IKB-Kapitalmarkt-News – Britische Wahlen: wie wahrscheinlich ist ein Brexit? 5. Mai 2015 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Daniel Schönekäs [email protected] Die britische Wirtschaft ist schlechter in das laufende Jahr gestartet als erwartet. Die Wirtschaft legte nach Schätzungen des nationalen Statistikamtes im ersten Quartal nur um 0,3 % zum Vorquartal zu und wuchs damit so langsam, wie zuletzt im vierten Quartal 2012. Die Bank of England (BoE) hatte einen Zuwachs von 0,7 % erwartet. Ausschlaggebend für das verhaltene Tempo war die geringere Dynamik des Dienstleistungssektors, der nur um 0,5 % zulegen konnte. Im vierten Quartal 2014 ist dieser Sektor noch um 0,9 % gewachsen. Für 2015 hatte die IKB ein BIP-Wachstum von 2,5 % erwartet. Aufgrund des verhaltenen ersten Quartals ergibt sich auf das Jahr gerechnet nun eine Wachstumsrate von rund 2 %, was jedoch immer noch eine grundsätzlich positive Entwicklung im Verlauf von 2015 bedeuten würde. Wie Abb. 1 zeigt, ist selbst für ein Wachstum von rund 2 % eine Beschleunigung der Wachstumsentwicklung in den kommenden Quartalen notwendig. Abb. 1: Reales BIP-Wachstum - Großbritannien in % ggb. Vorquartal 1,0 Prognose 0,8 0,6 0,4 0,2 0,0 -0,2 -0,4 2011q1 2011q3 2012q1 2012q3 2013q1 2013q3 2014q1 2014q3 2015q1 2015q3 Quellen: ONS; IKB Die wirtschaftlichen Erwartungen könnten sich aufgrund der am 7. Mai anstehenden britischen Parlamentswahlen womöglich noch ändern, wenn deren Ausgang denkbar knapp ausfallen sollte. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die beiden großen Parteien Kopf an Kopf liegen; weder die Konservativen noch Labour dürften eine absolute Mehrheit erreichen. Die Bedeutung dieser Wahl für die britische und auch europäische Wirtschaft ergibt sich durch das Wahlversprechen des konservativen Premierministers David Cameron, der im Fall seiner Wiederwahl ein Referendum über die Mitgliedschaft Großbritanniens in der Europäischen Union noch bis Ende 2017 durchführen will. Damit spricht Cameron die traditionell distanzierte bis skeptische Haltung vieler Briten gegenüber der EU an und will diese politisch für sich nutzen. Insbesondere thematisiert Cameron die Gefahr einer Überregulierung seitens der EU sowie die hohen Kosten, die mit der Mitgliedschaft verbunden sind. Den Nutzen eines vereinten Europas bezweifeln die Konservativen hingegen. Diese Argumentation ist aufgrund der wirtschaftlichen Entwicklung nicht überraschend. Denn das Wachstum ist im historischen Vergleich eher niedrig und der Staat hält am Kurs der Konsolidierung fest. In solch einem Umfeld sind Netto-Zahlungen an die EU schwierig zu rechtfertigen und bieten die Grundlage für Wahlversprechen, auch weil die Vorteile einer EU-Mitgliedschaft nicht direkt in Pfund und Cent zu messen sind, wie dies bei Netto-Zahlungen möglich ist. Sollte Cameron die Mehrheit der Stimmen erhalten und sich Großbritanniens Wirtschaft im Verlauf der Jahre 2015 und 2016 nicht soweit verbessern, dass das Wachstum bei der breiten Bevölkerung ankommt, ist im Falle eines Referendums bis Ende 2017 nicht unwahrscheinlich, dass die Mehrheit der Briten für einen EU-Austritt stimmt. Doch gerade die wirtschaftliche Erholung ist dann bei einem Wahlsieg der Konservativen gefährdet. Investitionen vor allem internationaler Unternehmen werden zumindest aufgeschoben und gegebenenfalls ganz ausfallen, wenn sich die Gefahr konkretisiert, dass Großbritannien aus dem europäischen Binnenmarkt austritt. So würde ein Wahlerfolg der Konservativen die Wachstumserwartung aus Abb. 1 ernsthaft belasten. Auch ist im Zuge eines absehbaren Referendums von einer zögerlichen Notenbankpolitik auszugehen. Die BoE wird in Anbetracht möglicher steigender Unsicherheiten keine bedeutende geldpolitische Zinswende einleiten. Auch sollte das Pfund als Folge dieser Entwicklungen unter Druck kommen. So könnte ein eindeutiger Sieg der Konservativen die für 2015 erwartete erste Zinsanhebung der BoE womöglich weit in die Zukunft verschieben. Sofern die Konservativen keine absolute Mehrheit erhalten und wenn damit die Wahrscheinlichkeit abnimmt, dass ein Referendum stattfindet, ist weiterhin von einer ersten Zinsanhebung in 2015 auszugehen. Diese