Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren, Familienunternehmen sichern

Position
Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
Stand: April 2015
www.vbw-bayern.de/Steuern
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
Vorwort
X
Vorwort
Der Bedeutung von Familienunternehmen erbschaftsteuerlich gerecht werden
Für Bayern ist die künftige Erbschaftsteuerregelung enorm wichtig. Deutlich über
600.000 Familienunternehmen jeder Größe prägen das Wirtschafts- und damit auch
das Sozialgefüge des Freistaats wesentlich mit.
In Bayern stehen bis 2018 rund 20.000 Unternehmen vor einem Generationenwechsel.
Das entspricht rund 5.000 Firmenübergaben pro Jahr, von denen über 60.000 Arbeitsplätze abhängen. Nicht zu vergessen die immensen Steuereinahmen für Land und
Kommunen, die von erfolgreichen Unternehmen generiert werden.
Mittelständische familiengetragene Unternehmen spielen eine besonders wichtige
Rolle: Von den deutschlandweit ca. 12.800 Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitern
haben über 2.100 ihren Sitz in Bayern, viele davon gut verteilt im ländlichen Raum.
Es handelt sich hier in besonderem Maße um hoch innovative, international wettbewerbsfähige Unternehmen, die für Erfolg und Wohlstand, Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven im Freistaat stehen.
Um diesen bedeutenden Wirtschaftsfaktor zu erhalten und zu sichern, brauchen wir
eine Steuerpolitik, die der Bedeutung von Familienunternehmen Rechnung trägt, statt
sie zu gefährden. Trotz schwieriger Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts kann
das gelingen. Die Verfassungsrichter bescheinigen dem Gesetzgeber dazu einen
großen Gestaltungsspielraum. Die bayerische Wirtschaft vertraut darauf, dass Bund
und Länder diesen Spielraum schon aus wohlverstandenem Eigeninteresse an einer
lebendigen Unternehmenslandschaft als Basis künftiger Arbeitsplätze und Steuereinnahmen klug und konsequent ausschöpfen.
Es geht darum, der nächsten Unternehmergeneration ausreichend Spielraum zu geben, um in die Zukunft zu investieren und Risiken abzusichern. Für große Unternehmen gilt es, sicherzustellen, dass auch das dort investierte Kapital von der Erbschaftsteuer verschont bleibt. Und natürlich müssen kleine Unternehmen ihre Mitarbeiterzahl
ausreichend flexibel an laufende Herausforderungen anpassen können.
Bertram Brossardt
30. April 2015
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
Inhalt
X
Inhalt
1
Eckpunkte zur Reform des Erbschaftsteuerrechts .................................. 1
1.1
Erweitertes Reformziel .................................................................................. 1
1.2
Ergänzte Lohnsummenausnahme ................................................................ 1
1.3
Zu verschonendes Betriebsvermögen ........................................................... 1
1.4
Abgrenzung und Rechtfertigung bei großen betrieblichen Erbschaften ......... 2
1.5
Achtung der Stellung von Ankeraktionären ................................................... 2
1.6
Einheitliche Behaltefrist ................................................................................. 2
2
Der Wert von Familienunternehmen .......................................................... 3
2.1
Unternehmen mit persönlichem Risiko nachhaltig geführt ............................. 3
2.2
Private Interessen hintangestellt ................................................................... 4
2.3
Als Investoren verlässlich.............................................................................. 4
2.4
Erfolgsträger ihrer Heimatregion ................................................................... 4
2.5
Wert von Familienunternehmen wird europaweit gesehen ............................ 5
3
Erläuterungen zu den Eckpunkten ............................................................ 7
3.1
Erweitertes Reformziel .................................................................................. 7
3.2
Lohnsummenausnahme und Härtefallklausel................................................ 8
3.3
Kern der Reform: im Abschmelzmodell verschonbares Vermögen .............. 10
3.4
Abgrenzung großer Unternehmen............................................................... 11
3.5
Prüfung auf ein Verschonungsbedürfnis bei großen Unternehmen ............. 13
3.6
Achtung der Stellung von Ankeraktionären ................................................. 14
3.7
Einheitliche Behaltefrist ............................................................................... 15
3.8
Sonstiges .................................................................................................... 15
Ansprechpartner / Impressum ..................................................................................... 17
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Familienunternehmen sichern
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Eckpunkte zur Reform des Erbschaftsteuerrechts
1
1 Eckpunkte zur Reform des Erbschaftsteuerrechts
Nachhaltig verfassungsgerechte Reform umsetzen
Die deutsche Unternehmenslandschaft ist wesentlich von Familienunternehmen geprägt. Sie bilden das Rückgrat des deutschen und bayerischen Erfolgs. Sie sind weltweit erfolgreich, aber in Bayern zu Hause. Sie schaffen und sichern Arbeitsplätze. Sie
sind in den unsere Wirtschaft prägenden Wertschöpfungsverbünden unersetzliche
Partner. Sie treiben Innovationen voran, die unsere internationale Wettbewerbsfähigkeit sichern. Sie fahren Exporterfolge ein, von denen unser Wohlstand abhängt, und
stehen für ein hohes Steueraufkommen. Und viele Familienunternehmen nehmen
wichtige Versorgungsaufgaben wahr.
Familienunternehmer stehen durch dick und dünn zu ihren Unternehmen. Sie stellen
private Interessen hintan und führen ihre Unternehmen mit hohem persönlichem Risiko
auch in schwierigen Zeiten. Sie sind verlässliche Investoren sowohl für das eigene Unternehmen als auch etwa für Kapital suchende Gründer. Sie prägen den Erfolg ihrer
Heimatregion entscheidend mit und nehmen oft gesellschaftliche Verantwortung war.
All dies führt europaweit dazu, dass die Weitergabe von Betriebsvermögen in der Familie erbschaftsteuerlich nicht oder kaum belastet wird. Konsequent weitergedacht
führt es zu den folgenden Lösungsansätzen für die Reform des Erbschaftsteuerrechts.
