Das Apostolikum: Was Christen glauben (Teil 5: „Jesus: Gott und Mensch“) Ich glaube an Gott, den Vater, den Allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erde. Und an Jesus Christus, seinen eingeborenen Sohn, unsern Herrn, empfangen durch den Heiligen Geist, geboren von der Jungfrau Maria, gelitten unter Pontius Pilatus, gekreuzigt, gestorben und begraben, hinabgestiegen in das Reich des Todes, am dritten Tage auferstanden von den Toten, aufgefahren in den Himmel; er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters; von dort wird er kommen, zu richten die Lebenden und die Toten. Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Amen. Zur Zeit gehen wir durch das apostolische Glaubensbekenntnis, das sogenannte 'Apostolikum'. In diesem Glaubensbekenntnis bekennt sich derjenige, der es spricht, zum dreieinigen Gott: „Ich glaube an Gott, den Vater...Und an Jesus Christus...Ich glaube an den Heiligen Geist“. Dabei befasst sich der größte Abschnitt damit, aufzuzählen, was Christen im Bezug auf Jesus Christus glauben. In der Theologie nennt man diesen Teil 'Christologie', also die Lehre über Jesus. „Die zentrale Frage konzentriert sich auf die Identität von Jesus. Wer ist dieser Wanderprediger? Warum wird er ungewöhnlicherweise 'Sohn der Maria' genannt? Es besteht eigentlich kein Zweifel daran, dass ihm diese Fragen bereits zu Lebzeiten gestellt wurden. Die Frage kam früh, während seiner Dienstzeit, auf, blieb weiter im Raum stehen, und stellt uns heute noch vor ein Rätsel. Sie fragten ihn: „Was denkst du, wer du bist?“ (Johannes 8,53). Fragen wie diese waren eine Reaktion auf die Worte und Taten von Jesus. Sie wurden nicht Jahrzehnte später von ignoranten und fantasiereichen Jüngern erfunden und auf ihn projiziert. Die Frage muss immer aufkommen, wenn eine echte Begegnung und ein Dialog mit Jesus von Nazareth stattfinden.“ (Oden) Die beiden nächsten Eigenschaften Jesu aus dem Apostolikum sind so zentral, dass man sie gar nicht überbetonen kann. Diese Eigenschaften ergeben sich aus den nächsten zwei Sätzen im Glaubensbekenntnis: Jesus war „empfangen durch den Heiligen Geist“ und „geboren von der Jungfrau Maria“. Er war Sohn Gottes und Menschensohn. Christen glauben, dass der Mensch Jesus von Nazareth von der Jungfrau Maria geboren war, die das Kind durch den Heiligen Geist empfangen hatte. (Damit ist übrigens keine sexuelle Beziehung gemeint!) Jesus hatte keinen menschlichen Vater. Bekennt man den Glauben an die Jungfrauengeburt, bekennt man damit deswegen gleichzeitig die Gottheit und das Menschsein von Jesus. Thomas Oden nennt Jesus „Gottes Körpersprache“. Der christliche Glaube bekennt: Jesus ist Mensch und Gott. Aber hat es ihn überhaupt gegeben? Ein Mythos? In den 247 ausgewerteten Umfragen, die wir im Bezug auf Glaube in der Stadt durchgeführt haben, gaben 21% der Befragten an, dass Jesus nur ein Mythos gewesen sei, der – zumindest so, wie an ihn geglaubt wird – nicht existiert hat. Viele glaubten auch gar nicht an ihn als historische Person. Außerhalb der christlichen Schriften gibt es auch nur eine kleine Anzahl von Belegen für die Existenz von Jesus. Das Problem ist ganz einfach, dass man die große Zahl an christlichen Schriften nicht als historische Belege wertet, weil es streng genommen 'Glaubenszeugnisse' sind. Der Haken daran ist aber folgender: wenn Jesus