Drum verhandle, wer sich bindet

Wirtschaft
sonntagszeitung.ch | 15. November 2015
Drum verhandle, wer sich bindet
Bürohr
UBS-Präsident Axel Weber schlüpft in eine bemerkenswerte Rolle: Er wird neuer Kuratoriumsvorsitzender des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung. Dieses steht
eher links der Mitte, während
der frühere Bundesbankchef
Weber sich von einem SPDnahen zu einem konservativen
Ökonomen gewandelt hat.
Bei den Linken im Kuratorium,
darunter Vertreter des SPDgeführten Bundeswirtschaftsministeriums, des
rot-grünen Berliner Senats und des Deutschen
Gewerkschaftsbundes, kam Webers Wahl laut
«Frankfurter Allgemeinen Zeitung» nicht gut an.
Bei einem Geografie-Test würde die Swiss nicht
viel besser abschneiden als die Miss-SchweizKandidatinnen mit ihrem peinlichen GeografieUnwissen. Im Fluggastheft «Swiss Magazine» erkor die Fluggesellschaft Lugano zur Hauptstadt
des Tessins. Hauptort ist jedoch Bellinzona, obwohl Lugano die grösste Stadt ist. Es ist wie bei
der Swiss selbst: Offizieller Hauptsitz ist zwar
Zürich, faktisch wird die Lufthansa-Tochter jedoch
von Frankfurt aus gesteuert.
Der Zürcher PR-Berater Sacha Wigdorovits weihte
diese Woche sein neues Büro im Nobelquartier
Seefeld ein. Vor dem Gebäude, das zu fünf Sechsteln vom Verlagshaus Ringier gemietet ist, steht
eine Zeitungsbox des «Blicks am Abend». Das birgt
gleich eine doppelte Ironie: Bei Ringier musste
Wigdorovits seinen Stuhl als «Blick»-Chefredaktor
1997 im Streit räumen. Später versuchte er sein
Glück als Verleger der Gratiszeitung «.ch». Deren
missglücktes Verteilkonzept mit Metallständern vor
Hauseingängen trug wesentlich zum Scheitern bei.
Viele Hauseigen­tümer entsorgten auf ihrem Grundstück deponierte Ständer.
Economiesuisse-Präsident Heinz Karrer
war in den letzten
Wochen mit dem kriselnden Kuoni-Konzern beschäftigt, wo
er als Verwaltungsratspräsident amtet.
Auf politischer Ebene
sind er und Monika
Rühl, die die Geschäfte des Wirtschaftsdachverbandes operativ führt, ebenfalls gefordert. Alles nur ein Kinderspiel? Das könnte man denken, wenn man das
«Migros-Magazin» aufschlägt und Rühl und Chef
Karrer als Dreikäsehoch posieren sieht. Karrer ist
als 8-Jähriger beim Bergsteigen mit dem Vater
abgelichtet, Rühl lacht als Erstklässlerin mit Zöpfen in die Kamera. Mit den Fotos wollen sie eine
Spendenaktion der Migros unterstützen.
80 Millionen
Kunden für die
Wirtschaft
Selbst beim gleichen Finanzinstitut erhalten Hauskäufer ganz unterschiedliche Hypothekarzinsen
Jürg Meier
Zürich Der Schweizer Hypothekar-
markt wird immer unübersichtlicher. Zwar sind die Zinsen so tief
wie kaum je zuvor: Eine Hypothek
mit einer Laufzeit von 10 Jahren
ist heute rund 45 Prozent günstiger als noch 2009. Doch neue Anbieter drängen auf den Markt, die
offerierten Zinssätze klaffen immer weiter auseinander. Bei Banken und Versicherungen lassen sich
heute für eine 5-jährige Hypothek
Angebote zwischen 0,82 und 1,65
Prozent finden. Vor zwei Jahren
war diese Differenz viel kleiner, die
Angebotsspanne lag zwischen 1,22
und 1,55 Prozent.
Grosse Rabatte für Kunden mit
guten Werten bei Tragbarkeit
Die Hyposätze unterscheiden sich
aber nicht nur von Bank zu Bank
stark. «Wir sehen bei den Hypothekarabschlüssen, dass die offerierten Zinssätze selbst beim gleichen Anbieter je nach Kunde sehr
unterschiedlich sein können», sagt
Stefan Heitmann, Chef des Hypothekarberatungsunternehmens
Moneypark, an dem auch SonntagsZeitungs-Herausgeberin Tamedia beteiligt ist. Zwei Kunden
der gleichen Bank können für die
gleiche Hypothekarsumme und
die gleiche Laufzeit also ganz unterschiedliche Konditionen erhalten.
Moneypark hat analysiert, wie
hoch diese Differenzen sein können. Dazu hat sie die sogenannten
Schaufensterpreise herangezogen.
Die Kreditinstitute publizieren diese etwa im Internet. Sie wurden
dann mit tatsächlichen, über Moneypark getätigten Abschlüssen
verglichen sowie mit Offerten, welche die Kunden selber bei Banken
eingeholt hatten.
