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Ein weiteres Gefäßproblem nimmt durch Hysterektomien beziehungsweise deren invasive Alternativen in
ähnlicher Höhe zu: ischämischer Insult (4). Davon sind
jährlich insgesamt 250 000 Bürger betroffen. Dazu
sollten Hysterektomien samt invasiven Alternativen
nicht beitragen und: die klinische Leitlinien darauf hinweisen.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0689b
LITERATUR
1. Wenderlein JM: Algorithmus-Aspekte zur Myomtherapie. gyne 2016;
4: 20–7.
2. Neis KJ, Zubke W, Fehr M, Römer T, Tamussino K, Nothacker M:
Clinical practice guideline: Hysterectomy for benign uterine disease.
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 242–9.
3. Rocca WA, Bower JH, Maraganore DM, et al.: Increased risk of
cognitive impairment or dementia in women who underwent
oophorectomy before menopause. Neurology 2007; 69: 1074–83.
4. Fauser F: Hysterektomie und späteres Apoplex-Risiko. Frauenarzt
2016; 3: 256–61.
Prof. Dr. med. J. Matthias Wenderlein
Universität Ulm
[email protected]
Interessenkonflikt
Der Autor erklärt, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Schlusswort
Nach der Publikation haben wir von Patientinnen als
auch von der Ärzteschaft zahlreiche zustimmende Reaktionen erfahren. Wir antworten gerade deshalb gerne
auf kritische Stimmen.
Frau Mühr weist auf die fehlende Patientinnenbeteiligung hin. Für das Thema existieren keine einschlägigen
Patientinnen- oder Selbsthilfeorganisationen und die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen
Fachgesellschaften e.V. (AWMF) schreibt Patientinnenbeteiligung nicht zwingend vor. Die Leitlinie wurde Frau
Mühr und einer Kollegin aus der Patientinnenberatung
zur Kommentierung vorgelegt (in den Leitliniendokumenten hinterlegt). Die kritische Einschätzung im Hinblick auf eine mögliche Übertherapie wird respektiert, allerdings kennen die Leitlinienautoren auch viele Frauen
mit hohem Leidensdruck, die nicht die Haltung teilen
würden, auf das Abklingen der Beschwerden bis nach der
Menopause zu warten. Es ist korrekt, dass die vorhandenen Studien Interventionen vergleichen und keinen
„Nichtstun“-Arm haben, somit Zufriedenheitsaussagen
dazu fehlen. Es wäre interessant, ob eine entsprechende
Studie erfolgreich durchgeführt werden könnte. Nichtsdestotrotz weisen wir auf die ausführlich dargelegten medikamentösen beziehungsweise organerhaltenden Alternativen zur Gebärmutterentfernung hin.
Zur Therapie bei Uterus myomatosus möchten wir
nochmals die verabschiedete Leitlinienempfehlung (1)
zur Kenntnis bringen: „Sind Myome ursächlich für die
Symptomatik verantwortlich, soll die Entscheidung bezüglich des Vorgehens in Abhängigkeit von der Lebenssituation gemeinsam mit der Patientin getroffen werden.“ Es gilt nun, die Leitlinie zu implementieren. Der
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Wunsch nach partizipativer Entscheidungsfindung besteht nicht bei jeder Frau (2). Wir stimmen Frau Mühr
dennoch zu, dass jede Konsultation eine partizipative
Entscheidungsfindung ermöglichen sollte und halten
kommunikative Kompetenzen (ärztliche Tugenden wie
Zuhören, ernst nehmen, Beraten, gemeinsam überlegen) und entsprechende Rahmenbedingungen für erforderlich. Die Evidenz dafür, dass die Gesprächsführung
in Zweitmeinungsverfahren per se besser gelingt als im
Erstkontakt, steht unserer Einschätzung nach aus.
