EZB-Bilanzausweitung erhöht Kosten einer frühen

IKB-Kapitalmarkt-News – EZB-Bilanzausweitung erhöht Kosten einer frühen
geldpolitischen Wende
7. Mai 2015
Dr. Klaus Bauknecht
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Das Aufkaufprogramm der EZB steht zunehmend in der Kritik. Das Programm führe zu Inflation, reduziere wegen sinkender
Zinsen den Reformdruck vieler Eurostaaten und komme anhand der sich bereits erholenden Konjunktur womöglich zu spät,
was destabilisierend wirken könne. Die IKB ist hingegen weiterhin davon überzeugt, dass das Aufkaufprogramm kurzfristig
kräftige Wachstumsimpulse liefern wird und somit eine konjunkturelle Wende bzw. mittelfristig eine moderate Inflationsrate
fördert (siehe IKB Barometer Spezial). Doch neben den Vorzügen des Programms für die Realwirtschaft ergeben sich auch
mögliche Risiken für die EZB.
In der allgemeinen Diskussion wird vor allem auf die Gefahr von möglichen Ausfällen von Kreditnehmern oder Staaten
verwiesen. Diese würden die Ausschüttung der EZB an ihre Mitglieder (Euroländer) reduzieren und im schlimmsten Fall sogar
eine Aufstockung des Eigenkapitals notwendig machen. Doch dieses Risiko könnte nicht nur durch Ausfälle und steigende
Renditen bzw. mögliche Marktverluste in den gekauften Anleihen entstehen, sondern auch durch die mögliche Notwendigkeit
einer relativ frühen geldpolitische Wende der EZB. Viele bedeutende Notenbanken haben ihre Bilanz durch Aufkaufprogramme
ausgeweitet. Keine dieser Banken hat jedoch bis dato ihre Bilanzausweitung durch den Verkauf von Anleihen zurückgefahren.
Dies war aufgrund der Inflations- und Konjunkturentwicklungen bisher auch nicht nötig. Doch die Gefahr einer Übertreibung
und der späte Start des Aufkaufprogramms der EZB bringt die Frage auf, welche Handlungsoptionen die Europäische
Notenbank hat, wenn sie in Anbetracht ihrer ausgeweiteten Bilanz ihre geldpolitische Ausrichtung ändern muss. Anders
gefragt: Birgt die aufgeblähte Bilanz eine Gefahr für die aktive Geldpolitik?
Abb. 1: Bilanzsumme der EZB, in Mrd. Euro
Bilanzsumme
3500
3000
2500
2000
1500
1000
500
0
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
Quellen: Deutsche Bundesbank; IKB
Die erste Bilanzausweitung der EZB im Jahr 2012 war von kurz- und langläufigen Repo-Transaktionen getrieben. Solch eine
Ausweitung hat den Vorteil, dass sich die Bilanz der Notenbank automatisch reduzieren wird, wenn die Repos fällig werden.
Die Banken haben die Liquidität nach Fälligkeit der bis zu drei Jahre laufenden LTROs an die EZB zurückgegeben, und die
Bilanz ist gemäß dem reduzierenden Liquiditätsbedarf des Bankensystems zurückgegangen. Solch ein Prozess ist im Falle
des gegenwärtigen Aufkaufprogramms nicht möglich. Die EZB hat durch eigene Aufkäufe von Anleihen Liquidität geschaffen,
die bis zur Fälligkeit der Anleihen anhalten kann. Da die EZB Anleihen mit einer Laufzeit von mindestens 2 bis maximal 30
Jahren ankauft, deutet dies auf eine Überschussliquidität hin, die nicht nur einiges länger anhalten kann, sondern auch nicht
vom Bedarf des Bankensystems bestimmt wird. Während die Bilanzausweitung der EZB 2012 aufgrund der Bilanzreduzierung
des Bankensystems durch die Banken initiiert wurde, da diese die Repos auch früher zurückgeben können, liegt die Initiative
aktuell nur bei der Notenbank bzw. der fest bestimmten Tilgung. Da Verkäufe von Anleihen jedoch je nach Renditenniveau mit
bedeutenden Verlusten einhergehen können, ist der kurzfristige Handlungsspielraum der EZB zur Bilanzreduzierung
womöglich deutlich eingeengt.
Was sind die Implikationen? Überschüssige Liquidität wird noch dauerhaft im Bankensystem zu finden sein und Zinsen im
Interbankenmarkt werden noch auf Zeit nicht den Liquiditätsbedarf des Bankensystems widerspiegeln, sondern die Größe des
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Aufkaufprogramms. Denn aufgrund des gigantischen Volumens ist es unwahrscheinlich, dass eine Ausweitung der
Kreditvergabe all die überschüssige Liquidität in notwendige Liquidität bzw. Reserven umwandelt. Somit wird nicht der Leitzins,
sondern der Einlagenzinssatz auf Sicht der entscheidenden Zinssatz bleiben. Erst bei einer Netto-Nachfrage nach Liquidität
von der EZB ist nicht mehr von überschüssiger Liquidität im Bankensystem auszugehen. Erst dann ist der Leitzins wieder der
tonangebende Zinssatz. Abb. 2 zeigt die gesamte Liquiditätsbereitstellung des Eurosystems an das Bankensystem. Diese
beinhaltet notwendinge wie auch überschüssige Reserven.
