KU N D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 KO M M E N TA R Zippert zappt Russland wird „ganz dringend“ gebraucht L THEMEN Die G-7-Außenminister tagen zur Ukraine-Krise WASHINGTON – Sieben Jahre nach einem Blutbad in der irakischen Hauptstadt Bagdad sind vier ehemalige Mitarbeiter der privaten US-Sicherheitsfirma Blackwater zu langen Haftstrafen verurteilt worden. Wie ein US-Bundesgericht in Washington bekannt gab, muss einer der vier Angeklagten wegen Mordes lebenslang ins Gefängnis, die übrigen drei Angeklagten wurden wegen Totschlags zu 30 Jahren Gefängnis verurteilt. Bei dem Vorfall waren mindestens 14 Zivilisten getötet worden. In dem Prozess hatte die Staatsanwaltschaft dargelegt, wie die Blackwater-Mitarbeiter am 16. September 2007 auf dem Nisur-Platz in Bagdad mit Sturmgewehren, Maschinengewehren und Granatwerfern willkürlich in die Menge feuerten. Sie hatten einen Diplomatenkonvoi beschützen sollen. Einer US-Untersuchung zufolge wurden binnen einer knappen Viertelstunde 14 Zivilisten getötet. Während des Prozesses plädierten die früheren Söldner auf „nicht schuldig“ und machten Notwehr geltend. Seite 12 Kommentar Seite 3 und Seite 6 [email protected] rorgruppe Boko Haram, die hinter der Aktion steckt, will die Nation destabilisieren. Der neue Präsident Muhammadu Buhari machte den Eltern allerdings wenig Hoffnung auf eine Befreiung – denn keiner weiß, wo Boko Haram die Mädchen versteckt hält. Deutschland gehört zu den globalen Gewinnern TOBIAS KAISER Politnomaden ziehen von Job zu Job Seite 8 Pro & Contra Sollten Menschen über 60 noch Eltern werden? Seite 2 Politik Armenier-Frage: Türken wettern gegen den Papst Siehe Kommentar und Seite 7 Aus aller Welt Der Wunsch einer Elfjährigen: Abitur mit 14 D ie deutsche Wirtschaft wird nach Ansicht der Bundesregierung auch in den kommenden Jahren robust wachsen. 2015 werde die Wirtschaftsleistung um 1,5 Prozent zulegen und im kommenden Jahr sogar um 1,6 Prozent, heißt es im Bericht für die EU. Auch in den darauffolgenden Jahren soll das Wachstum im Schnitt über einem Prozent liegen. Berlin erwartet zudem bis zum Ende des Jahrzehnts eine „durchgängig positive Entwicklung am Arbeitsmarkt“: Die Zahl der Erwerbstätigen werde von 42,8 Millionen in diesem Jahr auf dann 43,1 Millionen steigen. Robustes Wachstum und anhaltende Beschäftigung dürften dem Fiskus weiter Rekordeinnahmen bescheren und die Sozialversicherungssysteme entlasten. Bereits im vergangenen Jahr erzielten die Haushalte von Bund, Ländern, Kommunen und Sozialkassen das dritte Mal in Folge einen Überschuss. Mit steigender Wirtschaftsleistung verliert auch die aufgelaufene Staatsverschuldung von mehr als zwei Billionen Euro an Gewicht: Lag der Schuldenstand Ende 2014 noch bei 74,7 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, wird der Anteil Westpazifischer Grauwal legt auf der Suche nach Futter 22.511 Kilometer zurück Im Minus Seite 15 DOW Xetra-Schluss EZB-Kurs 17.45 Uhr 12.227,60 1,0564 18.002,90 –0,90% +0,11% +0,14% Punkte US-$ Punkte ANZEIGE Welt der Wunder mit Inge Steiner Heute um 19.10 Uhr Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: facebook.com/welt Der Stabilitäts- und Wachstumspakt, so der offizielle Titel des Maastricht-Vertrags, schreibt vor, dass die Mitgliedsstaaten der Währungsunion ihre Wirtschaftspolitik gegenseitig überwachen und koordinieren. Auf dieser Grundlage sind Deutschland und alle anderen