Lösung zur Eigenwertaufgabe für gewöhnliche DGLn (Fortsetzung) Vorabbemerkung: Wie schon in der Übung, wird λ aus der originalen Aufgabenstellung hier mit ρ bezeichnet. Der Grund ist, dass es sonst zur Verwechslungsgefahr mit λ aus dem eλx Ansatz kommen könnte. Durch die Differentialgleichung −y ′′ (x) = ρy(x) ∀x ∈ (−1, 1) (1) und jeweils einen der Sätze von Randbedingungen (i) y(−1) = 0, y(1) = 0, (ii) y ′ (−1) = 0, y ′ (1) = 0, (iii) y(−1) = y(1), y ′ (−1) = y ′ (1) wird eine Eigenwertaufgabe für gewöhnliche DGLn beschrieben. Dabei heißt ρ ∈ R Eigenwert, falls Funktionen y 6≡ 0 existieren, die (1) und den entsprechenden Randbedingungen genügen, und jede Funktion y mit diesen Eigenschaften heißt zu ρ gehörige Eigenfunktion. (a) Man bestimme alle Eigenwerte ρ ∈ R für (1) und jeweils (i), (ii) oder (iii) sowie zugehörige Eigenfunktionen y. (b) Lediglich aus der Differentialgleichung (1) und den jeweiligen Randbedingungen folgere man durch partielle Integration, dass ˆ 1 y(x)v(x) dx = 0 −1 für zu Eigenwerten ρ, µ ∈ R mit ρ 6= µ gehörige Eigenfunktionen y bzw. v gilt. Hinweis: Man zeige zunächst, dass ˆ 1 ˆ 1 ′′ y ′ (x)v ′ (x) dx y (x)v(x) dx = − −1 −1 für beliebige, zweimal stetig differenzierbare Funktionen y, v gilt, die beide einem der Sätze von Randbedingungen (i), (ii) bzw. (iii) genügen. Lösung: (a) Wir hatten in der Übung bereits die zu (1) gehörige charakteristische Gleichung aufgestellt: λ2 + ρλ = 0. Als deren Lösungen erhielten wir √ λ1/2 = ± −ρ. Wie genau die allgemeine Lösung der Differentialgleichung (1) aussieht, hängt vom Vorzeichen des Parameters ρ ab. 1 • Fall 1: ρ < 0. Dann setzen wir zur Vereinfachung ρ = −µ2 mit µ > 0. Die charakteristische Gleichung hat dann zwei reelle Lösungen, nämlich λ1/2 = ±µ. Damit erhalten wir als allgemeine Lösung von (1): y(x) = A eµx +B e−µx , A, B ∈ R. Wir arbeiten nun für jede Teilaufgabe (i)–(iii) die Randbedingungen ein und untersuchen jeweils, ob es Werte für µ gibt, für die nichttriviale Lösungen des Randwertproblems existieren. (i) Diesen Fall hatten wir bereits in der Übung diskutiert. (ii) Wir ermitteln zunächst die Ableitung von y nach x: y ′ (x) = Aµ eµx −Bµ e−µx . Die Randbedingungen y ′ (−1) = 0 und y ′ (1) = 0 führen somit auf das folgende lineare Gleichungssystem zur Bestimmung von A und B (in Matrix-Vektor-Form geschrieben): 0 A µ e−µ −µ eµ . (2) = 0 B µ eµ −µ e−µ Aus der linearen Algebra wissen wir: dieses System besitzt nur dann nichttriviale Lösungen, wenn die Determinante der Koeffizientenmatrix gleich Null ist. Für die Determinante der Koeffizientenmatrix ergibt sich µ e−µ ·(−µ e−µ ) − µ eµ ·(−µ eµ ) = µ2 (e2µ − e−2µ ). Da µ 6= 0 vorausgesetzt war, wird die Determinante nur Null, wenn der zweite Faktor in obiger Darstellung Null wird, wenn also gilt: e2µ − e−2µ = 0 ⇒ e4µ = 1 ⇒ µ = 0, was aber ausgeschlossen wurde. Das heißt, das Gleichungssystem (2) besitzt für kein µ > 0 nichttriviale Lösungen. Das bedeutet wiederum, dass der Fall ρ < 0 in der Teilaufgabe (ii) zu keinen nichttrivialen Lösungen des Randwertproblems führt. (iii) Die Ableitung von y nach x haben wir bereits in Aufgabe (ii) bestimmt. Die Randbedingungen y(−1) = y(1) und y ′ (−1) = y ′ (1) führen auf die beiden Gleichungen A e−µ +B eµ = A eµ +B e−µ , Aµ e−µ −Bµ eµ = Aµ eµ −Bµ e−µ . Durch Umstellen ergibt sich daraus das folgende Gleichungssystem (in MatrixVektor-Form geschrieben): 0 A e−µ − eµ eµ − e−µ . (3) = −µ µ −µ µ 0 B µ(e − e ) µ(e − e ) Für die Determinante der Koeffizientenmatrix ergibt sich µ(e−µ − eµ )2 − −µ(e−µ − eµ )2 = 2µ(e−µ − eµ )2 . 