Predigt von Pfarrer Holger Milkau am Karfreitag, 3.4.2015

Predigt Karfreitag, 3.4.2015, 2. Kor 5,14b-15. 17-21
Wenn einer für alle gestorben ist, dann sind damit zugleich alle
gestorben. Christus ist für alle gestorben, damit die Lebenden nicht
länger nur für sich selbst leben. Sie sollen jetzt vielmehr ganz für den
leben, der für sie gestorben ist und auferweckt wurde.
Daher beurteilen wir von nun an niemanden mehr
nach menschlichen Maßstäben. Auch Christus nicht, selbst wenn wir ihn
früher nach menschlichen Maßstäben beurteilt haben.
Wenn jemand zu Christus gehört, gehört er schon zur neuen Schöpfung.
Das Alte ist vergangen. Seht doch! Etwas Neues ist entstanden! Das
alles kommt von Gott. Durch Christus hat er uns mit sich versöhnt. Und
er hat uns den Dienst übertragen, die Versöhnung zu verkünden.
Ja, in Christus war Gott selbst am Werk, um die Welt mit sich zu
versöhnen. Er hat den Menschen ihre Verfehlungen nicht angerechnet.
Und uns hat er sein Wort anvertraut, das Versöhnung schenkt.
Wir treten also anstelle von Christus auf. Es ist, als ob Gott selbst die
Menschen durch uns einlädt. So bitten wir anstelle von Christus: Lasst
euch mit Gott versöhnen! Gott hat Christus, der keine Sünde kannte, an
unserer Stelle als Sünder verurteilt. Denn durch Christus sollten wir
vor Gott als gerecht dastehen.
Was da geschah vor Jerusalem, auf jenem Hügel genannt
Golgatha : das heißt Schädel, das war zunächst die
Vollstreckung eines Todesurteils, von den Oberen der
Bevölkerung gefordert und von den Oberen der
Besatzungsmacht vollstreckt. Den Interessen der einen und
den Ängsten der Anderen wird rasch und unbedacht ein
Mensch geopfert. Ein gewisser Jeschuah ben Josif, Josua,
oder Jesus, Sohn des Josef, charismatischer Sektenführer aus
Galliläa war der intriganten Justiz der Judäischen Königsstadt
zum Opfer gefallen. Gotteslästerung und aufständisches
Treiben und das Anstacheln des Volkszornes : Das machte
man ihm zum Vorwurf und für diese Untat müsste er büßen.
Unverhältnismäßig hart und grausam ist die Strafe, die man
ihm auferlegte. Innerhalb von Stunden wird das Urteil
vollstreckt. Massen von Menschen halten sich in der Heiligen
Stadt auf und man will keinen weiteren Aufruhr riskieren.
Golgatha war der Müllplatz Jerusalems. Wer nach Golgatha
geht, der geht zu Gottes Müllhalde für allen Müll, den es in
dieser Welt gibt. Golgatha ist auch der Ort für Schuld und Not
des Lebens. Ent-Sorgung im wahrsten Sinne des Wortes
findet auf Golgatha statt. Wir kommt es dazu?
Paulus beschreibt das mit dem Wort Versöhnung. Obwohl es
der Sohn Gottes ist, der sie bewirkt, kommt Versöhnung nicht
von Sohn. Das Wort greift tiefer und es schneidet schärfer in
unsere Sinne: Es geht um Sühne, um Entsündigung und
Reinigung von Schuld. Da scheinen noch viele böse Anteile
hindurch, die mehr nach Rache und Strafe klingen.
Doch das Urteil, dessen Folge uns retten soll, bekommt einen
neuen, anderen Beiklang. Der Begriff Versöhnung zielt nicht
auf um Sanktionen also auf entschädigende Handlungen,
sondern soll eine gestörte Beziehungen reparieren.
Versöhnung ist die innerliche Umwendung bei der
Wiederherstellung eines gestörten vormals guten
Verhältnisses.
In der Versöhnung, um die es zwischen Gott und den
Menschen geht, ist genau diese Doppelheit zu sehen:
Gott legt die Strafe für unsere Sünde, die wir selbst erdulden
müssten, auf einen, der diese Strafe gar nicht verdient. Und
mit diesem Akt der stellvertretenden Bestrafung will er die
Spannungen, die zwischen ihm und den Menschen bestehen,
begütigen und bereinigen. Er will den Streit zwischen sich
und der aufrührerischen Menschheit schlichten und die
gestörte Beziehung in Ordnung bringen.
Mit diesem Ziel tritt Jesus, der Christus, der Messias unter die
Menschen. Die Macht der weltlichen Herrscher ist am Ende.
Etwas grundlegend Neues geht am Horizont auf. Die Macht
der Liebe, der Gerechtigkeit und der Wahrheit zeigt sich als
allem überlegen.
Das „Wort von der Versöhnung“ ist Kennzeichen dieser ganz
neuen Wirklichkeit, die uns alle verwandelt und zu neuen
Kreaturen macht. Das Alte hat keine Gültigkeit mehr, alte
Vorrechte, alte Streitpunkte, alte Arroganz und alte
Eitelkeiten sind vergangen, Neues ist geworden.
