Wirtschaft «Die Erbschaftssteuer wäre der Todesstoss der Schweizer Wirtschaft» SMI 9077 –2,8% 33 UBS Michael Pieper, Industrieller Der Streit um das Investmentbanking Das Interview — 38 Die Milliardenbusse — 35 SPI 9208 –2,4% STOXX 50 3432 –3,2% DAX 11 454 –2,3% Dow Jones 18 024 –0,3% EUR/CHF 1.04 –0,4% USD/CHF 0.93 2,4% Eidgenosse 10 J. 0,04% Brentöl 66.5 USD 1,7% Gold Fr./kg 35 337 –4,3% Grossbaustelle in Zürich: Die Eigentümer von Renditeliegenschaften sichern sich mit langfristigen Hypotheken ab (im Wochenvergleich) Foto: Keystone Plötzlicher Run auf Hypotheken mit langer Laufzeit Vor allem junge Familien mit tieferen Einkommen, Ältere, die Sicherheit wünschen, und Besitzer von Renditeobjekten setzen neu auf sehr langfristige Hauskredite Jürg Meier Zürich Die fünf- und die zehnjäh- rigen Hypotheken sind die Bestseller unter den Schweizer Hauskrediten. Sie hatten in den letzten zwei Jahren einen Marktanteil von rund 75 Prozent. Laufzeiten von mehr als zehn Jahren hingegen schlossen die Kunden kaum ab, obwohl Banken und Versicherungen diese durchaus im Angebot führten. Jetzt ändert sich dieses Bild. Alleine im ersten Quartal dieses Jahres verkaufte der unabhängige Hypothekenvermittler Moneypark dreimal so viele Hypotheken mit Laufzeiten von elf und mehr Jahren als im gesamten 2014. Jede zwanzigste Hypothek, die Moneypark vermittelte, läuft elf oder mehr Jahre, wie Moneypark-Chef Stefan Heitmann sagt. «Viele Kunden wurden von der Zinsachterbahn überrascht» Die Zürcher Kantonalbank bestätigt den Trend. Die Nachfrage nach Festhypotheken mit einer Laufzeit von elf und mehr Jahren «ist in den letzten Monaten deutlich gestiegen», sagt Sprecher Igor Moser. Detaillierte Zahlen über die nachgefragten Laufzeiten veröffentlicht die Bank nicht. Der plötzliche Anstieg überrascht, sind die Zinsen doch bereits seit längerem sehr tief, sodass schon seit einiger Zeit die Gelegenheit günstig ist, sich lang- Entwicklung der Hypothekarzinsen seit 2014 3,5 Prozent 15 Jahre fest 2,5 10 Jahre fest 1,5 5 Jahre fest 0,5 3-Monate-Libor-Hypothek Januar April Berechnungsgrundlage: Quelle: Moneypark Juli 2014 Oktober 2015 Januar 5 und 10 Jahre Fest: Richtzinsen von 30 Banken und Versicherungen. 15 Jahre Fest: Richtzinsen von 5 bis 7 Banken und Versicherungen. Libor-Hypothekarzinsen: Langjährige Durchschnittsmarge von 0,985%, keine Weitergabe von negativen Libor-Zinsen. fristig abzusichern. Ein Grund für die gestiegene Popularität ist laut Heitmann der Entscheid der Nationalbank von Mitte Januar, die Eurountergrenze aufzuheben. Dieser liess das Zinsniveau zuerst abstürzen, nach wenigen Wochen begann es aber wieder, stark anzusteigen. «Viele Kunden wurden von dieser Zinsachterbahn überrascht», sagt Heitmann. Dadurch sei der Wunsch stärker geworden, die Zinsen langfristig zu fixieren. Der Zeitpunkt ist dafür grundsätzlich nicht schlecht. Trotz des deutlichen Anstiegs in den letzten drei Monaten (siehe Grafik) sind die Zinsen im langfristigen Vergleich weiterhin tief. Dazu kommt, dass die Preisdifferenz zwischen Hypotheken unterschiedlicher Laufzeiten gesunken ist. Mit anderen Worten: Für einen relativ geringen Zinsaufschlag lassen sich Hypotheken mit sehr langer Laufzeit abschliessen. «Heute gibt es sogar Fälle, in denen die 20-jährige Hypothek einer Versicherung billiger ist als die 10-jährige einer Bank», sagt Heitmann. Swiss Life zum Beispiel erachtet 