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Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer zu den Eckwerten
des Bundesministeriums der Finanzen zur Erbschaftsteuerreform
A. Forderungen an den Gesetzgeber
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat in seinem Urteil dem Grunde nach die erbschaftsteuerliche Verschonung von unternehmerischem Vermögen sowie wesentliche Inhalte
der Verschonungsregeln bestätigt. Das BVerfG hat dem Gesetzgeber jedoch eindeutig aufgezeigt, an welchen Stellen bei der Übertragung von betrieblichen Vermögen eine Überprivilegierung vorliegt. Folgende Regelungen des aktuellen Erbschaftsteuergesetzes sind nach
Auffassung des Gerichts unverhältnismäßig und somit verfassungswidrig:
·
·
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Regelungen über das Verwaltungsvermögen,
das Verschonungskonzept für große Betriebsvermögen,
die Ausnahmen von der Lohnsummenregelung für Betriebe mit bis zu 20 Arbeitnehmern sowie
die Gestaltungsanfälligkeit des Erbschaftsteuergesetzes.
Steuerberater sind Organ der Steuerrechtspflege. Neben den Interessen unserer gesamten
Mandantschaft sind wir insbesondere dem Gemeinwohl verpflichtet. Wir möchten ausdrücklich dazu beitragen, dass die Diskussion um die Erbschaftsteuer versachlicht wird. Die
Bundessteuerberaterkammer hat daher folgende Forderungen an den Gesetzgeber:
Ø
Es soll im vierten Anlauf endlich ein verfassungskonformes Gesetz geschaffen
werden.
Unsere Mandanten und die Steuerberater benötigen Planungssicherheit. Nur wenn Planungssicherheit gegeben ist, können Arbeitsplätze in den Unternehmen langfristig erhalten bleiben.
Ø
Das reformierte Erbschaftsteuergesetz soll möglichst zügig verabschiedet werden.
Steuerberater und ihre Mandanten benötigen möglichst schnell Rechtssicherheit. Der
Istzustand ist sehr unbefriedigend.
Ø
Das Gesetz soll praktikabel sein.
Das weitere Aufblähen des Gesetzes durch tatbestandliche Erweiterungen, Ausnahmen
und Gegenausnahmen sollte auf ein Minimum reduziert werden. Die Erhöhung der
Komplexität führt zu erhöhtem Aufwand innerhalb der Finanzbehörden und auf Seiten
der Rechtsanwender. Das relativ geringe Erbschaftsteueraufkommen rechtfertigt diesen
Mehraufwand nicht.
Ø
Es sollten keine rückwirkenden Änderungen des Erbschaftsteuergesetzes vorgenommen werden.
Unternehmen und Steuerberater befinden sich in Bezug auf das Erbschaftsteuergesetz
bereits seit Jahren auf sehr „unsicherem Terrain“. Eine weitere Verschlechterung der
Lage durch rückwirkende Änderungen ist unverhältnismäßig.
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B. Stellungnahme zu den Eckwerten des BMF zur Erbschaftsteuer
Es ist positiv, dass das Bundesministerium der Finanzen (BMF) in die Diskussion zur Erbschaftsteuer frühzeitig die Länder und die Bundestagsfraktionen einbezogen hat. Zu diesem
Zweck wurden kürzlich die Eckwerte des BMF vorgestellt. Nach unserer Auffassung eignen
sich die Eckwerte als erste Diskussionsgrundlage. Insbesondere sind sie geeignet, die Verfassungswidrigkeit am bestehenden Erbschaftsteuergesetz zu beseitigen. Zu begrüßen ist
auch, dass sich bei kleinen und mittleren Unternehmen wenig ändert und es grundsätzlich
bei der bisherigen Verschonung bleibt. Allerdings werden große Unternehmen von einer Bedürfnisprüfung betroffen sein. Trotz Bedürfnisprüfung können auch die großen Unternehmen
weiterhin eine Verschonung von der Erbschaftsteuer erhalten, wenn ein Verschonungsbedürfnis festgestellt wird. Bei Kleinunternehmen mit weniger als 20 Arbeitnehmern kann es
nach der Reform zu erhöhten Auflagen für die Verschonung kommen. Diese müssen dann
ebenfalls den Erhalt von Arbeitsplätzen über die Lohnsummenregelung nachweisen. Für
Kleinstunternehmen mit einigen wenigen Arbeitnehmern ändert sich nichts, wenn an der Arbeitnehmerzahl als Kriterium für die Lohnsummenregelung festgehalten wird.