Der Gedanke der Versöhnung Gottes mit der Welt ist radikal.
„Wenn jemand in Christus ist, dann ist er eine neue Kreatur;
das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.“
Diese Behauptung will uns gegen all die alten Verwachsungen
unserer Existenz in Schutz nehmen, will uns vor ihnen retten.
Wie schön wäre das, wenn es uns gelänge. Doch die Bosheit
der Menschen ist unausrottbar- und immer wieder muss man
Erklärungen finden, um verheerende Taten, verletzende
Worte zu dämmen und ihre Gewalt im Zaum zu halten. Nicht
immer gelingt es. Manches, was wir an Leid und Gift erleben
und ertragen müssen in dieser Welt, macht uns sprachlos
und ratlos.
Darum ist es so wichtig, an die dauerhafte Gültigkeit der
neuen Beziehung zwischen Gott und Mensch zu glauben;
wenigstens an sie. Und daran fest zu halten; wenigstens an
ihr. Das neue Verhältnis Gottes zu den Menschen ist der Kern
der Botschaft und uns obliegt es, das weiter zu sagen.
Gott hat uns sein Wort anvertraut, das Versöhnung schenkt.
Wir treten also anstelle von Christus auf. Es ist, als ob Gott selbst die
Menschen durch uns einlädt. So bitten wir anstelle von Christus: Lasst
euch mit Gott versöhnen!
Vom Kreuz kommt die Botschaft. Und wir sind sein
Botschafter. Diplomaten im Dienste Christi. Das ist mitunter
schwer! Sehr sogar.
Die Diplomaten vertreten ihr eigenes Land in einem fremden
Land. Schon mir ihrer Art, mit ihrem Stil können sie dabei
wertvoll sein.
Die Diplomaten und Gesandten haben sich entschieden nicht
in der Heimat zu bleiben, sondern in der Fremde zu leben.
Auch wir, die wir an Christi stelle Versöhnung und Umkehr
verbreiten sollen, gehen damit manchmal weit in die Fremde.
Begeben uns auf unsicheren Boden, verlassen die Gestade
der sicheren Sprache und der vertrauten Umgangsformen:
Das alles getragen von der Grundüberzeugungen, die
Interessen des eigenen Landes gut zu vertreten: Des Landes
des Glaubens an den einen, dem es für uns gelang, sich in das
Fremde einzufühlen.
Wir als Botschafter des Reiches Gottes können uns darauf
verlassen, dass das, was wir repräsentieren, gut für die
Menschen ist. Und die Botschaft lautet: „Lasst Euch
versöhnen!“ „Stellt Eure Beziehung zueinander und zu Gott
wieder her!“ Christus selbst hat den Grund dafür gelegt.
Unser Tun und Lassen im Alltag, aber auch durch
diplomatisches Geschick und die Fähigkeit, auf andere
Menschen zuzugehen, kann das Befreiende und das
Erlösende, das von dieser Beziehung ausgeht, ausstrahlen.
Und wenn uns die Kraft für unseren diplomatischen Dienst zu
verebben droht, müssen wir wieder intensiver nach den
Zielen und Werten fragen, an die wir glauben!
Den Traum von der Versöhnung zu verwirklichen, deren
Anfang uns ja schon geschenkt worden ist.
Das Aufeinander-zu-Gehen ist eine Grundbedingung für
Versöhnung. Es kommt darauf an, sich in den Anderen
einzufühlen, seine Sicht der Dinge zu respektieren, die
eigenen Anliegen sachlich zur Geltung zu bringen. Zum Dienst
der Versöhnung gehören ferner Geduld – und die Fähigkeit,
sich von Rückschlägen nicht entmutigen zu lassen. All das
sehen wir beispielhaft und ernst heute unter dem Kreuz.
Unser Fürst, der uns als seine Botschafter aussendet, wird als
Gekreuzigter der Herr der Welt. Knechtsgestalt hat Gott
angenommen hat, um das Ende der menschlichen
Herrschaftssysteme anzuzeigen, weil sein Wort der
Versöhnung unser Leben durch Liebe verändert.
Wenn wir an dem Glauben festhalten, dass Jesus am Kreuz
der Christus ist, der Retter und Heiland der Welt, verändert
das alles. Dann bricht sein Reich schon unter uns an. Dann
wissen wir, dass wir dieses Reiches Botschafter werden
können.
Neu beschenkt mit diplomatischem Geschick, um in den
finsteren Ländern dieser Welt, wo Kritiksucht, Gewalt,
Uneinsichtigkeit und Rechthaberei regieren, mutig und
hoffnungsvoll unseren Freiheits-Dienst zu versehen.
Gott hat sich versöhnt mit uns. Diese Sprache ist die unsere.
Tragen wir sie hinaus in die Welt. Lassen wir die Menschen
ohne Worte oder mit Worten spüren und hören, dass Gott
mit uns Frieden geschlossen hat.
Sein Friede, der höher ist, als unsere Vernunft, bewahrt
unsere Herzen und Sinne in Jesus Christus. Amen.