1.1
Erweitertes Reformziel
Über den politisch bisher fast alleine in den Vordergrund gestellten Erhalt von Arbeitsplätzen hinaus muss es Ziel sein, für Betriebsvermögen in Mittelstand und Familienunternehmen die Erbschaftsteuerlast zu vermeiden, um die einmalige, mittelständischfamiliengeprägte Unternehmenslandschaft in Deutschland zu erhalten.
1.2
Ergänzte Lohnsummenausnahme
Der Schwellenwert für die Ausnahme von der mit der Verschonung verbundenen
Lohnsummenauflage kann von 20 Mitarbeitern auf zehn gesenkt werden. Oberhalb
dieser neuen Schwelle muss größenunabhängig eine Härteklausel greifen, die es erlaubt, bei nachweislich vom Unternehmen bzw. Unternehmer nicht verschuldetem Arbeitsplatzabbau die Verschonung zu behalten.
1.3
Zu verschonendes Betriebsvermögen
Das betriebsnotwendige Vermögen muss all diejenigen Vermögensgegenstände umfassen, die das Unternehmen zur Erwirtschaftung seines Ertragsüberschusses benötigt. Diesem Vermögen müssen deshalb, über das geltende Recht hinausgehend, das
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Eckpunkte zur Reform der Erbschaftsteuerrechts
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zur Absicherung von Pensionsrückstellungen und Garantieleistungen notwendige
Planvermögen, für das Unternehmen strategisch wichtige kapitalgesellschaftliche Beteiligungen auch unter 25 Prozent, Kundenforderungen, aus Liquiditäts- oder Akquisegründen vorzuhaltende Bank- und Kassenbestände, Gesellschafterdarlehen und dergleichen zugeschlagen werden.
Das auf der Basis von der Verschonung auszunehmende Verwaltungsvermögen muss
netto unter Abzug der Schulden des Unternehmens bestimmt werden. Sollte sich der
Gesetzgeber zu einer so konsequenten Lösung nicht durchringen, so muss – ebenfalls
unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Positionen – der vom Bundesfinanzministerium angedachte Ansatz geprüft werden, der vorsieht, dass zu Verschonung vorgesehene Vermögensgegenstände zumindest hälftig betrieblich verwendet werden
müssen.
1.4
Abgrenzung und Rechtfertigung bei großen betrieblichen Erbschaften
Der vom Bundesverfassungsgericht monierten Überbegünstigung bei großen betrieblichen Erbschaften muss begegnet werden, indem bei Erbschaften oberhalb von 300
Millionen Euro besonders geprüft wird, ob eine Familienprägung und eine von der Familie gesicherte Bindung des Vermögens an das Unternehmen gegeben ist. Die Kriterien für diese Prüfung müssen rechtsform- und finanzierungsneutral erfüllbar sein. Um
sie zu bestehen, müssen zwei der folgenden Kriterien nachweislich erfüllt werden:
– Anteilsweitergabe nur im Gesellschafterkreis
– Abfindungsentgelt bzw. Veräußerungspreis unter Verkehrswert
– Stimmrechtsbündelung: Poolvertrag oder Gesellschafter mit mehr als 25 Prozent
der Anteile
– Vertretung des gepoolten Gesellschafterkreises im Kontrollorgan (direkt oder Person des Vertrauens)
1.5
Achtung der Stellung von Ankeraktionären
Notwendig ist eine das Abschmelzmodell flankierende Stundungsmöglichkeit, die die
Stellung von Ankeraktionären auch dann absichert, wenn diese weniger als 25 Prozent
der Anteile am Unternehmen halten.
1.6
Einheitliche Behaltefrist
Die Behaltefrist muss einheitlich auf fünf Jahre festgelegt, die Frist für die Lohnsummenauflage auf den mit dieser Frist schon bisher verbundenen Wert gesetzt werden.
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Familienunternehmen sichern
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Der Wert von Familienunternehmen
3
2 Der Wert von Familienunternehmen
Gut für das eigene Unternehmen, dessen Mitarbeiter und das Land
Die letzten Jahre, vor allem die schwierigen Phasen der Finanzmarktkrise, haben eindrucksvoll bestätigt, dass ein breiter und starker Mittelstand und eine dem Land verbundene starke Industrie den Wohlstand eines Landes in besonderem Maß gewährleisten. Eine solche Wirtschaftsordnung ist auf langfristig ausgerichtete Investoren angewiesen, wie sie sich in Familienunternehmen jeder Größe regelmäßig finden.
Familiengetragene Unternehmen stehen über Generationen hinweg und in allen Teilen
Deutschlands nachhaltig für Wertschöpfung, Arbeitsplätze und Zukunftsperspektiven.
In diesen Unternehmen ist außerordentlich viel Kapital produktiv gebunden. Sie sichern
ihre Mitarbeiter und deren Familien nicht nur während der Arbeitsphase, sondern über
Instrumente der betrieblichen Altersvorsorge und Arbeitsplatzperspektiven für die Kinder weit darüber hinaus ab. Bundesländer und Regionen, in denen es nur wenige, kleine oder investitionsschwache Familienunternehmen gibt, tun sich schwer, an der allgemeinen Wohlstandsentwicklung teilzuhaben. Familienunternehmen sind auch dann,
wenn sie weltweit tätig sind, ihrem Heimatstandort besonders verbunden.
Die Leitziele der erbschaftsteuerlichen Verschonung von Familienunternehmen müssen diesen Zusammenhängen gerecht werden. Es geht damit darum, für Mittelstand
und Familienunternehmen die Erbschaftsteuerlast vermeiden, um die Arbeitsplätze und
die wirtschaftliche Funktion der Unternehmen zu schützen. Damit wird gleichzeitig die
Basis für künftiges Steueraufkommen gesichert. Dazu muss das Erbschaftsteuerrecht
wichtigen Merkmalen von Familienunternehmen gerecht werden. Diese Merkmale
kennzeichnen auch und teils insbesondere große Unternehmen, für die das Bundesverfassungsgericht eine Verschonung von der Erbschaftsteuer nicht pauschal akzeptiert.
