Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 1 13.51 Abgeordneter Mag. Werner Kogler (Grüne): Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Der Herr Bundeskanzler hat heute seine Rede, seine Erklärung – die ist ja Gegenstand der Debatte – mit den Worten beendet, dass die Situation so schwierig sei wie seit den siebziger Jahren nicht, worauf auch immer er sich dabei bezogen hat. (Zwischenruf des Abg. Rädler.) – Die ÖVP sollte sich, glaube ich, mit Zurufen zurückhalten. Schaut, wie ihr da selbst zusammenkommt! (Beifall bei den Grünen. – Weitere Zwischenrufe bei der ÖVP.) Die ÖVP leistet sich schon den ersten wilden Klubobmann im Parlament, der dauernd gegen die Regierung auftritt. Wenn Sie sich da noch anhängen wollen, dann haben wir noch einen ganzen wilden Klub, aber das ist ja Ihr Recht. (Abg. GlawischnigPiesczek: Wir müssen vielleicht die Sitzordnung ändern!) Aber zurück zum Ernst der Sache: Der Herr Bundeskanzler hat von der Opposition Konstruktivität eingefordert. Ja, ich gestehe durchaus ein, dass die Situation nicht einfach ist. Das ist ganz klar. Nur kommt es immer darauf an, wie man sich bemüht und was man daraus macht. Man sollte es sich, nur weil die Situation nicht einfach ist, nicht zu einfach machen. Das ist eben einfach der Unterschied. Es ist ja klar, dass die Europapartei ÖVP aussteigt, wenn es eine Europaerklärung gibt, aber das ist auch nichts Neues. Es mangelt auf europäischer Ebene ja auch nicht an Kompetenz, Institutionen und Phantasie, es mangelt in Wirklichkeit an etwas ganz anderem. Das Problem ist, dass Staatenlenker und -lenkerinnen – meistens sind es Männer, wie man früher gesagt hat – einfach nicht die Courage aufbringen, zu vermitteln, was notwendig, richtig und wichtig wäre, nämlich dass die Situation durchaus auf europäischer Ebene handlebar wäre. Da braucht es Politikerinnen und Politiker mit Haltung, aber die werden immer weniger, auch in Österreich. (Zwischenruf des Abg. Schönegger.) – Haltung habe ich gesagt, Herr Kollege, nicht Wendehälse, Haltung, das ist etwas anderes. Haltung zu bewahren ist auch eine brauchbare Eigenschaft, in diese Reihen gesprochen und auch dorthin. (Der Redner deutet in Richtung SPÖ und ÖVP.) Das strahlt natürlich auch aus, dass man sich etwas zutraut. Nur einer politischen Führung, die sich etwas zutraut, wird auch vertraut, und völlig zu Recht. (Beifall bei den Grünen.) Alle Umfragen in der europäischen Bevölkerung deuten ganz eindeutig darauf hin, dass die Mehrheit – das wurde heute noch nicht gesagt – europäische Lösungen bevorzugt. Natürlich, wenn das Ding zum Scheitern gebracht wird, dann verstehe ich Version vom 14. Juni 2016, 14:35 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 2 schon, warum man auf sogenannte nationale Lösungen zurückfällt. Sonst bleibt nämlich fast nichts übrig. Aber das ist das Problem und eben nicht die Lösung. Darauf legen es manche an, und das ist der Kern der Sache. Es geht ja nicht darum, dass man sagt: Europa bringt nichts zusammen, und deshalb müssen wir wie früher nationalstaatlich handeln, Uraltpolitik machen. Es ist ja umgekehrt: Europa, selbst die Union und ihre Institutionen können, obwohl dort viel möglich wäre, nicht mehr viel weiterbringen – das ist ja tatsächlich der Befund –, weil es absichtlich zum Scheitern gebracht wird. (Abg. Neubauer: Wer bringt was absichtlich zum Scheitern?) Also noch einmal: Das ist das Problem und nicht die Lösung. Einzelne Politiker, aber auch einzelne Mitgliedstaaten legen es darauf an. Vor allem deshalb ist es nicht einfach und, zugegeben, tatsächlich schwierig. Also muss das erste Bemühen immer sein, dort Hand anzulegen, das zu verbessern. Was macht unsere Bundesregierung? Ich erkenne im Übrigen an, dass man irgendwie unter Druck kommt, denn in diesem Land sind immerhin 90 000 Asylanträge entgegengenommen worden. Ja, richtig, das gibt es fast nirgends in Europa. Man versteht auch den Druck, dem sich der Herr Bundeskanzler ausgesetzt fühlt. Ich verteidige aber trotzdem nicht, was er tut. Der Punkt ist ja noch ein anderer: Solche Freunde möchte man haben! Er war doch vor dieser Kehrtwende – zuerst hat es geheißen, keine Obergrenzen, dann auf einmal doch, das ist heute schon dreimal aufgezählt worden – der allerbeste Freund von Tsipras und gehörte zu den besten Freunden von Frau Merkel. Er hat es über Nacht geschafft, es sich mit beiden Freunden zu verscherzen und hat ihnen einfach das Rückenteil gezeigt. Ob das die richtige Lösung für einen europäischen Weg ist, wage ich zu bezweifeln. (Beifall bei den Grünen.) Man hat es absichtlich in Kauf genommen, dass Menschen in Griechenland anstranden – auch wenn es nach Ihrer Rechnung nur 15 000 oder 30 000 sind. Natürlich, mit dieser Logik muss es früher oder später so weit sein, dass es weniger werden, das ist in dieser Logik drinnen. Aber auf der anderen Seite geht es doch darum, dass man auch 30 000 oder 50 000 Menschen nicht zum Spielball einer solchen Strategie machen kann. Die Balkanroute ist in dieser Form über Nacht geschlossen worden, und auch alleine das ist vorwerfbar, wenn man nämlich dieserart mit dem Schicksal der Menschen spielt. Da braucht man diejenigen, die helfen wollen, nicht noch zu kriminalisieren, aber das richtet sich ohnehin von selbst. (Präsident Hofer gibt das Glockenzeichen.) Version vom 14. Juni 2016, 14:35 nach § 52(2) GOG autorisiert Nationalrat, XXV. GP 16. März 2016 117. Sitzung / 3 Abschließend, was aber die Türkei betrifft: Dazu wurde alles vorgebracht, vor allem von der NEOS-Fraktion. Da schließe ich mich den Kollegen an. Am Schluss wird der Punkt sein, dass die Lösung mit Menschlichkeit, auf Menschenrechtsbasis und sogar mit ökonomischer Vernunft gelingen muss. (Abg. Rädler: Blabla!) Was glauben Sie, was es kostet, alle Binnengrenzen im Schengen-Raum zu schließen? – Das kostet doch allein in Österreich 3 Milliarden € im Jahr! Das hat Herr Leitl gesagt und nicht ich. Ich habe die Studie gesucht, und er hat recht: 3 Milliarden € pro Jahr. Also: Menschlichkeit und wirtschaftliche Vernunft! Machen wir keine Grenzen dicht, sondern auf und kontrollieren bitte an der Schengen-Grenze. Das verhindern Sie ja! (Beifall bei den Grünen. – Zwischenrufe bei der ÖVP.) 13.57 Präsident Ing. Norbert Hofer: Zu Wort gelangt Herr Klubobmann Ing. Lugar. – Bitte. Version vom 14. Juni 2016, 14:35 nach § 52(2) GOG autorisiert
© Copyright 2024 ExpyDoc