Rede Dr. Horst Vinken - Bundessteuerberaterkammer

Sperrfrist: 4. Mai 2015, 9.30h
Es gilt das gesprochene Wort
Rede
anlässlich des
DEUTSCHEN STEUERBERATERKONGRESSES
2015
StB/WP Dipl.-Kfm. Dr. Horst Vinken
Präsident der Bundessteuerberaterkammer
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GLIEDERUNG
Einleitung
3
Erbschaftsteuer
6
Mindestlohn
14
Digitalisierung
- Aktueller Stand
16
- Modernisierung des
Besteuerungsverfahrens
21
Zukunft des Berufs
- Deregulierung
27
- Berufsstand und Nachwuchs
31
- Steuerberatung 2020
33
Fazit
35
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Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liest man in diesen Tagen den Wirtschaftsteil
der Tageszeitungen, wird eines schnell deutlich: Deutschland geht es wirtschaftlich so gut,
wie seit Langem nicht mehr.
Die Arbeitslosenzahlen sinken und haben den
niedrigsten Wert seit 24 Jahren erreicht. Die
Exporte sprudeln und erzielen immer neue
Höchstwerte. Die in den nächsten Tagen erwartete Steuerschätzung der Bundesregierung dürfte abermals höhere Steuereinnahmen benennen, als noch im November 2014
vorhergesagt.
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Im Ergebnis dreht sich damit die „schwarze
Null“ sogar ins Plus. Auch das Konsumklima
steigt kontinuierlich an. Im Februar erreichte
es laut Gesellschaft für Konsumforschung
seinen höchsten Wert seit 13 Jahren.
Alles könnte so schön sein, gäbe es da nicht
ein paar Probleme mit Explosionsgefahr:
Ukraine, Griechenland, der Nahe Osten. Keiner weiß, wie sich diese internationalen Krisenherde entwickeln werden.
Wir können diese Unwägbarkeiten nicht, oder
nur ungenügend beeinflussen und wir wissen
nicht, ob und wie sie eines Tages auch unser
Leben verändern werden. Um für diesen Fall
gewappnet zu sein, müssen Politik und Wirtschaft gemeinsam strategisch vorgehen und
Vorsorge für zukünftige Herausforderungen
treffen.
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Neben außenpolitischen Fragestellungen geht
es dabei auch um innerdeutsche Themen aus
dem Bereich Steuern und Wirtschaft. Dazu
bringen wir uns gern mit unserer Fachkenntnis ein.
Für uns Steuerberater spielt dabei Rechtssicherheit eine bedeutende Rolle. Denn Bürger
und Unternehmen benötigen verlässliche
steuerliche Rahmenbedingungen, um wirtschaftliche Entscheidungen optimal treffen zu
können und sich für die Zukunft zu rüsten.
Der Ruf nach mehr Rechtssicherheit ist bei
der Erbschaftsteuer wohl derzeit am lautesten.
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Erbschaftsteuer
In den Medien ist zu lesen, dass ein „Ausverkauf des German Mittelstands“ zu befürchten
sei, dass Bundesfinanzminister Wolfgang
Schäuble „die Axt raushole und an das Familienunternehmertum ansetze“. Mancherorts
wird vom „Prinzip Fallbeil“ gesprochen.
Wie positioniert sich die Bundessteuerberaterkammer zu dem Thema Erbschaftsteuer?
Wir Steuerberater sind Organ der Steuerrechtspflege. Wir vertreten keine Singularinteressen, sondern sind dem Gemeinwohl verpflichtet. Dabei erleben wir, dass die aktuelle
Situation bei der Erbschaftsteuer für viele unserer Mandanten nicht akzeptabel ist. Denn
rechtssichere Beratung ist derzeit schlicht
nicht möglich. Und das ist für alle Beteiligten
fatal. Denn nur wenn Rechtssicherheit gegeben ist, können Arbeitsplätze in den Unternehmen langfristig erhalten bleiben.
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Doch der Reihe nach. Kurz vor Weihnachten
vergangenen Jahres kam der Stein ins Rollen. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde verkündet. Das Gericht erklärte
die Erbschaftsteuer in Teilen für verfassungswidrig. Die Richter störten sich insbesondere daran, dass die Übertragung von Betriebsvermögen im Vergleich zu sonstigem
Vermögen privilegiert wurde. Der Gesetzgeber ist nun gefordert, das Gesetz bis spätestens Mitte 2016 entsprechend anzupassen.
