Lösungen zu nicht besprochenen Aufgaben der 4. Übung

Lösung zur Eigenwertaufgabe für gewöhnliche DGLn (Fortsetzung)
Vorabbemerkung: Wie schon in der Übung, wird λ aus der originalen Aufgabenstellung hier
mit ρ bezeichnet. Der Grund ist, dass es sonst zur Verwechslungsgefahr mit λ aus dem eλx Ansatz kommen könnte.
Durch die Differentialgleichung
−y ′′ (x) = ρy(x) ∀x ∈ (−1, 1)
(1)
und jeweils einen der Sätze von Randbedingungen
(i) y(−1) = 0,
y(1) = 0,
(ii) y ′ (−1) = 0,
y ′ (1) = 0,
(iii) y(−1) = y(1),
y ′ (−1) = y ′ (1)
wird eine Eigenwertaufgabe für gewöhnliche DGLn beschrieben. Dabei heißt ρ ∈ R Eigenwert,
falls Funktionen y 6≡ 0 existieren, die (1) und den entsprechenden Randbedingungen genügen,
und jede Funktion y mit diesen Eigenschaften heißt zu ρ gehörige Eigenfunktion.
(a) Man bestimme alle Eigenwerte ρ ∈ R für (1) und jeweils (i), (ii) oder (iii) sowie zugehörige
Eigenfunktionen y.
(b) Lediglich aus der Differentialgleichung (1) und den jeweiligen Randbedingungen folgere
man durch partielle Integration, dass
ˆ 1
y(x)v(x) dx = 0
−1
für zu Eigenwerten ρ, µ ∈ R mit ρ 6= µ gehörige Eigenfunktionen y bzw. v gilt.
Hinweis: Man zeige zunächst, dass
ˆ 1
ˆ 1
′′
y ′ (x)v ′ (x) dx
y (x)v(x) dx =
−
−1
−1
für beliebige, zweimal stetig differenzierbare Funktionen y, v gilt, die beide einem der
Sätze von Randbedingungen (i), (ii) bzw. (iii) genügen.
Lösung:
(a) Wir hatten in der Übung bereits die zu (1) gehörige charakteristische Gleichung aufgestellt:
λ2 + ρλ = 0.
Als deren Lösungen erhielten wir
√
λ1/2 = ± −ρ.
Wie genau die allgemeine Lösung der Differentialgleichung (1) aussieht, hängt vom Vorzeichen des Parameters ρ ab.
1
• Fall 1: ρ < 0. Dann setzen wir zur Vereinfachung ρ = −µ2 mit µ > 0. Die charakteristische Gleichung hat dann zwei reelle Lösungen, nämlich λ1/2 = ±µ. Damit
erhalten wir als allgemeine Lösung von (1):
y(x) = A eµx +B e−µx ,
A, B ∈ R.
Wir arbeiten nun für jede Teilaufgabe (i)–(iii) die Randbedingungen ein und untersuchen jeweils, ob es Werte für µ gibt, für die nichttriviale Lösungen des Randwertproblems existieren.
(i) Diesen Fall hatten wir bereits in der Übung diskutiert.
(ii) Wir ermitteln zunächst die Ableitung von y nach x:
y ′ (x) = Aµ eµx −Bµ e−µx .
Die Randbedingungen y ′ (−1) = 0 und y ′ (1) = 0 führen somit auf das folgende
lineare Gleichungssystem zur Bestimmung von A und B (in Matrix-Vektor-Form
geschrieben):
0
A
µ e−µ −µ eµ
.
(2)
=
0
B
µ eµ −µ e−µ
Aus der linearen Algebra wissen wir: dieses System besitzt nur dann nichttriviale
Lösungen, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix gleich Null ist. Für
die Determinante der Koeffizientenmatrix ergibt sich
µ e−µ ·(−µ e−µ ) − µ eµ ·(−µ eµ ) = µ2 (e2µ − e−2µ ).
