Die diesjährige Weinernte ist fast abgeschlossen. Der Jahrgang

Die diesjährige Weinernte ist fast abgeschlossen.
Der Jahrgang 2009 ist vielversprechend, wie Francesco
Tettamanti, Direktor von Ticinowine, im Interview sagt
Tessiner Weinbau profitiert
von der Klima-Veränderung
von Gerhard Lob
D
er Grossteil der Tessiner Weinlese 2009 ist fast zu Ende. Wie
sind die Aussichten für diesen
Jahrgang?
Noch hängt ein kleiner Teil der Trauben
an den Reben. Doch schon jetzt lässt sich
feststellen, dass wir mit einem sehr guten
Jahrgang rechnen können – vergleichbar
mit 2007. Denn die klimatischen Bedingungen dieses Jahr waren sehr gut. Die
Trauben sind frühzeitig gereift. Und dies
lässt auf Qualität hoffen, auch wenn es
keine Garantie darstellt. Die weissen
Trauben sind jedenfalls schon alle geerntet. Und die Qualität ist hervorragend. Natürlich muss man noch sehen, was nach
der Reifung in den Fässern und in den Flaschen passiert.
Sind Sie zufrieden mit der Qualität der
Tessiner Weine in den letzten Jahren?
Ja. Wir hatten sehr gute Jahrgänge, abgesehen vielleicht vom Jahr 2002, das
durchwachsen war. Die klimatischen Veränderungen stellen für uns einen Vorteil
dar. Denn das Klima im Tessin wird tropischer, als Standort haben wir zusehends
die Bedingungen südlich gelegener Gegenden. Dies spiegelt sich im Reife- beziehungsweise Oechslegrad der Reben
wider, die ständig ansteigen. Im Jahrhundertsommer 2003 habe ich Reifegrade
festgestellt, von deren Einmaligkeit ich
überzeugt war. Hingegen hat sich dieses
Phänomen 2007 wiederholt und auch die-
Francesco Tettamanti (1961) hat Weinbau und Önologie an der “L’Ecole
d’Ingénieurs de Changins “ in Nyon VD studiert
ses Jahr geht die Entwicklung in diese
Richtung.
Im Tessin nimmt die Zahl der Kleinproduzenten zu, die ihren eigenen Wein
herstellen und den Grossproduzenten
misstrauen. Ist das ein Vor- oder Nachteil für die Qualität des Tessiner Weins?
Konkurrenz ist immer gut. Ich kann einfach feststellen, dass die Kleinproduzenten sehr gut arbeiten. Sie haben in der Regel eine sehr gute Ausbildung oder sehr
gute Berater. Um einen Doc-Label tragen
zu können, müssen sie zudem strenge
Normen erfüllen. In Lugano waren zur
Jahrgangspräsentation 2007 gut 60 Produzenten anwesend. Und das Qualitätsniveau war wirklich sehr hoch. Heute kann
sich ein Produzent kein Mittelmass mehr
erlauben, ansonsten kann er mit der Konkurrenz nicht mithalten. Die Konsumenten sind schon bereit, etwas mehr für einen lokal hergestellten Wein zu bezahlen,
aber nur, wenn die Qualität stimmt. Das
Preis-Leistungs-Verhältnis ist heute entscheidend.
Dass Tessin wird stets als Merlot-Land
bezeichnet. Stellt es nicht ein Risiko für
eine Weingegend dar, mit einer einzi-
gen Rebensorte identifiziert zu werden?
Es ist richtig, dass wir den Merlot ganz
oben auf unsere Fahnen geschrieben haben. Wir sind aber wohl auch die einzige
Gegend in der Welt, in der auf 80 Prozent
der Rebfläche Merlot angebaut wird.
Doch wir pflegen durchaus andere Rebsorten. Denn es gibt Flächen, für welche
Merlot nicht so geeignet ist. Dort setzen
wir auf Chardonnay, Gamaret oder Pino
Nero. Was den Merlot betrifft, will ich jedoch anmerken, dass wir eine grosse Palette an Merlot-Produkten herstellen:
Spumante, Weissen, Rosè bis zu in Barrique gereiftem Rotweine. Das unterscheidet uns von Monokulturregionen wie beispielsweise dem Chianti.
Was ist eigentlich vom 100-JahrJubiläum des Merlot geblieben, das
man 2006 begangen hat?
Sicherlich ist das Bewusstsein für eine
Tradition geblieben. Aber man muss auch
festhalten, dass 100 Jahre im Weinbau
keine lange Zeit sind. Bedenken wir nur,
dass die Weinreben im Tessin eine 2000jährige Geschichte haben. Deshalb war
das Jubiläum keinesfalls ein zu erreichendes Ziel, sondern eher ein Startpunkt für
die Zukunft. Doch ich hoffe, dass der
Merlot immer für das Tessin charakteristisch bleibt. Diese Rebe passt sich bestens an unser Klima und an unseren Boden an.