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Berlin, 13.02.2015
SWR Interview der Woche / SWR2 vom 14.02.2015
Frank Bsirske, Vorsitzender der Dienstleistungsgewerkschaft Verdi, im SWR:
„Bei der Post droht ein großer Tarifkonflikt. Konzern drängt aus Profitgier Paketzusteller in
Regionalgesellschaften mit schlechterer Bezahlung. Pilotenvereinigung Cockpit bringt die
Lufthansa in eine Gefährdungssituation. Piloten verteidigen mit den Streiks eine luxuriöse
Alterssicherungsregelung.“
Im Streit um das Paketgeschäft der Post warnt Verdi-Chef Bsirske vor einem Großkonflikt und schließt Streiks ab
April nicht aus. Verdi hatte die tarifvertraglichen Regelungen zur Arbeitszeit zum 31. März gekündigt. Im SWR
Interview der Woche wirft Bsirske der Post einen einseitigen Vertragsbruch vor. Die geplante Gründung von
Regionalgesellschaften für die Paketzusteller widerspreche den geltenden Tarifregelungen: „Jetzt tut die Post so,
als würde sie zehntausend zusätzliche Arbeitsplätze schaffen. Das war der Bluff, mit dem sie in der Öffentlichkeit
angetreten ist. Tatsächlich aber verschiebt sie nur die Beschäftigten in andere Gesellschaften mit bis zu 20
Prozent weniger Entgelt und Gehalt.“ Die betroffenen Mitarbeiter würden von der Post erpresst: „Die stellen die
Beschäftigten vor die Wahl. nicht länger beschäftigt zu werden bei auslaufender Befristung. Und das bringt die
Menschen natürlich schon in eine Zwangslage hinein.“
„Post bekommt den Hals nicht voll“
Bsirske sieht hinter den Plänen der Post Profitgier. Der Konzern verdiene schon heute sehr gut und wolle das
Ergebnis bis 2020 noch einmal deutlich steigern auf mehr als fünf Milliarden Euro: „So setzt man sich natürlich
selbst unter Zugzwang; und das soll auf dem Rücken der Beschäftigten ausgetragen werden. Dieser Konzern ist
überhaupt in keiner Situation, die auch nur annähernd Notfallregelungen erforderlich machen würde. Die kriegen
den Hals nicht voll und werden jetzt zu Gefangenen und Getriebenen ihrer eigenen Kommunikation. Deswegen
droht hier ein richtiger Großkonflikt in einem Bereich, der gewerkschaftlich sehr sehr gut organisiert ist, und einer
Konzernspitze, die sich hier zu verrechnen droht.“
Der Südwestrundfunk ist Mitglied der Arbeitsgemeinschaft der öffentlich-rechtlichen
SWR2 Interview der Woche
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Pilotenvereinigung Cockpit bringt Lufthansa in „Gefährdungssituation“
Scharfe Kritik übt Bsirske an der Pilotenvereinigung Cockpit und der Lokführergewerkschaft GdL. Der
Pilotengewerkschaft wirft der Verdi-Chef vor, im Tarifstreit mit der Lufthansa „das Unternehmen insgesamt in eine
ganz schwierige Situation, eine Gefährdungssituation zu bringen“. Das sei nicht im Interesse der anderen
Beschäftigtengruppen. Mit Blick auf die Forderungen der Piloten sagte Bsirske: „Die verteidigen im Grunde da
eine richtig luxuriöse Alterssicherungsregelung in einer Situation wo der Konzern wirklich schwierig eingeklemmt
ist zwischen Billigfliegern wie Ryanair und Easyjet auf der einen und den Golffliegern wie Emirates auf der
anderen Seite.“ Kritisch sieht der Verdi-Vorsitzende auch das Vorgehen der GdL. Er glaube, dass die
Lokführergewerkschaft in den Verhandlungen mit der Bahn „vor allen Dingen eigene Organisationsinteressen
verfolgt und die auch über die Interessen der Beschäftigten stellt“. Bsirske bekräftigte seine Absage an das von
der Bundesregierung vorgelegte Gesetz zur Tarifeinheit: Die Auseinandersetzung über die Zuständigkeiten für
einzelne Beschäftigtengruppen „muss im Betrieb, muss zwischen den Gewerkschaften geführt werden und
bedarf nicht einer in die Grundrechte eingreifenden Intervention des Gesetzgebers.“
Länder haben Spielraum für eine bessere Bezahlung im öffentlichen Dienst
Bsirske verteidigte die Gewerkschaftsforderungen für den Öffentlichen Dienst der Länder von 5,5 Prozent,
mindestens aber 175 Euro im Monat mehr als angemessen: „Uns geht es darum, den Anschluss an die
Entwicklungen in der Privatwirtschaft nicht zu verlieren. Hier ist der Abstand immer noch deutlich spürbar. Und
Anschluss zu halten auch an die Tarifentgelte bei Bund und Kommunen.“ Eine gute Bezahlung etwa von
Berufsfeuerwehrleuten, Polizisten oder Lehrkräften sichere einen leistungsfähigen öffentlichen Dienst: „Wenn
man dann noch sieht, dass in den nächsten zehn Jahren 20-25 Prozent der Beschäftigten altersbedingt
ausscheiden in einer Situation, wo die Konkurrenz um qualifizierten Berufsnachwuchs und Fachkräfte spürbar
bereits zugenommen hat und weiter zunehmen wird, dann wird schon verständlich, warum alle Beteiligten ein
Interesse daran haben sollten, hier einen handlungsfähigen attraktiven öffentlichen Dienst im Interesse der
Bürgerinnen und Bürger zu erhalten.“ Die Kritik der Länder, die Forderungen seien unbezahlbar und gefährdeten
die Einhaltung der Schuldenbremse, weist der Verdi-Chef zurück: „Die Länder haben einen durchaus
beachtenswerten Anstieg der Steuereinnahmen. Sie rechnen für die nächsten Jahre mit drei, dreieinhalb, vier
Prozent Anstieg der Steuerreinnahmen. Da ist durchaus Luft, auch auf der Personalseite etwas zu tun.“ Bsirske
erwartet dennoch schwierige Verhandlungen in der Tarifrunde, die am Montag beginnt: „Im Zeichen von
Länderfinanzausgleich und Schuldenbremse sind da die Nerven schon angespannt auf Seiten der Arbeitgeber.“
„Trete im September noch einmal für volle vier Jahre an“
Der 63-jährige Bsirske kündigte an, sich auf dem Verdi-Bundeskongress im September für eine weitere Amtszeit
zur Wahl zu stellen: „Ich habe noch eine Menge vor und fühle mich fit und werde mich dem Votum meiner
Kolleginnen und Kollegen auf dem Bundeskongress stellen. Und wenn die sagen: ‚OK, Frank, mach nochmal
weiter!‘, dann mache ich weiter natürlich für die vollen vier Jahre und werde dann diese Zeit auch nutzen, um den
Staffelstab geordnet und planvoll zu übergeben.“
Das Interview führte Mathias Zahn
Den Wortlaut finden Sie samstags ab 18:30 Uhr im Internet http://www.swr2.de/interview-der-woche
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