2.1
Unternehmen mit persönlichem Risiko nachhaltig geführt
Die Unternehmerfamilie verantwortet die Führung des Unternehmens – naturgemäß
abhängig von der Größe des Unternehmens und der Familie sowie der unternehmerischen Begabung der Familienangehörigen in unterschiedlichen Konstellationen. Die
Art und Weise, in der das stattfindet, kann sich von Unternehmen zu Unternehmen und
Familie zu Familie also deutlich unterscheiden. Insgesamt stehen Familienunternehmer
stehen sowohl mit dem im Unternehmen eingesetzten Vermögen wie mit ihrem Privatvermögen besonders im Risiko.
4
2.2
Erläuterungen zu den Eckpunkten
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Private Interessen hintangestellt
Vor allem bei größeren Eigentümerfamilien und nicht ganz jungen Unternehmen sind
die Familiengesellschafter regelmäßig in der Ausübung ihrer Gesellschafterrechte sowie im Zugriff auf ihre Anteile und die Gewinne beschränkt. Das sorgt für entscheidungsfähige Führungsstrukturen und hält das unternehmerisch eingesetzte Kapital in
Unternehmen und Familie zusammen. Im Gegenzug verhindert es, dass Familienmitglieder, die privat besondere Belastungen zu tragen haben, das dafür notwendige Geld
einfach dem Unternehmen entziehen.
2.3
Als Investoren verlässlich
Familienunternehmen reinvestieren Erträge in besonders hohem Maß. Und sie investieren langfristig. Das dient dem Erhalt und der Entwicklung von Arbeitsplätzen und
sichert die Steuerbasis der Zukunft ab.
Die meisten Familienunternehmen sind nicht oder nur nachrangig am Kapitalmarkt
orientiert. Das schafft Sicherheit, erschwert es aber auch, neue Investitionsvorhaben
zu finanzieren. Deshalb kommt es in Familienunternehmen besonders auf eine gute
Eigenkapitalausstattung und für Investitionen verfügbare Mittel an.
Andere Familienunternehmen sind durchaus kapitalmarktorientiert, die Gesellschafter
als Ankeraktionäre und oft auch als persönlich Verantwortliche für den Erfolg des Unternehmens. Manches dieser Unternehmen verdankt es treuen Ankeraktionären, dass
es in schwierigen Zeiten seine Selbständigkeit behalten hat. Diese Aktionäre haben
nicht immer Anteile über 25 Prozent (Begünstigungsvoraussetzung bei Anteilen an
Kapitalgesellschaften) oder die Möglichkeit, mit anderen Gesellschaftern Poolverträge
zu schließen. In diesen Fällen greift das gegenwärtige Verschonungsmodell nicht.
2.4
Erfolgsträger ihrer Heimatregion
Unternehmerfamilien sind ihren Mitarbeitern, ihrer Heimatregion und ihrem Land besonders verbunden. Dort, wo sie fehlen, sorgen sie regional für Wohlstand. In den
neuen Bundesländern fehlen sie bisher weitgehend – und das ist eines der größten
dortigen Strukturprobleme. Und Familienunternehmen prägen das deutsche Bild und
den deutschen Einfluss in der aller Welt.
Aufgrund ihrer Eigentümerstruktur und des Zusammenhalts der Eigentümerfamilie eignen sich Familienunternehmen kaum als Übernahmekandidaten für dritte Investoren,
die den Standort in Frage stellen könnten.
Familienunternehmer sind für andere, auch junge Unternehmen wichtige Investoren.
Gerade Gesellschafter größerer Familienunternehmen investieren ihnen zufließenden
Gewinn gerne auch in anderen Unternehmen. Sie folgen dabei zu deren Vorteil den
gleichen langfristigen Direktiven wie im eigenen Unternehmen.
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2.5
Der Wert von Familienunternehmen
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Wert von Familienunternehmen wird europaweit gesehen
Ein Vergleich verschiedener Erbschaftsteuerregimen in Europa zeigt: Die europäische
Staatenwelt respektiert die Weitergabe von Vermögen in Familien und den Wert von
Familienunternehmen für die Gesellschaft umfassend. Ein Großteil der Staaten erhebt
generell oder zumindest bei der Weitergabe von Vermögen in der Familie keine oder
nur eine sehr niedrige Erbschaftsteuer. Soweit Steuer erhoben wird, werden Familienunternehmen mit Bedacht vollständig oder weitgehend verschont. Eine Sonderbehandlung besonders großer betrieblicher Vermögen ist diesen Staaten fremd.
Grafik1
Erbschaftsteuer bei der Weitergabe von Vermögen an Kinder – allgemein (links)
und im Fall eines Betriebsübergangs (rechts)
Quelle: Recherche und Grafik vbw, gestützt auf diverse Veröffentlichungen; Angaben ohne Gewähr
Die meisten der in der Grafik dargestellten Staaten erheben bei Übergang von Betrieben auf Kinder keine Erbschaftsteuer, in nur zwei dieser Staaten liegt sie über 10 Prozent. Nur ein Teil der Staaten verbindet damit besondere Auflagen. Sonderauflagen für
sehr große Betriebsvermögen, wie sie das Bundesverfassungsgericht in Deutschland
verlangt, gibt es in keinem dieser Staaten.
Wer diese Situation im Standortwettbewerb ignoriert, der nimmt bewusst in Kauf, dass
Unternehmerfamilien das Land verlassen, anderswo investieren oder ihre Anteile an
Unternehmer aus Drittstaaten verkaufen, die naturgemäß dann künftig auch eher dort
investieren und Steuern zahlen.