Welche Überarbeitungen fordert das Bundesverfassungsgericht konkret ein? Dem Gericht
geht es insbesondere um die folgenden vier
Punkte:
- das Verschonungskonzept für große Betriebsvermögen,
- die Ausnahmen von der Lohnsummenregelung für Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern,
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- die Regelungen über das Verwaltungsvermögen,
- sowie die Gestaltungsanfälligkeit des aktuellen Erbschaftsteuergesetzes.
Um diesen Anforderungen zu entsprechen,
sind grundsätzlich zwei Lösungen für ein verfassungskonformes Erbschaftsteuergesetz
denkbar:
- Zum einen: Neufassung des Gesetzes
mit breiterer Besteuerungsbasis und
niedrigeren Steuersätzen.
- Zum anderen: eine „minimal-invasive“
Überarbeitung in Anlehnung an das Urteil
des Bundesverfassungsgerichtes.
Das Bundesfinanzministerium hat sich für die
zweite Möglichkeit entschieden und legte mit
seinem Eckwertepapier Vorschläge zur konkreten Umsetzung vor.
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Wie beurteilt die Bundessteuerberaterkammer
diese Eckwerte?
In Anbetracht der Kürze der Zeit, werde ich
mich im Folgenden vor allem dem Verschonungskonzept und den Ausnahmen von der
Lohnsummenregelung widmen.
Erster Punkt: die Verschonungsregelung. Positiv ist, dass Karlsruhe die Verschonung von
Betriebsvermögen für klein- und mittelständische Unternehmen grundsätzlich anerkennt.
Für kleine und mittlere Unternehmen scheint
sich also gar nicht so viel zu ändern. Große
Unternehmen werden aber von einer Bedürfnisprüfung betroffen sein. Für die Abgrenzung
zwischen großen, klein- und mittelständischen
Unternehmen hat das Bundesfinanzministerium eine erwerbsbezogene Grenze von 20
Mio. € pro Erwerb zur Diskussion gestellt.
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Die aktuelle öffentliche Diskussion suggeriert,
dass die Bedürfnisprüfung bei Großunternehmen automatisch zu einer immensen Besteuerung führt. Meine Damen und Herren:
dem ist aber nicht so. Denn auch große Unternehmen können weiterhin von der Erbschaftsteuer verschont werden.
Doch wer wird verschont und wer nicht? Um
diese Frage zu lösen, hält das Bundesverfassungsgericht die Einführung einer Bedürfnisprüfung für Erwerber von großen Unternehmensvermögen für geboten. Für uns steht
fest: ohne diese Prüfung ist die Neuregelung
nicht verfassungsfest zu machen.
Die im Eckwertepapier vorgesehene Einbeziehung des bereits vorhandenen Privatvermögens lehnen wir jedoch klar ab.
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Es entstünde ein erheblicher Ermittlungs-,
Bewertungs-, und Abgrenzungsaufwand. Und
dieser wäre enorm gestaltungsanfällig.
Anders verhält es sich bei miterworbenem
sonstigen Vermögen. Hier erscheint es auf
Basis des Urteils vom Bundesverfassungsgericht diskussionswürdig, miterworbenes sonstiges Vermögen in die Bedürfnisprüfung einzubeziehen. Denn es wird sowieso im Rahmen einer Erbschaftsteuerveranlagung bewertet und könnte ohne großen Mehraufwand
bei der Bedürfnisprüfung berücksichtigt werden. Damit Gestaltungen verhindert werden,
sollte ein gewisser Zeitraum vor und nach
dem Übergang des betrieblichen Vermögens
im Auge behalten werden. In welcher Höhe
das miterworbene sonstige Vermögen dann
einbezogen wird, ist vom Gesetzgeber nach
sorgfältiger Prüfung zu entscheiden.
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Zweiter Punkt: die Lohnsummenregelung. Zukünftig müssen klein- und mittelständische
Unternehmen ebenfalls den Erhalt von Arbeitsplätzen im Rahmen der Lohnsummenregelung nachweisen, wenn sie von der Erbschaftsteuer verschont werden wollen.
