** DIE GROSSE SONDERAUSGABE MIT UDO LINDENBERG 70 JAHRE DIE WELT Samstag, 2. April FREITAG, 1. APRIL 2016 ** Die Finanzwelt taumelt durch ein Chaos Zippert zappt D er ADAC warnt, aus ständig gegebenem Anlass, Urlauber und Geschäftsreisende vor drastischen Bußgeldern, die im Ausland drohen und mit denen man nicht rechnet. So kostet es in Norwegen 500 Euro, wenn man zu dicht auf einen Elch auffährt, und 700 Euro, wenn man das Tier rechts überholt. Ausgenommen sind Reisende, die mit einem Elch unterwegs sind, für den allerdings eine Geschwindigkeitsbegrenzung von 30 km/h gilt. Autofahrer in Albanien müssen zwei reflektierende, kugelsichere Schutzwesten dabeihaben, sonst drohen schwere Schussverletzungen und drei Punkte im Verkehrssünderregister von Tirana. Wer in Italien beim Telefonieren am Steuer erwischt wird, zahlt 160 Euro, wer ohne Handy unterwegs ist, kann sofort 320 Euro abdrücken. In den Niederlanden besteht ab einem Aufenthalt von drei Tagen die Wohnwagenpflicht. Es muss wenigstens eine gültige Anhängerkupplung vorgewiesen werden können, sonst ist mit empfindlichen Geldstrafen zu rechnen. Wer in Finnland ins Auto steigt, muss mindestens 1,2 Promille Alkohol im Blut haben. Im Zweifelsfall sollte man vor Antritt der Fahrt kräftig nachtanken. Aktienkurse fahren Achterbahn, der Ölpreis tanzt. Selten war ein erstes Quartal so turbulent D MARTIN U. K. LENGEMANN; UNIVERSITÄT JENA/FSU FOTOZENTRUM/MARTIN S. FISCHER Wenn Skelette laufen lernen Seite 20 POLITIK Umstrittener Freispruch für Vojislav Seselj Siehe Kommentar und Seite 6 FEUILLETON Einen wie Kertész wird es nie wieder geben Seite 21 AUS ALLER WELT Ein Anwalt rät von One-Night-Stands ab Problem anzugehen. Problematisch für die Weltwirtschaft und damit auch die Kapitalmärkte ist vor allem der schlechte Zustand vieler Banken – auch in Europa und auch in Deutschland. Viele Geldhäuser kämpfen mit ihren riesigen Altlasten aus der Vergangenheit. Gerade in Südeuropa leiden die Banken unter dem großen Volumen fauler Kredite. Großbanken in anderen Ländern fehlt die Idee, womit sie angesichts der zunehmenden Regulierung im Investmentbanking ihr Geld ver- VON STEFAN BEUTELSBACHER, JAN DAMS UND HOLGER ZSCHÄPITZ Dank der einsetzenden Frühjahrsbelebung ist die Zahl der Arbeitslosen in Deutschland im März weiter zurückgegangen – um 66.000 auf rund 2,85 Millionen. Das ist der niedrigste Wert in einem März seit 25 Jahren. Im Vergleich zum Vorjahresmonat waren es 87.000 Erwerbslose weniger, wie die Bundesagentur für Arbeit mitteilte. Die Arbeitslosenquote sank um 0,1 Punkte auf 6,5 Prozent. Im Frühjahr stellen vor allem witterungsabhängige Branchen wie der Bau wieder Mitarbeiter ein, die im Winter arbeitslos waren. Seite 10 Für die Weltwirtschaft ist dieses Auf und Ab ein Riesenproblem. Gerade beim Öl. Kaum ein Experte hatte mit einem solchen Einbruch gerechnet. Aber gerade als alle begannen, sich auf eine Ära ultrabilliger Energie einzustellen, ging der Preis wieder um 50 Prozent nach oben. Inzwischen kostet das Fass wieder rund 40 Dollar. Wichtige Investitionen lassen sich auf dieser Basis kaum noch planen. Wirtschaftswissenschaftler machen für das Chaos an den Märkten vor allem die politische Unsicherheit in vielen Regionen der Welt verantwortlich. Die Welt ist aus den Fugen geraten. Und die Weltbörsen spiegeln das in ihren Kurven wider. Terroranschläge, Kriege, politische Spannungen verunsichern Unternehmen und Anleger. Und anders als früher lassen sich diese Entwicklungen kaum noch statistisch prognostizieren. Auch weil ohne eine gezielt agierende Supermacht eine politisch ordnende Hand in der Welt fehlt. Unsicherheit bestimmt derzeit die Politik und damit auch die neue Wirtschaftswelt. „Das ist das neue Paradigma“, schreibt der ehemalige Chef der Bank von England, Mervyn King, in seinem neuen Buch. Gegen Risiken könne man sich absichern. Gegen Unsicherheiten dagegen nicht. Als Brandbeschleuniger kommt die weiterhin sehr hohe Verschuldung vieler Volkswirtschaften hinzu. Weltweit hätten die Staaten Schulden in Höhe von kaum vorstellbaren 42,4 Billionen Euro. Die Kredite von Banken, Unternehmen