Zu den einzelnen Eckwerten möchten wir uns nachfolgend positionieren.
1. Abgrenzung begünstigtes Vermögen von Verwaltungsvermögen
Wir sind der Auffassung, dass man das begünstigte Betriebsvermögen wie bisher über eine
Negativabgrenzung des bereits bekannten Verwaltungsvermögensbegriffs vornehmen sollte. Die mit dem Verwaltungsvermögen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden
Schulden sollten vom gemeinen Wert des Verwaltungsvermögens abgezogen werden. In
einem weiteren Schritt ist das Nettoverwaltungsvermögen ins Verhältnis zum gemeinen
Wert des Unternehmens zu setzen. Eine auf diesem Wege ermittelte Verwaltungsvermögensquote von beispielsweise 40 % führe dann zu einer Verschonung von 60 %.
Ø
Aktuelle Regelung
Begünstigt sind 85 % bzw. 100 % des betrieblichen Vermögens i. S. v. § 13b Abs.1 ErbStG.
Betriebliches Vermögen wird von der Verschonung ausgenommen, sofern es zu mehr als
50 % (Regelverschonung) oder 10 % (Optionsverschonung) aus Verwaltungsvermögen besteht.
Ø
Kritik des BVerfG
Die Regelung ist unverhältnismäßig, soweit begünstigtes Vermögen mit einem Anteil von bis
zu 50 % Verwaltungsvermögen insgesamt in den Genuss der steuerlichen Privilegierung
gelangt. Darüber hinaus gestattet die aktuelle Regelung Gestaltungen innerhalb mehrstöckiger Gesellschaften durch Verschieben von Verwaltungsvermögen zwischen den einzelnen
Gesellschaften (Kaskadeneffekt).
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Ø
Eckwerte des BMF
Die Eckwerte des BMF sehen vor, dass der Begriff des begünstigten Vermögens neu definiert wird. Die bisherige Definition des Verwaltungsvermögens soll entfallen. Zum begünstigten Vermögen gehören alle Wirtschaftsgüter eines Unternehmens, die im Erwerbszeitpunkt
zu mehr als 50 % einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen oder freiberuflichen Tätigkeit dienen. Nicht begünstigt sind Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb nur bis zu 50 % oder
die losgelöst vom Betrieb der Vermögensverwaltung dienen. Die betrieblichen Schulden
werden konsolidiert und anteilig dem begünstigten und nicht begünstigten Vermögen zugeordnet.
Ø
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer
Derzeit wird das begünstigte Betriebsvermögen in der Form ermittelt, dass zunächst eine
Negativabgrenzung des Verwaltungsvermögens vorgenommen wird. Die Definition und der
Umfang des Verwaltungsvermögens wurden vom BVerfG nicht beanstandet. In der praktischen Arbeit der Steuerberater, Unternehmen und der Finanzverwaltung haben sich die Regelungen zum Verwaltungsvermögen bereits „eingespielt“.
Die Eckwerte des BMF sehen die Einführung eines neuen unbestimmten Rechtsbegriffs „betriebsnotwendiges Vermögen“ vor. Nach unseren Informationen besteht bei diesem Begriff
keine Deckungsgleichheit zum ertragsteuerlichen Betriebsvermögensbegriff. Dem stehen wir
sehr kritisch gegenüber, da das bestehende funktionierende Verwaltungsvermögenskonzept
gegen einen unbestimmten Rechtsbegriff eingetauscht wird. Nach Inkrafttreten dieser Regelung werden viele neue Fragen entstehen, die in der Übergangszeit die Rechtsunsicherheit
deutlich erhöhen. Allein die Frage, ob ein Wirtschaftsgut zu mehr als 50 % einer gewerblichen Tätigkeit dient, bietet großes Streitpotential.
Unklar ist auch, wie in Bezug auf Geldvermögen festgestellt werden soll, ob das im Unternehmen vorhandene Geld den Hauptzweck des Unternehmers dient.
Wir sind der Auffassung, dass man das begünstigte Betriebsvermögen weiterhin über eine
Negativabgrenzung des bereits bekannten Verwaltungsvermögensbegriffs vornehmen sollte.
Das eigentliche Ziel, Verwaltungsvermögen grundsätzlich von der Verschonung auszunehmen und steuerliche Gestaltungen zu unterbinden, kann u. E. mit der Begrenzung der Verschonung auf den jeweils festgestellten Anteil am Verwaltungsvermögen erreicht werden.