Als Bundessteuerberaterkammer lehnen wir
es ab, dass man, wie im BMF-Eckwertepapier
vorgesehen, bei dieser Frage auf den Unternehmenswert abstellt, denn die Unternehmensbewertung ist höchst streitanfällig. Im
Ergebnis führt sie nur zu erneuter Rechtsunsicherheit und erhöhter Bürokratie. Das kann
niemand wollen.
Wir setzen uns dafür ein, dass die Beschäftigtenzahl als bewährtes Kriterium bestehen
bleibt. Hier muss empirisch ermittelt werden,
welche Arbeitnehmerzahl den Vorgaben des
Bundesverfassungsgerichts gerecht wird.
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Zu bedenken ist dabei, dass weit über 90 %
aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als
20 Beschäftigte aufweisen. Über 89 % aller
Betriebe haben 10 Beschäftigte. Vor diesem
Hintergrund wird klar, dass nur eine Beschäftigtenzahl, die auf jeden Fall deutlich unter 10
liegen sollte, als Kriterium für die Verschonung geeignet ist.
Wir freuen uns, dass Bundesfinanzminister
Wolfgang Schäuble heute die Zeit findet, unser Ehrengast zu sein. Schon Ende dieser
Woche berät er sich mit den Finanzministern
der Länder, um das Eckwertepapier zu beraten.
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Besser könnten wir unseren Appell an den
Gesetzgeber nicht terminieren. Und dieser
lautet klar und deutlich: Unsere Mandanten
und wir benötigen dringend ein verfassungskonformes und handhabbares Erbschaftsteuergesetz, das auf rückwirkende Änderungen
verzichtet und endlich Rechtssicherheit gibt.
Und das besser gestern als heute, meine
Damen und Herren.
Mindestlohn
Auch beim Mindestlohn ist es um die Rechtssicherheit nicht gut bestellt. Für die einen ist
er ein Jobvernichter, für die anderen eine
überfällige Korrektur von Ungleichheit.
Um eines klarzustellen: Wir beanstanden
nicht die Einführung und Höhe des Mindestlohns. Aber wir müssen darauf hinweisen,
dass wichtige Punkte, die Auswirkung auf die
Lohn- und Gehaltsabrechnung haben, noch
nicht geregelt sind.
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Und davon sind wir Steuerberater unmittelbar
betroffen. Denn wir fertigen jährlich mehr als
11 Mio. Lohn- und Gehaltsabrechnungen an
– das sind über 25 % der Lohnabrechnungen
aller 42 Mio. Beschäftigten in Deutschland.
Doch seit Einführung des Mindestlohns häufen sich eine Reihe von Abgrenzungsfragen.
Sind Vergütungsbestandteile wie Kost und
Logis, Jobtickets, Warengutscheine in den
Mindestlohn einzurechnen? Wie sind ehrenamtliche Tätigkeiten in Vereinen, Tätigkeiten
von Amateursportlern und von Familienangehörigen zu beurteilen? Darüber hinaus zeigt
die Praxis, dass die Grenze für die Dokumentationspflicht von 2.958 € weit über das Ziel
hinausschießt.
Im Ergebnis bleibt festzuhalten: Landauf
landab sorgt der Mindestlohn für Unsicherheit
und einen überbordenden Bürokratieaufwand
bei den betroffenen Unternehmen. Das kann
niemand wollen.
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Wir appellieren daher an den Gesetzgeber,
verlässliche Grundlagen für die Lohnsteuer
und Sozialversicherung zu schaffen. Auftretende Abgrenzungsfragen sind dringend zu
klären und die Grenze von 2.958 € abzusenken.
Digitalisierung – Aktueller Stand
Kommen wir nun zu einem wichtigen Thema,
das uns in allen Lebensbereichen begegnet
und auch unsere Berufsausübung unmittelbar
betrifft. Die Digitalisierung. Schon jetzt führt in
unserem Beruf kein Weg mehr an ihr vorbei.
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Weil wir diese Entwicklung begrüßen, haben
wir in den letzten Jahren viele Projekte aktiv
begleitet und unterstützt. Angefangen hat der
Prozess mit ELSTER, der elektronischen
Übermittlung von Einkommensteuererklärungen. Deren Zahl ist von 0,5 Mio. im Jahr 2002
auf 16 Mio. im Jahr 2014 gestiegen. Erwähnenswert ist auch, dass im Jahr 2014 circa 36
Mio. Umsatzsteuer-Voranmeldungen sowie
17 Mio. Lohnsteuer-Anmeldungen elektronisch abgegeben wurden.
Das liest sich wie eine erstklassige Erfolgsbilanz – allerdings profitiert derzeit vor allem die
Finanzverwaltung davon. Wir Steuerberater
und unsere Mandanten haben viel Aufwand,
gehen ansonsten aber leer aus. Das kann
nicht so bleiben.
