Stillstand in der Politik zur Neuregelung des Erbschaftsteuergesetzes – Was kommt nach dem 30. Juni 2016? [19.04.2016] Von: Dr. Jasper von Hoerner Mit seinem Urteil Ende 2014 hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass die derzeit geltenden Begünstigungsregelungen für Betriebsvermögen im Rahmen von Erbund Schenkungsfällen zu unverhältnismäßigen oder ungerechtfertigten steuerlichen Privilegierungen Einzelner führen würden, die nicht im Einklang mit dem Grundgesetz stehen. Um diese Mängel zu beheben und ein verfassungsgemäßes Erbschaftsteuergesetz zu erlassen, hatte das Bundesverfassungsgericht dem Gesetzgeber eine Frist bis zum 30. Juni 2016 eingeräumt. Eigentlich ein auskömmlicher Zeitraum sollte man meinen, weit gefehlt. Der Fristablauf rückt unaufhaltsam näher und die Politik scheint mehr denn je in gegenseitiger Blockade zu verharren. Zugeständnisse oder gar eine Einigung werden von anderen politischen Themen wie der Flüchtlingskrise in den Hintergrund gedrängt und selbst Punkte, über die anscheinend zwischendurch Konsens erzielt wurde, scheinen wieder in der Schwebe. Mit jedem Tag, der im politischen Grabenkrieg vergeht, drängt die Frage in den Vordergrund, wie sich die Gesetzeslage darstellt, wenn die durch das Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist tatsächlich am 30. Juni 2016 verstreicht, ohne dass ein neues Gesetz durch den Bundestag verabschiedet wurde. Vom kompletten Wegfall des bestehenden Erbschaftsteuergesetzes und damit der Erbschaftsteuer selbst bis hin zur uneingeschränkten Weitergeltung des bestehenden Rechts, derzeit werden verschiedenste Szenarien in den Raum gestellt. Auch der isolierte Wegfall der Begünstigungsregelungen für Betriebsvermögen scheint zumindest denkbar. Dagegen spricht allerdings, dass die Verfassungsrichter dem Gesetz insgesamt seine Verfassungskonformität abgesprochen haben. Zudem wurde im Rahmen des Urteils die Begünstigung von Betriebsvermögen ausdrücklich als zulässig und für richtig erachtet, lediglich die derzeitige Umsetzung und deren Maß wurden kritisiert, weshalb ein ersatzloses Entfallen der Begünstigungsregelungen nicht im Einklang mit den Wertungen des Urteils stünde. Gegen die unveränderte Fortgeltung des aktuellen Gesetzes spricht vor allem, dass damit der eindeutig als gesetzeswidrig erkannte Zustand fortgeschrieben würde. Die durch das Bundesverfassungsgericht gesetzte Frist wäre damit bedeutungslos und es läge letzt- 1/2 lich im Ermessen des Gesetzgebers, über den Zeitpunkt der Beseitigung eines verfassungswidrigen Zustandes zu entscheiden: Nicht zuletzt aus diesem Grund besteht in der steuerrechtlichen Literatur weitgehend Einigkeit darüber, dass mit Ablauf der Frist vom 30. Juni 2016 das derzeit geltende Erbschaftsteuergesetz gänzlich entfällt. Ohne geltendes Gesetz kann dann eine Schenkung- und Erbschaftsteuer nicht mehr erhoben werden. Bei Untätigkeit des Gesetzgebers könnten folglich ab diesem Tag Übertragungen vorgenommen werden, ohne dass dies eine Besteuerung mit Schenkung- und Erbschaftsteuer auslösen würde. Soweit die Theorie. Es bleibt auch abzuwarten, ob der Gesetzgeber das Risiko eines Auslaufens der Erbschaftsteuer wirklich in Kauf nimmt oder nicht doch den Versuch unternimmt, zumindest eine kurzfristige Lösung zu verankern. Nicht gänzlich ausgeschlossen scheint auch die Möglichkeit, dass das Bundesverfassungsgericht selbst tätig wird und seine Legitimation zur Schaffung einer Übergangsregelung ausübt. Wahrscheinlich ist jedoch ein anderes Szenario. So ist bei drohendem Fristablauf vielmehr davon auszugehen, dass das Bundesverfassungsgericht eine Fristverlängerung initiiert. Für den Steuerpflichtigen bleibt die Erkenntnis, dass die Rechtslage unsicherer denn je ist. Es zeichnet sich im Augenblick in keinerlei Hinsicht ab, ob die Frist bis zum 30. Juni 2016 durch den Gesetzgeber gehalten wird und wenn ja, wie ein neues Gesetz aussehen könnte. Eines ist jedoch schon aufgrund der bisher diskutierten Reformvorschläge klar: In vielen Fällen wird das neue Erbschaftsteuerrecht zu höheren Belastungen führen, es sind aber auch Fälle denkbar, in denen das neue Erbschaftsteuerrecht von Vorteil sein könnte. Verfolgen Sie den jeweils aktuellen Stand weiter auf unserer PSP-Website unter Erbschaftsteuer-Spezial. Wir informieren Sie über jegliche neue Entwicklungen auf dem Gebiet der Erbschaftsteuer. 2/2
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