tatsächlich in der Geschichte so gelebt hat, und so gestorben, auferstanden und in den Himmel aufgefahren ist, dann sind die Glaubenszeugnisse auch historische Belege. Der Grund für die Ablehnung der Glaubenszeugnisse ist, dass die darin beschriebenen Geschichten Wunder und Übernatürliches enthalten. Das kann man natürlich machen, aber die Entscheidung, nicht an Wunder zu glauben, macht nicht objektiver. Was zählt ist, was wirklich geschah. Wenn ich dann bei meiner Forschung das, was meiner Meinung nach nicht passieren kann, ausschließe, ist das Ergebnis ja schon vorher klar: Jesus, den Gottessohn, Wundertäter und Auferstandenen hat es nicht gegeben, weil ich es nicht glaube. Es gibt aber zwei sehr gute Gründe dafür, doch so an ihn zu glauben: 1) Selbstverständnis der christlichen Schriften. Die Autoren des NT und anderer frühchristlicher Schriften kannten den Unterschied zwischen Dingen, die passiert waren, und Märchen und Fabeln. Der Apostel Paulus warnt z. B. seinen Zögling Timotheus spezifisch davor, sich von solchen Märchen fernzuhalten. Es wird auch im Apostolikum selbst deutlich, wo es über Jesus heißt: „gelitten unter Pontius Pilatus“. Damit wird das Leiden von Jesus historisch verortet. Das macht man nicht als Märchenschreiber. Helmut Thielicke schrieb: „Wer Mythen dichtet, wählt die Ferne der grauen Vorzeit, zu der keine Erinnerungen zurückreichen. Er erdichtet aber kein Gotteswesen, von dem er im Jahre 1965 behauptet, dass es vor einiger Zeit in Hamburg-Barmbek gelebt und 1940 in der Sierichstraße gestorben sei. Von allen Theorien, die man über Jesus aufstellen kann, ist diese Erklärung mit Hilfe des Mythos jedenfalls die allerunwahrscheinlichste." C. S. Lewis, der ja im richtigen Leben Literaturwissenschaftler war, sagte in einem Vortrag einmal folgendes: „Mein ganzes Leben lang nun schon lese ich Gedichte, Märchen, Traumdichtung, Legenden und Mythen. Ich weiß, wie sie sind. Und ich weiß, dass keine einzige von ihnen so ist wie [die Evangelien]. Bei diesem Text bleibt nur eine von zwei möglichen Kategorien. Entweder ist es eine Reportage – die natürlich ohne Zweifel Irrtümer enthalten könnte – aber sehr nah an den Fakten ist. (…) Oder irgend ein unbekannter Autor aus dem zweiten Jahrhundert ohne uns bekannte Vorgänger oder Nachfolger nimmt plötzlich die ganze Methode moderner, historischer Fiktion vorweg.“ - unwahrscheinlich bis absurd. Warum wird es so gerne geglaubt und in den Medien immer wieder verbreitet? Vielleicht weil es ein einfacher Weg ist, sich Jesus vom Hals zu halten. Oder wie es ein Siegerländer, den ich am Rudolfplatz bei der Umfrage interviewt habe, sagte: „Was halten Sie von Jesus Christus?“ „Abstand.“ Der zweite gute Grund dafür, an Jesus Christus als historische Figur zu glauben ist seine Wirkung. Märchengeschichten können unterhalten und inspirieren. Aber sie bringen nicht eine solch krasse Erfahrung der Erlösung. Sie verändern nicht Menschen auf so dramatische Weise. Sie bringen Menschen nicht dazu, sich unter Gebet für ihre Peiniger von Löwen fressen oder verbrennen zu lassen. Sie teilen nicht die Zeitgeschichte in vor Christus und nach Christus. Sie bringen uns nicht eine Ethik und Moral, die zum Grundstein für unsere westliche Zivilisation werden. Hier einfach nur zu sagen, dass es eben 'der Glaube' ist, der Menschen hilft, ist eine billige Ausflucht, denn für einen denkenden Menschen ist der Glaube nur so gut wie das Objekt, auf das er sich bezieht. Und damit dieses Objekt auch würdig sein kann, muss es existieren. 