Da µ 6= 0 vorausgesetzt war, wird die Determinante nur Null, wenn der zweite
Faktor in obiger Darstellung Null wird, wenn also gilt:
e2µ − e−2µ = 0
⇒
e4µ = 1
⇒
µ = 0,
was aber ausgeschlossen wurde. Das heißt, das Gleichungssystem (2) besitzt für
kein µ > 0 nichttriviale Lösungen. Das bedeutet wiederum, dass der Fall ρ < 0
in der Teilaufgabe (ii) zu keinen nichttrivialen Lösungen des Randwertproblems
führt.
(iii) Die Ableitung von y nach x haben wir bereits in Aufgabe (ii) bestimmt. Die
Randbedingungen y(−1) = y(1) und y ′ (−1) = y ′ (1) führen auf die beiden Gleichungen
A e−µ +B eµ = A eµ +B e−µ ,
Aµ e−µ −Bµ eµ = Aµ eµ −Bµ e−µ .
Durch Umstellen ergibt sich daraus das folgende Gleichungssystem (in MatrixVektor-Form geschrieben):
0
A
e−µ − eµ
eµ − e−µ
.
(3)
=
−µ
µ
−µ
µ
0
B
µ(e − e ) µ(e − e )
Für die Determinante der Koeffizientenmatrix ergibt sich
µ(e−µ − eµ )2 − −µ(e−µ − eµ )2 = 2µ(e−µ − eµ )2 .
2
Da µ 6= 0 vorausgesetzt war, wird die Determinante nur Null, wenn der zweite
Faktor in obiger Darstellung Null wird, wenn also gilt:
e−µ − eµ = 0
⇒
e2µ = 1
⇒
µ = 0,
was aber ausgeschlossen wurde. Das heißt, das Gleichungssystem (3) besitzt für
kein µ > 0 nichttriviale Lösungen. Das bedeutet wiederum, dass der Fall ρ < 0
in der Teilaufgabe (iii) zu keinen nichttrivialen Lösungen des Randwertproblems
führt.
• Fall 2: ρ > 0. Dann setzen wir zur Vereinfachung ρ = µ2 mit µ > 0. Die charakteristische Gleichung hat dann kojugiert komplexe Lösungen, nämlich λ1/2 = ± i µ.
Damit erhalten wir als allgemeine Lösung von (1):
y(x) = A cos(µx) + B sin(µx),
A, B ∈ R.
Wir arbeiten nun für jede Teilaufgabe (i)–(iii) die Randbedingungen ein und untersuchen jeweils, ob es Werte für µ gibt, für die nichttriviale Lösungen des Randwertproblems existieren.
(i) Diesen Fall hatten wir bereits in der Übung diskutiert.
(ii) Wir ermitteln zunächst die Ableitung von y nach x:
y ′ (x) = −Aµ sin(µx) + Bµ cos(µx).
Die Randbedingungen y ′ (−1) = 0 und y ′ (1) = 0 führen somit auf das folgende
lineare Gleichungssystem zur Bestimmung von A und B (in Matrix-Vektor-Form
geschrieben):
0
A
µ sin(µ) µ cos(µ)
.
(4)
=
0
B
−µ sin(µ) µ cos(µ)
Dabei wurde ausgenutzt, dass der Sinus eine ungerade Funktion ist und der Cosinus eine gerade Funktion ist, dass also gilt sin(−µ) = − sin(µ) und cos(−µ) =
cos(µ). Für die Determinante der Koeffizientenmatrix ergibt sich
µ sin(µ) cos(µ) − (−µ sin(µ) cos(µ)) = 2µ sin(µ) cos(µ).
Da µ > 0 vorausgesetzt war, wird die Determinante nur Null, wenn der zweite
oder der dritte Faktor in obiger Darstellung Null wird, wenn also gilt:
sin(µ) = 0
⇒
µ = µk,1 = kπ k ∈ N
oder
π
k ∈ N.