Die Schlussfolgerung: In Extremfällen liegen Abschläge von
bis zu 40 Basispunkten zu den
­publizierten Schaufensterpreisen
drin. Eine zehnjährige Hypothek
erhält man in diesem Fall anstatt
für einen Zinssatz von 1,90 Prozent zu 1,50 Prozent. Bei einer Hypothek von einer Million Franken
spart man so über die gesamte
Laufzeit 40 000 Franken.
Die erzielbaren Reduktionen
sind umso grösser, je länger die
Hypotheken laufen. Aber auch bei
kurzfristigen Liborhypotheken
­lassen sich Abschläge erzielen. «15
bis 25 Basispunkte liegen durchaus drin», sagt Heitmann.
Eine Reihe dieser Abschläge erhalten Kunden nur, wenn sie bestimmte Kriterien erfüllen. Manche Kunden können aufgrund i­ hrer
finanziellen Situation nicht oder
kaum profitieren. Steht ein Hauskäufer finanziell auf schwachen
Beinen, sind sogar Aufschläge auf
den publizierten Werten möglich.
Entscheidend ist in allen Fällen
aber der Verhandlungswille und
das Verhandlungsgeschick der
Kunden (siehe Kasten): «Keine
Bank reduziert ihre Preise jemals
freiwillig», sagt Heitmann.
Grosse Rabatte erhalten Kunden, die besonders gute Werte bei
der Tragbarkeit ausweisen. Diese
muss grundsätzlich unter 33 Prozent liegen: Bei einem Anstieg der
Zinsen auf 5 Prozent dürfen die
Hauseigentümer nicht mehr als 33
Prozent des Lohnes für die Bezahlung der Hypothek ausgeben. Erreichen Hypothekarkunden einen
Wert im Bereich von 28 bis 30 Prozent oder darunter, sind sie für die
Banken deutlich attraktiver. Die
Banken haben in diesen Fällen viel
tiefere Kosten, um das Ausfalls­
risiko zu versichern, erklärt Stefan
Heitmann.
Die Banken sind aber noch aus
einem anderen Grund dazu bereit,
solchen Kunden bessere Konditionen zu gewähren. Je weiter der
Kunde unter der Schwelle von 33
Prozent liegt, desto finanzkräftiger ist er und kann demnach mehr
Geld pro Monat auf die Seite legen. «Die Bank hat damit die Möglichkeit, zusätzliche Geschäfte mit
dem Kunden zu machen, was ihn
natürlich noch attraktiver macht»,
erklärt Heitmann.
Hohe Abschläge gewähren die
Banken auch Kunden, die ihr Haus
mit einer tiefen Belehnung kaufen.
Schon wenn diese von Anfang an
unter den im Minimum geforderten 80 Prozent des Objektwerts liegen, sind Abschläge möglich. Kann
man es sich gar leisten, eine Hypothek in der Höhe von nur 65 Prozent des Hauswerts aufzunehmen
– dem Wert also, auf den man seine Hypothek gemäss Richtlinien
innert fünfzehn Jahren abstottern
So bekommen Sie eine
günstige Hypothek
Die beste Strategie lautet, zuerst
den günstigsten Hypothekengeber zu suchen und die individuellen Angebote danach nachzuverhandeln. So gehts:
Bauen im Grünen: Je länger die Hypothek läuft, desto grösser die möglichen Abschläge
Entwicklung der Hypothekarzinsen seit 2008
5
Prozent
Festhypothek 10 Jahre (CHF)
Festhypothek 5 Jahre (CHF)
3
1
Liborhypothek (3 Monate, CHF)
-1
2008
2009
2010
2011
2012
2013
2014
2015
SoZ mav; Quelle: Moneypark
muss –, liegen gut und gerne 20
Basispunkte Rabatt drin.
Bei der Beurteilung der Kunden
durch die Banken spielen noch eine
Reihe von anderen Faktoren eine
Rolle. Gern sehen die Banken Bargeldreserven. Hat man mindestens
25 000 Franken auf der hohen Kante, honorieren sie das oft mit
­Abschlägen – insbesondere dann,
wenn das Geld zur Bank transferiert wird, die auch die Hypothek
vergibt. Von Vorteil sind auch zwei
Schuldner für ein Objekt, zum Bei-
spiel ein Paar, das eine Wohnung
kauft. Ist die Immobilie aus Sicht
der Kreditgeber zudem einfach
weiterzuverkaufen, kann das die
Zinshöhe noch einmal reduzieren.
Bei Hypotheken mit Laufzeiten
ab sieben Jahren bieten Versicherungen häufig bessere Zinssätze
als Banken. Oft gewähren sie Vergünstigungen, wenn man weitere
Verträge abschliesst – etwa für eine
Lebensversicherung oder eine Reiseversicherung. Zwar soll man diese Produkte nicht ohne Beratung
kaufen und einen Konkurrenzvergleich machen. Oft erweisen sich
solche Kombinationen laut Heitmann aber als sehr attraktiv, ein
Abschluss könne sich durchaus
lohnen.
Heitmann betont, dass die Studie nur eine Momentaufnahme
biete. «Die erreichbaren Abschläge können fast täglich grösser oder
kleiner werden.» Der Markt sei für
Kunden unübersichtlich und anspruchsvoll, der Vergleich ein
Muss.