1. Jesus ist Mensch In der ganz frühen Gemeinde war eine der ersten große theologische Auseinandersetzung den Streit mit den Gnostikern. Die waren Esoteriker und Dualisten. Da sie alles Materielle für minderwertig oder schlecht hielten, wollten sie nicht glauben, dass Jesus einen echten Körper aus Fleisch und Blut gehabt hat. Sie leugneten also, dass Gott wirklich Mensch wurde. Die Antwort der christlichen Gemeinschaft war eindeutig: „Liebe Freunde, glaubt nicht jedem, der behauptet, seine Botschaft sei ihm von Gottes Geist eingegeben, sondern prüft, ob das, was er sagt, wirklich von Gott kommt. Denn in dieser Welt verbreiten jetzt zahlreiche Lügenpropheten ihre falschen Lehren. An Folgendem könnt ihr erkennen, ob jemand sich zu Recht auf Gottes Geist beruft: Wer sich zu Jesus Christus als zu dem bekennt, der ein Mensch von Fleisch und Blut geworden ist, hat den Geist, der von Gott kommt.“ (1. Johannes 4,1-2; NGÜ) Die Schöpfungsgeschichte der Bibel ist ein klares Statement dafür, dass die materielle Welt gut ist. Christen und Juden glauben nicht, dass die Schöpfung der materiellen Welt ein Neben-, Abfall- oder Zufallsprodukt von eifersüchtigen Göttern ist. Aber dass der Schöpfer Teil seiner Schöpfung wird, ist das dreifache Ausrufezeichen hinter diesem Statement! Was bedeutet Menschsein? Abhängigkeit (von Zeit, Raum, Stillung von Bedürfnissen, Menschen), Endlichkeit, Sterblichkeit. In Philipper 2 schreibt Paulus über Jesus „Obwohl er Gott war, bestand er nicht auf seinen göttlichen Rechten. Er verzichtete auf alles...“ (67a; NL) Mensch zu werden bedeutete für Jesus, bestimmte göttliche Eigenschaften für eine Zeit lang in den Händen des Vaters zu lassen, ohne dabei etwas von seiner Göttlichkeit aufzugeben. Er fügte seiner Göttlichkeit das Menschsein hinzu, wie Augustinus es ausdrückte. Er lebte seine Gemeinschaft mit dem Vater innerhalb der Schöpfung weiter. (Cassian Zitat vom Anfang) Das besondere an Jesu Menschsein war jedoch seine völlige Sündlosigkeit. Die wird ihm in den Evangelien sogar von seinen Feinden bestätigt. Und er erhielt sich diese Sündlosigkeit sein ganzes irdisches Leben hindurch. Das ist wichtig, denn sonst hätte er nicht für unsere Sünden sterben können. „In Jesus Christus ist Gott selbst unter uns getreten. Das ist etwas anderes, als was uns in den alten Mythen berichtet wird, wenn etwa Zeus oder Apoll in Menschengestalt einen Ausflug auf die Erde machen, um eine kleine Inspektion dieser merkwürdigen menschlichen Rasse vorzunehmen. Denn die unsterblichen Götter, die sich hier vom Olymp herunterbemühen, riskieren dabei nichts. Sie berühren die Welt nur so, wie die Tangente einen Kreis berührt, und kehren sicher auf den Olymp zurück. Hier aber verlässt einer die Etappe des Himmels und kommt in unseren vordersten Graben, teilt mit uns die äußerste Verlassenheit, die Höllen menschlicher Angst, die Qualen von Hunger und Durst. (…) Er liebte sich buchstäblich zu Tode.“ (Thielicke) 2. Jesus ist Gott Alle Jahre wieder beginnt in Deutschlands großen Nachrichtenmagazinen die 'Suche nach dem historischen Jesus'. Zu den großen christlichen Feiertagen (vorzugsweise in der Weihnachtszeit) beschäftigen sie sich sehr oft mit Fragen wie 'Wer war dieser Jesus von Nazareth?'