2
Zu den ermittelten Werten für µ wollen wir nun die zugehörigen Lösungen des
Randwertproblems bestimmen. Setzen wir µ = kπ (k ∈ N) in das Gleichungssystem (4) ein, so ergibt sich das System
0
A
0 ±kπ
.
=
0
B
0 ±kπ
cos(µ) = 0
⇒
3
µ = µk,2 = (2k − 1)
Ob in der zweiten Spalte jeweils kπ oder −kπ steht, ist davon abhängig, ob k
gerade oder ungerade ist. Es ist leicht zu sehen, dass B = 0 sein muss, während
A = Ak,1 beliebig sein darf. Die zu µ = kπ gehörigen Lösungen des Randwertproblems lauten somit
yk,1 (x) = Ak,1 cos(kπx),
Ak,1 ∈ R.
Beachten wir noch ρ = µ2 , so sind ρk,1 = (kπ)2 also Eigenwerte und die Funktionen yk,1 von eben zugehörige Eigenfunktionen. Setzen wir nun noch µ = (2k−1) π2
(k ∈ N) in das Gleichungssystem (4) ein, so ergibt sich das System
0
A
±(2k − 1) π2 0
.
=
π
∓(2k − 1) 2 0
0
B
Auch hier sind die Vorzeichen in der ersten Spalte davon abhängig, ob k gerade
oder ungerade ist. Wir sehen, dass A = 0 sein muss, während B = Bk,2 beliebig
sein darf. Die zu µ = (2k − 1) π2 gehörigen Lösungen des Randwertproblems
lauten somit
π
, Bk,2 ∈ R.
yk,2 (x) = Bk,2 sin (2k − 1)
2
2
Beachten wir noch ρ = µ2 , so sind ρk,2 = (2k − 1)2 π4 also weitere Eigenwerte
und die Funktionen yk,2 von eben zugehörige Eigenfunktionen.
(iii) Die Ableitung von y nach x haben wir bereits in Aufgabe (ii) bestimmt. Die
Randbedingungen y(−1) = y(1) und y ′ (−1) = y ′ (1) führen auf die beiden Gleichungen
A cos(µ) − B sin(µ) = A cos(µ) + B sin(µ),
Aµ sin(µ) + Bµ cos(µ) = −Aµ sin(µ) + Bµ cos(µ),
wobei wieder Symmetrien von Sinus und Cosinus ausgenutzt wurden. Durch
Umstellen (sowie Division der zweiten Gleichung durch µ, was wegen µ > 0
erlaubt ist) ergibt sich
B sin(µ) = 0 und A sin(µ) = 0.
Um nichttriviale Lösungen dieser Gleichungen zu erhalten, muss somit gelten:
sin(µ) = 0
⇒
µ = µk = kπ k ∈ N.
Dann dürfen sowohl A = Ak als auch B = Bk beliebig sein. Die zu µ = kπ
gehörigen Lösungen des Randwertproblems lauten somit
yk (x) = Ak cos(kπx) + Bk sin(kπx),
Ak , Bk ∈ R.
Beachten wir noch ρ = µ2 , so sind ρk = (kπ)2 also Eigenwerte und die Funktionen yk von eben zugehörige Eigenfunktionen.
• Fall 3: ρ = 0. Dann hat die charakteristische Gleichung eine doppelte reelle Lösung,
nämlich λ1/2 = 0. Damit erhalten wir als allgemeine Lösung von (1):
y(x) = A + Bx,
A, B ∈ R.
Wir arbeiten nun für jede Teilaufgabe (i)–(iii) die Randbedingungen ein und untersuchen jeweils, ob es nichttriviale Lösungen des Randwertproblems gibt.
4
(i) Diesen Fall hatten wir bereits in der Übung diskutiert.
(ii) Wir ermitteln zunächst die Ableitung von y nach x:
y ′ (x) = B.
Die Randbedingungen y ′ (−1) = 0 und y ′ (1) = 0 führen somit auf
B = 0.
An A ist jedoch keine Bedingung gestellt, das heißt es darf A = A0 beliebig sein.