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Ähnlich verhält es sich bei der E-Bilanz, auch
hier wurde die Digitalisierung bereits vollzogen. Im Startjahr 2014 wurden bereits über
1 Mio. Bilanzen elektronisch übermittelt.
An einigen Stellen knirscht es noch im Getriebe. Die flächendeckende Übermittlung wird
voraussichtlich erst 2017 reibungslos funktionieren. Zuvor wird es im nächsten Jahr noch
einmal schwierig werden.
Erstmals sind dann auch die Kapitalkontenentwicklung für Personengesellschaften sowie
Sonder- und Ergänzungsbilanzen elektronisch
zu übermitteln. Auch diese Neuerung ist für
die betroffenen Unternehmen mit erheblichen
Kosten verbunden. Bisher werden oft Sonderund Ergänzungsbilanzen nicht gebucht.
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Für die Praxis wäre es hilfreich, wenn die bisherige Übergangsregelung noch einmal verlängert würde. Da die Auswertung der zusätzlichen Anforderungen derzeit nicht möglich ist,
bitten wir die Finanzverwaltung, die Verschiebung der Anwendung zu prüfen.
Es gibt noch viele weitere Beispiele, für die
gestiegenen Anforderungen an die Steuerpflichtigen, kurz erwähnt seien nur die Stichworte ELStAM und KiStAM, die Ihnen allen
bekannt sind. Gerade bei KiStAM lief zu Beginn einiges schief. Den Unternehmen und ihren Beratern wurde viel Mehraufwand zugemutet. Das war unerfreulich.
Deutlich schlimmer wog allerdings, dass vieles nicht umsetzbar war. Zum Teil ist das leider so geblieben. Der Gesellschafter einer
Kapitalgesellschaft muss sich nach wie vor
selbst registrieren und zulassen. Dabei kann
ihn kein Steuerberater unterstützen.
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Erst nachdem man uns Steuerberater hinzugezogen hat, konnten wenigstens einige Regelungen praxisorientierter ausgerichtet werden. So ist bei der Einmann-GmbH keine Registrierung mehr notwendig.
Meine Damen und Herren: Wie gesehen, sind
Unternehmen und Steuerberater bei der Umsetzung von ELSTER und der Umstellung auf
die E-Bilanz in erhebliche Vorleistung getreten. Nun wollen aber auch wir etwas von den
versprochenen Entlastungen merken.
Die Rückübermittlung der vom Finanzamt
überprüften Jahresabschlüsse sowie der Bescheiddaten muss endlich eine Abweichungsanalyse ermöglichen. Damit wäre schon einiges für unsere Mandanten und uns getan.
Nun komme ich zu einem Bereich der Digitalisierung, der die Arbeitsabläufe unserer Kanzleien direkt tangiert und hier teilweise inakzeptable Eingriffe vorsieht.
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Modernisierung des Besteuerungsverfahrens
Seit November 2014 liegt ein Diskussionsentwurf zur „Modernisierung des Besteuerungsverfahrens“ auch „Verfahrensrechtsmodernisierungsgesetz“ genannt, vor.
Worum geht es hier? Die Finanzverwaltung
möchte die Arbeitsabläufe im steuerlichen
Massenverfahren optimieren und modernisieren. Die Gleichmäßigkeit und Gesetzmäßigkeit der Besteuerung soll dabei erhalten bleiben.
Im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens soll
auch die Fristenfrage neu geregelt werden.
Die Bundessteuerberaterkammer begrüßt die
gesetzliche Fixierung des 28. Februar des
Zweitfolgejahres als Abgabetermin für beratene Steuerpflichtige.
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Fristverlängerungsanträge in diesem Zeitraum
erübrigen sich und eine Auslastung der Kanzleien ist besser planbar. Dies entspricht einer
langjährigen Forderung des Berufsstandes.
Jetzt kommen wir zu der schlechten Nachricht. Die Finanzverwaltung plant, die Neuregelung der gesetzlichen Frist u. a. mit der Einführung von automatischen „Vorabanforderungen“ zu verknüpfen.