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Erläuterungen zu den Eckpunkten
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3 Erläuterungen zu den Eckpunkten
Reformerfolg durch Reformqualität sichern
Am Anfang der Debatte zu dem neuen Reformauftrag des Bundesverfassungsgerichts
zum Erbschaftsteuerrecht muss eine Auseinandersetzung mit den volks- und betriebswirtschaftlichen Gründen für die erbschaftsteuerliche Verschonung von Familienunternehmen stehen. Diese Gründe müssen herausgearbeitet und im Reformgeschehen
berücksichtigt werden. Denn erst sie zeigen, wie der vom Bundesverfassungsgericht
festgestellte große Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers verstanden und ausgefüllt
werden muss, um die im weltweiten Vergleich einmalige familiengeprägten Unternehmer- und Unternehmenslandschaft in Deutschland zu bewahren. Die Einleitung zu den
in Kapitel 1 zusammengefassten Eckpunkten der vbw zur Reform greift das auf. In Kapitel 2 wird es etwas weiter ausgeführt.
Nur auf der Basis einer sachgerechten Begründung kann es gelingen, der Verschonung von Betriebsvermögen in der Erbschaftsteuer ein zeitgemäßes Ziel und System
zu unterlegen und so das Gesamtkonzept auch verfassungsrechtlich nachhaltig abzusichern. Dazu gehört es, das künftige Recht so anzulegen, dass gleichheitswidrige
Gestaltungen vermieden werden. Eine Reform, die nicht in diesem Sinn eigenständig
und über frühere Ansätze hinaus begründet ist, sondern nur einzelne Formulierungen
des Bundesverfassungsgerichts aufgreift, wird nicht zum gewünschten Erfolg führen.
Ganz im Gegenteil beschwört sie das nächste Verfahren herauf.
Die Qualität der anstehenden Reform der Erbschaftsteuer entscheidet darüber, in welchem Maß die mittelständischen und familiengeprägten Unternehmensstrukturen in
Deutschland erhalten bleiben und Wettbewerbsfähigkeit sowie Arbeitsplatzperspektiven unserer Wirtschaft weiter absichern.
Eine Reform, die das will, muss sowohl Eingriffe in die Substanz der Unternehmen als
auch steuerbedingten Druck zu Veränderungen ihrer Gesellschafterstruktur vermeiden.
Zu den in Folge zusammengefassten Überlegungen sei ergänzend auf eine Studie
verwiesen, die in einer BDI/vbw/Deloitte Schriftenreihe zur Erbschaftsteuerreform unter
dem Titel Herausforderungen für den Gesetzgeber bei der Neuregelung erschienen ist.
Die von Prof. Dr. Karl-Georg Loritz verfasste Studie steht unter www.vbw-bayern.de
zur Verfügung.
3.1
Erweitertes Reformziel
Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 17. Dezember 2014 zur Erbschaftsteuer bestätigt die Verfassungsmäßigkeit der Prinzipien der aktuellen Befreiung von
Betriebsvermögen von der Erbschaft- und Schenkungsteuer generell, die konkreten
Regelungen dazu in weiten Teilen. Es macht deutlich, dass der Gesetzgeber für eine
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Erläuterungen zu den Eckpunkten
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vbw – April 2015
erbschaftsteuerliche Verschonung von Betriebsvermögen einen weiten Gestaltungsspielraum hat und Lenkungsziele verfolgen darf. Das Gericht verdeutlicht, dass die zur
Verschonung von Betriebsvermögen vorgegebenen Regelungen durch den Regelungszweck begründet, dafür notwendig und folgerichtig sein müssen.
In seinem Urteil akzeptiert auch das Bundesverfassungsgericht, dass wirtschaftlich
schädliche Entwicklungen vermieden werden müssen. Dabei nennt es
-
erbschaftsteuerlich bedingte Liquiditätsprobleme der Unternehmen,
finanzielle Schwierigkeiten der Erben oder Beschenkten,
Zugriff auf das Betriebsvermögen zur Begleichung der Erbschaftsteuerschuld,
Verlust an Investitionskraft,
Arbeitsplatzabbau,
Druck, Unternehmen zu verkaufen oder aufzulösen.
Es versteht sich von selbst, dass die Erbschaftsteuer auch bei großen Unternehmen
keine so gearteten Entwicklungen auslösen darf.
Das 2009 eingeführte, jetzt als verfassungsgerecht bestätigte Abschmelzmodell für die
Erbschaftsteuer auf Betriebsvermögen vermeidet jedoch nicht nur Schaden an den
vererbten Unternehmen. Es bringt darüber hinaus einen hohen Anreiz mit sich, freies
Kapital längerfristig unternehmerisch gebunden einzusetzen. Und die Verschonungsregeln für Betriebsvermögen stellen sicher, dass Deutschland als Standort familiengetragener Unternehmen und ihrer Gesellschafterfamilien attraktiv bleibt. Auch das sind
für den Erfolg einer modernen, auf weltweit erfolgreiche Unternehmen gestützten Gesellschaft sinnvolle Ziele, die die in Folge erläuterten Lösungsansätze unterstreichen.
vbw Position zum Ziel der Erbschaftsteuerreform
Über den politisch bisher fast alleine in den Vordergrund gestellten Erhalt von Arbeitsplätzen hinaus muss es Ziel sein, für Betriebsvermögen in Mittelstand und Familienunternehmen die Erbschaftsteuerlast zu vermeiden, um die einmalige, mittelständischfamiliengeprägte Unternehmenslandschaft in Deutschland zu erhalten.
Die Reform der Erbschaftsteuer muss all diesen Ansprüchen standhalten, das Reformziel muss auf sie zugeschnitten werden. Das gelingt mit der von der vbw entwickelten
Formulierung.
3.2
Lohnsummenausnahme und Härtefallklausel
Bisher werden Betrieben mit bis zu 20 Beschäftigten von der Auflage freigestellt, die
Lohnsumme vor dem Erbfall auch danach zu halten, um die Verschonung nicht zu verlieren. Das erspart Unternehmen und Finanzverwaltung hohen Bürokratieaufwand.