Kollege Stang danken wir für die Richtigstellung
statistischer Begriffe und der erforderlichen Risikokommunikation und laden zur Mitarbeit bei der Leitlinienaktualisierung ein. Klinisch bleibt aus unserer
Sicht der Umstand der gleiche – minimal-invasiv operierte Frauen haben in der Regel postoperativ weniger
Schmerzen als Frauen nach einem Bauchschnitt.
Kollege Eisele fordert die Thematisierung der Radiofrequenzablation als eine Methode der Myombehandlung mit dem Hinweis auf die Erwähnung der
Akupunktur. In der Leitlinien-Langfassung sind beide
Methoden nur kurz adressiert, da keine belastbaren Studienergebnisse im Vergleich zu etablierten Alternativen
vorlagen. Zur Akupunktur bei Myomen wurde ein systematischer Review von randomisierten kontrollierten
Studien (RCT) eingeschlossen (3). Die Autoren lehnten
letztlich alle RCT wegen hohen Verzerrungsrisikos ab.
Für die Radiofrequenzablation als Methode der organerhaltenden laparoskopischen Myombehandlung liegt
unserer Kenntnis nach nur die angesprochene randomisierte monozentrische Studie (n = 50) vor (4), die als
2-Jahres-Zwischenergebnis eine der Myomenukleation
vergleichbare Sicherheit und Lebensqualität zeigt (5)
(nach Leitlinien-Rechercheschluss publiziert). Das
Langzeitergebnis steht aus. Wir werden die Studienergebnisse bei der Überarbeitung berücksichtigen.
Kollege Wenderlein plädiert für die medikamentöse
Therapie von Blutungsstörungen bei Myomen mittels
Ulipristolazetat (UPA) und weist auf negative Langzeitfolgen von Adnexektomie/Hysterektomie hin. In
der Leitlinien-Langfassung wird UPA als Therapieoption adressiert inklusive der Möglichkeit der Mehrfachgabe (untersucht: bis zu 4 Gaben alle 3 Monate bei Gesamtstudiendauer von 18 Monaten), allerdings mit
Blick auf eine spätere Hysterektomie. Für die Mehrfachgabe lag die Zulassung zum Zeitpunkt der Leitlinienerstellung neu vor, basierend auf einer nichtverblindeten Studie („extension trial“ eines RCT). Die Amenorrhö-Rate stieg bei den teilnehmenden Frauen (keine
Randomisierung) nach der 2. Gabe um 9 % (von 79,5
auf 88,2 %) und war bei den Zyklen 2–4 gleichbleibend. Es kann bei offenem Design von einer Positivselektion ausgegangen werden. Zu beachten sind die für
Progesteronrezeptormodulatoren spezifischen Endometriumveränderungen, die mit einem Auftreten von
25–60 % beschrieben sind (6, 7) und Abklärungsbiopsien nach sich ziehen können – bisher ohne Hinweis auf
ein erhöhtes Karzinomrisiko. Studien mit längerer Beobachtungszeit fehlen. Wir stimmen mit Herrn Wenderlein völlig überein, dass die Adnexektomie im Rahmen
Deutsches Ärzteblatt | Jg. 113 | Heft 41 | 14. Oktober 2016
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von Hysterektomien zu vermeiden ist (siehe Empfehlung Nr. 12. auf der Seite 11 auf Seite 84 der Leitlinie)
und halten insgesamt zu allen Therapieoptionen eine
adäquate Aufklärung, Beratung und gemeinsame Entscheidungsfindung für wichtig.
DOI: 10.3238/arztebl.2016.0690
LITERATUR
1. Neis KJ, Zubke W, Fehr M, Römer T, Tamussino K, Nothacker M:
Clinical practice guideline: Hysterectomy for benign uterine disease.
Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 242–9.
2. Chewning B, Bylund CL, Shah B, Arora NK, Gueguen JA, Makoul G:
Patient preferences for shared decisions: a systematic review. Patient Educ Couns 2012; 86: 9–18.
3. Zhang Y, Peng W, Clarke J, Liu Z: Acupuncture for uterine fibroids.
Cochrane Database Syst Rev 2010 (1): CD007221.
