IKB-Kapitalmarkt-News – Stichtag 23. Juni 2016: Implikationen für Europa, Ausblick für Euro und Pfund 8. April 2016 Dr. Klaus Bauknecht [email protected] Welche Bedeutung hat ein Brexit für die deutsche und europäische Konjunktur? Die Spekulationen über den Ausgang des britischen Referendums halten an. Umfragewerte geben kein klares Zeichen, auch, weil ein großer Teil der Briten noch keine konkrete Meinung zu haben scheint. Volkswirte hingegen haben schon eifrig gerechnet, was ein Brexit für Großbritannien bedeuten könnte. Da die Ergebnisse jedoch sehr stark von Annahmen abhängen, sind die Prognosen breit gestreut. Im Vordergrund steht hierbei vor allem die Unsicherheit, wie sich die britischen Handelsbeziehungen mit der EU und dem Rest der Welt nach einem möglichen Austritt gestalten würden. Auch die Rolle Schottlands ist fraglich. Andere Überlegungen beschäftigen sich damit, was ein Brexit für die EU und Deutschland bedeuten könnte. Im Falle eines Austritts wird viel von der Ausgestaltung zukünftiger Handelsbeziehungen abhängen. Und es gibt noch weitere Aspekte zu berücksichtigen: Was bedeutet etwa ein möglicher Brexit für die Struktur der EU, und entwickelt sich Großbritannien zu einem Modell für andere Nettozahler der EU? Die Kombination aus schwacher europäischer Konjunktur, anhaltend hoher Arbeitslosenquoten sowie Uneinigkeiten innerhalb der EU – Beispiel Flüchtlingsproblematik – könnte unerwartete Konsequenzen für diese mit sich bringen. Ein EU-Austritt Großbritanniens beinhaltet somit selbst bei einer schnellen Einigung der beteiligten Parteien gewisse Risiken für die Euro-Zone und damit auch für Deutschland; vor allem, wenn ein Brexit andere EU-Staaten zu ähnlichen Überlegungen animieren würde. Wie das aktuelle Referendum in den Niederlanden zeigt, liegen solche Gedanken gar nicht so fern. Sollten sich mögliche Verhandlungen um den Austritt hingegen hinziehen und für anhaltende Unsicherheit über die zukünftige Ausgestaltung der EU-Verträge sorgen, wird dies wiederum das Unternehmervertrauen und damit die Wachstumsaussichten belasten. So bergen ein schneller ebenso wie ein langwieriger Austritt Großbritanniens Risiken für Europa und seine Konjunkturaussichten. Der Einfluss eines Brexit auf die Euro-Zone liegt nicht nur in möglichen Konsequenzen für die Handelsströme; denn der BIPRückgang wäre nicht nur konjunkturell bedingt. Um den möglichen Einfluss einer eskalierenden Unsicherheit in seiner Gesamtheit zu greifen, hat die IKB ein VAR-Modell geschätzt, welches den Zusammenhang von BIP-Wachstum in Großbritannien, Euro-Zone und Deutschland widerspiegelt. Selbstverständlich wird das deutsche BIP nicht nur durch das britische Wachstum und das der Euro-Zone bestimmt. Es geht eher darum, dass die Volkswirtschaften in Beziehung zueinander stehen, und dass ein Schock in einer Wirtschaftseinheit Einfluss auf die BIP-Wachstumsraten anderer Wirtschaftseinheiten hat. Je größer der historische Gleichlauf der Wachstumsraten von Großbritannien, Deutschland und EuroZone ist, desto höher wird der Einfluss einer Abweichung des britischen BIP-Wachstums auf Deutschland und die Euro-Zone sein. In diesem Modell wird unterstellt, dass sich die Wachstumsraten nicht voneinander lösen können, sodass ein Schock in der britischen Konjunktur entsprechende Einbrüche in der Leistung der anderen Wirtschaftseinheiten „mit sich zieht“. Abb. 1: Einfluss eines Rückgangs der britischen Wachstumsrate um einen Prozentpunkt auf das deutsche BIP Nega tive Auswirkung i n Prozentpunkten 0,6 0,5 0,4 0,3 0,2 0,1 0,0 t Quellen: Bloomberg; IKB t+1 t+2 t+3 t+4 Kapitalmarkt News Modellschätzungen deuten darauf hin, dass ein Rückgang des britischen BIP von 1 % das deutsche BIP mit fast 0,5 % belasten