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Erläuterungen zu den Eckpunkten
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Dem Bundesverfassungsgericht ist der Schwellenwert zu hoch, da damit deutlich mehr
als 90 Prozent der Unternehmen von der Auflage befreit werden. Dass dennoch über
80 Prozent der Arbeitsplätze von der Auflage erfasst sind, hält es nicht für relevant.
Das Gericht fordert eine Begrenzung der Ausnahmeregelung von der Lohnsummenauflage auf Unternehmen mit einigen wenigen Beschäftigten sowie insbesondere eine
eigenständige Rechtfertigung des neuen Wertes.
Das Bundesfinanzministerium möchte hier auf einen neuen Ansatz umstellen. Die
Lohnsummenausnahme soll greifen, sobald der Unternehmenswert unter einer Million
Euro liegt. Das ist mit einem außerordentlich hohen bürokratischen Aufwand verbunden, da ein solcher Ansatz zu einer punktgenauen Wertbestimmung zwingt. Aufgrund
der erbschaftsteuerlichen Verschonung des Betriebsvermögens konnte der Wert hier
bisher grober und damit mit wesentlich weniger Aufwand festgestellt werden. Zudem
fehlt bisher eine Erläuterung dazu, wie dieser Ansatz die Bedenken des Bundesverfassungsgerichts ausräumen kann.
Alternativ wird daran gedacht, den Schwellenwert etwa auf fünf Mitarbeiter abzusenken. Denn bei einem so niedrigen Wert würden schon einzelne, ggf. unverschuldete
Veränderungen in der Belegschaft dazu führen, dass die Lohnsummenauflage nicht
gehalten werden kann. Für Unternehmen von 6 bis zu 20 Mitarbeitern wird speziell aus
dem bayerischen Finanzministerium heraus ergänzend eine abgesenkte Lohnsummenauflage gefordert – die Lohnsumme müsste also nur zu einem geringeren Teil gehalten werden. Für diese Zielgruppe wäre das auch eine adäquate Lösung, die wichtige Flexibilität gibt.
vbw Position zur Lohnsummenausnahme
Der Schwellenwert für die Ausnahme von der mit der Verschonung verbundenen
Lohnsummenauflage kann von 20 Mitarbeitern auf zehn gesenkt werden. Oberhalb
dieser neuen Schwelle muss größenunabhängig eine Härteklausel greifen, die es
erlaubt, bei nachweislich vom Unternehmen bzw. Unternehmer nicht verschuldetem
Arbeitsplatzabbau die Verschonung zu behalten.
Die vbw geht hier weiter. Es ist gut begründbar, Unternehmen mit bis zu zehn Mitarbeitern von der Lohnsummenauflage auszunehmen. Denn in dieser Gruppe spielt das
erbschaftsteuerliche Abschmelzmodell kaum eine Rolle. Die Hälfte dieser Unternehmen hat gar keine Mitarbeiter. Die meisten werden sowieso nicht übergeben, etwa weil
die Kinder in anderen Berufe tätig sind oder der Ertrag nicht ausreicht. In anderen Fällen wächst das Kind über Jahre, also nicht erst über den einen Erbfall, in die unternehmerischen Fußstapfen hinein.
Oberhalb dieses Schwellenwertes sollten Unternehmen unabhängig und mit Rücksicht
auf den Regelungszweck des Gesetzes unabhängig von ihrer Größe gleich behandelt
werden. Dabei muss berücksichtigt werden, dass Unternehmen immer wieder, teils nur
10
Erläuterungen zu den Eckpunkten
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
vorübergehend, Arbeitsplätze abbauen müssen, um das Unternehmen insgesamt zu
erhalten. Das kann ein kleines Lebensmittelgeschäft mit örtlicher Versorgungsfunktion
treffen, schon wenn aufgrund einer planerischen Entscheidung der Heimat- oder einer
Nachbargemeinde am Ortsrand ein Einzelhandelszentrum entsteht. Genauso kann es
einem großen Unternehmen ergehen, etwa wenn wegen eines Krieges, politischer
Sanktionen oder regional schwieriger konjunktureller Entwicklungen ein Schlüsselmarkt
wegbricht. Hier ist eine Härtefallklausel notwendig, die bei unverschuldet notwendigem
Arbeitsplatzabbau ein Aufleben der abschmelzenden Erbschaftsteuer verhindert. Die
richtige Lösung ist hier eine die von der vbw entwickelte Härtefallklausel. Ohne sie
kann es, wie schon heute, bei einer unverschuldeten wirtschaftlichen Krisensituation
für das Unternehmen zum persönlichen wirtschaftlichen Ruin der Erben kommen.
3.3
Kern der Reform: im Abschmelzmodell verschonbares Vermögen
Bisher kann gesetzlich als Verwaltungsvermögen definiertes Vermögen bis zu 50 Prozent des Betriebsvermögens ausmachen, ohne dass die Begünstigung insgesamt verloren geht. Dies wird vom Bundesverfassungsgericht als zu weit angesehen, und es
wird eine Ungleichbehandlung unterschiedlich strukturierter Vermögen moniert.
vbw Position zum verschonbaren Vermögen
Das betriebsnotwendige Vermögen muss all diejenigen Vermögensgegenstände umfassen, die das Unternehmen zur Erwirtschaftung seines Ertragsüberschusses benötigt. Diesem Vermögen müssen deshalb, über das geltende Recht hinausgehend, das
zur Absicherung von Pensionsrückstellungen und Garantieleistungen notwendige
Planvermögen, für das Unternehmen strategisch wichtige kapitalgesellschaftliche
Beteiligungen auch unter 25 Prozent, Kundenforderungen, aus Liquiditäts- oder Akquisegründen vorzuhaltende Bank- und Kassenbestände, Gesellschafterdarlehen und
dergleichen zugeschlagen werden.
