** KUN D E N S E RVI C E 0 8 0 0 / 9 3 5 8 5 3 7 D 2,40 E URO SA MSTAG , 11. APRIL 2 015 VW: Piëch geht auf Distanz zu Winterkorn I BEILAGEN Machtkampf bei Europas größtem Autobauer PANAMA CITY – Erstmals seit mehr als 50 Jahren haben sich die Außenminister der USA und Kubas getroffen. Kurz vor Beginn des Amerika-Gipfels seien US-Ressortchef John Kerry und sein kubanischer Amtskollege Bruno Rodríguez in Panama-Stadt zu einem Gespräch zusammengekommen. Die Minister seien sich darin einig gewesen, dass Fortschritte gemacht worden seien, heißt es. Zudem hätten sie vereinbart, weiter an der Lösung offener Fragen zu arbeiten. US-Außenamtssprecherin Marie Harf sprach vom ersten bilateralen Treffen der Außenminister der USA und Kubas seit 1958. Beim Gipfel in Panama wollen auch Kubas Staatschef Raúl Castro und US-Präsident Barack Obama zu einem ersten direkten Gespräch zusammenkommen. Das Treffen soll das Ende einer mehr als 50 Jahre währenden Eiszeit zwischen Washington und der sozialistischen Regierung in Havanna markieren. Nach Angaben des demokratischen US-Senators Ben Cardin wollen die USA Kuba von der Liste der Terrorstaaten streichen. Eine solche Empfehlung habe das State Department nach monatelanger Prüfung gegeben. Siehe Kommentar und Seite 7 Kommentar Seite 3, Seite 6 [email protected] REUTERS; ALAMY So schön kann Landraub sein tegischen Landgewinnung im Südchinesischen Meer. China und mehrere Nachbarländer – darunter auch die Philippinen – vermuten Öl- und Gasvorkommen unter dem Meeresboden. Es ist eine neue Eskalationsstufe im schwelenden Territorialkonflikt. Seite 7 Flüchtlingslager Jarmuk ist die „tiefste Hölle“ Warum auf Lanzarote Kargheit Trumpf ist Motor Das beste Auto der Welt soll eine C-Klasse sein Literarische Welt Autor Ralf Bönt über den Kampf für Männerrechte Dax Im Plus Seite 20 DAX EURO DOW Xetra-Schluss EZB-Kurs 17.45 Uhr 12.369,07 1,0570 18.046,14 +1,67% –1,89% +0,49% Punkte US-$ Punkte M it ungewöhnlich drastischen Worten hat UNGeneralsekretär Ban Kimoon die Lage im Flüchtlingslager Jarmuk im Süden von Damaskus beschrieben. „Im syrischen Horror ist das Flüchtlingslager Jarmuk die tiefste Hölle“, sagte Ban. Das Flüchtlingslager erinnere ihn immer mehr an ein Todeslager. Hohe EU-Vertreter warnten vor einem Massaker in Jarmuk, das in den Strudel des syrischen Bürgerkriegs gerissen wurde. Große Teile der Flüchtlingssiedlung wurden vor einigen Tagen von der islamistischen Terrormiliz IS eingenommen. Palästinensische Bürgerwehren versuchen seitdem, die IS-Kämpfer zurückzuschlagen. „Wir können nicht einfach dastehen und zusehen, wie sich ein Massaker zuträgt“, warnte Ban. „Wir dürfen die Menschen in Jarmuk nicht aufgeben.“ Das Lager gleicht längst einer Ruinenstadt. Die Menschen in Jarmuk, darunter rund 3500 Kinder, würden als „menschliche Schutzschilde“ missbraucht, sagte Ban weiter. Das Flüchtlingslager habe „das untere Ende der Hölle“ erreicht, sagte auch der Sprecher des UN-Palästinahilfswerks (UNRWA), Chris Gunness. „Es darf nicht noch weiter sinken.