Guter Kunde, schlechter Zinssatz

Wirtschaft
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Ausverkauf
Der oberste Banker ist
wütend auf die Politik
Warum Modeläden
ihre Filialen schliessen
Das Interview — 34
Die Analyse — 31
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Brentöl 6 2.8 USD –0,1%
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(im Wochenvergleich)
Foto: Raffael Waldner/13photo
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Patrick Odier
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Minimale
Ausfallrate bei
Hypotheken
in der Schweiz:
Die Banken
wollen Marge,
nicht das
Wohl des
­Hausbesitzers
Guter Kunde, schlechter Zinssatz
Nicht die Kreditwürdigkeit bringt Hauskäufern attraktive Hypozinsen – es ist ihr Verhandlungsgeschick
Jürg Meier
Zürich Der gesunde Menschenver-
stand sagt: Je besser die Kreditwürdigkeit eines Hypothekarkunden
ist, desto attraktivere Konditionen
kann er bei den Banken oder Versicherungen herausholen. Bei Kreditinstituten sind solche Kunden
schliesslich begehrt, weil bei ihnen
das Ausfallrisiko dank der solideren Finanzierung geringer ist. Die
Überlegung hat allerdings einen
Haken: Sie ist falsch. Das belegt
eine Erhebung des unabhängigen
Hypothekarberatungsunternehmens Moneypark, an dem auch die
Tamedia, Herausgeberin der SonntagsZeitung, beteiligt ist.
Für die Studie analysierte Moneypark 3000 Hypothekarverträge mit einer Laufzeit von 10­Jahren, die zwischen 2013 und 2015
angefragt oder abgeschlossen wurden. Ein eindeutiger Zusammenhang zwischen der Tragbarkeit, der
Höhe der Belehnung und den offerierten Zinsen «konnte in der
Analyse nicht belegt werden»,
schreibt Moneypark. Zwar wurden
die über Moneypark abgeschlossenen Verträge durch die Berater
des Unternehmens verhandelt
oder nachverhandelt. Daraus resultieren im Vergleich bessere Angebote, dennoch zeigte sich zur
Überraschung von MoneyparkChef Stefan Heitmann, dass die
Bonität des Kunden die Höhe der
Zinsen kaum beeinflusst.
Tiefe Zinsen auch bei
der zweiten Hypothek
Um zu berechnen, ob der Erwerb
einer Immobilie für die Käufer
tragbar ist, wird eine Faustregel
herangezogen. Sollte der Hypothekarzins auf 5 Prozent steigen,
darf der Haushalt nicht mehr als
33 Prozent seines Bruttoeinkommens ausgeben, um die Zinsen,
die Amortisation sowie Unterhaltsund Nebenkosten zu decken.
Zu erwarten wäre, dass Kunden
umso bessere Konditionen erhalten, je leichter sie diese Hürde
überspringen. Doch gemäss der
Untersuchung bezahlen Kunden,
die auf einen hervorragenden Wert
von unter 10 Prozent kommen,
Richtig verhandeln
Mit dieser Taktik kommt man an
bessere Hypothekarzinssätze:
– Mehrere Angebote einholen.
– Zinstabellen im Internet bieten
nur eine Orientierung. Die effektiv
offerierten Zinssätze weichen stark
davon ab.
– Bei Hypotheken mit langen Laufzeiten sind Versicherungen oft attraktiver als Banken. Auch deren
Angebote untereinander vergleichen, weil sie sich unterscheiden.
– Falls möglich, unterschiedliche
Belehnungshöhen offerieren lassen (zum Beispiel 78 statt 80 oder
75 statt 79 Prozent). Das kann
einen grossen Einfluss auf den angebotenen Zinssatz haben.
– Sich nicht zu früh mit einem besseren Angebot zufriedengeben,
hartnäckig bleiben.
– Es gibt eine Reihe von unabhängigen Beratern, die professionell
Hypothekarangebote vergleichen.
Darauf achten, dass diese eine
breite Auswahl an Kreditinstituten
haben.
beinahe den höchsten Zinssatz.
Kunden, die das Kriterium hingegen mit einem Wert von 33 Prozent nur haarscharf erfüllen, bezahlen weniger. Sie erhalten auch
attraktivere Zinsen als jene Gruppe, die auf eine Tragbarkeit von 30
bis 32 Prozent kommt, also leicht
solventer ist.
Ein ähnliches Bild zeigt sich bei
der zweiten für die Bonität entscheidenden Kennzahl, der Höhe
der Belehnung. Banken und Versicherungen finanzieren üblicherweise höchstens 80 Prozent des
Objektwertes. Ist ein Haus 1 Million Franken wert, sind das 800 000
Franken. 65 Prozent – in unserem
Beispiel 650 000 Franken – ent­
fallen auf die erste, 15 Prozent oder
150 000 Franken auf die zweite
Hypothek.
Die zweite Hypothek ist teurer,
weil die Banken diese gemäss Gesetz mit mehr Eigenmitteln unterlegen müssen. Zu erwarten wäre
darum, dass Hypothekarkunden
im Schnitt deutlich mehr bezahlen, sobald sie die Schwelle von 65
Prozent überschreiten. Auch die-
se Annahme erwies sich als falsch:
Die Gruppe, die auf eine Belehnung von 65 bis 69 Prozent
kommt, bezahlte sowohl 2013 als
auch 2014 Zinsen, die unter dem
Jahresschnitt lagen. Erst ab einer
Belehnung von 70 Prozent stiegen
die Zinsen merklich an, wobei sie
aber immer noch vergleichsweise
tief lagen.
Das Hypothekargeschäft ist für
Banken fast risikolos
Viele Kunden hätten die «naive
Vorstellung», dass ihnen ihre
Hausbank automatisch einen attraktiven Zinssatz offeriert, «weil
man sich ja kennt», sagt Heitmann.
Die Untersuchung belegt, dass die
Banken jedoch die Trägheit vieler
Kunden ausnützen – und dass es
sich für alle Hauskäufer lohnt, hart
zu verhandeln (siehe Kasten). Die
von Moneypark festgestellten Unterschiede bei den Zinshöhen summieren sich rasch. Es gehe um
«Tausende und oft Zehntausende
Franken von Einsparungen über
die gesamte Laufzeit der Hypothek», sagt Heitmann.
Moneypark-Chef Stefan Heitmann
sieht mehrere Gründe dafür, dass
es keinen eindeutigen Zusammenhang zwischen der Bonität der
Kunden und den angebotenen
Zinssätzen gibt. Für Kunden, die
nicht sehr solvent sind, bestehen
Möglichkeiten, trotzdem gute Konditionen zu erhalten: Etwa wenn
sie einwilligen, alle ihre Geldgeschäfte über die Hypothekarbank
abzuwickeln.
Der Hauptgrund für die Unterschiede ist laut Heitmann aber ein
anderer: Das Hypothekargeschäft
mit selbstgenutztem Wohneigentum ist für die Banken sehr risikoarm. Auch wenn Nationalbank
und Experten immer wieder vor
einer Immobilienblase warnen:
Die Ausfallrate bei Hypotheken in
der Schweiz ist minimal, die Finanzierungsregeln sind im Vergleich zum Ausland streng.
Es lohnt sich darum für die Kreditinstitute nicht, mit attraktiven
Angeboten um Kunden mit guter
Bonität zu buhlen. Viel wichtiger
ist es für sie, eine möglichst hohe
Marge herauszuholen.