 ↘↘ WEITERFÜHRENDE HINWEISE Ausgabe 1 | 2016 Seite 5 •Erkrankung des Bevollmächtigten als Wiedereinsetzungsgrund, PAK 16, 5 •Krank werden darf der Anwalt, aber..., PAK 14, 97 •Erkrankung der Partei als Wiedereinsetzungsgrund, PAK 16, 5 02-2016PROZESSRECHT AKTIV 32
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