tom pingel tom pingel Prof. Rainer Kirchdörfer (links) ist Rechtsanwalt und Mitglied des Vorstands der Stiftung Familienunternehmen. Dr. Bertram Layer ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater. Beide sind Partner der Sozietät Hennerkes, Kirchdörfer & Lorz in Stuttgart. Für den HAUPTSTADTBRIEF stellen sie ein Konzept der Stiftung Familienunternehmen zur Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes vor. Die Kritik aus Karlsruhe lässt sich in ein Reformkonzept verwandeln Überlegungen zur Neuregelung des Erbschaft- und Schenkungsteuergesetzes aus der Sicht großer Familienunternehmen | Von Rainer Kirchdörfer und Bertram Layer Handlungsrahmen des Gesetzgebers. Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem letzten Urteil zur Erbschaftsteuer die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber die Anpassung des Gesetzes bis 30. Juni 2016 auferlegt. die vom Bundesverfassungsgericht als verfassungswidrig beanstandet wurden: Die Verschonung von großen Unternehmen ohne eine individuelle Bedürfnisprüfung. Die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten von der Lohnsummenregelung. Die Regelung über das VerwaltungsvermöIm Kern hat das Bundesverfassungsgericht die gen (nicht „produktives“ Vermögen, wie z. B. Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen Wertpapiere und fremdvermietete Immobilien), einschließlich einer vollständigen Freistellung von die dazu führt, dass das Verwaltungsverder Erbschaftsteuer akzeptiert. Das Gericht hält die mögen bei einer Quote §§ 13a und 13b ErbStG für Im Kern hat das von bis zu 50 Prozent geeignet und im Grundsatz in vollem Umfang von auch erforderlich, um die Bundesverfassungsgericht den steuerlichen Privimit ihnen verfolgten Ziele die Verschonungsregelungen legierungen partizipiert zu erreichen. Der Gesetzgeund bei einer darüber ber dürfte davon ausgehen, für Betriebsvermögen hinausgehenden Quote dass eine Belastung der akzeptiert. dazu führt, dass auch Unternehmensnachfolge das produktive Vermögen von der Vergünstimit Erbschaft- und Schenkungsteuer die Betriebe gung in vollem Umfang ausgenommen wird. in Liquiditätsschwierigkeiten bringen kann und Die Gestaltungs- und Missbrauchs damit letztendlich auch Arbeitsplätze gefährdet. anfälligkeit des derzeitigen Rechts Auch ein Verschonungsabschlag von 100 Prozent (z. B. beim Verwaltungsvermögen und wird vom Gericht im Hinblick auf die Zielsetzung des in Betriebsaufspaltungsstrukturen). Gesetzgebers, kleine und mittelständische, durch personale Führungsverantwortung geprägte UnterNachfolgend werden die Eckpunkte eines nehmen – insbesondere Familienunternehmen – zu Reformmodells der Stiftung Familienunterfördern und zu erhalten, im Grundsatz anerkannt. nehmen vorgestellt, das die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Änderung des Kritikpunkte des Gerichtes. Stichwortartig Besteuerungskonzepts beim Verwaltungsversind es im Wesentlichen folgende Punkte, • • • • 62 DER HAUPTSTADTBRIEF picture alliance/dpa/Uwe Anspach Karlsruhe, 17. Dezember 2014: Der erste Senat des Bundesverfassungsgerichts verkündet sein Urteil über die Erbschaftsteuer. Die Verschonungsregelungen für Betriebsvermögen sind verfassungswidrig, der Gesetzgeber muss bis 30. Juni 2016 Abhilfe schaffen. mögen mit der Bedürfnisprüfung kombiniert und dem von der Bundesregierung formulierten Anspruch eines minimalinvasiven Eingriffs in bestehende Regelungen entspricht. Eckpunkte eines Reformmodells. Um die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Bedürfnisprüfung administrierbar und auch für die Steuerpflichtigen kalkulierbar auszugestalten, baut unser Regulierungsvorschlag zur Bedürfnisprüfung weitestgehend auf die bisher im Erbschaftsteuerrecht verankerte Systematik auf. Neben der vom Bundesverfassungsgericht eingeforderten Veränderung der Besteuerung des Verwaltungsvermögens dient in unserem Reformmodell das Verwaltungsvermögen zugleich als Indikator für die Bedürftigkeit eines Unternehmens und damit für den Umfang von Verschonungsabschlägen auf das produktive Vermögen: Die Definition von Verwaltungsvermögen. Entscheidend ist zunächst die Frage, was unter Verwaltungsvermögen zu verstehen ist. Hier kann an den bestehenden gesetzlichen Regelungen angeknüpft werden. Allerdings sollte der bisherige Ansatz des Verwaltungsvermögens mit dem Bruttowert (vor Abzug von Verbindlichkeiten) durch eine Nettobetrachtung (wie bisher schon isoliert bei den „Cash-Positionen“ geregelt) ersetzt werden. In unserem Modell würden damit bei der Ermittlung des Verwaltungsvermögens alle Verbindlichkeiten/Rückstellungen eines Unternehmens bzw. einer Unternehmensgruppe zum Abzug gebracht. Um die Ermittlung des Verwaltungsvermögens in einer Unternehmensgruppe weniger gestaltungsanfällig zu halten und diese auch zu vereinfachen, sollte eine konsolidierte Betrachtung, beispielsweise auf Basis des Konzernabschlusses, zugelassen werden. Auf diese Weise kann die gesonderte Ermittlung des Verwaltungsvermögens bei jeder einzelnen Gesellschaft einer Unternehmensgruppe vermieden werden. Um dem Umstand Rechnung zu tragen, dass jedes Unternehmen in seinem produktiven Geschäftsbetrieb liquide Mittel benötigt, solche also in gewissem Umfang gerade nicht unproduktives Verwaltungsvermögen sind, sollte ein Teil des Nettoverwaltungsvermögens dem produktiven Vermögen zugerechnet werden. Wir schlagen hier einen Betrag von 20 Prozent des Unternehmenswertes vor. Die Steuerpflicht des Nettoverwaltungsvermögens. Das so ermittelte steuerpflichtige Nettoverwaltungsvermögen tritt an die Stelle der bisherigen „Alles- oder Nichts-Betrachtung“. Die bisher starren Obergrenzen (maximal 50 Pro- DER HAUPTSTADTBRIEF 63 zent zulässiges Verwaltungsvermögen bei der Regelverschonung bzw. 10 Prozent bei der Optionsverschonung) entfallen und das Nettoverwaltungsvermögen wird zukünftig mit dem Regelsteuersatz der Erbschaftsteuer unterworfen. Der (anteilige) Unternehmenswert nach Abzug des steuerpflichtigen Verwaltungsvermögens würde sodann unter nachfolgend genannten Bedingungen weiterhin ganz oder teilweise einer erbschaftsteuerlichen Verschonung unterliegen. gen von der Belastung mit Erbschaftsteuer (wie bisher) weitestgehend (Regelverschonung) oder vollständig (Optionsverschonung) befreit werden, wenn dafür ein begründeter Bedarf gegeben ist. Denn ein Entzug des produktiven Vermögens durch Belastung mit Erbschaftsteuer würde nicht ohne Auswirkung auf Arbeitsplätze und die Investitionskraft von Unternehmen bleiben. Der Verschonungsbedarf im Einzelnen. Wird als Lenkungsziel in die Gesetzesbegründung zusätzDie Eckpunkte der Bedürfnisprüfung. Das Bunlich aufgenommen, dass auch große Familiendesverfassungsgericht fordert im Falle einer Verunternehmen zur Sicherung einer bestimmten schonung großer Familienunternehmen von der „Unternehmenslandschaft in Deutschland“ erbErbschaftsteuer eine individuelle Bedürfnisprüschaftsteuerlich entlastet werden sollen, wenn Profung. Die erste Schwelle dieser Bedürfnisprüfung duktivvermögen durch die Erbschaftsteuer angewird in unserem Modell an der im Urteil erwähngriffen wird, so lässt sich der Verschonungsbedarf ten Höchstgrenze festgemacht. In einem in der konkret daran erkennen, dass die Erbschaftsteuer Urteilsbegründung nicht aus dem Dieses Reformmodell erwähnten älteren verwertbaren Teil ermöglicht es dem Gesetzgeber, Gesetzentwurf war des Verwaltungseine Obergrenze vermögens bezahlt auch für große Familienunternehmen von EUR 100 Mio. werden kann. kalkulierbare Rahmenbedingungen (bezogen auf den einzelnen Erwerb) für eine Bedürfnisprüfung Die Erbschaftsteuer vorgesehen, bis zu fällt auf der Ebene zu schaffen. dem die damalige des Unternehmers Steuerverschonung uneingeschränkt möglich und nicht des Unternehmens an. Verwaltungsgewesen wäre. Nur durch die Anknüpfung an den vermögen, das im Betrieb gebunden ist, müsste Wert des übertragenen Vermögens und nicht an daher zunächst für den Gesellschafter verwertbar den Unternehmenswert als solchen wird auch gemacht werden, um es in zur Bezahlung von Erbder direkte Zusammenhang zum individuellen schaftsteuer verwendbare Liquidität umzuwanerbschaftsteuerlichen Entlastungsvolumen und deln (z. B. müsste dieses zunächst an den Geselldamit zum Kern der Gleichheitswidrigkeit der schafter ausgeschüttet werden oder die fremdRegelung gewährleistet. Unter Berücksichtivermietete Immobilie müsste sogar erst verkauft gung der Wertentwicklungen seit dem Jahr 2005 werden, um einen damit verbundenen Veräußeerscheint uns eine Indexierung dieses Wertes rungserlös an den Gesellschafter ausschütten zu sinnvoll. Soweit der Wert des übertragenen können). Es wird also nur ein Teil des im UnterUnternehmensanteils unter dieser Höchstgrenze nehmen vorhandenen Verwaltungsvermögens bleibt, wird in unserem Vorschlag – ebenso verwertbar sein, um daraus sowohl die darauf wie bei kleineren und mittleren Unternehmen lastende Erbschaftsteuer