medizin - Deutsches Ärzteblatt

MEDIZIN
dass am Tag 0 zwischen 7:00 und 18:00 operiert wurde
(die Operations-Zeitangabe am Tag 0 wurde von Mais
et al. nicht berichtet).
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0688b
LITERATUR
1. Neis KJ, Zubke W, Fehr M, Römer T, Tamussino K, Nothacker M:
Clinical practice guideline: Hysterectomy for benign uterine disease.
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 242–9.
2. Lethaby A, Vollenhoven B: Fibroids (uterine myomatosis, leiomyomas). BMJ Clin Evid 2011; pii: 0814.
3. Mais V, Ajossa S, Guerriero S, Mascia M, Solla E, Melis GB: Laparoscopic versus abdominal myomectomy: a prospective randomized trial
to evaluate benefits in early outcome. Am J Obstet Gynecol 1996;
174: 654–8
Prof. Dr. med. Andreas Stang, MPH
Institut für Medizinische Informatik, Biometrie und Epidemiologie
Universitätsklinikum Essen
[email protected]
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
LITERATUR
1. Neis KJ, Zubke W, Fehr M, Römer T, Tamussino K, Nothacker M:
Clinical practice guideline: Hysterectomy for benign uterine disease.
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 242–9.
2. Brucker SY, Hahn M, Kraemer D, Taran FA, Isaacson KB, Krämer B:
Laparoscopic radiofrequency volumetric thermal ablation of fibroids
versus laparoscopic myomectomy. Int J Gynecol Obstet 2014; 125:
261–5.
3. Kanaoka Y, Yoshida C, Tsukioka M, Noriyuki M, Ishiko O: Ratio of directly necrotized volume to total volume of a submucosal myoma
predicts shrinkage after microwave endometrial ablation. J Obstet
Gynecol Res 2009; 35: 717–24.
4. Iliodromiti S, Murage A: Multiple bowel perforations requiring extensive bowel resection and hysterectomy after microwave endometrial
ablation. J Minim Invasive Gynecol 2011; 18: 118–20.
PD Dr. med. Robert M. Eisele
Klinik für Allgemein-, Viszeral-, Gefäß- und Kinderchirurgie
Universitätsklinik des Saarlandes
Homburg
[email protected]
Interessenkonflikt
PD Eisele erhielt Gelder für ein von ihm initiiertes Forschungsvorhaben von
den Firmen Medwaves und BIOMED Technologies. Für die Durchführung von
klinischen Studien bekam er Gelder von der Firma AngioDynamics.
Myomablation – eine Alternative
Mit Interesse habe ich den Artikel von Neis et al. (1)
gelesen. Der aufmerksame Leser wird ein Therapieverfahren vermissen, welches national und international
vermehrt als uteruserhaltendes operatives Verfahren
zur Anwendung gelangt. Sicherlich liegen mit der Myomablation noch keine hinreichenden Erfahrungen vor,
um einen seriösen Vergleich zu den standardisierten
Eingriffen der Hysterektomie und Myomembolisation
ziehen zu können, aber erste Einzelzentrumsberichte
und randomisierte Studien auch aus Deutschland liegen
bereits vor (2). Dieses Therapieverfahren gehört mit
derselben Berechtigung, mit der der Studienlage zur
Akupunktur ein eigener Absatz gewidmet wird, erwähnt.
Bei der Myomablation wird ultraschallgesteuert eine
Nadel in das Myom eingebracht und entweder mit Radiofrequenz (2) oder Mikrowellen (3) eine thermische
Nekrose herbeigeführt, die hinterher abgebaut wird.
Aufgrund der im Vergleich zur Radiofrequenz- ausgeprägteren Gewebeschrumpfung nach Mikrowellenablation eignet sich letztgenannte womöglich besser zur
Myomablation, da der Größenreduktion zur Symptomkontrolle eine vergleichsweise größere Bedeutung beigemessen (3) und im Unterschied zur Ablation maligner Prozesse die restlose Beseitigung der gesamten
Gewebsveränderung nicht als essenziell für den Therapieerfolg angesehen wird.