“ Die SOS-Kinderdörfer meldeten via Twitter, Kinder würden in Jarmuk zwischen die Fronten der Kampfparteien geraten. Die Lage sei „wirklich schrecklich“, sagte der Sprecher von Medico International, Mar- tin Glasenapp, im Deutschlandfunk. Die internationale Staatengemeinschaft müsse handeln. Derweil gibt es einen Hoffnungsschimmer: Palästinensische Milizen haben den IS nach eigenen Angaben erfolgreich zurückgedrängt. Demnach rückten die Kämpfer verschiedener Fraktionen bis ins Zentrum von Jarmuk vor. Die islamistischen Extremisten kontrollierten nur noch rund ein Drittel des Lagers, sagte ein Sprecher der Milizen der Deutschen PresseAgentur. Eine unabhängige Bestätigung dafür gab es nicht. In den vergangenen Tagen hatte es geheißen, der IS habe rund 90 IS-TERROR IM LAGER Flüchtlinge aus Jarmuk berichten von grausamen Massakern der Terrormiliz IS im Lager. Der Nachrichtenagentur AFP sagten geflohene Palästinenser, die Islamisten hätten Menschen den Kopf abgeschlagen und Kinder vor deren Eltern getötet. 2000 Flüchtlingen war es gelungen, noch vor dem Sturm des IS das Lager zu verlassen. 16.000 sind allerdings noch vor Ort und sind den Islamisten hilflos ausgeliefert. Am nördlichen Eingang des Lagers sind von Gebäuden nur noch Gerippe übrig. Ursprünglich lebten 150.000 Flüchtlinge in Jarmuk. Seite 9 Obama will Kuba von Terrorliste streichen lassen Historisches Treffen der Außenminister Wasserschutzpolizei Berlin/Brandenburg © Gregor Sawatzki / True Jokx Productions / Riek & Kudernatsch GbR Unterwegs mit der E ANZEIGE ANZEIGE Heute um 10.05 Uhr Allgemeine Heuchelei Prozent von Jarmuk unter Kontrolle gebracht. Gleichzeitig hat auch die syrische Armee in die Kämpfe eingegriffen. Die Islamisten seien demnach mit schwerer Artillerie beschossen worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte am Freitag mit. Über Tote und Verletzte gab es zunächst keine Angaben. Vor Tagen hatte das Regime von Diktator Baschar al-Assad bereits Fassbomben über dem Lager abwerfen lassen. Verwirrung gibt es um militärische Hilfe der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO). Zunächst hatte es geheißen, die PLO wolle mit der syrischen Armee eine Offensive gegen den IS starten. Doch nun kommen andere Töne aus Ramallah im Westjordanland. Demnach wolle die PLO verhindern, dass Palästinenser in den Bürgerkrieg hineingezogen werden, und sich heraushalten. Die Bundesregierung hat derweil zusätzliche Hilfe in Aussicht gestellt. „Seit Beginn des Bürgerkriegs geht es den Menschen da schlecht“, sagte eine Sprecherin des Auswärtigen Amts. „Sie werden ausgehungert.“ Das syrische Regime und Extremistengruppen blockierten systematisch Hilfe. „Wir stehen auch jetzt im Kontakt mit den Vereinten Nationen, um zu schauen, wie wir weiter helfen können.“ Die Bundesregierung habe der UN-Flüchtlingsorganisation UNRWA im vergangenen Jahr 6,4 Millionen Euro zur Unterstützung zur Verfügung gestellt. Bei Europas größtem Autobauer Volkswagen bahnt sich ein Machtkampf in der Führungsspitze an. VW-Aufsichtsratschef Ferdinand Piëch ist völlig überraschend von Vorstandschef Martin Winterkorn abgerückt, dessen Zukunft bei VW damit fraglich ist. „Ich bin auf Distanz zu Winterkorn“, sagte Piëch dem „Spiegel“. Der einflussreiche VW-Betriebsratschef Bernd Osterloh dagegen stellte sich demonstrativ hinter Winterkorn. VW-Konzernsprecher Stephan Grühsem sagte, Winterkorn habe Volkswagen in den vergangenen acht Jahren zu einem der „weltweit erfolgreichsten Automobilkonzerne“ gemacht. Auch VW-Aufsichtsrat und Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) stärkte Winterkorn den Rücken. „Ich bin unangenehm überrascht über die zitierten Aussagen von Herrn Professor Piëch“, sagte er. Der Bericht kommt einem Erdbeben im VW-Reich gleich. Piëch hatte die Konzernspitze