und Privatkunden addieren sich im Krisenfall dazu, wie die US-Immobilien- und die europäische Schuldenkrise gezeigt haben. Die Politik weiß das. Bislang aber fehlen die nötige Kraft und Entschlossenheit, dieses THEMEN WISSENSCHAFT ie Finanzwelt ist im ersten Quartal dieses Jahres ins Taumeln geraten. Bei deutschen Aktien zum Beispiel ging es so heftig auf und ab, dass Anleger dem kaum noch folgen können. Der Dax als Leitindex verlor bis Februar 2000 Punkte. Das war ein Minus von fast 20 Prozent. Mittlerweile ist der Index wieder so stark gestiegen, dass das Minus nur noch bei sieben Prozent liegt. Gold wiederum verbucht mit einem Plus von 17 Prozent seit Jahresbeginn das beste Quartal seit 25 Jahren. Der Preis für Erdöl als Schmierstoff der Weltwirtschaft fiel zwischenzeitlich auf 27 Dollar pro Fass. Was weit unter den Produktionskosten liegt. Ein Mann der Werte Seit den Anschlägen auf Flüchtlinge in Bautzen und Clausnitz hat Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich mehr noch als sonst zu tun und großen Erklärungsbedarf. Tillich hat sich selbst nichts vorzuwerfen. Als katholischer Sorbe weiß er, was es bedeutet, in der Minderheit zu sein, und handelt danach. Tillich besitzt einen festen Orientierungsrahmen. Wie dieser aussieht, Seite 8 was den CDU-Politiker bewegt und was er denkt, lesen Sie auf Arbeitslosenzahl sinkt auf 2,85 Millionen dienen wollen. Die niedrigen Zinsen in diesem Umfeld treiben selbst Geldhäuser in die Enge, die nicht vom Kapitalmarktgeschäft lebten. Kein Wunder, dass die Banken in vielen Ländern nur zögerlich neue Kredite an die Wirtschaft vergeben. Die Notenbanken versuchen zwar, die Probleme mit einer Geldschwemme erträglich zu machen. Nur funktioniert das, anders als früher, nicht mehr richtig – zumindest nicht in der von Krisen geschüttelten Euro-Zone. Die Inflation zieht nicht an. Die Maßnahmen scheinen zu verpuffen. Deshalb suchen immer mehr Anleger sogenannte sichere Häfen an den Kapitalmärkten. Der steigende Preis für Gold und Bundesanleihen lässt sich daher auch erklären. Unverständlich ist dagegen der Anstieg des brasilianischen Real. Das Land ist in einer tiefen Rezession samt politischer Krise. Aber die Währung gewinnt zum Dollar mehr als elf Prozent. Rational Seite 13 scheint das nicht. D 2,50 EURO B Nr. 76 KOMMENTAR Fiasko in Den Haag RICHARD HERZINGER D er Freispruch für den serbischen Ultranationalisten Vojislav Seselj durch das UNTribunal ist ein schlimmer Rückschlag für die internationale Strafgerichtsbarkeit zum Schutz der Menschenrechte. Es konterkariert das starke Signal, das erst vergangene Woche vom Den Haager Gericht ausging, als es den ehemaligen bosnischen Serbenführer Radovan Karadzic wegen Völkermords während des Balkankriegs in den 1990er-Jahren zu 40 Jahren Haft verurteilte. Sollte die Staatsanwaltschaft, wie die Richter andeuten, eine schlampige Beweisführung vorgelegt haben, hätte sie leichtfertig eine große Chance vertan. Denn dass Seselj, damals ein enger Vertrauter von Staatschef Slobodan Milosevic und ein führender Einpeitscher des großserbischen Nationalismus, mit der Ermordung und Vertreibung Zehntausender Bosnier und Kroaten nichts zu tun gehabt haben soll, ist schwer zu glauben. So oder so hat das Urteil einen schlechten politischen Beigeschmack. Nach zwölf Jahren Untersuchungshaft war Seselj 2014 aus Krankheitsgründen nach Serbien entlassen worden – auf Zeit, doch ohne Garantie, dass er je zurückkehren werde, was er dann auch nicht tat. Den Prozess hatte er zuvor als Propagandaforum für seine Hassideologie nutzen dürfen. In Serbien betätigte sich der angeblich Schwerkranke dann als Anführer einer neu gegründeten radikal-nationalistischen Partei. Leicht kann man auf den Gedanken kommen, das Gericht habe den Fall Seselj unbedingt loswerden wollen, um den Annäherungsprozess Serbiens an die EU nicht zu belasten. Trifft das zu, ist es nach hinten losgegangen. Seselj kann sich jetzt als Triumphator über „das antiserbische Gericht in der Hand der westlichen Mächte“ feiern lassen, als das er jenes Tribunal beschimpft, das ihn, zum Entsetzen aller bosnisch-muslimischen