Transzervikale und laparoskopische Zugangswege
kommen in Betracht; nach transzervikaler Punktion
sind thermische Alterationen anderer intraabdomineller
Organe nicht ausgeschlossen (4). Zur Punktionsführung und -kontrolle stehen gleichfalls transvaginaler
und laparoskopischer Ultraschall zur Verfügung. Dieses Verfahren wird aller Voraussicht nach in naher Zukunft weitere Verbreitung erlangen und darf daher in einer Aufstellung wie der vorliegenden (1) aus meiner
Sicht nicht fehlen.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0689a
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 41 | 14. Oktober 2016
Antihormonelle Therapie
Bei etwa 10 % aller Hysterektomien ist die Indikation
eine Krebserkrankung. Bei den übrigen circa 90 % handelt es sich um benigne Erkrankungen, davon liegen in
80 % aller Fälle Myome vor, die Beschwerden verursachen. Relativ häufig werden die Frauen in der Zeitspanne vor der Menopause operiert.
Mit Erlöschen der Ovarialfunktion wird das Volumen der Myome deutlich kleiner und somit reduzieren
sich auch die Beschwerden. Diese Hormonabhängigkeit führte zu antihormoneller Therapie: ProgesteronRezeptoren werden mit Ulipristolazetat (UPA) blockiert. Diese orale Medikation stoppt innerhalb einer
Woche vaginale Blutungen infolge von Myomen und
bewirkt deren Volumenverkleinerung bis um die Hälfte
innerhalb weniger Monate. Das hält bis zu einem halben Jahr an. Wiederholungsbehandlungen sind in der
Europäischen Union zugelassen (1).
So können einige Jahre bis zur erwarteten Menopause überbrückt werden, also die „Spontanheilung“ via
physiologischem Hormonentzug.
Dieser neue Therapieaspekt kommt in den klinischen Leitlinien zu kurz (2). Stattdessen werden vaginale Hysterektomien samt organerhaltender Methoden
favorisiert, mit dem Risiko gestörter Ovarialfunktion
mehrere Jahre vor der Menopause. Das ist gleichbedeutend mit verkürzter fertiler Phase und schadet dem Gefäßsystem (Herzinfarkt bei nichtrauchenden gesunden
Frauen erst postmenopausal).
Iatrogen die Dauer der Ovarialfunktion verkürzen
schadet den Gehirngefäßen. In einer großen Mayoklinik-Studie zeigten sich bei Frauen mit HysterektomieAnamnese (mit Adnexentfernung einseitig/beidseitig)
deutlich häufiger kognitive Beeinträchtigungen und
Demenz: 190 von 1 489 versus 113 von 1 472 (Hazard
Ratio [HR]1,46; p < 0,0001) (3).
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Ein weiteres Gefäßproblem nimmt durch Hysterektomien beziehungsweise deren invasive Alternativen in
ähnlicher Höhe zu: ischämischer Insult (4). Davon sind
jährlich insgesamt 250 000 Bürger betroffen. Dazu
sollten Hysterektomien samt invasiven Alternativen
nicht beitragen und: die klinische Leitlinien darauf hinweisen.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0689b
LITERATUR
1. Wenderlein JM: Algorithmus-Aspekte zur Myomtherapie. gyne 2016;
4: 20–7.
2. Neis KJ, Zubke W, Fehr M, Römer T, Tamussino K, Nothacker M:
Clinical practice guideline: Hysterectomy for benign uterine disease.
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 242–9.
3. Rocca WA, Bower JH, Maraganore DM, et al.: Increased risk of
cognitive impairment or dementia in women who underwent
oophorectomy before menopause. Neurology 2007; 69: 1074–83.
4. Fauser F: Hysterektomie und späteres Apoplex-Risiko. Frauenarzt
2016; 3: 256–61.
Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein
Universität Ulm
[email protected]
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Schlusswort
Nach der Publikation haben wir von Patientinnen als
auch von der Ärzteschaft zahlreiche zustimmende Reaktionen erfahren. Wir antworten gerade deshalb gerne
auf kritische Stimmen.
Frau Mühr weist auf die fehlende Patientinnenbeteiligung hin. Für das Thema existieren keine einschlägigen
Patientinnen- oder Selbsthilfeorganisationen und die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften e.V. (AWMF) schreibt Patientinnenbeteiligung nicht zwingend vor. Die Leitlinie wurde Frau
Mühr und einer Kollegin aus der Patientinnenberatung
zur Kommentierung vorgelegt (in den Leitliniendokumenten hinterlegt). Die kritische Einschätzung im Hinblick auf eine mögliche Übertherapie wird respektiert, allerdings kennen die Leitlinienautoren auch viele Frauen
mit hohem Leidensdruck, die nicht die Haltung teilen
würden, auf das Abklingen der Beschwerden bis nach der
Menopause zu warten. Es ist korrekt, dass die vorhandenen Studien Interventionen vergleichen und keinen
„Nichtstun“-Arm haben, somit Zufriedenheitsaussagen
dazu fehlen. Es wäre interessant, ob eine entsprechende
Studie erfolgreich durchgeführt werden könnte. Nichtsdestotrotz weisen wir auf die ausführlich dargelegten medikamentösen beziehungsweise organerhaltenden Alternativen zur Gebärmutterentfernung hin.
