Mali hofft auf Frieden Nazi-Hymne in Berlin Ex-Premier Moussa Mara über das Abkommen mit den Rebellen. Seite 3 Lehrerin ließ Schüler verbotenes Horst-Wessel-Lied singen. Seite 9 Kein Geld für Kronen? Nicht jeder Zahnpatient bekommt die beste Versorgung, sagt ein neuer Report. Warum, lässt er offen. Seite 16 Foto: AFP/Habibou Kouyate Mittwoch, 15. April 2015 STANDPUNKT Mit Moskau und Kiew 70. Jahrgang/Nr. 87 Bundesausgabe 1,80 € www.neues-deutschland.de Ukraine ist Spitzenthema für G7-Treffen Gesetz mit Handicaps UN-Kritik: Deutschland setzt Behindertenrechte nur mangelhaft um Klaus Joachim Herrmann über die G7 und die Ukrainekrise Der Ukraine-Konflikt wird im Zentrum der Beratungen der G7 stehen. Aber genau den Partner, der für eine Lösung nach weit verbreiteter Auffassung unersetzlich ist, haben die westlichen Staaten längst ausgeladen. Das geschah zur Bestrafung Moskaus. Doch deren Urheber kommen damit auch nicht weiter. Das buchstäblich explosive Problem hätte einen klügeren Ansatz verdient. Das scheint insbesondere den Franzosen und den Deutschen zu dämmern. Die trafen am Vorabend der G7 und zu deren Vorbereitung in Berlin mit dem ukrainischen, aber eben auch dem russischen Außenminister zusammen. Ein etwas halbherziger, aber immerhin ein Kompromiss. Lohn »langwieriger und komplizierter« Gespräche waren kleine Fortschritte. Da ist man schon mit weniger auseinandergegangen. Dialog mit dem Widersacher muss auch für die ukrainische Zentralmacht gelten. Die verweigert hartnäckig zwar nicht die militärische Auseinandersetzung, wohl aber direkte Verhandlungen mit den Abtrünnigen im Osten. Selbst seine allzeit treuen westlichen Verbündeten kommen Kiew sachte drauf, dass es zur Verwirklichung der Minsker Übereinkunft hart gedrängt werden muss – namentlich in die Arbeitsgruppen zur Beratung des künftigen Status der abtrünnigen Regionen. Ohne die Aufständischen und ohne Moskau, ohne Kiew und den Westen werden keine Kompromisse und schon gar kein Frieden zu machen sein. Jede Seite für sich allein bringt keine Lösung. UNTEN LINKS Ein südkoreanisches Unternehmen beabsichtigt, die NATO mit einer Technologie auszustatten, die Regen, Schnee und Wind simulieren kann. Wer nun schlussfolgert, dies sei ein weiterer Versuch, die öffentliche Meinung zu vernebeln und Putin in die Knie zu zwingen, urteilt vorschnell. Unwirtliches Wetter kann Russland auch alleine. Außerdem handelt es sich bei der NATO, die hier in Rede steht, nicht um die Organisation des Nordatlantikpakts, sondern um die National Association of Theatre Owners, einen Zusammenschluss USamerikanischer Kinobesitzer. Auf dessen Kongress in Las Vegas wollen die Südkoreaner nächste Woche ihre jüngsten Neuerungen in Sachen 4D-Kino präsentieren: Polstersessel mit vernetzten Sitzvibratoren, Ventilatoren, Spritzdüsen, solche Sachen. Kinkerlitzchen, die sich nicht durchsetzen werden. Um eine Organisation zu beeindrucken, die sich ohne Not NATO nennt, müssten die Sessel schon mit scharfer Munition ausgerüstet sein. mha ISSN 0323-3375 Foto: 123rf/Bartlomiej Jaworski Trotz Berliner Appells wieder Kämpfe Berlin. Vor dem Treffen der Außenminister zur Vorbereitung des G7-Treffens am Dienstagabend in Lübeck erklärte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier, Russland werde »ganz dringend« gebraucht, um Konflikte wie in Syrien oder mit Iran zu regeln. Moskau müsse auch selbst an den »Bedingungen« für eine Rückkehr in die Gruppe der großen Industrienationen arbeiten. Die Chefdiplomaten der Ukraine, Russlands, Deutschlands und Frankreichs einigten sich am Vorabend in Berlin auf eine Erklärung zur Ukraine. Darin fordern sie den Stopp der Kämpfe, eine Stärkung der OSZEMission sowie die Umsetzung des