vor Winterkorn selber geführt, zu dem er ein großes Vertrauensverhältnis besaß. Die Familien Porsche und Piëch besitzen die Stimmenmehrheit bei VW. Ohne Piëch fällt keine Entscheidung. HAMBURG – Was auf dieser Satellitenaufnahme so künstlerisch anmutet, ist ein eher aggressiver Vorgang: Chinesische Frachtschiffe schütten gut 200 Kilometer westlich der philippinischen Küste Sand auf den nördlichen Rand des Mischief-Riffs auf. Das Ganze dient der stra- JACQUE S SC HUSTE R s gibt zwei Arten von Toten – diejenigen, deren Schicksal sich politisch missbrauchen und deren Tragödie sich lautstark betrauern lässt, und diejenigen, welche halt gestorben sind. Im syrischen Jarmuk lässt sich diese Heuchelei gegenwärtig besonders eindringlich beobachten. Seit Monaten werden dort palästinensische Flüchtlinge abgeknallt, erschlagen und ausgehungert. Doch weder aus dem Gazastreifen noch dem Westjordanland hört man von Massendemonstrationen oder Aufrufen, den rund 16.000 Brüdern und Schwestern zu Hilfe zu eilen, die in Jarmuk mit dem Tode kämpfen. Dass die Palästinenser dazu sonst in der Lage sind, dass sie zügig sämtliche internationalen Foren – von den Vereinten Nationen bis zum Internationalen Strafgerichtshof – zu nutzen wissen, um ihrem Anliegen Kraft zu verleihen, ahnt jeder, der sich daran erinnert, was geschieht, wenn nur ein einziger Palästinenser Opfer der Israelis wird. Wieso schmuggelt die Hamas keine Waffen ins Nachbarland? Der Schleichhandel in umgekehrter Richtung funktioniert doch auch? Wieso greift die Hisbollah nicht ein, um die Eingeschlossenen zu retten? Sonst ist sie doch auch so schnell dabei, sich auf die Seite der palästinensischen Opfer in Israel zu schlagen? Aus welchem Grund finden schließlich die Muslime in Deutschland keinen gemeinsamen Tag für einen Massenprotest gegen die Menschenrechtsverletzungen, die in Syrien geschehen? Im Falle des Gaza-Kriegs ging es doch auch? Die Antworten auf sämtliche dieser Fragen sind klar: Den Genannten ist das Schicksal dieser Menschen gleichgültig, weil ihnen ihr Tod nichts nutzt. Einigen kommt er sogar zugute. Während sich die syrische Regierung unter ihrem Tyrannen darüber freut, die Palästinenser loszuwerden, die sich gegen sie gestellt haben, hält die schiitische Hisbollah zu ihrem syrischen Verbündeten – und die sunnitischen und christlichen Palästinenser für ein lohnendes Ziel. Die Mehrheit der Muslime in Deutschland entlädt wiederum lieber ihren Hass auf die Juden und Israel, als den innermuslimischen Krieg zu beklagen. Das Schicksal der Palästinenser kümmert die meisten von ihnen seit jeher wenig. Bedauernswerterweise lässt sich diese Kälte für viele arabische Regierungen feststellen. Anders lässt sich nicht erklären, warum es fast 70 Jahre nach der Flucht und der teilweisen Vertreibung der Palästinenser aus dem jüdischen Staat selbst noch im Gazastreifen palästinensische Flüchtlingslager gibt. Auch Jarmuk existiert schon seit einer halben Ewigkeit. Aus welchem Grund Araber – nichts anderes sind die Palästinenser – seit 1957 in diesem syrisch-arabischen Flüchtlingslager hausen müssen, erschließt sich nur demjenigen, der die Geschichte der Heuchelei und Herzlosigkeit kennt. Sie wird sich selbst jetzt nicht ins Gegenteil wenden. Jarmuk bleibt das Schlachtfeld – nicht des Teufels, sondern des Menschen. UN-Chef Ban spricht von „Todeslager“ in Syrien und warnt vor Massaker. Berichte über Gräueltaten