SWR2 Zeitwort

SWR2 MANUSKRIPT
ESSAYS FEATURES KOMMENTARE VORTRÄGE
SWR2 Zeitwort
14.07.1867
Nobel präsentiert seine Erfindung "Dynamit"
Von Markus Bohn
Sendung: 14.07.2016
Redaktion: Ursula Wegener
Produktion: SWR 2016
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede
weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des
Urhebers bzw. des SWR.
Service:
SWR2 Zeitwort können Sie auch als Live-Stream hören im SWR2 Webradio unter
www.swr2.de oder als Podcast nachhören:
http://www1.swr.de/podcast/xml/swr2/zeitwort.xml
Autor:
Er war ein Händler des Todes. Skelette, ganze Berge von Skeletten haben ihn zu
einem der reichsten Männer seiner Zeit gemacht. Er ließ sie ausgraben und in große
Fabriken transportieren, dort versetzte man sie mit einer heimtückischen Flüssigkeit
und dieses makabere Produkt fand auf der ganzen Welt reißenden Absatz. Zuvor
freilich hatte unser findiger Fabrikant einiges an Überzeugungsarbeit leisten müssen.
Denn jene heimtückische Flüssigkeit, die er auch schon ohne Skelettzusatz sehr
erfolgreich vermarktet hatte, explodierte nämlich zuweilen bereits bei der geringsten
Erschütterung und gelegentlich auch völlig ohne äußeres Zutun. Nitroglyzerin, eine
ölige Substanz. Erstmals synthetisiert im Jahr 1847 von dem Italiener Ascanio
Sobrero. Der hatte sich zwar auch schon Gedanken gemacht über die diversen
Verwendungsmöglichkeiten seines „Piroglicerina“. Hatte unter anderem
herausgefunden, dass es in Alkohol verdünnt bei Angina-Pectoris-Anfällen Linderung
schaffen kann. Aber was den Einsatz als Sprengstoff angeht, hatte Sobrero nach
mehreren Laborunfällen das Handtuch geworfen.
Nicht so unser Fabrikant. Unser Fabrikant ließ sich nicht einmal dadurch entmutigen,
dass auch eine seiner eigenen Produktionsanlagen durch eine Explosion total
zerstört wurde, wobei neben Belegschaft auch sein jüngster Bruder ums Leben kam.
Zu begehrt war diese Flüssigkeit, deren Sprengkraft die des Schwarzpulvers um das
Fünffache übertraf.
Unermüdlich suchte er nach Möglichkeiten, das hochbrisante Öl sicherer zu machen.
Ihm war klar, dass er es dazu mit irgendeiner Hilfschemikalie in eine feste Mixtur
verwandeln musste.
Und dies gelang ihm schließlich im Jahr 1867 mittels der schon erwähnten Skelette.
Die unsterblichen Reste winziger Rieselalgen nämlich erwiesen sich als jener Stoff
mit dem sich das hochbrisante Nitroglyzerin bändigen ließ. Alfred Nobel hatte das
Dynamit erfunden.
Es blieb jedoch nicht die einzige Erfindung dieses Sprengstofftüftlers. Hinzu kamen
die Sprenggelatine und nicht zuletzt das raucharme Schießpulver Ballistik.
Raucharm, weil kein Pulverdampf den Standort des Schützen verraten sollte. Dieses
Produkt aus dem Hause Nobel war also speziell fürs Militär konzipiert. Wie dann
Nobel nicht etwa jenen Forscher-Typus verkörperte, der ob der
Missbrauchsmöglichkeiten seiner Erfindungen erschrickt und sich davon distanzierte.
Seine Erfinderseele bewohnte einen Unternehmerleib. Zeitlebens hat er persönlich
für seine Patentansprüche in aller Welt gestritten und sodann eine Fabrik nach der
anderen gegründet. Zwar verabscheute er den Krieg, nannte ihn den
„schrecklichsten der Schrecken und das größte aller Verbrechen“. Aber den Vater
des Dynamit zum bedingungslosen Pazifisten hochzujubeln, wie das manche seiner
Biographen tun, fällt schwer.
Zur Friedensbewegung jener Zeit, der auch die von ihm verehrte und begehrte
Bertha Komptesse Kinsky, spätere von Suttner angehörte, hielt er kritische Distanz.
Was letztlich den Ausschlag gab, dass der zeitlebens unfreiwillige Junggeselle ein
Vermögen stiftete, um die bis heute angesehensten Preise für Physik, Medizin,
Chemie, Literatur und Frieden auszusetzen, darüber mögen Psychologen
spekulieren.
Bewunderung verdient Alfred Nobel gleichwohl. Zum einen, weil er trotz seines
Reichtums stets ein überaus bescheidener Mensch geblieben ist, dem jede Form von
Personenkult zuwider war.
1
„Der Wunsch, irgendeine Rolle in der buntgewürfelten Sammlung der 1400 Millionen
zweibeinigen, schwanzlosen Affen zu spielen, die auf unserem kreisenden
Erdprojektil herumlaufen, scheint mir verächtlich“, so eine seiner spöttischen Maxime.
Eine andere: „Es ist meine Regel, nie selbst zu tun, was ein anderer besser oder
wenigstens ebenso gut machen kann, denn wenn man in großen Unternehmen alles
selbst besorgen will, ist die Folge, dass man alles herunterwirtschaftet.“
2