Das auf der Basis von der Verschonung auszunehmende Verwaltungsvermögen muss
netto unter Abzug der Schulden des Unternehmens bestimmt werden. Sollte sich der
Gesetzgeber zu einer so konsequenten Lösung nicht durchringen, so muss – ebenfalls
unter Berücksichtigung der oben aufgeführten Positionen – der vom Bundesfinanzministerium angedachte Ansatz geprüft werden, der vorsieht, dass zu Verschonung vorgesehene Vermögensgegenstände zumindest hälftig betrieblich verwendet werden
müssen.
Der künftige Begriff des Vermögens, das bei Erhalt von Unternehmen und Arbeitsplätzen von der Erbschaftsteuer verschont wird, ist ein Kernelement der Reform. Hierfür ist
der Abzug sämtlicher Schulden vom im Konzern konsolidiert bestimmten Verwaltungsvermögen der richtige Ansatz. Wenn er konsequent umgesetzt wird, also wenn die
Schuldenverrechnung auf das Verwaltungsvermögen konzentriert wird, ist seine Ver-
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
Erläuterungen zu den Eckpunkten
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schonungswirkung höher als bei dem Ansatz des Bundesfinanzministeriums. Dort wird
beabsichtigt, nicht mehr das nicht betriebsnotwendige, sondern das zu begünstigende
Vermögen zu bestimmen. Dazu sollen alle Wirtschaftsgüter gehören, die zu mehr als
50 Prozent – also als Hauptzweck – einer land- und forstwirtschaftlichen, gewerblichen
oder freiberuflichen Tätigkeit dienen. Die betrieblichen Schulden sollen anteilig dem
begünstigten und nicht begünstigten Vermögen zugerechnet werden. Verwaltungsvermögen bis zu 10 Prozent des Vermögens ist nach den Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums unschädlich.
Unabhängig davon, welcher dieser beiden Ansätze sich durchsetzt, steht fest, dass
beide Ansätze deutlich enger angelegt sind als die heutige Lösung, die es erlaubt, bis
zu 50 Prozent sogenanntes Verwaltungsvermögen erbschaftsteuerlich niedrig besteuert in die nächste Generation zu überführen, falls die sonstigen Auflagen eingehalten
werden. Deshalb muss darauf geachtet werden, das in die Verschonung einzubeziehende betriebsnotwendige Vermögen weit sorgfältiger als bisher zu bestimmen. Die in
der Positionierung der vbw aufgeführten Ergänzungen tragen dem Rechnung.
3.4
Abgrenzung großer Unternehmen
Das Bundesverfassungsgericht akzeptiert Begünstigungsbedarf für Betriebsvermögen
aufgrund der in der Gesetzesbegründung festgehaltenen Zielsetzung pauschal für kleine und mittlere Unternehmen, die in personaler Verantwortung geführt werden. Das
Gericht fordert, einen Schwellenwert einzuführen, oberhalb dessen die Verschonung
besonders gerechtfertigt werden muss.
Es ist eine besondere Herausforderung, den geforderten Schwellenwert angemessen
zu bestimmen. Das Gericht stellt selbst fest, dass es dafür einen aus der Verfassung
ableitbaren Wert nicht gibt. Insofern sind seine Überlegungen dazu – ein Wert von 100
Millionen Euro oder der KMU-Begriff der EU-Kommission – lediglich denkbare Vorschläge, technische Ansätze gewissermaßen, die erst noch auf ihre Eignung geprüft
werden müssen. Anders gesagt: der Gesetzgeber ist gehalten, einen angemessenen
und auf das Verschonungsziel zugeschnittenen Maßstab selbst zu entwickeln.
Der KMU-Begriff spielt in der Auseinandersetzung hierzu keine Rolle. Erstens ist er
insbesondere hinsichtlich der Mitarbeiterzahl auf die durchschnittliche europäische
Unternehmenslandschaft zugeschnitten und damit für die deutsche Landschaft zu niedrig. Zweitens entzieht er sich dem Zugriff des deutschen Gesetzgebers. Und drittens
eignen sich seine Komponenten – Zahl der Arbeitsplätze, Umsatzerlös, Bilanzsumme –
nicht, um eine Abgrenzung im Sinne der mit der erschaftsteuerlichen Verschonung von
Betriebsvermögen verbundenen Ziele zu rechtfertigen. So wäre es geradezu widersinnig, etwa ausgerechnet besonders arbeitsplatzintensive Unternehmen mit besonderen
Auflagen zu belegen.
Das Bundesfinanzministerium setzt hier einen an den einzelnen Erben übergebenen
Wert von 20 Millionen Euro an. Deutschlandweit sind viele tausend Unternehmen mehr
wert als das. Zum Großteil sind das Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, viele
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Erläuterungen zu den Eckpunkten
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
von ihnen sitzen in Bayern. Die meisten dieser Unternehmen werden von Familienstrukturen getragen, sind klassischer gehobener Mittelstand und unersetzlicher Teil
unserer Unternehmens- und Industrielandschaft. Es wäre auch vor dem Hintergrund
der Ausführungen des Bundesverfassungsgerichts nicht angemessen, die Masse dieser Unternehmen einer besonderen Prüfung auf ein Verschonungsbedürfnis zu unterziehen.
Ein Sondervotum dreier Verfassungsrichter lässt darauf schließen, dass hinter der im
Urteil ausgeführten Überbegünstigung großer betrieblicher Erbschaften die Befürchtung steht, es könne zu einer zu großen Konzentration von Vermögen in privater Hand
und dadurch zu sozialer Unausgewogenheit kommen. Mit dem besonderen Wert speziell großer unternehmerischer Vermögen sowohl für den Standort insgesamt als auch
für gesellschaftliche Aufstiegschancen und Vermögensaufbau etwa bei Mitarbeitern
und kleineren Partnerunternehmen setzt sich das Gericht allerdings nicht auseinander.