15-jährige Hypotheken als interessante Anlagen. Beim Versicherungskonzern gilt für eine 10-jährige Hypothek ein Richtpreis von tagesaktuell 1,65 Prozent, für eine 15-jährige steigt der Zinssatz auf 2,06 und für eine 25-jährige auf 2,36 Prozent. Fortsetzung — 34 34 Wirtschaft Fortsetzung Run auf Hypotheken mit langer Laufzeit . . . Entsprechend steigt das Interesse von Hauskäufern für längere Laufzeiten. Sie werden besonders von Kunden ab ungefähr 55 Jahren nachgefragt. Laut Heitmann gibt es immer mehr Fälle, in denen die Banken älteren Menschen die Hypothek nicht oder nur zu sehr unattraktiven Konditionen erneuern. «Viele ältere Kunden entscheiden sich darum dafür, jetzt zu guten Konditionen Sicherheit über das Pensionierungsalter hinaus zu schaffen», sagt Heitmann. Weitere Kunden seien junge Familien mit tiefen bis mittleren Einkommen, die für die nächsten Jahre dank eines fixen Zinssatzes langjährige Planungssicherheit wollen. Eine dritte Gruppe seien Besitzer von Renditeobjekten, also von Häusern mit mehreren Wohnungen, die vermietet werden. Die Eigentümer sichern sich mit langfristigen Hypotheken eine stabile Kalkulationsgrundlage. Gemäss Igor Moser sind es bei der ZKB vor allem solche Immobilieninvestoren, die sich Laufzeiten von elf und mehr Jahren sichern. Privatkunden hingegen sind zurückhaltender. Das Risiko einer allfälligen Zahlungsunfähigkeit etwa wegen einer Scheidung oder veränderter Lebensumstände ist bei ihnen «ungleich höher», sagt Moser. Bei Auflösung der langfristigen Hypothek, etwa wegen einer Scheidung, kann es teuer werden Die Ausstiegsbedingungen bei langfristigen Hypotheken sind denn auch streng. Laut Heitmann von Moneypark muss der Abschluss darum gut überlegt sein. Er rät aber nicht generell davon ab. «Insbesondere bei kleineren oder mittelgrossen Banken lässt sich häufig auf dem Verhandlungsweg eine tragbare Lösung für einen vorzeitigen Ausstieg erreichen», sagt Heitmann. Verkaufe man die Liegenschaft eines Tages, sei es zudem gut möglich, dass die Käufer gleich auch die Hypothek übernähmen – denn wer jetzt abschliesse, tue das in einer Tiefzinsphase. Mittelfristig dürften die Zinsen aber steigen, so Heitmann. Ein Käufer könne darum durchaus Interesse haben, gleich auch die Hypothek zu übernehmen. Adrian Wenger vom VZ Vermögenszentrum zeigt sich gegenüber langen Laufzeiten skeptischer. Die Erfahrung habe gezeigt, dass sich «Ältere schaffen die Übernahme einer Hypojetzt zu guten thek durch den Käufer nur selten umsetzen lasse. Müsse Konditionen dann die Hypothek aufgelöst werden, könne rasch eine Sicherheit über Strafzahlung von gut 20 Prodie Pensionierung zent der Hypothekarsumme anfallen, rechnet Wenger vor. hinaus» Bei einer Hypothek über eine Million Franken wären das happige 200 000 Franken. Giampiero Brundia vom unabhängigen Beratungsunternehmen Hypothekenbörse hält sehr lang laufende Hypotheken höchstens in Einzelfällen für angebracht. Auch er bestätigt, dass es Senioren im Hypothekarmarkt derzeit schwer haben. Darum könne es sinnvoll sein, kurz vor der Pensionierung eine lang laufende Hypothek abzuschliessen, um auf diese Weise möglichst lange einer neuen Überprüfung der Kreditwürdigkeit durch die Bank zu entgehen. Insgesamt bleibt für Brundia aber die Libor-Hypothek die beste Lösung. Bei dieser wird der Zins üblicherweise für drei Monate festgelegt. Sie war über die vergangenen Jahrzehnte die