4. Hahn M, Brucker S, Kraemer D, et al.: Radiofrequency volumetric
thermal ablation of fibroids and laparoscopic myomectomy: longterm follow-up from a randomized trial. Geburtshilfe Frauenheilkd
2015; 75: 442–9.
5. Krämer B, Hahn M, Taran FA, Kraemer D, Isaacson KB, Brucker SY:
Interim analysis of a randomized controlled trial comparing laparoscopic radiofrequency volumetric thermal ablation of uterine fibroids
with laparoscopic myomectomy. Int J Gynaecol Obstet 2016; 133:
206–11.
6. Donnez J, Tomaszewski J, Vázquez F, et al.: Ulipristal acetate versus
leuprolide acetate for uterine fibroids. N Engl J Med 2012; 366:
421–32.
7. Donnez J, Vázquez F, Tomaszewski J, et al.: Long-term treatment of
uterine fibroids with ulipristal acetate. Fertil Steril 2014; 101: 1565–73.
Für die Autoren:
Prof. Dr. med. Klaus J. Neis
Klinik für Frauenheilkunde, Geburtshilfe und Reproduktionsmedizin
der Universitätskliniken des Saarlandes, Homburg
[email protected]
Interessenkonflikt
Prof. Neis ist wissenschaftlicher Direktor eines Fortbildungszentrums (ETC) für
operativ insbesondere endoskopische Chirurgie, welche von den Firmen Storz
und Erbe unterstützt wird.
KLINISCHER SCHNAPPSCHUSS
Linksseitiger Flankenschmerz bei
einem 73-jährigen Patienten
Ein 73-jähriger Patient stellte sich abends wegen seit
drei Tagen bestehender linksseitiger Flankenschmerzen mit Ausstrahlung in die linke Leiste in der Notaufnahme vor. Eigenanamnestisch lagen ein arterieller
Hypertonus und ein Nikotinabusus vor. Klinisch zeigte
sich bis auf einen Klopfschmerz der linken Flanke ein
unauffälliger Befund. Das Routinelabor und die Urinuntersuchung zeigten Normalbefunde. Die bettseitig
durch einen unerfahrenen Untersucher durchgeführte
Sonographie war bei Adipositas und ausgeprägtem
Meteorismus nicht wegweisend, die Röntgen-Abdomen-Übersichtsaufnahme des stehenden Patienten
ergab keinen Hinweis auf Hohlorganperforation. Der
Patient wurde symptomatisch behandelt, die Schmerzen waren opioidrefraktär. Am Morgen erfolgte eine
Computertomographie des Abdomens, in der ein gedeckt perforiertes infrarenales Bauchaortenaneurysma
(BAA) zur Darstellung kam, welches umgehend opera- Gedeckt perforiertes infrarenales Bauchaortenaneurysma (Pfeilspitze)
tiv versorgt wurde. Rupturierte BAA fallen im Regelfall
durch Rücken- oder Bauchschmerzen und nur selten durch Flanken-/Leistenschmerzen auf. Nierenkoliken sind die häufigste Fehldiagnose bei nichtdiagnostizierten BAA. Bei entsprechendem Risikoprofil muss beim Symptom „Flanken-/Leistenschmerz“ an diese Diagnose gedacht werden, insbesondere bei therapierefraktären Beschwerden.
Dr. med. Peter Korsten, Klinik für Nephrologie und Rheumatologie, Universitätsmedizin Göttingen, [email protected]
Prof. Dr. med. Sabine Blaschke, Interdisziplinäre Notaufnahme, Universitätsmedizin Göttingen, Göttingen
Interessenkonflikt
Die Autoren erklären, dass kein Interessenkonflikt besteht.
Zitierweise: Korsten P, Blaschke S: Left flank pain in a 73-year-old man. Dtsch Arztebl Int 2016; 113: 691. DOI: 10.3238/arztebl.2016.0691
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The English version of this article is available online:
www.aerzteblatt-international.de
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