Zur Therapie bei Uterus myomatosus möchten wir
nochmals die verabschiedete Leitlinienempfehlung (1)
zur Kenntnis bringen: „Sind Myome ursächlich für die
Symptomatik verantwortlich, soll die Entscheidung bezüglich des Vorgehens in Abhängigkeit von der Lebenssituation gemeinsam mit der Patientin getroffen werden.“ Es gilt nun, die Leitlinie zu implementieren. Der
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Wunsch nach partizipativer Entscheidungsfindung besteht nicht bei jeder Frau (2). Wir stimmen Frau Mühr
dennoch zu, dass jede Konsultation eine partizipative
Entscheidungsfindung ermöglichen sollte und halten
kommunikative Kompetenzen (ärztliche Tugenden wie
Zuhören, ernst nehmen, Beraten, gemeinsam überlegen) und entsprechende Rahmenbedingungen für erforderlich. Die Evidenz dafür, dass die Gesprächsführung
in Zweitmeinungsverfahren per se besser gelingt als im
Erstkontakt, steht unserer Einschätzung nach aus.
Kollege Stang danken wir für die Richtigstellung
statistischer Begriffe und der erforderlichen Risikokommunikation und laden zur Mitarbeit bei der Leitlinienaktualisierung ein. Klinisch bleibt aus unserer
Sicht der Umstand der gleiche – minimal-invasiv operierte Frauen haben in der Regel postoperativ weniger
Schmerzen als Frauen nach einem Bauchschnitt.
Kollege Eisele fordert die Thematisierung der Radiofrequenzablation als eine Methode der Myombehandlung mit dem Hinweis auf die Erwähnung der
Akupunktur. In der Leitlinien-Langfassung sind beide
Methoden nur kurz adressiert, da keine belastbaren Studienergebnisse im Vergleich zu etablierten Alternativen
vorlagen. Zur Akupunktur bei Myomen wurde ein systematischer Review von randomisierten kontrollierten
Studien (RCT) eingeschlossen (3). Die Autoren lehnten
letztlich alle RCT wegen hohen Verzerrungsrisikos ab.
Für die Radiofrequenzablation als Methode der organerhaltenden laparoskopischen Myombehandlung liegt
unserer Kenntnis nach nur die angesprochene randomisierte monozentrische Studie (n = 50) vor (4), die als
2-Jahres-Zwischenergebnis eine der Myomenukleation
vergleichbare Sicherheit und Lebensqualität zeigt (5)
(nach Leitlinien-Rechercheschluss publiziert). Das
Langzeitergebnis steht aus. Wir werden die Studienergebnisse bei der Überarbeitung berücksichtigen.
Kollege Wenderlein plädiert für die medikamentöse
Therapie von Blutungsstörungen bei Myomen mittels
Ulipristolazetat (UPA) und weist auf negative Langzeitfolgen von Adnexektomie/Hysterektomie hin. In
der Leitlinien-Langfassung wird UPA als Therapieoption adressiert inklusive der Möglichkeit der Mehrfachgabe (untersucht: bis zu 4 Gaben alle 3 Monate bei Gesamtstudiendauer von 18 Monaten), allerdings mit
Blick auf eine spätere Hysterektomie. Für die Mehrfachgabe lag die Zulassung zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung neu vor, basierend auf einer nichtverblindeten Studie („extension trial“ eines RCT). Die Amenorrhö-Rate stieg bei den teilnehmenden Frauen (keine
Randomisierung) nach der 2. Gabe um 9 % (von 79,5
auf 88,2 %) und war bei den Zyklen 2–4 gleichbleibend. Es kann bei offenem Design von einer Positivselektion ausgegangen werden. Zu beachten sind die für
Progesteronrezeptormodulatoren spezifischen Endometriumveränderungen, die mit einem Auftreten von
25–60 % beschrieben sind (6, 7) und Abklärungsbiopsien nach sich ziehen können – bisher ohne Hinweis auf
ein erhöhtes Karzinomrisiko. Studien mit längerer Beobachtungszeit fehlen. Wir stimmen mit Herrn Wenderlein völlig überein, dass die Adnexektomie im Rahmen
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 41 | 14. Oktober 2016