. Die Antwort ist eigentlich immer die Gleiche (weil immer die gleichen Leute gefragt werden): wenn es ihn gegeben hat, dann nicht so, wie der christliche Glaube ihn bekennt. Weder er selbst noch seine Zeitgenossen hielten ihn für mehr als einen Rabbi, einen Propheten oder einen Hoffnungsträger. Messiasse gab es ja – gerade zu der Zeit in der Geschichte Israels – viele. Demnach wäre Jesus von Nazareth als wannabe-Messias gescheitert, und dann nachträglich von frustrierten Jüngern deifiziert worden. Da leider bei vielen jungen Leuten die Bildung bei diesem Thema nicht über den ZeitgeistInternetfilm hinausgeht, klingt das in vielen Ohren auch sehr plausibel. Aber der britische Neutestamentler N. T. Wright hat meiner Meinung nach überzeugend dafür argumentiert, dass der Glaube an einen göttlichen Messias sehr wohl mit dem jüdischen Glauben vereinbar ist. Die Gottheit Jesu ist verankert im Alten Testament, nicht in der griechischen Mythologie späterer Jahrhunderte. Und dass der Glaube an Jesus als Gott-Mensch theologisch erst später, im Kontext von konkreten Situationen, ausgearbeitet wurde, heißt nicht, dass er dann erst erfunden wurde. Letztendlich kommen aus christlicher Sicht fünf Schlüsselargumente zusammen. Sie fußen natürlich alle auf der Echtheit und Zuverlässigkeit der christlichen Schriften. Denn laut diesen Berichten: bekommt Jesus Bezeichnungen, Titel und Namen Gottes zugeschrieben. Dies geschah zum Teil schon zu Lebzeiten, und er akzeptierte sie. ...besitzt Jesus göttliche Eigenschaften. ...tut Jesus göttliche Werke. ...lässt Jesus zu, dass er als Gott angebetet wird. ...wird Jesus von den Aposteln als gottgleich gesehen Warum ist diese Lehre so wichtig? OK - In den ersten 400 Jahren der Kirchengeschichte war diese Frage das große Thema. Aber warum war es ihnen damals so wichtig – warum ist es wichtig für die christliche Botschaft? Und warum ist es wichtig für uns? Weil es sonst kein Evangelium, keine gute Botschaft gibt. Wenn er nicht Mensch war, konnte er nicht sterben. Er konnte nicht unser Repräsentant und Stellvertreter vor Gott sein. Wenn er nicht Gott war, konnte er nicht für uns sterben. Wenn er nicht beides in einer Person war, kann er nicht der Vermittler sein, der die Lücke zwischen Gott und Menschen ein für alle Mal schließt – auf eine Weise, die für beide Seiten zufriedenstellend und ausreichend ist. Der große Unterschied zwischen dem Christentum und anderen Religionen ist ja, dass wir unverdienterweise Hilfe von außen bekommen. Um die ausgestreckte Hand Gottes sein zu können, die ich auch ergreifen kann, muss er Gott und Mensch sein. Christen glauben, dass Gott Mensch wurde, und deswegen echtes Mitleid mit uns haben kann – Empathie. Er versteht dich, nicht nur theoretisch, sondern tatsächlich, aus Erfahrung. Er fühlt mit dir. Selbst angesichts von Krankheit und Tod. Er weiß, wie es ist, verraten, verlassen, verkauft zu sein. Er kennt die tiefsten Abgründe menschlicher Erfahrung aus eigener Erfahrung! Egal, wo du dich befindest – Gott ist nicht nur da (als Allgegenwärtiger), Gott war da (er hat es durchlebt). Er hat zwar nicht gesündigt, aber am Kreuz wurde er zur Sünde – deswegen weiß er, wie schmutzig, frustriert und gottverlassen wir uns fühlen können. Er weiß es.
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