Genau solche Eigenschaften aber sind es, die die besondere Verschonung rechtfertigen.
vbw Position zur Behandlung großer Unternehmen
Der vom Bundesverfassungsgericht monierten Überbegünstigung bei großen betrieblichen Erbschaften muss begegnet werden, indem bei Erbschaften oberhalb von 300
Millionen Euro besonders geprüft wird, ob eine Familienprägung und eine von der
Familie gesicherte Bindung des Vermögens an das Unternehmen gegeben ist. Die
Kriterien für diese Prüfung müssen rechtsform- und finanzierungsneutral erfüllbar sein.
Um sie zu bestehen, müssen zwei der folgenden Kriterien nachweislich erfüllt werden:
-
Anteilsweitergabe nur im Gesellschafterkreis
Abfindungsentgelt bzw. Veräußerungspreis unter Verkehrswert
Stimmrechtsbündelung: Poolvertrag oder Gesellschafter mit mehr als 25
Prozent der Anteile
Vertretung des gepoolten Gesellschafterkreises im Kontrollorgan (direkt oder
Person des Vertrauens)
Der geforderte Schwellenwert muss vor diesem Hintergrund so angelegt sein, dass er
den gehobenen industriellen Mittelstand in Deutschland nicht erfasst. Um sicherzustellen, dass dieser Ansatz verfassungsrechtlich trägt, muss die vom Gesetzgeber zu implementierende Zielsetzung der Verschonung, der bisherigen Praxis entsprechend,
neben mittelständischen auch auf familiengetragene Unternehmen generell ausgeweitet werden.
Die richtige Basis dafür ist ein Schwellenwert von 300 Millionen Euro. Dieser Wert leitet
sich aus den im Urteil des Bundesverfassungsgerichts genannten 100 Millionen Euro
aus 2005 ab, wenn heutige Bewertungsverfahren und Wertverhältnisse berücksichtigt
werden.
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
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Erläuterungen zu den Eckpunkten
13
Prüfung auf ein Verschonungsbedürfnis bei großen Unternehmen
Das Bundesverfassungsgericht fordert für große Unternehmen eine Prüfung, ob tatsächlich ein Verschonungsbedürfnis besteht. Die Art und Weise der Prüfung ist für den
Bestand großer, unsere Wirtschaftsordnung prägender Familienunternehmen und ihres
Gesellschafterkreises eminent wichtig.
Auch hier stellt das Gericht zwar Überlegungen dazu an, wie große Vermögen behandelt werden könnten. Dabei geht es um die Frage, ob das Unternehmen die Erbschaftsteuer zahlen könnte, ohne dass die Substanz des Betriebsvermögens angegriffen wird, und darum, ob sonstiges ererbtes oder beim Erben vorhandenes Vermögen
einbezogen werden sollte. Wie zum Schwellenwert bleibt es jedoch wieder der Politik
überlassen, zu prüfen, welcher Ansatz der Sache nach geeignet und angemessen ist.
Insbesondere arbeitet das Gericht nicht heraus, dass die Verschonung in der Praxis
deutlich kleiner ist als oft dargestellt wird. Selbst die Formulierungen im Urteil des Bundesverfassungsgerichts erwecken den Eindruck, Erben von Unternehmen würden keine Steuer zahlen. Dieser Eindruck übersieht sowohl einen Teil der Steuerlast dieser
Erben wie wichtige Risiken, denen Unternehmenserben ausgesetzt sind. Die folgenden
vier Punkte machen das deutlich:
– Die Verschonung des Betriebsvermögens wird nicht billig gewährt. Die im Gegenzug
über etliche Jahre einzuhaltenden Auflagen sind für jedes betroffene Unternehmen
und seine Gesellschafter eine anspruchsvolle Herausforderung. Hier gilt das Goethe-Zitat „Was Du ererbt von Deinen Vätern, erwirb es, um es zu besitzen“. Ohne
verantwortungsvollen und zukunftsweisenden Umgang mit dem ererbten Unternehmen, ohne gute Führung und ständige Investitionen, wird dieses seinen Wert und
seine Arbeitsplätze schnell verlieren.
– Im Regelmodell bleibt aktuell nicht unmittelbar betriebsnotwendiges sogenanntes
Verwaltungsvermögen keineswegs steuerfrei. Es wird in der höchsten Steuerstufe
mit mindestens 9 Prozent belastet, ausgerechnet bei kleineren Anteilen auch deutlich höher. Gleichzeitig steht dieses Vermögen voll in Risiko und Haftung für das Unternehmen, kann also ebenso wie das Betriebsvermögen bei wirtschaftlich schwierigen Entwicklungen verloren gehen.
Nach den vorliegenden Vorstellungen wird künftig nicht betriebsnotwendiges Vermögen erbschaftsteuerlich voll besteuert.
– Jedes Unternehmen steht im Wettbewerb. Wenn es scheitert, zu viele Arbeitsplätze
verliert oder verkauft werden muss, dann muss der Unternehmenserbe die Erbschaftsteuer zumindest anteilig nachzahlen – selbst wenn er insolvent gegangen ist
und kein Geld mehr zur Verfügung steht.
– Soweit einem Unternehmenserben nicht betrieblich gebundenes Vermögen zufließt,
wird dieses voll versteuert.
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Erläuterungen zu den Eckpunkten
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
Das Bundesfinanzministerium hält hier einen Zugriff auf das Privatvermögen zur Bezahlung der Steuer auf betriebliche Erbschaften für richtig. Das verletzt jedoch schon
nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts die erbschaftsteuerliche Systematik
und führt zu einer Vermögensbesteuerung, deren Höhe davon abhängt, wieviel betriebliches, also privat nicht verfügbares Vermögen vererbt wird. Es missachtet den hohen
gesellschaftlichen Wert unternehmerisch eingesetzten Privateigentums. Und es führt –
neben hohem Bewertungsaufwand für das vorhandene Privatvermögen – zu umfangreichen Unstimmigkeiten und Gestaltungsmöglichkeiten genau der Art, die das Bundesverfassungsgericht in anderem Zusammenhang dezidiert ablehnt: Verfassungswidrig sind danach Regelungen, die vom Gesetz nicht bezweckte und gleichheitssatzwidrige Gestaltungen zulassen. Mit den Vorstellungen des Bundesfinanzministeriums
zur Einbeziehungen von Privatvermögen würden solche Möglichkeiten dezidiert und
sehenden Auges geschaffen, allein schon durch die Reihenfolge in der Übertragungen
von Vermögensteilen vorgenommen werden. Das verbietet sich von selbst.