Gefangenenaustauschs und den Rückzug weiterer schwerer Waffen. Die Konfliktparteien sollen umgehend die seit Langem geplanten Arbeitsgruppen zur Vorbereitung einer politischen Lösung schaffen. Die Aufständischen kündigten eine »einseitige Waffenruhe« an. Doch wurden erneut Kampfhandlungen und mehrere Todesopfer und Verletzte gemeldet. Zum Schutz vor Protesten sind in Lübeck bis Mittwoch mehr als 3500 Polizisten im Einsatz. Die ersten Kundgebungen von G7Gegnern verliefen friedlich. Befürchtet wurde, dass die Proteste bis zum offiziellen Beginn des Treffens am Abend in Gewalt umschlagen könnten. Die Außenminister wollen in der Hansestadt den G7-Gipfel im Juni auf Schloss Elmau in Bayern vorbereiten. Ein Spitzenthema soll dort der Ukraine-Konflikt sein. Agenturen/nd Seiten 5 und 8 Behindertenwerkstatt der Diakonie in Halle (Sachsen-Anhalt) Berlin. Im nächsten Jahr soll das Bundesteilhabegesetz verabschiedet werden. Es soll der im Jahr 2008 auch in Deutschland in Kraft getretenen Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen (UN) zur Umsetzung verhelfen. Daran hapert es seit Jahren. Mit dem neuen Gesetz solle die Lebenssituation von Menschen mit Behinderung verbessert werden, man wolle so »einen weiteren Schritt in Richtung hin zu einer inklusiven Gesellschaft gehen«, sagte Bundessozialministerin Andrea Nahles (SPD) nach dem letzten Treffen der zuständigen Arbeitsgruppe in Berlin am Dienstag laut AFP. Foto: dpa/Sebastian Willnow Ein Schritt, ob das reicht? Nach der zweitägigen Anhörung der Bundesregierung durch den Fachausschuss zur UN-Behindertenrechtskonvention im März war klar, dass es mit der Umsetzung der Konvention nicht weit her ist. Kritisiert wurde von den UNO-Vertretern insbesondere der geringe Verdienst der Betroffenen, mangelnde Vermittlungschancen in den Ersten Arbeitsmarkt, fehlende schulische Inklusion und der Wahlrechtsausschluss. Im jüngst erschienenen Parallelbericht des Deutschen Instituts für Menschenrechte heißt es beispielsweise, Deutschland sei von einem inklusiven Arbeitsmarkt weit entfernt. Ein wei- terer Parallelbericht an den UN-Fachausschuss sieht zwar eine grundsätzlich positive Entwicklung seit 2008, moniert indes, ein wirklicher Strukturwandel sei nicht zu erkennen. Die mit dem Gesetz auch geplante Entlastung der Kommunen, die für einen Großteil der Hilfen zur Eingliederung aufkommen, sieht der Vorsitzende des Sprecherrates des Deutschen Behindertenrates, Ilja Seifert, kritisch: Da das Gesetzesvorhaben kostenneutral umgesetzt werden solle, könne es sich nur um »kosmetische Maßnahmen« handeln. Erste Eckpunkte des Teilhabegesetzes könnten noch 2015 vorgestellt werden. jme Seite 2 700 Peschmerga-Kämpfer ausgebildet Linkspolitiker van Aken fordert von Bundesregierung mehr Engagement jenseits des Militärischen Deutschland hat den kurdischen Peschmerga weitere Waffenhilfe gegen den Islamischen Staat zugesagt und bislang rund 700 Kämpfer ausgebildet. Von René Heilig Der Islamische Staat (IS) sei nicht mehr die dominierende Kraft in 25 bis 30 Prozent der besiedelten Gebiete Iraks, in denen er noch im August totale Bewegungsfreiheit gehabt habe, erklärte ein Sprecher des US-Verteidigungsministeriums. Die territorialen Verluste der Dschihadisten bezifferte er auf 13 000 bis 17 000 Quadratkilometer. Das entspricht etwa der Größe Thüringens. Im Sommer 2014 hatte sich unter Führung der USA eine internationale Koalition gebildet, die den IS vor allem aus der Luft bekämpft. Bislang flog man nach Pentagon-Angaben 3244 Angriffe, davon 1879 in Irak und 1365 in Syrien. Auch Jan van Aken, Außenpolitiker der Bundestags-Linksfraktion und Kenner der Region, glaubt, dass die Luftangriffe den IS-Milizen schwer zu schaffen machen. »Der IS hat den Nimbus der Unbesiegbarkeit verloren, die Dschihadisten können sich in Irak nicht mehr so offen zeigen und müssen ihre Taktik ändern. Vor allem bringen die Angriffe eine weitere Eskalation des Konfliktes und eine stärkere Verankerung des IS bei sunnitischen Volksgruppen.