Mitgliedsstaaten der Währungsunion unter anderem verpflichtet, jedes Jahr ein aktualisiertes Stabilitätsprogramm vorzulegen, das unter anderem eine mittelfristige Finanzplanung für die kommenden Monate enthält. Das Bundeskabinett will den diesjährigen Bericht aus Berlin heute verabschieden. Blutbad im Irak: Hohe Strafen für US-Söldner Männer feuerten grundlos in die Menge Guter Schwimmer Dax EURO BERICHT AUS BERLIN Seite 5 K ANZEIGE Seite 24 DAX nach den Berechnungen der Bundesregierung in diesem Jahr auf rund 71,5 Prozent sinken. Spätestens bis 2023 soll er unter die im Maastricht-Vertrag vereinbarte Obergrenze von 60 Prozent fallen. Die Prognose für die nahe Zukunft ist noch vergleichsweise vorsichtig; einige Forschungsinstitute, Banken und internationale Organisationen rechnen bereits Bewusstsein der Schuld mit rund zwei Prozent Wachstum in diesem Jahr. Der Internationale Währungsfonds ist in seiner am Dienstag veröffentlichten globalen Konjunkturprognose leicht optimistischer als die Bundesregierung. Die Organisation zählt Deutschland zu den Gewinnern der globalen Entwicklung, die für ein zweigeteiltes Wachstum in der Welt sorgt. Die wohlhabenden Volkswirtschaften sollen demnach in den kommenden Jahren stärker wachsen, während das Wachstum in aufstrebenden Schwellenländern und Entwicklungsländern zurückgehen wird. Deutschland profitiere wie andere reiche Volkswirtschaften vom gesunkenen Ölpreis, weil der ausgeprägte Wettbewerb hierzulande dafür sorgt, dass die niedrigeren Weltmarktpreise auch bei den Endverbrauchern ankommt. In Schwellenländern sei die Wirkung häufig schwächer. Für Länder wie Russland, deren Volkswirtschaften von der Öl- und Gasförderung dominiert werden, hätten die niedrigen Energiepreise verheerende Konsequenzen. Weniger gut sind die Aussichten für den deutschen Einzelhandel. Durch das wachsende Online-Geschäft könnten bis zu 30.000 Arbeitsplätze auf der Kippe stehen. Jahrestag des Leids Das billige Öl und der niedrige Euro-Kurs helfen der Wirtschaft. Bundesregierung erwartet stärkeres Wachstum und steigende Gehälter Thema Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) hat eine Rückkehr Russlands in die Gruppe der großen Industrienationen von einer Lösung des Ukraine-Konflikts abhängig gemacht. Unmittelbar vor Beginn des G-7-Außenministertreffens in Lübeck sagte Steinmeier, Russland werde „ganz dringend“ gebraucht, um internationale Konflikte wie in Syrien oder mit dem Iran zu regeln. Moskau müsse aber auch selbst an den „Bedingungen“ für eine Rückkehr arbeiten. „Will sagen: Helfen, dass der Ukraine-Konflikt einer Lösung näher kommt.“ Wegen der Annexion der Krim-Halbinsel wurde Russland 2014 aus der Gruppe der Industrienationen ausgeschlossen. Bei dem G-7-Treffen der Außenminister in Lübeck ist Moskau ebenso wenig dabei wie beim G-7-Gipfel der Staats- und Regierungschefs im Juni auf Schloss Elmau in Bayern. Steinmeier empfing die Außenminister vor dem historischen Rathaus der Hansestadt. US-Außenminister John Kerry reist wegen einer Anhörung im Kongress zum Stand der IranVerhandlungen erst heute an. LÜBECK – Mit ernstem Gesicht stehen diese Mädchen in Abuja, der Hauptstadt von Nigeria. Jedes Kind trägt ein Schild, mit dem an eines der 276 Mädchen erinnert werden soll, die vor genau einem Jahr in der Stadt Chibok im Norden des Landes entführt wurden. Die Ter- M AT T H I A S K A M A N N atholiken und Protestanten zeigen derzeit