Notwendig sind deshalb eine klare Unterscheidung zwischen betrieblicher und privater
Sphäre und ein Ansatz, der Betriebsvermögen freistellt, wenn Unternehmen durch die
Gesellschafterfamilie geprägt sind. Letzteres kann anhand klarer Kriterien rechtsformund finanzierungsneutral festgestellt werden. Die Praxis zeigt, dass Gesellschafterverträge oder Satzungen, die die Familienprägung absichern, zu langfristig außerordentlich stabilen Unternehmensstrukturen führen.
Zusammen mit dem neuen, engeren Ansatz zum Verwaltungsvermögen rechtfertigt
diese Familienbindung die Verschonung ausreichend. Der Grund: Mit dem neuen Ansatz zum Verwaltungsvermögen ändern sich die Voraussetzungen für eine Bedürfnisprüfung deutlich. Denn Vermögen, das das Unternehmen betrieblich nicht benötigt,
wird auch dort, wo es bisher nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts zu große Gestaltungsmöglichkeiten gibt, erbschaftsteuerlich nicht mehr begünstigt.
Politisch diskutiert wird, ob die mit der Bedürfnisprüfung verbundenen Auflagen für das
betroffene Betriebsvermögen insgesamt gelten oder lediglich für die Teile oberhalb des
neuen Schwellenwertes. Diese Frage gewinnt dann an Gewicht, wenn es bei Erbschaften oberhalb des Schwellenwertes zu einer systembedingt zusätzlichen Steuerlast
kommt. Richtig wäre es dann, das nur für Erbteile oberhalb des Schwellenwertes greifen zu lassen.
3.6
Achtung der Stellung von Ankeraktionären
Neben den hauptsächlich diskutierten Punkten müssen einige weitere Anliegen beachtet werden, um die Reform zu einem schlüssigen Ergebnis zu führen.
Manches sehr große Unternehmen verdankt es treuen Ankeraktionären, dass es in
schwierigen Zeiten seine Selbständigkeit behalten hat. Diese Aktionäre haben nicht
immer Anteile von mehr als 25 Prozent, was die Begünstigungsvoraussetzung bei Anteilen an Kapitalgesellschaften ist. Gelegentlich fehlt auch die Möglichkeit, mit anderen
Gesellschaftern Poolverträge zu schließen, die das heilen würden. Um die Stellung
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – April 2015
Erläuterungen zu den Eckpunkten
15
dieser Ankeraktionäre zu sichern, ist eine das Abschmelzmodell flankierende Stundungsmöglichkeit notwendig.
3.7
Einheitliche Behaltefrist
Die Behaltefrist und mit ihr die Frist, über die die Erbschaftsteuer abgeschmolzen wird,
kann einheitlich auf fünf Jahre gesetzt werden. Denn es gibt nicht mehr zwei von unterschiedlichen Verwaltungsvermögensquoten abhängige Verschonungsmodelle. Damit muss auch die Lohnsummenauflage einheitlich auf den mit dieser Frist verbundenen Wert herabgesetzt werden.
3.8
Sonstiges
Das Gericht verlangt eine Korrektur der als nicht verfassungsgerecht beurteilen Regelungen bis Mitte 2016. Gegen eine dann rückwirkende Korrektur äußert es Bedenken.
Diese Sichtweise ist zu respektieren.
Das Bundesverfassungsgericht sieht durch die gegenwärtigen Begünstigungen die
gleichheitsgerechte Belastung durch die Erbschaftsteuer insgesamt verletzt. Denn die
Begünstigung von Betriebsvermögen ist so hoch, dass ohne sie der Erbschaftsteuertarif insgesamt sicherlich deutlich niedriger wäre. Dieser Zusammenhang war der eigentliche Gegenstand der vor das Bundesverfassungsgericht getragenen Klage. Er ist
schon deshalb zwingend, weil eine Regelbelastung von Betriebsvermögen mit dem
heutigen Tarif, also in der Spitze mit 30 Prozent, auf keinen Fall durchzuhalten ist. In
der Konsequenz bedeutet das: Scheitert eine Reform, wären neben den Begünstigungs- auch die Tarifvorschriften nicht mehr anwendbar. Damit könnte die Erbschaftsteuer insgesamt nicht mehr erhoben werden. Das wird allerdings nur in den Ausführungen zum Urteil, nicht in seinen Leitsätzen herausgearbeitet und vom zuständigen
Berichterstatter selbst infrage gestellt. Damit steht die Befürchtung im Raum, das Gericht könne verfügen, das Erbschaftsteuerrecht gelte ohne Begünstigung für Betriebsvermögen weiter. Die politisch Verantwortlichen sollten sich jedoch von einem solchen
Szenario nicht beeindrucken lassen, sondern die Reform in der gesetzten Frist mit der
gebotenen Sorgfalt umsetzen.
Position – Erbschaftsteuer nachhaltig reformieren,
Familienunternehmen sichern
vbw – Januar 2015
Ansprechpartner / Impressum
Ansprechpartner
Dr. Benedikt Rüchardt
Abteilung Wirtschaftspolitik
Telefon 089-551 78-252
Telefax 089-551 78-249
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Impressum
Alle Angaben dieser Publikation beziehen sich grundsätzlich sowohl
auf die weibliche als auch auf die männliche Form. Zur besseren
Lesbarkeit wurde meist auf die zusätzliche Bezeichnung in weiblicher
Form verzichtet.
Herausgeber:
vbw
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