des IS. Palästinenser-Miliz auf dem Vormarsch Reise ** KOMMENTAR Zippert zappt n Deutschland wird zu viel geröntgt. Mindestens 50.000 Mal wurde überflüssigerweise der Rücken von Patienten durchleuchtet. Die hätten sich einfach nur mal wieder etwas mehr bewegen sollten. Und zwar als erstes raus der Praxis des Röntgenarztes. Man kann dem Arzt natürlich keinen Vorwurf machen, sobald er ein Röntgengerät besitzt, will er es auch ausprobieren, da hat er eine geradezu kindliche Freude daran. Kaum sagt der Patient, er habe Rücken, strahlt der Arzt ihn freudig an und erklärt ihm: er habe Röntgengerät. Etwa 90 Prozent aller Krankheiten wären mit mehr Bewegung und weniger schlechter Ernährung heilbar aber oft ist es auch gar nicht so gut, dem Patienten die Krankheit wegzunehmen, da hat er ja nichts mehr über das er reden kann. Die überflüssigen Röntgenaufnahmen sehen aber immerhin interessant aus und sollen daher in einer Ausstellung im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt gezeigt werden. Danach werden die Bilder dem Verfassungsschutz übergeben, der unbedingt feststellen will, ob die Bevölkerung genug Rückgrat hat, um eine Auflösung des Verfassungsschutzes zu bewirken. B Das Passwort? Steht am Glaskasten W ie konnte es zum spektakulären Hackerangriff auf den französischen Sender TV5 Monde kommen? Auch am Freitag dauerte das Drama an: Die Internetpräsenz war erneut nicht zu erreichen. Die Technologie-Website Ars Technica hat eine eigene These zu dem Vorfall. Demnach hätten die mutmaßlich islamistischen Hacker ihren Coup möglicherweise der mangelnden Vorsicht der Redaktion zu verdanken. Ein Interview der französischen Nachrichtensendung „13 Heures“ mit einem TV5Monde-Reporter im Newsroom – nach der Attacke – offenbart jedenfalls Seltsames. Während der Mann über seine Arbeit referiert, sind im Hinter- grund diverse Zettel an einer Glaswand zu sehen. Es handelt sich – man glaubt es kaum – offensichtlich um Passwörter. Während zumindest die Zugangsdaten von Instagram und Twitter nicht zu entziffern sind, kann man das Passwort für die Videoplattform YouTube sehr gut lesen. Wenig kreativ lautet es „lemotdepassedeyoutube“ also: „das Passwort für YouTube“. Die Website mutmaßt, dass TV5 Monde mit solchem Leichtsinn den Angriff erst ermöglicht habe. In Deutschland rief das Innenministerium dazu auf, eigene Schutzmaßnahmen zu prüfen. IT-Sicherheit sei keine rein staatliche Aufgabe. Niemand dürfe „digital sorglos“ sein. Mareike Kürschner DIE WELT, Axel-Springer-Straße 65, 10888 Berlin, Redaktion: Brieffach 2410 Täglich weltweit in über 130 Ländern verbreitet. Pflichtblatt an allen deutschen Wertpapierbörsen. Tel. 030/25910, Fax 030/259171606, E-Mail: [email protected]; Anzeigen: 030/585890, Fax 030/585891, E-Mail [email protected], Kundenservice: DIE WELT, Brieffach 2440, 10867 Berlin, Tel. 0800/9 35 85 37, Fax 0800/9 35 87 37, E-Mail [email protected] A 3,50 & / B 3,50 & / CH 5,20 CHF / CZ 105 CZK / CY 3,80 & / DK 28,00 DKR / E/P 3,50 & (Cont.) / I.C. 3,50 & / F 3,50 & / FIN 3,50 & / GB 3,30 GBP / GR 3,20 & / H 920 FT / I 3,50 & / IRL 3,50 & / KRO 29,00 KN / L 3,50 & / MLT 3,50 & / MA 53 & / N 43 NOK / NL 3,50 & / PL 16,00 PLN / S 48 SEK / SK 3,50 € / SLO 3,20 & Wir twittern live aus dem Newsroom: twitter.com/welt Diskutieren Sie mit uns auf Facebook: facebook.com/welt + ISSN 0173-8437 84-15 ZKZ 7109
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