günstigste Hypothekenvariante, ihr Nachteil ist allerdings, dass die Zinsen rasch ansteigen können. Doch Brundia erwartet, dass es in den nächsten Jahren nicht zu einer solchen Situation kommen wird. Festhypothekenzins in Prozent Anbieter Axa Winterthur1 Credit Suisse Homegate2 Hypo Lenzburg Hypomat.ch3 Migros-Bank Postfinance Raiffeisen Swiss Life Swissquote UBS4 ZKB Zurich Laufzeit in Jahren 2 3 5 10 1,12% 1,14% 1,20% 1,55% 1,03% 1,07% 1,34% 1,88% 0,74% 0,74% 0,86% 1,49% 1,10% 1,15% 1,30% 1,90% 0,73% 0,75% 0,86% 1,42% 1,00% 1,10% 1,25% 1,85% 1,10% 1,10% 1,25% 1,85% 1,12% 1,14% 1,30% 1,86% – 1,22% 1,25% 1,62% 0,72% 0,83% 1,11% 1,51% – – – – 1,10% 1,11% 1,24% 1,92% – – – 1,59% – Richtsätze per 13. April für Hypotheken im 1. Rang für selbst genutzte Wohnbauten 1 Ab 666 000 Franken 2 Bis 1,2 Millionen Franken 3 Onlinehypothek Glarner Kantonalbank 4 Publiziert keine Richtsätze Quelle: FuW 3. Mai 2015 | sonntagszeitung.ch «Mittleres bis hohes Risiko» Experte der Pensionskasse BVK sieht Stabilität gefährdet – es fehlen bis zu 7 Mrd Arthur Rutishauser Zürich Eigentlich gäbe es Grund zur Freude bei der durch einen Korruptionsskandal geschüttelten BVK. Per Ende März belief sich der Deckungsgrad wieder auf 100 Prozent. Damit wäre, dank der guten Börsenlage, die Sanierung abgeschlossen. Die abtretende Finanzdirektorin Ursula Gut (FDP) nützte denn auch schon im Januar die Gelegenheit, um die Sanierungsreserven des Kantons aufzulösen und so die Rechnung um 63 Millionen Franken zu schönen. Doch leider entspricht die optische Gesundung der BVK nicht der Realität. In ihrem eben publizierten Geschäftsbericht findet sich eine Warnung des Experten für berufliche Vorsorge (PK-Experte). Er schreibt, «aufgrund einer umfassenden Risikobeurteilung ergibt sich ein mittleres bis hohes Risiko für die langfristige finanzielle Stabilität der BVK». Grund für die Löste Reserven auf: Ursula Gut, abtretende Regierungsrätin pessimistische Sicht: Der ökonomische Deckungsgrad der Kasse, der die sehr tiefen Zinsen berücksichtigt und nicht mit unrealistischen 3,25 Prozent Zins rechnet, liegt bei knapp 80 Prozent. Das bedeutet, die Kasse hat ein Loch von rund 5,6 Milliarden Franken. Weiter ist dem Geschäftsbericht zu entnehmen, dass die Kasse bisher nicht mit sogenannten Generationentafeln gerechnet hat. Das heisst, man hat die Zunahme der Lebenserwartung der 65-Jährigen ignoriert. Dazu sagt Wirtschaftsprofessor Marin Janssen: «Berücksichtigt man zudem noch die künftige Zunahme der Lebenserwartung der Pensionierten, die mit jedem Kalenderjahr um mehr als zwei Monate ansteigt, sinkt der korrekte Deckungsgrad mindestens nochmals um 5 Prozentpunkte. Insgesamt liegen wir im besten Fall also bei 75 Prozent. Der BVK fehlen also mehr als 7 Milliarden Franken.» BVK-Chef Schönbächler will denn auch die Lage keineswegs beschönigen: «Der Experte weist nun in seinem Gutachten zu Recht darauf hin, dass mit dem aktuellen Beteiligungsmechanismus, welcher ab 100 Prozent Deckungsgrad die Sanierungsbeiträge wegfallen lässt (...), der Deckungsgrad relativ rasch wieder unter 100 Prozent sinken könnte. Was dann – ceteris paribus – wiederum zur Erhebung von Sanierungsbeiträgen führen würde.» Die Krux ist, dass die Sanierung ausschliesslich von den Aktiven und vom Kanton bezahlt werden muss. Die Rentner, denen rund die Hälfte des BVK-Kapitals gehört, können nicht zur Kasse gebeten werden. Nun