könnte. Dies mag als überraschend hoch angesehen werden, da nur rund 7,5 % der deutschen Exporte nach Großbritannien gehen. Doch wie vorher beschrieben, geht es bei der Simulierung eines Brexit um mehr als nur eine reduzierte Nachfrage von Exporten, vor allem, wenn der britische BIP-Einbruch bedeutend ist und somit Konfliktpotenzial in Europa andeutet. Ein deutlicher Einbruch der britischen Wirtschaft würde signalisieren, dass der Brexit unkontrolliert stattfindet. Das langfristige Risiko eines „erfolgreichen“ Brexit für die EU würde allerdings mit diesem Modell auch nicht unbedingt repräsentiert. Laut einiger Studien könnte ein Austritt Großbritanniens durchaus zu einem Rückgang der britischen Wirtschaftsleistung um 2 bis 3 % führen. Dies dürfte das deutsche Wachstum mit rund einem Prozentpunkt in Mitleidenschaft ziehen (Abb. 1). Angesichts dieser Szenarien dürften die Briten und auch die EU im Fall der Fälle bemüht sein, einen schnellen und koordinierten Austritt zu gewährleisten. Wie ist der Ausblick für das Pfund? Das Pfund hat als Folge der Unsicherheit rund um einen mögliche Brexit bereits in den letzten Monaten an Wert verloren. Entscheiden sich die Briten für einen Verbleib, ist sicherlich mit einer Korrektur bzw. Aufwertung zu rechnen, weil mögliche Zinsanhebungen der BoE in 2017 wieder in den Vordergrund rücken könnten. Auch sollte die britische Wirtschaft im dritten Quartal 2016 einen Aufholeffekt als Folge von zunehmenden Investitionen zeigen. Entscheiden sich die Briten für einen Austritt und zeichnet sich eine schnelle und konstruktive Lösung mit der EU ab, ist nicht unbedingt von einer weiteren Abwertung auszugehen, auch wenn die Volatilität kurzfristig hoch bleiben könnte. Mittelfristig könnte in diesem Szenario das Pfund gegenüber dem Euro sogar deutlich an Wert gewinnen. Zeichnet sich keine schnelle Einigung ab, wird die Realwirtschaft Großbritanniens vermehrt in Mitleidenschaft gezogen und das Pfund wird weiter unter Druck gesetzt, auch, weil die BoE erneut unterstützende Konjunkturmaßnahmen einführen müsste. Wie oben beschrieben, würde in solch einem Szenario allerdings ebenso die europäische Wirtschaft belastet, was sich wiederum im Euro-Wechselkurs zeigen sollte. Somit ist insgesamt von einer deutlichen Abwertung des Pfund gegenüber dem Euro nicht unbedingt auszugehen, wohl aber von einer Abwertung gegenüber dem US-Dollar. Die IKB geht in ihren Prognosen von einem Verbleib Großbritanniens in der EU aus, sodass von einer Aufwertung des Pfund im dritten Quartal auszugehen ist. Selbst bei einem Brexit rechnet die Bank nicht mit einer bedeutenden und nachhaltigen Abwertung des Pfund gegenüber dem Euro. Abb. 2: Stochastische Simulation: Britisches Pfund je Euro 1,0 Simulation 0,9 0,9 0,8 0,8 0,7 0,7 0,6 2008 2009 2010 2011 2012 Fundamentalwert Quellen: Bloomberg; IKB 2013 2014 2015 2016 Ober- und Untergrenze 2017 Kapitalmarkt News Fazit: Die Folgen eines Brexit für die britische Wirtschaft sind nicht zu unterschätzen, vor allem, wenn ein möglicher EUAustritt unkoordiniert stattfinden bzw. wenn es mit der EU und anderen Handelspartnern zu keiner schnellen Einigung kommen sollte. Solch eine Entwicklung würde nicht nur die Handelsströme belasten, sondern auch für erhöhte Unsicherheit sorgen, was das britische BIP deutlich belasten dürfte. Doch ein ähnliches Bild gilt auch für EU und Deutschland, da die Unsicherheit über die politische wie auch konjunkturelle Zukunft der EU nach einem möglichen Brexit das Unternehmervertrauen besonders belasten könnte. Gemäß IKB-Schätzungen sollte ein britischer BIP-Einbruch von rund 3 Prozentpunkten als Folge eines Brexit das deutsche BIP um bis zu 1 Prozentpunkt belasten. Aus dieser Prognose folgt