DISKUSSION - Deutsches Ärzteblatt

MEDIZIN
DISKUSSION
zu dem Beitrag
Therapieresistente Hypertonie – Diagnostik und
konservative Therapieoptionen
von Prof. Dr. med. Franz Weber, Prof. Dr. med. Manfred Anlauf
in Heft 25/2014
Besser Risikobewertung für Einzelsubstanzen
Die Kollegen Weber und Anlauf führen Substanzen mit
blutdrucksteigernder Wirkung auf, die differenzialdiagnostisch zu berücksichtigen sind (Kasten, S. 427).
Im Bereich der Psychopharmaka ist jedoch die Verknüpfung ganzer Substanzgruppen wie Neuroleptika,
MAO-Hemmer und trizyklische Antidepressiva mit einer arteriellen Hypertonie in der vorgelegten Form
nicht zutreffend.
Neuroleptika (oder Antipsychotika) sind im Gegensatz zur Darstellung eher mit orthostatischer Dysregulation und Hypotonie assoziiert (zum Beispiel Quetiapin, Risperidon, Clozapin), vor allem bei der Neueinstellung; dabei spielen insbesondere alpha1-antagonistische Effekte eine Rolle. Auch MAO-Hemmer haben
überwiegend blutdrucksenkende Effekte; nur bei Missachtung der Diätvorschriften (tyraminarme Kost)
kommt es zu hypertensiven Krisen, wobei das Risiko
der Blutdrucksteigerung bei dem irreversiblen, unselektiven MAO-Hemmer Tranylcypromin viel größer
als etwa bei Moclobemid oder Rasagilin ist. Ebenso
kommt es bei trizyklischen Antidepressiva eher zu einer arteriellen Hypotonie, nur in Ausnahmefällen zu einer Hypertonie (zum Beispiel unter Desipramin).
In der Auflistung fehlen einige heute häufig eingesetzte Psychopharmaka mit oft deutlich blutdrucksteigernden Effekten. Zu nennen sind hier Antidepressiva
mit noradrenerger Wirkkomponente wie Venlafaxin (1),
Duloxetin (2), Bupropion (3), Reboxetin (bis 2011 erstattungsfähig über die GKV) und (Levo-)Milnacipran,
ferner verordnungsfähige Stimulanzien wie Modafinil/
Adranafil, Atomoxetin und (Lis-)Dexamfetamin.
Insgesamt würden wir es bei Psychopharmaka vorziehen, die Risikobewertung bezüglich blutdrucksteigernder Effekte für Einzelsubstanzen statt Substanzgruppen vorzunehmen.
DOI: 10.3238/arztebl.2015.0120a
LITERATUR
1. Diaper A, Rich AS, Wilson SJ, et al.: Changes in cardiovascular
function after venlafaxine but not pregabalin in healthy volunteers: a
double-blind, placebo-controlled study of orthostatic challenge, blood
pressure and heart rate. Human Psychopharmacology 2013. doi:
10.1002/hup.2346. [Epub ahead of print]
2. Pigott TA, Prakash A, Arnold LM, Aaronson ST, Mallinckrodt CH,
Wohlreich MM: Duloxetine versus escitalopram and placebo: an
8-month, double-blind trial in patients with major depressive disorder. Current medical research and opinion 2007; 23: 1303–18.
3. Wilens TE, Hammerness PG, Biederman J, et al.: Blood pressure
changes associated with medication treatment of adults with attention-deficit/hyperactivity disorder. The Journal of clinical psychiatry
2005; 66: 253–9.
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4. Weber F, Anlauf M: Treatment resistant hypertension—investigation
and conservative management. Dtsch Arztebl Int 2014; 111:
425–31.
Prof. Dr. med. Roland W. Freudenmann
Dr. med. Ninja Freudenmann
Dr. med. Bartosz Zurowski
Prof. Dr. med. Carlos Schönfeldt-Lecuona
Prof. Dr. med. Bernhard J. Connemann
Dr. med. Maximilian Gahr
für die Autoren:
Prof. Dr. med. Roland Freudenmann
Universitätsklinikum Ulm, Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie III,
[email protected]
Interessenkonflikt
Prof. Connemann erhielt Erstattung von Teilnahmegebühren für Kongresse
von Pfizer und Astra Zeneca. Reise- und Übernachtungskosten wurden ihm
erstattet von Synthelabo, Astra Zeneca und Pfizer. Für ein vom ihm initiiertes
Forschungsvorhaben erhielt er Unterstützung von Janssen-Cilag, Altana
Pharma und Novartis.
Die übrigen Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Schlusswort
Wir danken den Kollegen Freudenmann et al. für die
konstruktive und differenzierende Kritik. Allerdings
weisen wir darauf hin, dass in den Fachinformationen
gerade zu den von ihnen genannten Neuroleptika neben
orthostatischer Dysregulation und Hypotonie eine Hypertonie als sehr häufig (Quetiapin), häufig (Clozapin)
beziehungsweise nach Anwendung einer injizierbaren
Formulierung (Risperidon) unter den Nebenwirkungen
zu finden ist. Dies gilt auch für Amitriptylin als trizyklisches Antidepressivum. Die Perspektive unseres Artikels ist die des Therapeuten, der nach möglichen Ursachen einer therapieresistenten Hypertonie sucht. Dabei sollte die Medikamentenanamnese auch seltenere
unerwünschte Wirkungen von Psychopharmaka berücksichtigen.
Die von ihnen aufgeführten neueren Antidepressiva
sind eine wichtige Ergänzung unserer tabellarisch und
aus Platzgründen sehr summarisch aufgelisteten Substanzen.
DOI: 10.3238/arztebl.2015.0120b
LITERATUR
1. Weber F, Anlauf M: Treatment resistant hypertension—investigation
and conservative management. Dtsch Arztebl Int 2014; 111:
425–31.
Prof. Dr. med. Franz Weber
Prof. Dr. med. Manfred Anlauf
St. Walburga-Krankenhaus, Meschede
[email protected]
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 112 | Heft 7 | 13. Februar 2015