Dabei ist das Verwaltungsvermögen konkret zu identifizieren, so wie es derzeit schon zur
Bestimmung der Verwaltungsvermögensquote geboten ist.
Unseres Erachtens wäre es sachgerecht, den Anteil des Verwaltungsvermögens am gemeinen Wert des Betriebes zu ermitteln und nur eine quotale Verschonung zu gewähren. Die
anteilige Verschonung wird je nach Verwaltungsvermögensquote reduziert. Zur Veranschaulichung soll die quotale Verschonung beispielhaft wie folgt aufgezeigt werden:
·
·
Verwaltungsvermögensquote ab 30 % führt zu einer Verschonung von 70 %,
Verwaltungsvermögensquote ab 40 % führt zu einer Verschonung von 60 %.
Die Verwaltungsvermögensquote von unter 10 % stellt eine Geringfügigkeitsgrenze dar, für
die die Vollverschonung zu gewähren ist. Bei mehrstufigen Beteiligungsstrukturen sollte eine
Konzernbetrachtung durchgeführt werden, um den Kaskadeneffekt zu verhindern.
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Eine derartige Regelung hätte folgende Vorteile:
·
·
·
die bestehende Zweiteilung von Regel- und Vollverschonung fällt weg,
die Regelungen über das junge Verwaltungsvermögen sind nicht mehr erforderlich,
Gestaltungen im Zusammenhang mit der Umschichtung von Privatvermögen in Betriebsvermögen wären ebenfalls obsolet.
Die mit dem Verwaltungsvermögen im wirtschaftlichen Zusammenhang stehenden
Schulden sollten vom gemeinen Wert des Verwaltungsvermögens abgezogen werden. Da
Schulden in der Praxis oftmals nicht eindeutig zuzuordnen sind, ist dieses Vorgehen nur mit
übermäßigem Aufwand umzusetzen. Sachgerecht wäre daher eine quotale Aufteilung der
Verbindlichkeiten nach begünstigtem und nicht begünstigtem Betriebsvermögen vorzunehmen. Da auch diese Vorgehensweise aufwendig ist, kann aus Gründen der Verwaltungsvereinfachung auch der Abzug aller Verbindlichkeiten erwogen werden. Entscheidend für die
Berücksichtigung der Verbindlichkeiten ist die Frage: Wie können die Regelungen von den
Steuerpflichtigen und von Seiten der Finanzverwaltung administriert werden?
Die Aufteilung des Unternehmenswertes in begünstigtes Unternehmensvermögen und nicht
begünstigtes Verwaltungsvermögen und die daraus resultierende quotale Verschonung kann
dazu führen, dass große wie kleine Unternehmen, die auch einen gewissen Bestand an
Verwaltungsvermögen haben, mit einer Erhöhung der erbschaftsteuerlichen Belastung zu
rechnen haben. Hier sollte jedem Erwerber, eine unbürokratische Stundung der Steuer ermöglicht werden. Dabei ist zu beachten, dass der derzeitige Zinssatz von 6 % im Vergleich
zu den am Markt erzielbaren Zinsen viel zu hoch bemessen ist.
2. Verschonungskonzept
Die Privilegierung des Übergangs von betrieblichen Vermögen ist nach dem BVerfG unverhältnismäßig, soweit sie über kleine und mittlere Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung
hinausgeht. Es ist Aufgabe der Politik, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung
von Großunternehmen oder großen Betriebsvermögen vorzunehmen. Sind diese Kriterien
erfüllt, so muss eine Bedürfnisprüfung durchgeführt werden.
Generell sind wir gegen die Einbeziehung des bereits vorhandenen Privatvermögens in die
Bedürfnisprüfung. Die Einbeziehung des vorhandenen Privatvermögens verursacht erheblichen Ermittlungs-, Bewertungs- und Verwaltungsaufwand. Zudem würde diese Vorgehensweise vom Gesetzgeber großen Abgrenzungsaufwand abverlangen. Auch wenn vernünftige
Abgrenzungen vorgenommen werden, ist die Gestaltungsanfälligkeit dieser Regelung
enorm.
Nach unserer Auffassung könnte allenfalls das im Wege einer Schenkung oder Erbschaft
zeitgleich miterworbene sonstige Vermögen und – innerhalb gewisser Fristen – auch vorher
oder nachher erworbenes sonstiges Vermögen in die Bedürfnisprüfung miteinbezogen werden.