einen Mut zur Wahrheit, den man in der deutschen Politik kaum findet: Sie bezeichnen die Vertreibung und Ermordung von mehr als einer Million Armeniern vor 100 Jahren im Osmanischen Reich als Völkermord. Papst Franziskus wählte den Begriff am Wochenende, seit Längerem nutzen ihn Vertreter der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), zumal Synodenpräses Irmgard Schwaetzer. Die Spitzen beider Konfessionen werden am 23. April in Berlin einen ökumenischen Gottesdienst anlässlich der, so wörtlich, „Erinnerung an den Völkermord“ an den Armeniern abhalten. Anschließend spricht der Bundespräsident und frühere evangelische Pfarrer Joachim Gauck. Auch von ihm sind klare Worte zu erwarten. Kein Gemeinwesen kann gedeihen, wenn Völkermorde nicht offen angesprochen und die Leiden der Opfer nicht thematisiert werden. Wie sehr eine Blockade der Erinnerung an Menschheitsverbrechen Gesellschaften lähmt, zeigt sich in Russland und China, auch in der Türkei, die den Völkermord an den Armeniern leugnet. Hiergegen setzen die Kirchen eine Erinnerungsbereitschaft, mit der sie sich einmal mehr als schier unverzichtbare Kräfte der Humanisierung erweisen. Ankara wirft ihnen deshalb auf groteske Weise Rassismus vor. Dass die Kirchen dies können, liegt zum einen am Wesen des Christentums. Es ist eine erinnernde Religion des Schuldbewusstseins. Schon der Osterglaube der Jünger war nach Jesu Tod getrieben von der Erinnerung daran, ihn bei seiner Gefangennahme verlassen und verleugnet zu haben. Steht somit am Anfang des Christentums das Bewusstsein eigenen Versagens, kann die christliche (Erb-)Sündentheologie, oft geschmäht, zur Basis zukunftsfähiger Erinnerungskultur werden. Christen wissen, dass sie bei der eigenen Schuld anfangen müssen. Bei der Schuld gegenüber Juden, auch gegenüber Muslimen. Es ist das Eingeständnis eigener Verbrechen, was Erinnerungsfähigkeit erzwingt und dann dazu verpflichtet, diese Fähigkeit von anderen zu fordern. Die andere Voraussetzung christlicher Erinnerungsfähigkeit ist Unabhängigkeit. Nur wo Kirchen sich nicht mit einer bestimmten Kultur oder einzelnen Staaten identifizieren, können sie umfassend die Schrecken der Geschichte betrachten. Staatsnahen orthodoxen Kirchen gelingt das beim Blick auf die Verbrechen der eigenen Geschichte wesentlich schlechter. Und im Islam, dessen Sündentheologie ohnehin weniger ausgeprägt ist, kann sich eine Erinnerungskultur in angemessener Breite erst recht nicht entfalten, solange er als Staatsreligion oder als oberster Garant kultureller Ehre verstanden wird. AP/SUNDAY ALAMBA ange Zeit hat man sich gefragt, wo eigentlich der Mond hergekommen ist. Welcher Himmelskörper hält es freiwillig Millionen Jahre in der Nähe der Erde aus? Handelt es sich hier möglicherweise um ein prekäres Beschäftigungsverhältnis, wenn nicht gar Unzucht mit Abhängigen? Der Mond regelt die Gezeiten, bremst die Erdumdrehung und sorgt insgesamt für ein halbwegs angenehmes Klima auf unserem Planeten. Zum Dank für seine anspruchsvolle Tätigkeit wird er regelmäßig von interessierten Kreisen verfinstert, oder man schiebt ihn zum Spaß vor die Sonne, um den Verkauf von Lichtschutzbrillen anzukurbeln. Wie muss jemand beschaffen sein, der sich so eine Behandlung gefallen lässt? Forscherteams aus Deutschland und den USA sind sich nun sicher: Der Mond wurde einst von einem randalierenden marsgroßen Planeten aus der Erde herausgeschlagen und hat anschließend noch so lange kosmisches Material dazugesammelt, bis er seine uns heute bekannte Form erreicht hatte. Der Mond ist also eine etwas staubige Filiale der Erde, nur ohne Heidi Klum, Professor Lucke und Helene Fischer, also eigentlich ein Paradies. B ** D 2,30 E URO M I T T WO C H , 15. A P R I L 2 015 Wir twittern live aus dem Newsroom: twitter.