Abb. 2: Guthaben des Bankensystems bei der EZB, in Mrd. Euro
1400
1200
1000
800
600
400
200
0
1999
2001
2003
2005
2007
2009
2011
2013
2015
Quellen: Deutsche Bundesbank; IKB
Doch warum ist dies von Bedeutung und wieso kann die EZB-Bilanz nicht langsam durch Tilgungen zurückgefahren werden?
Aktuell verdient die EZB durch den marginal positiven Leitzins und insbesondere durch den negativen Einlagenzinssatz. Die
EZB kauft Anleihen auf, bezahlt mit Liquidität und verlangt von den Banken hierfür einen Einlagenzinssatz von -0.2 %. Diese
wiederum finden relativ wenig Anwendungsmöglichkeiten, da sich die Kreditvergabe nur langsam zu erholen scheint. Doch
würde die EZB die Zinsen in einem Umfeld von überschüssiger Liquidität und Bilanzausweitung anheben müssen, so würde
dies für sie mit deutlichen Kosten einhergehen. Der Leitzins würde zwar auch ansteigen, doch dieser wäre irrelevant, da keine
Bank sich von der EZB Liquidität beschaffen müsste; vielmehr würden die Banken Liquidität im Interbankenmarkt zu
Konditionen knapp über dem Einlagenzinssatz erhalten. Ein positiver Einlagenzinssatz hingegen bedeutet, dass die
EZB/Eurosystem und nicht das Bankensystem für die geschaffene Liquidität bezahlt. Im Falle einer durch Repos induzierten
Bilanzausweitung wäre dies weniger der Fall, da der ansteigende Leitzins der EZB einen Ertrag beschert, weil er über dem
Einlagenzins liegt und für die Repos relevant ist. Eine durch die EZB induzierte Rückführung der Bilanzsumme würde ebenfalls
teuer sein. Denn die Anleihen wären mit steigenden Renditen und den hohen und sogar über par eingegangenen
Einkaufniveaus der EZB deutlich unter Wasser, vor allem mit langen Laufzeiten.
Es kann festgehalten werden, dass eine geldpolitische Wende (Zinsanhebung) in einem Umfeld erhöhter Bilanzausweitung
durch Anleihe-Aufkäufe mit Kosten für das europäischer Notenbanksystem verbunden ist. Doch ist diese Gefahr groß genug,
um den geldpolitischen Handlungsspielraum der EZB zu begrenzen? Angenommen, die überschüssige Liquidität im
Bankensystem wäre von 1 Billion bereits auf 500 Mrd. reduziert worden und der Einlagenzinssatz müsste als Folge
geldpolitischer Einschätzungen von -0,2 auf 2 % angehoben werden. Dies würde eine Veränderung in der GuV von über 10
Mrd. Euro bedeuten, was nicht unbedeutend ist. Allerdings muss der Betrag mit der GuV und dem Eigenkapital aller EuroNotenbanken verglichen werden. So hat die EZB zwar durch ihr ambitioniertes und relativ spät gestartetes Aufkaufprogramm
das Risiko erhöht, dass sie Verluste durch ihr geldpolitisches Handeln verbuchen könnte. Allerdings halten sich die
Dimensionen in Grenzen – vor allem wenn die Zinsen nur moderat ansteigen, was der generellen Erwartung entspricht.
Fazit: Eine Bilanzausweitung durch Anleihekäufe hat andere Implikation als eine Bilanzausweitung, die durch RepoTransaktionen gekennzeichnet ist. Anleihekäufe betreffen nicht nur das private Bankensystem, sondern auch das Eurosystem
und die EZB, die ihre geldpolitische Ausrichtung in den nächsten Jahren nicht ohne die Gefahr von möglichen
Gewinnrückgängen ändern kann. Überschüssige Reserven machen den Einlagezinssatz relevant, der im Falle eines Anstiegs
zu Zinszahlungen durch die EZB führt. Eine vorherige Rückführung der EZB-Bilanz durch Anleiheverkäufe würde hingegen
Kapitalverluste bedeuten. Somit ergibt sich ein Verlustpotenzial nicht nur durch den Ausfall möglicher Anleiheemittenten,
sondern auch aus der möglichen Notwendigkeit einer Zinswende, bevor überschüssige Reserven und Bilanzausweitung durch
Tilgungen ausreichend zurückgefahren wurden. Wegen der überschüssigen Liquidität, die die EZB dem Bankensystem
aufzwingt, könnten die Euribor-Sätze noch auf Sicht verzerrt und negativ bleiben.
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7. Mai 2015
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