Wir haben Verständnis dafür, dass die Finanzverwaltung einen kontinuierlich über das
Jahr verteilten Steuererklärungseingang sicherstellen will und muss. Die Frage ist aber,
welches das geeignete Instrument hierfür ist.
Die Finanzverwaltung will das über Vorabanforderungen steuern. Aber nicht wie bisher
nur über konkrete Kriterien für Vorabanforderungen, sondern über eine automationsgestützte Zufallsauswahl.
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Sämtliche Vorabanforderungen müssen nach
diesen Vorstellungen innerhalb von drei Monaten bearbeitet werden. Grundsätzlich soll
es bei den Vorabanforderungen auch keine
„Escape-Klauseln“ geben. Verstreicht diese
Frist sollen automatisierte Verspätungszuschläge festgesetzt werden.
Meine Damen und Herren: Die Bundessteuerberaterkammer lehnt eine automationsgestützte Zufallsauswahl für Vorabanforderungen, ohne „Escape-Klausel“ und mit Verspätungsregelungen, ausdrücklich ab.
Diese Zufallsauswahl ermöglicht der Finanzverwaltung einen regelmäßigen und nicht weiter zu begründenden Zugriff bei allen zufällig
ermittelten Steuernummern. Das stört das
Mandatsverhältnis zwischen Steuerberater
und Mandant und stellt außerdem einen Eingriff in unsere freiberufliche Tätigkeit dar.
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Sie macht eine Arbeitsplanung in den Kanzleien unmöglich. Und das, meine Damen und
Herren, ist mit uns nicht zu machen.
Es kommt hinzu, dass sämtliche vorab anzufertigenden Steuererklärungen zukünftig innerhalb von drei Monaten abgegeben werden
müssen. Dazu sagt die Bundessteuerberaterkammer klar: Das ist dem Berufsstand nicht
zuzumuten. Wir fordern eine Verlängerung
der Bearbeitungszeit bei Vorabanforderungen
auf sechs Monate.
Wir registrieren positiv, dass die Finanzverwaltung in den einzelnen Bundesländern die
Frage des kontinuierlichen Steuererklärungseingangs auf unterschiedlichen Wegen lösen
möchte und die Diskussion noch in vollem
Gange ist. Im Interesse des Berufsstandes
und der Finanzverwaltung engagiert sich die
Bundessteuer dabei nachhaltig, um ein praxistaugliches Gesetz zu erarbeiten.
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Neben der Fristenfrage enthält der Diskussionsentwurf auch Regelungen zum vollautomatischen Steuerbescheid.
Zukünftig soll es zwei verschiedene Arten von
Steuerbescheiden geben. Den „ausschließlich
automationsgestützt erlassenen Steuerbescheid“ und den „normalen“. Damit werden in
der Abgabenordnung letztlich zwei Veranlagungsverfahren geschaffen, ein vollmaschinelles und ein personelles (maschinell unterstütztes).
Die folgenden Überlegungen sprechen gegen
das Vorhaben des vollautomatischen Steuerbescheides:
- Die Hinweispflicht der Finanzverwaltung
soll hier nicht gelten. Abweichungen von
der Erklärung sind nicht zu begründen
und damit für den Steuerpflichtigen nicht
nachvollziehbar.
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- Vollmaschinelle Bescheide können zugunsten und zuungunsten des Steuerpflichtigen innerhalb eines Jahres geändert werden, wie beim Vorbehalt der
Nachprüfung.
- Langfristig könnte das personelle Verfahren vollständig verdrängt werden.
Wir sind überzeugt: Im Ergebnis wird dieses
Verfahren zu mehr Prüfungsaufwand bei den
Steuerpflichtigen und den Steuerberatern führen.
Sollen tatsächlich zwei verschiedene Verfahrenswege mit unterschiedlichen Rechtsfolgen
geschaffen werden? Wir erkennen dafür keine
Notwendigkeit. Daher sind wir erfreut, dass
inzwischen auch innerhalb der Finanzverwaltung über diesen Punkt neu nachgedacht
wird.
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Zusammengefasst fordern wir bei der Digitalisierung:
- Gesetzliche Regelungen erst dann festschreiben, wenn deren technische Umsetzung ausgereift ist. Alles andere stößt
in der Praxis auf Ablehnung und vermindert die Akzeptanz neuer Prozesse.