allerdings, dass das Pfund bei einem Brexit gegenüber dem Euro nicht unbedingt weiter an Wert verlieren sollte, da auch der Euro durch eine Konjunktureintrübung unter Druck geraten dürfte. So mag das mögliche Abwertungspotenzial des Pfund zum Euro durchaus begrenzt sein, vor allem, wenn sich der Prozess des Brexit für Großbritannien und EU als schwierig erweisen sollte. Die IKB erwartet jedoch, dass die Briten am 23. Juni mehrheitlich gegen einen Austritt stimmen werden, was im dritten Quartal 2016 eine Aufwertung des Pfund gegenüber dem Euro mit sich bringen sollte. Kapitalmarkt News Disclaimer: Diese Unterlage und die darin enthaltenen Informationen begründen weder einen Vertrag noch irgendeine Verpflichtung und sind von der IKB Deutsche Industriebank AG ausschließlich für (potenzielle) Kunden mit Sitz und Aufenthaltsort in Deutschland bestimmt, die auf Grund ihres Berufes/ Aufgabenstellung mit Finanzinstrumenten vertraut sind und über gewisse Erfahrungen, Kenntnisse und Sachverstand verfügen, um unter Berücksichtigung der Informationen der IKB Deutsche Industriebank AG ihre Anlage- und Wertpapier(neben)dienstleistungsentscheidungen zu treffen und die damit verbundenen Risiken unter Berücksichtigung der Hinweise der IKB Deutsche Industriebank AG angemessen beurteilen zu können. Außerhalb Deutschlands ist eine Verbreitung untersagt und kann gesetzlich eingeschränkt oder verboten sein. Die Inhalte dieser Unterlage stellen weder (i) eine Anlageberatung (ii) noch eine individuelle Anlageempfehlung, (iii) noch eine Einladung zur Zeichnung (iv) noch eine Willenserklärung oder Aufforderung an den Kunden ein Angebot zum Kauf oder Verkauf von Wertpapieren oder sonstigen Finanzinstrumenten abzugeben oder einen Vertrag über eine Wertpapier(neben)dienstleistung zu schließen, dar. Die Unterlage wurde nicht mit der Absicht erarbeitet, einen rechtlichen, steuerlichen oder bilanziellen Rat zu geben. Empfehlungen und Prognosen stellen unverbindliche Werturteile zum Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage dar. Die Angaben beziehen sich ausschließlich auf den Zeitpunkt der Erstellung der Unterlage. Eine Änderung der Meinung des Verfassers ist daher jederzeit möglich, ohne dass dies notwendigerweise publiziert wird. Die in der Unterlage zum Ausdruck gebrachten Meinungen spiegeln nicht zwangsläufig die Meinung der IKB wider. Prognosen zur zukünftigen Entwicklung geben Annahmen wieder, die sich in Zukunft als nicht richtig erweisen können; für Schäden, die durch die Verwendung der Unterlage oder von Teilen davon entstehen, wird nicht gehaftet. Bei der Unterlage handelt es sich auch nicht um eine Finanzanalyse im Sinne des WpHG. Sie unterliegt daher nicht den aufsichtsrechtlichen Anforderungen an eine Finanzanalyse. Die inhaltlichen und organisatorischen Vorgaben an eine Finanzanalyse sind nicht anwendbar. Ein Verbot des Handelns vor Veröffentlichung besteht nicht. Die vorliegende Unterlage ist urheberrechtlich geschützt. Das Bearbeiten oder Umarbeiten der Unterlage ist untersagt. Eine Verwendung der Unterlage für gewerbliche Zwecke, auch auszugsweise, ist nur mit vorheriger schriftlicher Zustimmung der IKB Deutsche Industriebank AG zulässig. Ansprechpartner in der IKB Deutsche Industriebank AG 40474 Düsseldorf Wilhelm-Bötzkes-Straße 1 Telefon +49 211 8221-0 Volkswirtschaft und Research Telefon +49 211 8221-4118 8. April 2016 Herausgeber: IKB Deutsche Industriebank AG Rechtsform: Aktiengesellschaft Sitz: Düsseldorf Handelsregister: Amtsgericht Düsseldorf, HR B 1130 Vorsitzender des Aufsichtsrats: Dr. Karl-Gerhard Eick Vorsitzender des Vorstands: Dr. Michael H. Wiedmann Vorstand: Claus Momburg, Dr. Jörg Oliveri del Castillo-Schulz, Dirk Volz
© Copyright 2024 ExpyDoc