SWR2 MANUSKRIPT ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE SWR2 Zeitwort 30.06.1761 Dänemark empfängt die ersten "pfälzer" Kolonisten Von Ursula Wegener Sendung: 30.06.2016 Redaktion: Ursula Wegener Produktion: SWR 2016 Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR. Service: SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter www.swr2.de oder als Podcast nachhören: http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml Zitator: „Ein Staat kann aufs Allerbeste eingerichtet sein, und dennoch vielfältige Fehler haben (…) Die Wohlheit und der Flor einer Republik besteht zum Teil in der Menge der Einwohner. Wer nun die Herzogtümer Schleswig und Holstein unrichtens kennt, der wird mir hierinnen beipflichten, dass es diesen Ländern an Menschen fehle.“ Autorin: Schrieb der königlich dänische Landwirtschaftsinspektor Dr. Johann Gottfried Erichsen 1760. Und König Friedrich V. wird es mit ernstem Nicken gelesen haben. Jütland sowie die Herzogtümer Schleswig und Holstein bestanden aus Mooren und Heiden von Horizont zu Horizont. Solches Land produziert nichts und bringt schon gar keine jungen Männer hervor, aus denen sich eine Armee aufbauen ließe. Friedrich der Große machte es vor, hatte mit Hilfe angeworbener Einwanderer Ostfriesland, Oder-, Netze- und Wartebruch besiedelt. Landwirtschaftsinspektor Erichsen in Kopenhagen kannte Süddeutschland und war begeistert. Die Bauern dort zögen ihr Vieh im Stall heran, das hätten sie in ihren schneereichen Wintern gelernt. Außerdem hätten sie Tartuffeln: Die Knollen ernährten die Menschen, und das Kraut die Tiere. Und sie seien wanderlustig. Damit hatte Erichsen recht. Viele Orte im Südwesten waren in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts überbevölkert. Die Einwohner der kleinen Fürstentümer und Grafschaften leisteten Frondienste, durften nur mit Genehmigung heiraten, und wenn sie protestierten, setzen Söldner ihre Häuser in Brand. So ist es zum Beispiel aus Sulzfeld im Kraichgau überliefert. Und wegen des englisch-französischen Kolonialkrieges war die Auswanderung nach Amerika gerade blockiert. Das Königreich Dänemark ernannte einen Legationsrat von Moritz in Frankfurt am Main zu seinem Anwerber. Er sollte sich auf die Gebiete südlich Darmstadt bis Karlsruhe konzentrieren. Und bald war in der Reichspostzeitung zu lesen, Ihro königliche Majestät geruhe Einwanderern nach Jütland wichtige Freiheiten zu akkordieren: Zitatorin: „Erstens: Solle eines Landes kundiger königlicher Beamter denen anlangenden Kolonisten die vorteilhaftesten Lagen zum Anbau anweisen, und einem jeden über das Angewiesene einen Festebrief erteilen. Demnächst sollen, zweitens, diese neue Bewohner derer anzubauenden Gegenden nebst ihren Nachkommen nun und künftighin von allen Frucht- und Viehzehenten befreiet bleiben. Drittens, eben dieselben 20 Jahre hindurch von allen und jeden königlichen Schatzungen und Kontributionen ausgenommen sein.“ Autorin: Ein Haus sollten sie bekommen, Kuh, Pferd, zwei Schafe und eine Grundausstattung Ackergerät. Die Kolonisten mussten sich bewerben, bekamen Pässe und ein Reisegeld. Sie wurden in Trecks zusammengestellt, die sich in Richtung Frankfurt trafen und bis Altona geleitet wurden. Dort begann Dänemark. Am 30. Juni 1761 erreichte der erste Treck für das Herzogtum Schleswig das Amt Gottorf. 1 Zitator: „Beck, Adam, Ackerbauer aus dem Sulzfeldischen, mit Ehefrau Christina Barbara und 2 Kleinkindern; Beisel, Friedrich Jakob, Gelbgießer und Bauer aus Sulzfeld (Amt Maulbronn), und Ehefrau Maria Barbara und 4 Kinder; Steiner Christian, Landmesser und Seegräber aus dem Amt Maulbronn, mit Ehefrau Anna Margarete und 3 Kinder; Mayer Johannes…..“ Autorin: Aber die Aktion lief viel zu erfolgreich. So viele Kühe, so viel Ackergerät waren gar nicht aufzutreiben, um die Versprechen einzulösen. Aus den Modellhäuschen wurden bald Torfsodenhütten. Viele Einheimische mussten Kolonistenfamilien beherbergen, was die Stimmung im Land nicht hob. Die hochgelobten Kartoffeln erreichten im Moor nicht mehr als Erbsengröße. Die Einwanderer litten bald an Auszehrung und Rheuma, später ließen Männer sich von Katharina der Großen nach Donauschwaben abwerben, was einer Desertion gleich kam. Insgesamt sind 4000 Familien, 10 000 Personen aus dem deutschen Südwesten nach Jütland und Schleswig-Holstein ausgewandert. Heute gibt es dort nur noch eine Familie, deren Stammbaum sich direkt auf Kolonisten zurückführen lässt. 2
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