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie „Die Welt“ digital auf allen Kanälen – mit der „Welt“-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle E in westpazifisches Grauwalweibchen hat einen fabelhaften Rekord aufgestellt – das Tier schwamm 22.511 Kilometer, wie ein Forscherteam in den „Biology Letters“ der britischen Royal Society berichtet. Das entspricht gut der Hälfte einer Erdumrundung. Grauwale (Eschrichtius robustus), die bis zu 14 Meter lang werden und 35 Tonnen wiegen können, leben heute nur noch im Pazifik, wobei zwischen einer westpazifischen und einer ostpazifischen Population unterschieden wird. Die ostpazifische Population überwintert vor den Küsten von Kalifornien und Mexiko und verbringt den Sommer im nährstoffreichen Golf von Alaska. Ihr Bestand gilt als stabil. Die westpazifische Population hingegen ist stark gefährdet und wird auf nur noch 130 Tiere geschätzt. Sie hat ihre sommerlichen Nahrungsgründe vor der russischen Insel Sachalin nördlich von Japan. In der Vergangenheit überwinterte sie vor der Südküste Chinas, allerdings haben sich ihre Wanderrouten und Fortpflanzungsgebiete durch den intensiven Walfang stark verändert. Das Team um den US-Biolo- gen Bruce Mate von der Oregon State University stattete daher sieben westpazifische Grauwale mit satellitenüberwachten Sendern aus. Eines der Weibchen schwamm den Aufzeichnungen zufolge von Sachalin 10.880 Kilometer bis vor die Küste Mexikos. Bei seinem Rückweg nutzte das Tier eine andere Route und kreuzte dabei die östliche Beringsee, bevor es schließlich nach 172 Tagen und 22.511 Kilometern wieder vor Sachalin ankam. Mit dieser Wanderung hat das Grauwalweibchen zumindest den Rekord gebrochen, der vorher von einem Buckelwal bekannt geworden war: 2010 berichteten Forscher von dem Tier, das bei seiner Reise von einem Nahrungsgrund zum nächsten mindestens 9800 Kilometer zurückgelegt hatte. Die aktuelle Studie ist bemerkenswert: So schwamm das Grauwalweibchen ebenso wie die anderen beobachteten Tiere auf dem Hinweg geradewegs durch das offene Meer und nicht – wie bei ostpazifischen Grauwalen üblich – nahe den Küsten. Dies spreche für die hervorragenden Navigationsfähigkeiten der Wale. DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail [email protected], Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail [email protected] ISSN 0173-8437 87-16 A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / FIN 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / H 820 FT / I 3,20 & / IRL 3,20 & / KRO 28 KN / L 3,20 & / MLT 3,20 & / N 38 NOK / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / S 42 SEK / SK 3,20 € / SLO 2,80 & + © Alle Rechte vorbehalten - Axel Springer SE, Berlin - Jede Veröffentlichung und nicht-private Nutzung exklusiv über www.as-infopool.de/lizenzierung DIE WELT BERLIN-2015-04-15-swonl-86 a2706855c6742da800ea012c61e5bba4 ZKZ 7109 Jetzt anmelden und mitbieten! Entdecken Sie auf welt-bietet.de wöchentlich neue spannende Produkte und Dienstleistungen. 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