als auch die Erbschaft– ein Bedürfnis nach erbschaftsteuerlicher Versteuer für das produktive Vermögen zu bezahlen. schonung von Gesetzes wegen unterstellt. Den verwertbaren Teil des Verwaltungsvermögens könnte man durch einen pauschalen Abschlag Insoweit, als der Wert des übertragenen Unter(für die Verwertung und die damit verbundene nehmensanteils diese Grenze übersteigt, kann erbschaftsteuerliche und auch ertragsteuerlidas im Unternehmen gebundene Produktivvermö- che Belastung) von z. B. 60 Prozent ermitteln. DER HAUPTSTADTBRIEF 65 Keine Bedürftigkeit liegt nach diesem Modell vor, auch nicht durchsetzen kann, sollte diese, soweit soweit durch eine schenkweise oder erbfallbesie auf Verwaltungsvermögen entfällt, verzinslich dingte Übertragung von Unternehmensanteilen gestundet werden. Soweit sie auf produktives die Obergrenze überschritten wird und der GesellVermögen entfällt, sollte eine zinslose Stundung schafter eines großen Familienunternehmens in erfolgen. Dem von der Erbschaftsteuerzahlung der Lage ist, die auf den die Obergrenze übersteibetroffenen Unternehmensnachfolger sollte genden Teil des Produktivvermögens entfallende deshalb die Möglichkeit eingeräumt werden, die Erbschaftsteuer aus dem verwertbaren VerwalTilgung der gestundeten Erbschaftsteuer an die tungsvermögen zu bezahlen. Soweit das Verwalfür ihn verfügbare bzw. bei ihm in den Folgejahren tungsvermögen demgegenüber nicht ausreicht, ankommende Ausschüttung/Entnahme aus dem um die auf das Produktivvermögen entfallende Unternehmen zu knüpfen. Erfolgen keine oder nur Steuerbelastung zu bedienen, wird das die Obergeringe Ausschüttungen/Entnahmen, müsste sich grenze übersteigende Produktivvermögen anteilig der Stundungszeitraum für die Erbschaftsteuer als weiterhin verschonungsbedürftig anerkannt entsprechend verlängern. Damit kann den Interund unterliegt dem bisherigen gesetzlichen Veressen von Minderheitsgesellschaftern Rechnung schonungssystem. Eine Berücksichtigung des getragen werden, die keinen Einfluss auf die Ausmitverschenkten bzw. schüttungs- bzw. Entmitvererbten Privatnahmepolitik haben. Eine sinnvolle Reform vermögens im Rahmen trägt zur Rechtssicherheit der Bedürfnisprüfung Ferner könnte berückbei der Regelung der erscheint schon vor sichtigt werden, dem Hintergrund der dass eine UmwandUnternehmensnachfolge bei. Lenkungsziele des lung von VerwalGesetzes verfehlt. Darüber hinaus sprechen aber tungsvermögen in Produktivvermögen eine auch Praktikabilitätserwägungen und die Grenzen erbschaftsteuerlich begünstigte Reinvestition gesetzestechnischer Regelungsmöglichkeiten hier- darstellt und im Ergebnis die auf das Verwalfür. Eine gesetzliche Regelung müsste bspw. den tungsvermögen und das Produktivvermögen Fall abbilden, dass zunächst nur Betriebsvermögen entfallende Erbschaftsteuer vermindert. verschenkt wird und Jahre später Privatvermögen übertragen wird. Privatvermögen könnte auch Im Ergebnis ermöglicht es dieses Reformmodell Jahre später an andere Beschenkte übertragen dem Gesetzgeber, auch für große Familienunterwerden. Ein Auseinanderfallen der Übertragungsnehmen kalkulierbare Rahmenbedingungen für wege für Betriebs- und Privatvermögen ergibt sich eine Bedürfnisprüfung zu schaffen, die sich an den häufig auch aus erbvertraglichen Verpflichtungen, Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts oriendie dann auch zum Bestandteil der Bedürfnisprütieren. Die Bedürftigkeit wird nicht an eine Ermesfung gemacht werden müssten. Auch der Fall der sensentscheidung der Finanzbehörde geknüpft, Übertragung von Privatvermögen auf eine gemeinsondern an den Umfang des verwertbaren Vernützige Organisation müsste abgebildet werden. waltungsvermögens als eindeutig bestimmbare Diese Beispielsfälle zeigen, dass die Einbeziehung Größe. Dies trägt zur Rechtssicherheit bei der von Privatvermögen im Rahmen der BedürfnisprüRegelung der Unternehmensnachfolge und zur ◆ fung nicht praktikabel ausgestaltet werden kann. Verwaltungsvereinfachung bei. Stundung und Reinvestition. Da bei diesem Reformmodell aufgrund einer veränderten Besteuerung des Verwaltungsvermögens die Erbschaftsteuerbelastung ansteigen kann und insbesondere ein Minderheitsgesellschafter eine Ausschüttung 66 DER HAUPTSTADTBRIEF Die Stiftung Familienunternehmen bietet auf ihrer Website finanz-, steuer- und wirtschaftspolitische Studien zum Herunterladen an: www.familienunternehmen.de
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