Ø
Aktuelle Regelung
Unabhängig von der Größe des Unternehmens oder des Wertes des übertragenden Unternehmensanteils kann der Erwerber eine Verschonung von 85 % oder 100 % für das von ihm
erworbene Unternehmensvermögen erhalten.
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Ø
Kritik des BVerfG
Die Privilegierung betrieblichen Vermögens ist unverhältnismäßig, soweit sie über kleine und
mittlere Unternehmen ohne eine Bedürfnisprüfung hinausgreift. Hier erreicht die Ungleichbehandlung schon wegen der Höhe der steuerbefreiten Beträge ein Maß, das ohne die konkrete Feststellung der Verschonungsbedürftigkeit des erworbenen Unternehmens mit einer
gleichheitsgerechten Besteuerung nicht mehr in Einklang zu bringen ist.
Ø
Eckwerte des BMF
Für die Verschonung des begünstigten Vermögens gilt eine erwerbsbezogene Obergrenze
von 20 Mio. € (Freigrenze). Liegt der Erwerb unter der Freigrenze erhält der Erwerber unter
Einhaltung der Haltefristen und Lohnsummenregeln die 85 % oder 100 % Verschonung.
Übersteigt das erworbene begünstigte Vermögen die Freigrenze, wird eine individuelle Bedürfnisprüfung durchgeführt. Hier muss der Erwerber nachweisen, dass er persönlich nicht in
der Lage ist, die Steuerschuld zu begleichen. Miteinzubeziehen ist folgendes Vermögen:
·
·
vorhandenes privates Vermögen,
mit der Erbschaft und Schenkung mitübertragenes Vermögen.
Zumutbar ist, dass der Erwerber 50 % dieses verfügbaren Vermögens einsetzt. Muss der
Erwerber das Vermögen erst noch liquidieren, kommt eine Stundung in Betracht. Decken die
verfügbaren Mittel nur einen Teilbetrag der zu zahlenden Erbschaftsteuer ab, wird der Restbetrag unter Einhaltung der Behaltefrist und Lohnsummenregelung erlassen.
Ø
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer
Das BVerfG hat dem Gesetzgeber in Bezug auf die Definition von großen Unternehmen und
die Konkretisierung der Bedürfnisprüfung hohe Gestaltungsfreiheiten eingeräumt. Entsprechend den Vorgaben des BVerfG hat das BMF eine erwerbsbezogene Obergrenze von
20 Mio. € festgelegt. Es ist davon auszugehen, dass die derzeit anvisierte Grenze einen
Großteil der Unternehmensübertragungen in Deutschland von der Bedürfnisprüfung ausnimmt. Es ist Aufgabe der Politik, präzise und handhabbare Kriterien zur Bestimmung von
Großunternehmen oder großen Betriebsvermögen vorzunehmen.
Sind diese Kriterien erfüllt, so muss eine Bedürfnisprüfung durchgeführt werden. Die Verschonung soll dann nur gewährt werden, wenn der Erwerber nachweist, dass er persönlich
nicht in der Lage ist, die Steuerschuld zu begleichen.
Das BVerfG hat in seinem Urteil angedeutet, dass eine Bedürfnisprüfung auf Ebene des Erwerbers vorstellbar ist. Nach unserer Auffassung ist eine individuelle Bedürfnisprüfung auf
der Ebene des Erwerbers sachgerecht, weil die Steuerfreistellung dem Erwerber tatsächlich
zugute kommt. Zudem werden in der Praxis nur ein äußert geringer Anteil der gesamten
Vermögensübertragungen davon betroffen sein.
Generell sind wir aber gegen die Einbeziehung des bereits vorhandenen Privatvermögens in
die Bedürfnisprüfung. Die Einbeziehung des vorhandenen Privatvermögens verursacht erheblichen Ermittlungs-, Bewertungs- und Verwaltungsaufwand. Das Bedürfnis für eine Steuerfreistellung ist in diesen Fällen nur mit erhöhtem Aufwand nachzuweisen. Eine stichtagsbezogene individuelle Bedürfnisprüfung hat neben der mangelnden Praktikabilität auch den
Nachteil, dass keine Rechts- und Planungssicherheit in diesem Bereich besteht.
