Dokumentation Schreiben an die Gemeinden Der - EKHN

Dokumentation
Schreiben an die Gemeinden
Der Kirchenpräsident der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Jung, und der Bischof der
Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck, Martin Hein, haben die evangelischen Gemeinden in
einem Schreiben dazu aufgerufen, an den bevorstehenden 100. Jahrestag des Völkermords an den
Armeniern mit Gottesdiensten und Glockengeläut zu erinnern.
Der Wortlaut des Briefes:
Gedenken an den Armeniergenozid
Am 24. April 2015 gedenken armenische Christinnen und Christen weltweit des Völkermordes im
Osmanischen Reich, der vor hundert Jahren mit der Verhaftung armenischer Intellektueller und
Politiker begann. Bis zum Ende des ersten Weltkrieges fanden mehr als eine Million armenischer
Christinnen und Christen bei Massakern und Zwangsumsiedlungen den Tod. Nicht zu vergessen eine
halbe Million assyrischer, chaldäischer und griechisch-orthodoxer Christen, die am Ende des
osmanischen Reiches Opfer von Massakern und Vertreibung wurden.
Dass eine offene Diskussion über den armenischen Völkermord bis heute in der Türkei nicht möglich
ist und nach § 301 der türkischen Verfassung strafrechtlich verfolgt werden kann, halten wir für nicht
akzeptabel. Zu verleugnen und zu vergessen, ist der letzte Schritt des Völkermordes. Aus eigener
Erfahrung bekräftigen wir, dass der kritische Umgang mit der eigenen Vergangenheit eine aus der
Schuld vergangener Generationen erwachsene Verantwortung zur Erinnerung an geschehenes
Unrecht ist. Es ist, davon sind wir überzeugt, nicht nur für die Opfer wichtig, dass die türkische
Regierung den Völkermord an den Armeniern anerkennt, sondern auch für den innertürkischen
Demokratisierungsprozess, die Meinungs- und Wissenschaftsfreiheit in der Türkei und ein besseres
Verhältnis zum Nachbarstaat Armenien.
Der transparente und ehrliche Umgang mit der eigenen Vergangenheit kann der Verherrlichung von
Gewalt und rassistischem Nationalismus entgegenwirken. Wir nehmen Ansätze eines Umdenkens in
der Türkei wahr und ermutigen alle, die sich sowohl in der Türkei als auch in Deutschland für eine
Aufarbeitung des armenischen Völkermordes und eine Förderung des Dialogs zwischen Türken und
Armeniern einsetzen.
Wir sind uns bewusst, dass Deutschland eine Mitverantwortung an dem Völkermord an den
Armeniern während des 1. Weltkrieges trägt. Politisch Verantwortliche in Deutschland haben
wissentlich die Deportation und den Tod vieler Menschen in Kauf genommen, um das Verhältnis zum
osmanischen Bündnispartner nicht zu gefährden. Wir begrüßen das Bekenntnis des Deutschen
Bundestages aus dem Jahr 2005 zu Deutschlands Mitschuld und erwarten von der Bundesregierung,
dass sie sich bei ihren Verhandlungen mit der Türkei für eine Anerkennung des Völkermordes an den
Armeniern einsetzt und diese zu einer Bedingung für einen EU-Beitritt macht. Außerdem bitten wir
die Hessische und die Rheinland-Pfälzische Landesregierung um die Umsetzung der 2005 vom
Bundestag angeregten Maßnahmen zur Aufnahme des Armenier-Genozids in Schulcurricula und
Schulbücher. Gerade Jugendliche mit türkischem Hintergrund könnten auf diese Weise einen Einblick
in die türkische Geschichte erhalten, der ihren Eltern in der Türkei verwehrt wurde.
Wir empfehlen unseren Kirchengemeinden, sich dem Aufruf der Arbeitsgemeinschaft Christlicher
Kirchen in Deutschland anzuschließen und den Dialog mit armenischen Gemeinden in ihrer
Nachbarschaft suchen und durch besondere Veranstaltungen an den Völkermord der Armenier in
ihren Gemeinden zu erinnern. Außerdem regen wir dazu an, sich den anderen ACK-Kirchen
anzuschließen und im Gottesdienst für die Opfer des Völkermordes zu beten und am 24. April 2015
um 17:00 Uhr die Glocken zu läuten.