will die BVK reagieren: «Im Rahmen der anstehenden Überprüfung der mittel- und langfristigen Übereinstimmung zwischen der Anlage des Vermögens und den Verpflichtungen (ALMStudie) wird diesen Sommer die seit 2013 gültige Anlagestrategie sowie eine mittelfristige Anpassung der versicherungstechnischen Grundlagen überprüft.» Das wird wohl dazu führen, dass der Kanton noch mehr Geld in die BVK einschiessen muss. Roger Keller, Sprecher der Finanzdirektion, sagt: «Sollte sich eine massgebliche Verschlechterung des jetzt (per Ende 2014) errechneten Sanierungsverlaufs ergeben, müsste der Regierungsrat neue Rückstellungen bilden.» Ein Millionär hat es sooo schwer Eine UBS-Erhebung zeigt die Ängste und Nöte amerikanischer Millionäre auf Zürich Die Reichen sind wirklich arm dran – zu diesem Eindruck gelangt, wer den neusten «UBS Investor Watch»-Report von UBS Wealth Management Americas liest. Leute, die es zu Wohlstand gebracht haben, fühlen sich in ihrer Lage gar nicht so wohl. Ängste und Nöte plagen die Millionäre. Sie sind vom Wunsch getrieben, noch mehr Reichtum anzuhäufen. Dabei geben in der Erhebung 52 Prozent der Befragten an, zwischendurch das Gefühl zu haben, mit ihrer Arbeit in einer Tretmühle gefangen zu sein. Doch Statusängste und der fortwährende Vergleich mit ihresgleichen treiben sie weiterzumachen. Nur Leute, die mindestens fünf Millionen Dollar besitzen, fühlen sich einigermassen abgesichert. Aber auch sie hätten am liebsten 15 Millionen auf der Seite. «Genug ist für viele Millionäre nicht genug, um ganz zufrieden zu sein», heisst es in der Studie. Vor allem die jüngere Generation spornt sich an, noch mehr zu erreichen, höher aufzusteigen. Drei Viertel der jüngsten Reichen sagen, dass sie ihre Lage online systematisch mit jener ihrer Peers vergleichen: Höhe des Einkommens, Verlauf der Karriere, Wert des Wohnhauses und der Anschaffungen. 48 Prozent räumen ein, unter dem Druck zu stehen, Schritt halten zu können. Zugleich fürchten 52 Prozent, ihren Wohlstand einzubüssen. Bei der älteren Generation der Babyboomer sind die entsprechenden Werte mit 22 und 36 Prozent deutlich tiefer. Grösstes Bedauern über das ungute Verhältnis zur Familie Gleich, wie alt und wie reich die Begüterten sind: Ein Resultat sollte ihnen allen besonders zu denken geben. Gefragt, ob sie ihr Leben ändern würden, wenn ihnen nur noch fünf Jahre gegeben wären, antworteten 87 Prozent mit einem Ja. Vor allem würden sie öfter auf Reisen gehen (64 Prozent), mehr Zeit für die Familie aufbrin- Goldene Tretmühle: Reiche haben den Wunsch, noch mehr Reichtum anzuhäufen gen (61 Prozent) oder gleich in Rente gehen (44 Prozent). Im Zeichen der eigenen Endlichkeit würde also die überwiegende Mehrheit ihre Arbeitsbelastung reduzieren. Dieser Befund wird durch ein anderes Resultat gestützt: Wenn Reiche gefragt werden, was sie in ihrem Leben am meisten bereuen, dann geht es nicht um Geld und Karriere, sondern um die Angehörigen. Das grösste Bedauern löst ein ungutes Verhältnis zur Familie aus, gefolgt von der Einsicht, ihr nicht mehr Zeit gewidmet zu haben. Foto: Martin Parr/Magnum Die Umfrage ist auch politisch relevant. Denn 71 Prozent der Millionäre beobachten, dass der amerikanische Traum, durch Arbeit sozial aufzusteigen, gefährdet ist. 63 Prozent geben sich besorgt über das wachsende Wohlstandsgefälle. Victor Weber
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