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Zudem würde die Einbeziehung des bereits vorhandenen Privatvermögens vom Gesetzgeber großen Abgrenzungsaufwand abverlangen. Würde man hier auf fungibles Vermögen
abstellen, müsse in einem ersten Schritt ein Katalog der einzubeziehenden Anlageformen
und Vermögensarten festgestellt werden. Hier muss beachtet werden, dass eine derartige
Festlegung erhebliche Lenkungswirkungen zur Folge haben kann. Auch wenn vernünftige
Abgrenzungen vorgenommen werden, ist die Gestaltungsanfälligkeit dieser Regelung enorm.
Darüber hinaus sieht auch das BVerfG die Ausdehnung der Bedürfnisprüfung auf das bereits
vorhandene Vermögen des Erwerbers sehr kritisch, da dieses Vorgehen in erheblichem Widerspruch zur Systematik des Erbschaftsteuerrechts steht.
Nach unserer Auffassung könnte allenfalls das im Wege einer Schenkung oder Erbschaft
zeitgleich miterworbene sonstige Vermögen in die Bedürfnisprüfung einbezogen werden.
Dieses Vermögen muss ohnehin ermittelt und bewertet werden, so dass sich der zusätzliche
Ermittlungs- und Bewertungsaufwand in Grenzen hält.
Wir geben jedoch zu bedenken, dass die ausschließliche Berücksichtigung des mit der Übertragung des Betriebsvermögens gleichzeitig mitübertragenen Vermögens, wie in den Eckwerten dargestellt, sehr gestaltungsanfällig ist. Bezieht man nur das zeitgleich miterworbene
sonstige Vermögen ein, eröffnet es die Möglichkeit, Betriebsvermögen und sonstiges Vermögen isoliert voneinander zu übertragen, um das Verschonungsbedürfnis herzustellen. Um
diese Gestaltungsmöglichkeiten zu unterbinden, sollte neben zeitgleich miterworbenen Vermögen – innerhalb gewisser Fristen – auch vorher oder nachher erworbenes Vermögen in
die Bedürfnisprüfung miteinbezogen werden.
Zu überlegen wäre auch, ob nach erfolgter negativer Bedürfnisprüfung anstelle einer Vollbesteuerung des Betriebsvermögens eine Einbeziehung des Betriebsvermögens in einen erbschaftsteuerlichen Progressionsvorbehalt vorgenommen werden könnte. Dabei würde zwar
eine Verschonung für das Betriebsvermögen gewährt werden. Jedoch würde bei der Berechnung des Erbschaftsteuersatzes, der steuerpflichtige Erwerb um den Wert des Betriebsvermögens vermehrt. Die Erbschaftsteuer für das mitübertragende sonstige Vermögen würde sich dann dementsprechend erhöhen.
3. Lohnsummenregelung
Wir halten es für nicht sachgerecht, wenn man als Kriterium für die Anwendung der Bagatellregelung auf den Unternehmenswert abstellt. Die Unternehmensbewertung ist höchst
streitanfällig und führt dazu, dass hiermit erneute Rechtsunsicherheit und erhöhte Bürokratie
verursacht wird. Wir setzen uns bei der Lohnsummenregelung dafür ein, dass der Gesetzgeber an der Beschäftigtenzahl als Kriterium für die Befreiung vom Lohnsummennachweis
festhält. Bei der Festlegung der konkreten Anzahl der Arbeitnehmer sollte zwischen Praktikabilität und verfassungsrechtlichen Anforderungen gründlich abgewogen werden.
Ø
Aktuelle Regelung
Kleinbetriebe mit weniger als 20 Mitarbeitern sind von der Lohnsummenregelung ausgenommen.
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Ø
Kritik des BVerfG
Die Freistellung von Betrieben mit nicht mehr als 20 Beschäftigten ist verfassungswidrig, da
weit über 90 % aller Betriebe in Deutschland nicht mehr als 20 Beschäftigte aufweisen. Die
Grenze einer zulässigen Typisierung wird überschritten, da das Regel-Ausnahme-Verhältnis
der gesetzgeberischen Entlastungsentscheidung faktisch in sein Gegenteil verkehrt wird.
Ø
Eckwerte des BMF
Die Eckwerte des BMF sehen vor, dass auf die Prüfung der Lohnsummenregelung bei Unternehmen mit einem Unternehmenswert bis 1 Mio. € verzichtet wird.
Ø
Stellungnahme der Bundessteuerberaterkammer
Die Ermittlung des Unternehmenswertes ist ein sehr komplexer Prozess.