2 Da µ 6= 0 vorausgesetzt war, wird die Determinante nur Null, wenn der zweite Faktor in obiger Darstellung Null wird, wenn also gilt: e−µ − eµ = 0 ⇒ e2µ = 1 ⇒ µ = 0, was aber ausgeschlossen wurde. Das heißt, das Gleichungssystem (3) besitzt für kein µ > 0 nichttriviale Lösungen. Das bedeutet wiederum, dass der Fall ρ < 0 in der Teilaufgabe (iii) zu keinen nichttrivialen Lösungen des Randwertproblems führt. • Fall 2: ρ > 0. Dann setzen wir zur Vereinfachung ρ = µ2 mit µ > 0. Die charakteristische Gleichung hat dann kojugiert komplexe Lösungen, nämlich λ1/2 = ± i µ. Damit erhalten wir als allgemeine Lösung von (1): y(x) = A cos(µx) + B sin(µx), A, B ∈ R. Wir arbeiten nun für jede Teilaufgabe (i)–(iii) die Randbedingungen ein und untersuchen jeweils, ob es Werte für µ gibt, für die nichttriviale Lösungen des Randwertproblems existieren. (i) Diesen Fall hatten wir bereits in der Übung diskutiert. (ii) Wir ermitteln zunächst die Ableitung von y nach x: y ′ (x) = −Aµ sin(µx) + Bµ cos(µx). Die Randbedingungen y ′ (−1) = 0 und y ′ (1) = 0 führen somit auf das folgende lineare Gleichungssystem zur Bestimmung von A und B (in Matrix-Vektor-Form geschrieben): 0 A µ sin(µ) µ cos(µ) . (4) = 0 B −µ sin(µ) µ cos(µ) Dabei wurde ausgenutzt, dass der Sinus eine ungerade Funktion ist und der Cosinus eine gerade Funktion ist, dass also gilt sin(−µ) = − sin(µ) und cos(−µ) = cos(µ). Für die Determinante der Koeffizientenmatrix ergibt sich µ sin(µ) cos(µ) − (−µ sin(µ) cos(µ)) = 2µ sin(µ) cos(µ). Da µ > 0 vorausgesetzt war, wird die Determinante nur Null, wenn der zweite oder der dritte Faktor in obiger Darstellung Null wird, wenn also gilt: sin(µ) = 0 ⇒ µ = µk,1 = kπ k ∈ N oder π k ∈ N. 2 Zu den ermittelten Werten für µ wollen wir nun die zugehörigen Lösungen des Randwertproblems bestimmen. Setzen wir µ = kπ (k ∈ N) in das Gleichungssystem (4) ein, so ergibt sich das System 0 A 0 ±kπ . = 0 B 0 ±kπ cos(µ) = 0 ⇒ 3 µ = µk,2 = (2k − 1) Ob in der zweiten Spalte jeweils kπ oder −kπ steht, ist davon abhängig, ob k gerade oder ungerade ist. Es ist leicht zu sehen, dass B = 0 sein muss, während A = Ak,1 beliebig sein darf. Die zu µ = kπ gehörigen Lösungen des Randwertproblems lauten somit yk,1 (x) = Ak,1 cos(kπx), Ak,1 ∈ R. Beachten wir noch ρ = µ2 , so sind ρk,1 = (kπ)2 also Eigenwerte und die Funktionen yk,1 von eben zugehörige Eigenfunktionen. Setzen wir nun noch µ = (2k−1) π2 (k ∈ N) in das Gleichungssystem (4) ein, so ergibt sich das System 0 A ±(2k − 1) π2 0 . = π ∓(2k − 1) 2 0 0 B Auch hier sind die Vorzeichen in der ersten Spalte davon abhängig, ob k gerade oder ungerade ist. Wir sehen, dass A = 0 sein muss, während B = Bk,2 beliebig sein darf. Die zu µ = (2k − 1) π2 gehörigen Lösungen des Randwertproblems lauten somit π , Bk,2 ∈ R. yk,2 (x) = Bk,2 sin (2k − 1) 2 2 Beachten wir noch ρ = µ2 , so sind ρk,2 = (2k − 1)2 π4 also weitere Eigenwerte und die Funktionen yk,2 von eben zugehörige Eigenfunktionen. (iii) Die Ableitung von y nach x haben wir bereits in Aufgabe (ii) bestimmt. Die Randbedingungen y(−1) = y(1) und y ′ (−1) = y ′ (1) führen auf die beiden Gleichungen A cos(µ) − B sin(µ) = A cos(µ) + B sin(µ), Aµ sin(µ) + Bµ cos(µ) = −Aµ sin(µ) + Bµ cos(µ), wobei wieder Symmetrien von Sinus und Cosinus ausgenutzt wurden. Durch Umstellen (sowie Division der zweiten Gleichung durch µ, was wegen µ > 0 