Damit ist ρ0 = 0 ein Eigenwert und die konstanten Funktionen
y0 (x) = A0 ,
A0 ∈ R
sind zugehörige Eigenfunktionen.
(iii) Die Ableitung von y nach x haben wir bereits in Aufgabe (ii) bestimmt. Die
Randbedingungen y(−1) = y(1) und y ′ (−1) = y ′ (1) führen auf die Gleichungen
und B = B.
A−B =A+B
Die zweite Gleichung ist offenbar stets erfüllt, während aus der ersten folgt, dass
B = 0 gelten muss und A = A0 beliebig sein darf. Damit ist ρ0 = 0 ein Eigenwert
und die konstanten Funktionen
y0 (x) = A0 ,
A0 ∈ R
sind zugehörige Eigenfunktionen.
Wir fassen unsere Ergebnisse noch einmal zusammen. Für die Teilaufgabe (ii) haben wir
folgende Eigenwerte und Eigenfunktionen erhalten:
y0 (x) = A0 (A0 ∈ R),
• ρ0 = 0,
• ρk,1 = (kπ)2 ,
• ρk,2
yk,1 (x) = Ak,1 cos(kπx) (Ak,1 ∈ R, k ∈ N),
2
= (2k − 1)2 π4 , yk,2 (x) = Bk,2 sin (2k − 1) π2 (Bk,2 ∈ R, k ∈ N).
Für die Teilaufgabe (iii) haben wir folgende Eigenwerte und Eigenfunktionen erhalten:
y0 (x) = A0 (A0 ∈ R),
• ρ0 = 0,
• ρk = (kπ)2 ,
yk (x) = Ak cos(kπx) + Bk sin(kπx) (Ak , Bk ∈ R, k ∈ N).
(b) Es sei ρ ∈ R ein Eigenwert des Randwertproblems mit der zugehörigen Eigenfunktion
y = y(x). Zudem sei µ 6= ρ ein weiterer Eigenwert mit der zugehörigen Eigenfunktion
v = v(x). Wir wollen zunächst die Gleichheit aus dem Hinweis nachweisen. Durch partielle
Integration ergibt sich
ˆ 1
ˆ 1
1
′′
′
y (x)v(x) dx = y (x)v(x)|−1 −
y ′ (x)v ′ (x) dx
−1
−1
′
′
= y (1)v(1) − y (−1)v(−1) −
5
ˆ
1
−1
y ′ (x)v ′ (x) dx.
Die Funktionen y und v erfüllen beide einen Satz von Randbedingungen (i), (ii) bzw. (iii).
Damit kann man leicht sehen, dass unter jedem Satz von Randbedingungen (i), (ii) bzw.
(iii) gilt:
y ′ (1)v(1) − y ′ (−1)v(−1) = 0.
Multiplizieren wir die Gleichungskette oben außerdem noch mit −1, erhalten wir
ˆ 1
ˆ 1
′′
−
y (x)v(x) dx =
y ′ (x)v ′ (x) dx.
−1
−1
Genauso lässt sich durch partielle Integration und Ausnutzen der Randbedingungen nachweisen:
ˆ
ˆ
1
1
−
y ′ (x)v ′ (x) dx.
y(x)v (x) dx =
′′
−1
−1
Insgesamt ergibt sich also
−
ˆ
1
y (x)v(x) dx = −
′′
−1
ˆ
1
y(x)v ′′ (x) dx.
−1
Da y und v für den jeweils zugehörigen Eigenwert die Differentialgleichung (1) erfüllen
und somit −y ′′ (x) = ρy(x) und −v ′′ (x) = µv(x) gelten, folgt
ˆ 1
ˆ 1
ˆ 1
y(x)v(x) dx = 0.
µy(x)v(x) dx ⇒ (ρ − µ)
ρy(x)v(x) dx =
−1
Wegen ρ 6= µ folgt daraus
−1
−1
ˆ
1
y(x)v(x) dx = 0.
−1
6