Gemäß § 199 BewG kann zur Bewertung von Unternehmen das vereinfachte Ertragswertverfahren herangezogen werden. Da dieses Verfahren in der Praxis oftmals zu überhöhten
Werten führt, kann man auch andere betriebswirtschaftliche Bewertungsverfahren heranziehen. Dabei ist zu beachten, dass der Substanzwert stets den Mindestwert darstellt. Um den
vermeintlich richtigen Wert zu ermitteln, müssen von Seiten des Unternehmens und der Finanzverwaltung verschiedene alternative Bewertungsverfahren durchgeführt und miteinander verglichen werden. Dazu müssen ggf. Gutachten in Auftrag gegeben werden. Die Unternehmensbewertung ist höchst streitanfällig und führt dazu, dass hiermit erneute Rechtsunsicherheit und erhöhte Bürokratie verursacht wird. Das ist bei einer Regelung, die eigentlich
der Verwaltungsvereinfachung dienen soll, u. E. unverhältnismäßig. Aus diesen Gründen ist
der Unternehmenswert kein geeignetes Kriterium für die Anwendung der Bagatellregelung.
Wir setzen uns bei der Lohnsummenregelung dafür ein, dass der Gesetzgeber an der Beschäftigtenzahl als Kriterium für die Befreiung vom Lohnsummennachweis festhält. Dieses
Kriterium ist praktikabel, da dieses von Anfang an eindeutig zu bestimmen ist.
Anhand der Erwägungen des BVerfG gehen wir davon aus, dass die Befreiung von der
Lohnsummenregelung für Betriebe mit 5 bis 7 Beschäftigten verfassungsgemäß ist. Man
muss aber berücksichtigen, dass bei einer geringen Anzahl von Arbeitnehmern schon einzelne unkalkulierbare Wechsel in der Belegschaft dazu führen, dass die Einhaltung der
Lohnsumme nach den geltenden Regelungen über die lange Lohnsummenfrist hinweg weitgehend unmöglich ist. Bei der Festlegung der konkreten Anzahl der Arbeitnehmer sollte zwischen Praktikabilität und verfassungsrechtlichen Anforderungen gründlich abgewogen werden. Betriebe mit wenigen Arbeitnehmern dürfen bei unkalkulierbaren Wechseln einzelner
Arbeitnehmer nicht per se aus der Verschonungsregelung herausfallen.
Sofern der Gesetzgeber eine Vereinfachung des Nachweises über den Arbeitsplatzerhalt in
Zusammenhang mit der Ermittlung des Verschonungsbedürfnisses anstrebt, könnte man
ausloten, in Analogie zum Vorgehen bei der Wirtschaftsförderung auf die Anzahl der Arbeitsplätze abzustellen, die jährlich zu melden sind. Die Anzahl der Arbeitsplätze ist einfacher zu
ermitteln als die Lohnsumme. Dieser Ansatz hätte den Vorteil, dass man keine Bagatellregelung für Kleinstunternehmen braucht.
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4. Modifizierung bestehender Bewertungsmethoden erforderlich
Wir plädieren ausdrücklich dafür, dass Bewertungsthemen im Zuge der Reform der Erbschaftsteuer „angepackt“ werden. Das derzeit extrem niedrige Zinsniveau führt zu einer
deutlichen Erhöhung des steuerlichen Werts im Rahmen des vereinfachten Ertragswertverfahrens. Derartige Unternehmenswerte lassen sich bei einem Verkauf des Unternehmens
jedoch kaum realisieren. Hier sollte der Gesetzgeber nach unserer Auffassung reagieren
und die Berechnung des Kapitalisierungsfaktors im vereinfachten Ertragswertverfahren
überarbeiten. Bei der Bewertung von nichtbörsennotierten, eigentümergeführten Unternehmen sollte die Finanzverwaltung zudem die vom Institut der Wirtschaftsprüfer (IdW) und der
Bundessteuerberaterkammer herausgegebenen „Hinweise zu den Besonderheiten bei der
Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer Unternehmen“1
beachten, wenn diese bei der Wertermittlung angewandt werden.
Ø
Allgemeines zur Unternehmensbewertung
Die Grundregel für die Bewertung von Wertpapieren und Anteilen an Kapitalgesellschaften
ist § 11 BewG, der eine Hierarchie der Bewertungsmethoden festschreibt. Primärer Maßstab
für die Bewertung ist bei börsennotierten Kapitalgesellschaften der niedrigste Börsenkurs am
Stichtag.