erlaubt ist) ergibt sich B sin(µ) = 0 und A sin(µ) = 0. Um nichttriviale Lösungen dieser Gleichungen zu erhalten, muss somit gelten: sin(µ) = 0 ⇒ µ = µk = kπ k ∈ N. Dann dürfen sowohl A = Ak als auch B = Bk beliebig sein. Die zu µ = kπ gehörigen Lösungen des Randwertproblems lauten somit yk (x) = Ak cos(kπx) + Bk sin(kπx), Ak , Bk ∈ R. Beachten wir noch ρ = µ2 , so sind ρk = (kπ)2 also Eigenwerte und die Funktionen yk von eben zugehörige Eigenfunktionen. • Fall 3: ρ = 0. Dann hat die charakteristische Gleichung eine doppelte reelle Lösung, nämlich λ1/2 = 0. Damit erhalten wir als allgemeine Lösung von (1): y(x) = A + Bx, A, B ∈ R. Wir arbeiten nun für jede Teilaufgabe (i)–(iii) die Randbedingungen ein und untersuchen jeweils, ob es nichttriviale Lösungen des Randwertproblems gibt. 4 (i) Diesen Fall hatten wir bereits in der Übung diskutiert. (ii) Wir ermitteln zunächst die Ableitung von y nach x: y ′ (x) = B. Die Randbedingungen y ′ (−1) = 0 und y ′ (1) = 0 führen somit auf B = 0. An A ist jedoch keine Bedingung gestellt, das heißt es darf A = A0 beliebig sein. Damit ist ρ0 = 0 ein Eigenwert und die konstanten Funktionen y0 (x) = A0 , A0 ∈ R sind zugehörige Eigenfunktionen. (iii) Die Ableitung von y nach x haben wir bereits in Aufgabe (ii) bestimmt. Die Randbedingungen y(−1) = y(1) und y ′ (−1) = y ′ (1) führen auf die Gleichungen und B = B. A−B =A+B Die zweite Gleichung ist offenbar stets erfüllt, während aus der ersten folgt, dass B = 0 gelten muss und A = A0 beliebig sein darf. Damit ist ρ0 = 0 ein Eigenwert und die konstanten Funktionen y0 (x) = A0 , A0 ∈ R sind zugehörige Eigenfunktionen. Wir fassen unsere Ergebnisse noch einmal zusammen. Für die Teilaufgabe (ii) haben wir folgende Eigenwerte und Eigenfunktionen erhalten: y0 (x) = A0 (A0 ∈ R), • ρ0 = 0, • ρk,1 = (kπ)2 , • ρk,2 yk,1 (x) = Ak,1 cos(kπx) (Ak,1 ∈ R, k ∈ N), 2 = (2k − 1)2 π4 , yk,2 (x) = Bk,2 sin (2k − 1) π2 (Bk,2 ∈ R, k ∈ N). Für die Teilaufgabe (iii) haben wir folgende Eigenwerte und Eigenfunktionen erhalten: y0 (x) = A0 (A0 ∈ R), • ρ0 = 0, • ρk = (kπ)2 , yk (x) = Ak cos(kπx) + Bk sin(kπx) (Ak , Bk ∈ R, k ∈ N). (b) Es sei ρ ∈ R ein Eigenwert des Randwertproblems mit der zugehörigen Eigenfunktion y = y(x). Zudem sei µ 6= ρ ein weiterer Eigenwert mit der zugehörigen Eigenfunktion v = v(x). Wir wollen zunächst die Gleichheit aus dem Hinweis nachweisen. Durch partielle Integration ergibt sich ˆ 1 ˆ 1 1 ′′ ′ y (x)v(x) dx = y (x)v(x)|−1 − y ′ (x)v ′ (x) dx −1 −1 ′ ′ = y (1)v(1) − y (−1)v(−1) − 5 ˆ 1 −1 y ′ (x)v ′ (x) dx. Die Funktionen y und v erfüllen beide einen Satz von Randbedingungen (i), (ii) bzw. (iii). Damit kann man leicht sehen, dass unter jedem Satz von Randbedingungen (i), (ii) bzw. (iii) gilt: y ′ (1)v(1) − y ′ (−1)v(−1) = 0. Multiplizieren wir die Gleichungskette oben außerdem noch mit −1, erhalten wir ˆ 1 ˆ 1 ′′ − y (x)v(x) dx = y ′ (x)v ′ (x) dx. −1 −1 Genauso lässt sich durch partielle Integration und Ausnutzen der Randbedingungen nachweisen: ˆ ˆ 1 1 − y ′ (x)v ′ (x) dx. y(x)v (x) dx = ′′ −1 −1 Insgesamt ergibt sich also − ˆ 1 y (x)v(x) dx = − ′′ −1 ˆ 1 y(x)v ′′ (x) dx. −1 Da y und v für den jeweils zugehörigen Eigenwert die Differentialgleichung (1) erfüllen und somit −y ′′ (x) = ρy(x) und −v ′′ (x) = µv(x) gelten, folgt ˆ 1 ˆ 1 ˆ 1 y(x)v(x) dx = 0. µy(x)v(x) dx ⇒ (ρ − µ) ρy(x)v(x) dx = −1 Wegen ρ 6= µ folgt daraus −1 −1 ˆ 1 y(x)v(x) dx = 0. −1 6
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