und kroatischen Opfer, doch soeben zum freien Mann erklärt hat. Dem wiedererstarkenden großserbischen Nationalismus wird das zusätzlichen Schub verleihen. Der spürt neuen Aufwind, seit Moskau eine aggressiv antiwestliche Politik betreibt und Serbien als slawisches und orthodoxes „Brudervolk“ dafür einspannt. In diesem Sinne bezeichnet Seselj die EU als „den Satan“, Putins Russland hingegen als historischen Verbündeten und die „große Liebe“ Serbiens. Der ominöse Freispruch Seseljs ist nicht nur ein Fiasko für die juristische Aufarbeitung vergangener Gräuel auf dem Balkan. Er stärkt auch die Kräfte, die neuerlich ethnischen Hass und nationalistische Gewalt schüren. [email protected] ANZEIGE Seite 24 DAX 70 Jahre jung Im Minus Eigentlich sind Journalisten kritisch, oft sogar selbstkritisch. Doch wir feiern uns selbst Seite 15 Dax Schluss Euro EZB-Kurs Punkte US-$ 9965,51 1,1385 –0,81% ↘ Dow Jones 17.40 Uhr 17.724,16 Punkte +0,53% ↗ +0,04% ↗ ANZEIGE Welt der Wunder mit Inge Steiner Heute um 19.10 Uhr Wir twittern Diskutieren live aus dem Sie mit uns Newsroom: auf Facebook: twitter.com/welt facebook.com/welt „Die Welt“ digital Lesen Sie die WELT digital auf allen Kanälen – mit der WELT-App auf dem Smartphone oder Tablet. Attraktive Angebote finden Sie auf welt.de/digital oder auch mit den neuesten Tablets auf welt.de/bundle E igentlich sind die Zeiten des Feierns im Journalismus vorbei. Nicht, weil die Digitalisierung so anstrengend ist oder der Wettbewerb so hart, sondern weil mit dem Beginn der Finanzkrise 2008 die Momente des Innehaltens, der Regeneration und dann der Party sehr selten geworden sind. Wir haben keine Zeit, zu feiern, es ist einfach zu viel los. Am Samstag wollen wir es doch tun. Da feiert die „Welt“ ihr 70. Jubiläum mit einer Sonderausgabe, die Udo Lindenberg als bunte Party likörelliert hat. Die Jubiläumsausgabe wird in doppelter Auflage gedruckt. Inhaltlich folgt sie dem Motto „Andere denken nach, wir vor“, das sich durch alle Ressorts zieht. Auch eine semantische Analyse der verwendeten Sprache in der allerersten Ausgabe der Zeitung und eine selbstironische Zusammenstellung von Fehlurteilen in den „Welt“-Kulturkritiken machen deutlich, wie sich die Zeitung gewandelt hat. Das interaktive Online-Special „Ihre ‚Welt‘-Geschichte“ bindet die Leser ein. Sie können auf eine persönliche Zeitreise durch die vergangenen 70 Jahre gehen und nachsehen, was in der Weltgeschichte passierte, als sie zum Beispiel eingeschult wurden. Wir sprechen mit 70-Jährigen, die nicht anders können, als jung und mutig zu bleiben. Und über Firmen, die seit sieben Jahrzehnten erfolgreich sind. Erstmalig erschien die „Welt“ am 2. April 1946 in Hamburg. Axel Springer übernahm die Zeitung 1953. Die „Welt“ ist nicht nur seit Anbeginn eine starke Stimme in der öffentlichen Debatte der Bundesrepublik. Auch bei der Digitalisierung hat sich die Marke als Vorreiter etabliert. Bundeskanzlerin Angela Merkel würdigt die Entwicklung und Rolle der „Welt“ in einem Grußwort, das in der Sonderausgabe veröffentlicht wird. Chefredakteur Stefan Aust fasst zusammen, was das Jubiläum für die „Welt“ bedeutet: „70 Jahre, die die ‚Welt‘ veränderten, geben uns den nötigen Schwung beim Vordenken für die Zukunft.“ Morgen erscheint eine besonders dicke, gut gelaunte, pointierte, feierliche und überraschende „Welt“. Bis morgen! DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030 / 259 10 Fax: 030 / 259 17 16 06 E-Mail: [email protected] Anzeigen: 030 / 58 58 90 Fax: 030/585891 E-Mail: [email protected] Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin Tel. 0800 /9 35 85 37 Fax: 0800 / 9 35 87 37 E-Mail: [email protected] A 3,20 & / B 3,20 & / CH 5,00 CHF / CZ 95 CZK / CY 3,40 & / DK 25 DKR / E 3,20 & / I.C. 3,20 & / F 3,20 & / GB 3,00 GBP / GR 3,40 & / I 3,20 & / IRL 3,20 & / L 3,20 & / MLT 3,20 & / NL 3,20 & / P 3,20 & (Cont.) / PL 15 PLN / SK 3,20 € + ISSN 0173-8437 76-13 DAS DESIGN-SPA IM HERZEN BERLINS ERLEBEN SIE SCHWERELOSIGKEIT IN FLÜSSIGEM KLANG ZKZ 7109 INFOS & GUTSCHEINE UNTER WWW.LIQUIDROM-BERLIN.DE
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