- Lasten und Nutzen neuer Prozesse müssen gleich verteilt sein. Aktuell profitiert
vor allem die Verwaltung. Es ist Zeit,
dass nun die Steuerpflichtigen und ihre
Berater an der Reihe sind.
Zukunft des Berufs – Deregulierung
Die geschilderten Vorhaben der Digitalisierungswelle erfordern von unserem Berufsstand qualitativ hochwertige Beratung und ein
hohes Maß an Unabhängigkeit. Beides garantieren die Regelungen unseres Berufsstandes.
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Diese will die EU-Kommission – wie bei allen
Freien Berufen – seit vielen Jahren abbauen.
Sie unterstellt, eine Deregulierung führe zu
mehr Wirtschaftswachstum und sorge damit
für zusätzliche Arbeitsplätze.
Dabei blendet die Kommission allerdings aus,
dass die derzeit knapp 1,3 Mio. Selbstständigen in den Freien Berufen fast 3 Millionen sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze und
122.000 Ausbildungsplätze schaffen. Sie tragen damit nachhaltig dazu bei, Wachstumspotenziale für Beschäftigung und Wohlstand
zu erschließen.
Und diese Wirtschaftskraft hat Bestand. Die
aktuelle Konjunkturumfrage des Bundesverbandes der Freien Berufe ergibt, dass rund
86,3 % der insgesamt 1.000 befragten Freiberufler ihre wirtschaftliche Lage als „gut“ oder
„befriedigend“ beurteilen.
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Die Gruppe der Steuerberater, Rechtsanwälte
und Wirtschaftsprüfer stufte ihre Zukunftsaussichten mit 91,2 % als positiv ein.
Meine Damen und Herren, wer seine wirtschaftliche Situation positiv beurteilt und
optimistisch in die Zukunft schaut, der trägt
auch aktiv zur Wertschöpfung in diesem Lande bei und muss nicht dereguliert werden.
Statt dies aber anzuerkennen, zielt die EUKommission derzeit vor allem auf den Abbau
von Beschränkungen der Kapitalbeteiligung –
der sog. Kapitalbindung – und die Überarbeitung unserer Vergütungsverordnung ab.
Die Abschaffung oder Lockerung der Kapitalbindung kommt für uns überhaupt nicht in
Frage. Die Kapitalbindung ist für eine freiberufliche Berufsausübung unverzichtbar. Nur
sie sichert die Unabhängigkeit des Steuerberaters und schützt damit den Verbraucher.
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Lassen Sie mich das kurz begründen. Einem
berufsfremden Investor wird es vorrangig um
eine gute Rendite gehen. Bei Zulassung gewerblicher Gesellschafter bestünde daher die
Gefahr, dass diese Einfluss auf die Geschäftstätigkeit der Steuerberatungsgesellschaft nehmen, um deren Umsatz und Gewinn zu steigern. Auch könnten gewerbliche
Anteilsinhaber Kenntnisse aus der steuerlichen Beratung für die eigene Geschäftstätigkeit verwenden.
Nehmen Sie das folgende Beispiel: Eigentümerin einer Steuerberatungsgesellschaft wäre
eine Bank. Dann bestünde die Gefahr, dass
diese dem Mandanten einseitig Anlageprodukte dieser Bank empfiehlt. Und zwar auch,
wenn aus steuerlicher Sicht das Produkt eines anderen Anbieters für den Mandanten
möglicherweise günstiger wäre.
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Meine Damen und Herren: Das wäre das Ende der Unabhängigkeit der Steuerberatung
und damit auch des Steuerberaters als Freier
Beruf. Deshalb lautet unsere klare Forderung:
Hände weg von der Kapitalbindung!
Die notwendigen Argumente bringen wir in
unseren vielen politischen Gesprächen überzeugend vor. Auch zur Vergütungsverordnung
befinden wir uns in intensiven Gesprächen.
Berufsstand und Nachwuchs
Allen Deregulierungsvorhaben zum Trotz
steht der steuerberatende Beruf gut da. Die
Zahl der Steuerberater und Steuerberatungsgesellschaften ist in Deutschland im vergangenen Jahr um 1,7 % auf fast 94.000 gestiegen.