Liegen diese Daten nicht vor, so soll der gemeine Wert aus dem Kaufpreis bei Transaktionen
abgeleitet werden, die weniger als ein Jahr vor dem Stichtag unter fremden Dritten stattgefunden haben. Erst wenn keine Verkäufe innerhalb des letzten Jahres vorliegen, ist der gemeine Wert nach den „im gewöhnlichen Geschäftsverkehr für nichtsteuerliche Zwecke üblichen Methoden“ zu ermitteln. In der Betriebswirtschaftslehre, der höchstrichterlichen Rechtsprechung und von der Finanzverwaltung wird eine Bewertung nach dem Ertragswertverfahren oder nach den Discounted Cash Flow- (DCF)-Verfahren als sachgerecht angesehen.
Wertuntergrenze ist dabei stets der sog. Substanzwert.
Ø
Vereinfachtes Ertragswertverfahren
Das vereinfachte Ertragswertverfahren nach § 199 BewG ist eines der vom Bewertungsgesetz anerkannten Verfahren zur Ermittlung des gemeinen Werts. Es ist das gängigste Verfahren zur steuerlichen Bewertung, da es die Möglichkeit bietet, ohne hohen Ermittlungsaufwand oder Kosten für einen Gutachter, einen objektivierten Anteils- bzw. Unternehmenswert
auf der Grundlage der Ertragsaussichten zu ermitteln. Bei diesem Verfahren setzt sich der
Kalkulationszinssatz, mit dem der nachhaltig erzielbare Jahresertrag zu kapitalisieren ist, aus
den beiden Komponenten „Basiszins“ und „Zuschlag“ zusammen. Der Risikozuschlag wurde
an der unteren Grenze der empfohlenen Bandbreite festgesetzt. Das derzeit extrem niedrige
Zinsniveau führt zu einer weiteren deutlichen Erhöhung des steuerlichen Werts. Derartige
Unternehmenswerte lassen sich bei einem Verkauf des Unternehmens jedoch kaum realisieren, so dass bei der Anwendung des gesetzlich vorgesehenen vereinfachten Ertragswertverfahrens überhöhte Unternehmenswerte die Folge sind.
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http://www.bstbk.de/export/sites/standard/de/ressourcen/Dokumente/04_presse/publikationen/02_steuerrecht_
rechnungslegung/20_Hinweise_BStBK_zur_Bewertung_von_KMU.pdf.
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Hier sollte der Gesetzgeber nach unserer Auffassung reagieren, da das jetzige extrem niedrige Zinsniveau politische Ursachen hat und daher nicht allein für die Bemessung des Basiszinses herangezogen werden kann. Die Ermittlung des Kapitalisierungsfaktors, der sich aus
dem Kehrwert der Summe des Basiszins und des Risikozuschlags von derzeit 4,5 % zusammensetzt, sollte überarbeitet werden.
Ø
Erarbeitete Hinweise der Bundessteuerberaterkammer zur Unternehmensbewertung
Die Bundessteuerberaterkammer hat zusammen mit dem IdW die „Hinweise zu den Besonderheiten bei der Ermittlung eines objektivierten Unternehmenswerts kleiner und mittelgroßer
Unternehmen“2 herausgegeben. Diese Hinweise beziehen sich auf den IDW S 1 i. d. F.
2008, der ein anerkanntes Bewertungsverfahren darstellt. Die Hinweise konkretisieren auf
Basis des IDW S 1 i. d. F. 2008 Besonderheiten, die bei der Bewertung von KMU auftreten
können und berücksichtigen bestimmte Faktoren, die bei eigentümergeführten Unternehmen
eine große Rolle spielen. Zudem beachten die Hinweise die Vorgaben von § 9 BewG, nach
dem persönliche Verhältnisse (z. B. Verfügungs- und Kündigungsbeschränkungen, Veräußerungsverbote und Thesaurierungsvorgaben) nicht zu berücksichtigen sind. Daher sollte die
Finanzverwaltung diese Hinweise beachten, wenn diese bei der Bewertung angewendet
werden.
Stand: 14. April 2015
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http://www.bstbk.de/export/sites/standard/de/ressourcen/Dokumente/04_presse/publikationen/02_steuerrecht_
rechnungslegung/20_Hinweise_BStBK_zur_Bewertung_von_KMU.pdf.
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