« Am Kampf gegen den IS ist Deutschland militärisch indirekt beteiligt. Bereits im vergangenen Jahr waren aus Bundeswehrbeständen 16 000 Sturmgewehre G3 und G36 sowie »Milan«-Raketen, Panzerfäuste, Handgranaten, Funktechnik und Fahrzeuge geliefert worden. Wie im Februar beschlossen, sollen zwischen Ende April und Mitte Mai weitere 500 panzerbrechende »Milan«-Raketen samt Startgeräten eingeflogen werden, versicherte Verteidi- gungsstaatssekretär Markus Grübel am Wochenende in der Kurdenhauptstadt Erbil. Auch G36Sturmgewehre, deren bezweifelte Zuverlässigkeit derzeit in »Die Angriffe führen zu einer weiteren Eskalation des Konfliktes.« Jan van Aken, Außenpolitiker der Linksfraktion Deutschland zwei Kommissionen beschäftigt, werden von den Kurden erwartet. Die Bundeswehr hilft bei der Ausbildung der Peschmerga. Nach einer ersten Einweisung von 115 kurdischen Kämpfern wurden gemeinsam mit Verbündeten im sogenannten Kurdistan Training Coordination Center (KTCC) 465 Peschmerga ausgebildet. Dafür sind 68 deutsche Soldaten zuständig. Je zwei weitere sind beim deutschen Konsulat in Erbil, in Bagdad und im US-Hauptquartier in Kuweit. In Deutschland erhielten bislang 86 Peschmerga-Soldaten ihren »Schliff«, derzeit werden weitere 29 geschult. Mit Aufrüstung und Ausbildung schaffe man zugleich neue Probleme, wendet van Aken ein. »Die entscheidende Frage ist, wie man den IS jenseits des Militärischen schwächen kann.« Gerade hat der Bundesnachrichtendienst der Regierung gemeldet, dass der IS weniger Einnahmen aus dem illegalen Ölexport ziehe, weil er aus Raffinerien vertrieben wurde. Am Dienstag kam die Meldung, die Milizen hätten eine Raffinerie im nordirakischen Baidschi überrannt. Auch andere Geldquellen sprudeln, über die türkische Grenze werden weiter Kämpfer und Waffen geschleust. »Dagegen muss die Bundesregierung entschiedener agieren«, fordert van Aken. »Herdprämie« vor höchstem Gericht Verfassungshüter mit Zweifel an Rechtsauffassung der Regierung Karlsruhe. Die Bundesregierung hat am Dienstag das vor zwei Jahren eingeführte Betreuungsgeld vor dem Bundesverfassungsgericht gegen eine Klage des Stadtstaates Hamburg verteidigt. Die Regelung verstoße weder gegen die Gesetzeskompetenz der Länder, noch beeinträchtige das Betreuungsgeld die freie Rollenverteilung von Eltern bei der Kinderbetreuung, erklärte der Rechtsvertreter der Bundesregierung, Michael Sachs, am Dienstag in Karlsruhe. Die einst auf vehementen Druck der CSU eingeführte »Herdprämie« sieht vor, dass Eltern 150 Euro monatlich bekommen, wenn sie ihr Kind nicht in eine öffentlich geförderte Kinderbetreuungseinrichtung geben. Hamburg hält die Regelung aus mehreren Gründen für verfassungswidrig. Das Hauptargument, der Bund habe nicht die Kompetenz für eine derartige Regelung, bestimmte den Verhandlungsauftakt vor Gericht. Die Verfassungshüter machten deutlich, dass sie offenbar Zweifel an der Rechtsauffassung der Großen Koalition haben. So sprach die Berichterstatterin des Senats, Richterin Gabriele Britz, im Hinblick auf die Vorgaben des Grundgesetzes zur konkurrierenden Gesetzgebung von einer »großzügigen Sicht der Bundesregierung«. AFP/nd Seite 5 } Lesen Sie heute im Ratgeber Fragen & Antworten zur Pflege: Pflegegeld kann unterschiedlich lange gezahlt werden Vertrauensarbeitszeit – was bedeutet das für Arbeitnehmer? Mietrecht: BGH-Rechtsprechung zu Schönheitsreparaturen
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