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Als Präsident der Bundessteuerberaterkammer macht mich aber noch eine andere Zahl
sehr stolz: Am 31. Dezember 2014 konnten
wir fast 18.500 Ausbildungsverhältnisse zum
Steuerfachangestellten vorweisen. Auch hier
ein Plus von 2,8 % gegenüber dem Vorjahr.
Und das, obwohl sich die bundesweite Ausbildungssituation von Jahr zu Jahr verschlechtert.
Dieses Plus ist Ergebnis der gemeinsamen
Nachwuchsaktivitäten aller Steuerberaterkammern. Darauf können wir, meine sehr
verehrten Kolleginnen und Kollegen, zu Recht
stolz sein.
Der Relaunch unserer Nachwuchsseite mehrals-du-denkst.de, die zahlreichen Materialien
unserer Nachwuchskampagne und vor allem
das regionale Engagement auf den unzähligen Messen, Schulbesuchen und sonstigen
Veranstaltungen zahlen sich also aus.
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Unser Engagement darf – in Anbetracht der
genannten Erfolge – jetzt nicht nachlassen.
Schließlich wollen wir auch zukünftig ein größeres Stück von dem kleiner werdenden Kuchen haben. Dafür sind wir gut gerüstet.
Steuerberatung 2020
Wir haben gehört, mit welchen Herausforderungen es unser Berufsstand zukünftig zu tun
hat. Ob Digitalisierung, die Deregulierungsvorhaben aus Brüssel oder der demographische Wandel: Es wird einiges auf uns zukommen.
Klar ist, dass nur diejenigen Steuerberaterkanzleien auf Dauer bestehen werden, die als
attraktiver Arbeitgeber und Problemlöser
überzeugen können. Wir warnen hier in aller
Deutlichkeit davor, die aktuell positive
Markteinschätzung als Selbstläufer anzusehen!
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Liebe Kolleginnen und Kollegen: um Sie bei
diesem Prozess zu unterstützen, arbeitet die
Bundessteuerberaterkammer fortlaufend an
einer umfassenden Zukunftsstrategie. Unsere
Zielsetzung: Die Steuerberaterkanzleien fit für
die Zukunft zu machen. Wichtige Maßnahmen
sind dabei: unsere Aktivitäten in Brüssel, unser Nachwuchsengagement mit mehr-als-dudenkst und schließlich unsere Aktivitäten rund
um „Steuerberatung 2020“.
Mit dem Projekt „Steuerberatung 2020“ geben
wir Ihnen, liebe Kolleginnen und Kollegen,
wichtige Hinweise zu Veränderungsmöglichkeiten und Handlungsfeldern an die Hand.
Wesentliche Zukunftsthemen sind die strategische Ausrichtung der Kanzleien, die Gewinnung von Personal, modernes Kanzleimanagement, Marketing und Akquise sowie die
zunehmende Digitalisierung von Geschäftsprozessen.
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Die Bundessteuerberaterkammer und die
Steuerberaterkammern unterstützen ihre Mitglieder bei der Identifikation und Gewinnung
weiterer Beratungsfelder, die mit Berufsethos
und -recht vereinbar sind. Dazu gehören u. a.
die betriebswirtschaftliche Beratung, Unternehmens- sowie Vorsorge- und Vermögensberatung.
Fazit
Meine Damen und Herren, ich habe in meiner
Rede die – aus Sicht der BStBK – aktuellen
steuerpolitischen Fragen und Probleme dargestellt. Wir appellieren an den Gesetzgeber
in diesen Bereichen für höhere Rechtssicherheit zu sorgen.
Im Detail fordern wir:
- Ein verfassungskonformes und praktikables Erbschaftsteuerrecht, möglichst vor
dem 30. Juni 2016.
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- Die umgehende Beseitigung der unklaren
Regelungen des Mindestlohngesetzes,
betreffend die Lohn- und Gehaltsabrechnungen.
- Ein bürokratieentlastendes und EDVkompatibles Verfahrensrechtsmodernisierungsgesetz.
Wir appellieren aber auch an unsere Kolleginnen und Kollegen: Wir Steuerberater müssen unsere Zukunft selbst in die Hand nehmen, aktiv gestalten und die notwendigen
Veränderungsprozesse in unseren Kanzleien
umsetzen. Nur dann können wir auch im Jahr
2020 unseren Beruf auf wirtschaftlich gesicherter Basis erfolgreich ausüben.
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