sollten jedoch eher gering ausfallen. Kapitalmarkt News Mit der Forcierung des Referendums würde ein bedeutender ökonomischer Unsicherheitsfaktor für Großbritannien entstehen, aber auch für die Europäische Union. Die britische Wirtschaft ist die zweitgrößte der EU und mit vielen ihrer Sektoren tief in die europäischen Wertschöpfungsketten integriert. Sieben der zehn größten Handelspartner Großbritanniens sind Länder der EU, in die insgesamt mehr als 50 % der Ausfuhren gehen. Gleiches gilt für den Import. Dieser stammt ebenfalls zu über 50 % aus der EU. Zudem sind die Handelsbeziehungen in den letzten Jahren kontinuierlich gewachsen. Allerdings sind die ultimativen Einflüsse und Implikationen nur schwer greifbar, die sich aus einem Brexit ergeben würden. Zudem dürften sich durch die enge Vernetzung auch bedeutende negative Konsequenzen für die anderen EU-Länder als Folge des Brexits ergeben. Dies wiederum spricht dafür, dass die EU Sonderregeln mit Großbritannien vereinbart. Allerdings besteht dann für die EU die Gefahr, dass sie falsche Anreize schafft, da durch Sonderregeln die negativen Konsequenzen eines Brexits für Großbritannien ebenfalls gemildert werden. Sicherlich ist im Vorfeld des Referendums entscheidend, dass die EU-Länder präzise definieren, wie ihr Verhältnis zu Großbritannien nach einem EU-Austritt aussehen soll. Durch das deutliche Signal keine Sonderregeln zu gewähren, könnte die EU aktuell die als negativ wahrgenommene Aspekte der EU-Mitgliedschaft relativieren und die Kosten und somit das Risiko eines Brexit deutlich reduzieren. Steigende Transaktionskosten und der damit einhergehende Rückgang des Handels hätten auch Auswirkungen auf Deutschland. Nach Großbritannien wurden 2014 Waren und Dienstleistungen mit einem Wert von rund 84,1 Mrd. € exportiert, was 7,4 % der Gesamtexporte ausmachte. Ein Austritt hätte vor allem für Maschinenbau, Elektroindustrie und Fahrzeugbau negative Auswirkungen, da diese Branchen 50 % der Warenexporte ausmachen. Abb. 2 zeigt die Aufteilung der deutschen Warenexporte nach Großbritannien. Abb. 2: Warenstruktur deutscher Ausfuhren nach Großbritannien, in % vom Gesamtvolumen 4,4% 3,8% Maschinenbau ,Elektrotechnik u. Fahrzeuge Chemische Erzeugnisse 5,8% Bearbeitete Waren 8,8% 50,0% 10,7% Verschiedene Fertigwaren Mineral. Brennstoffe, Schmiermittel 15,0% Lebende Tiere und Nahrungsmittel Andere Waren Quellen: Statisitisches Bundesamt; IKB Fazit: Ein Wahlerfolg der Konservativen Partei Camerons am 7. Mai 2015 würde für erhöhte wirtschaftliche Unsicherheit sorgen, denn in diesem Fall ist mit einem Referendum über die EU-Mitgliedschaft Großbritanniens zu rechnen. In dem dann herrschenden politischen Klima wäre es eher unwahrscheinlich, dass die BoE kurzfristig eine geldpolitische Wende einleitet. Dies wiederum könnte das Pfund in 2015/16 tendenziell schwächen. Auch dürften sich die Wachstumsaussichten im Vorfeld eines Referendums eintrüben. Ein Brexit würde die Handelsbeziehungen Großbritanniens mit den verbleibenden EU-Ländern belasten und zu Wachstumseinbußen in Großbritannien und der EU führen. Die IKB geht nur von einer geringen Wahrscheinlichkeit aus, dass es zu einem Brexit kommt. Entscheidend ist weniger der Wahlausgang am 7. Mai. Vielmehr sind die volkswirtschaftlichen Belastungen eines Brexits für die Briten nicht zu vernachlässigen, auch wenn die Konservativen die Nachteile der EU-Mitgliedschaft gerade in den Vordergrund stellen. Um den Briten die Konsequenz eines EU-Austrittes zu verdeutlichen, ist es notwendig, dass die EU signalisiert, dass es im Falle eines Brexits keine Sonderkonditionen für die Briten geben wird. Wie glaubwürdig ein solches Signal angesichts der negativen Konsequenzen eines Brexits auch für die EU sein wird, ist allerdings abzuwarten. Ein positiver konjunktureller Verlauf in Großbritannien dürfte die Wahrscheinlichkeit herabsetzen, dass es zu einem Referendum kommt. Die IKB erwartet eine zögerliche Zinsanhebung der BoE Ende 2015 oder erst in 2016. Wie in den USA besteht in Großbritannien kein Handlungsdruck für eine deutliche Zinswende. Die britische Wirtschaft sollte 2015 um rund 2 % zulegen. 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