1. Verschaffen Sie sich im Internet
einen Überblick über die aktuellen
Zinsen.
2. Schliessen Sie Ihre Hypothek
nicht vorschnell ab, selbst wenn
Ihnen ein Angebot auf den ersten
Blick attraktiv erscheint.
3. Nutzen Sie gegebenenfalls unabhängige Marktplätze und professionelle Berater. Diese orientieren sich nicht einfach an den
Schaufensterpreisen. Sie haben
ein Gespür dafür, welche Abschläge die Anbieter spezifischen Kunden geben.
4. Wenn Sie keinen Beratungsdienstleister nutzen, sollten Sie bei
mindestens fünf Anbietern Offerten einholen. Nur so gewinnen Sie
einen vernünftigen Überblick.
5. Mit der günstigsten Offerte gehen Sie zur Konkurrenz und geben
dieser die Chance, dieses Angebot zu unterbieten. Wiederholen
Sie diesen Prozess, bis Sie mit den
Konditionen zufrieden sind.
6. Verhandeln Sie bestimmt und
konsequent, entweder im Alleingang oder mit einem Hypothekarspezialisten, der die Verhandlung
für Sie führt.
7. Vergleichen Sie die Angebote
genau und versuchen Sie, diese im
Detail zu verstehen. Achten Sie
nicht nur auf den angebotenen
Zinssatz, sondern auch auf das
Kleingedruckte. Verbesserte Offerten enthalten zum Beispiel oft
Zusatzbedingungen, welche die
Vergleichbarkeit erschweren.
Besonders gute Zinskonditionen
werden derzeit von einer Reihe von
Onlinebanken angeboten. Trotzdem sind diese nicht immer am
günstigsten. Das Problem ist, dass
die Software der Anbieter die Hypothekarkunden nur schablonenhaft bewertet. Dazu kommt, dass
Banken oder Versicherungen bei
attraktiven Kunden durchaus bereit sind, die Offerten von Onlineanbietern zu unterbieten.
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Ein früherer Baumanager gründet
Beratungsfirma für Iran-Geschäfte
Teheran Es war 19 Uhr 30, als Touraj Etezady und
sein Schweizer Begleiter im Energieministerium in
Teheran vorsprachen. Das riesige Gebäude war menschenleer, nur die Gastgeber der Besucher aus der
Schweiz hatten eineinhalb Stunden ausgeharrt.
­Sekretärinnen servierten Tee, bevor sie sich ins allabendliche Teheraner Verkehrschaos stürzten. Das
zeigt, dass nicht nur ausländische Geschäftsleute grosses Interesse am Iran haben. Das Land wartet ebenfalls darauf, endlich wieder Geschäfte mit dem Westen machen zu können.
Falls die Sanktionen dank dem Atomdeal Anfang
2016 tatsächlich aufgehoben werden, will der 46-jährige Etezady vorne dabei sein. Noch bis Ende Jahr ist
er Chef der Investmentabteilung des Schweizer Bauriesen Marti. Danach wird er sich auf sein Beratungsunternehmen Sagros AG konzentrieren. Diese Schweizer Firma hat im Oktober eine Tochterfirma im Iran
gegründet. Sie soll Geschäftsbeziehungen vorbereiten, mögliche Deals ausarbeiten, Absichtserklärungen abschliessen.
Warum waren fast keine Schweizer Firmen
an der wichtigen Energiekonferenz in Teheran?
Touraj Etezady floh vor 35 Jahren aus dem Iran. Er
promovierte später beim Schweizer Chemie-Nobelpreisträger Kurt Wüthrich, bei dem er auch Ober­
assistent war. Bei Marti war er in Zusammenarbeit mit
dem Kanton Bern für die Finanzierung des Verwaltungszentrums Burgdorf verantwortlich. Er berät zudem eine UNO-Organisation darüber, wie private
­Investoren die Finanzierung von Projekten der öffentlichen Hand übernehmen könnten.
Das Potenzial ist riesig. «Der Iran ist einer der grössten Infrastrukturmärkte der Welt», sagt Etezady.
180 Milliarden Dollar müssten bis 2019 investiert
werden. Die Schweiz geniesse im Iran einen sehr guten Ruf. Dies nicht nur, weil das Land in den letzten
Jahren die Interessen der USA vertreten hatte. Schweizer Qualität sei ein Verkaufsargument, «Swissness
wirkt». Bei der Vermittlung von Geschäften mit dem
Iran zielt er vor allem auf mittlere und kleine Unternehmen, die angesichts der schwierigen Situation in
Europa nach neuen Absatzmärkten suchen. Das Land
habe für die Maschinenindustrie oder für Zugbauer
Potenzial. Es bestehe auch Interesse an Schweizer
­Ingenieurswissen, etwa für Staudammprojekte. Im
Land mit seinen 80 Millionen Einwohnern gebe es
zudem eine gut etablierte Mittelschicht, die ein Faible für Uhren habe.
Eines ist für Etezady klar: «Ohne Beziehungen läuft
für Firmen im Iran nichts.» Nachdenklich stimmt ihn
darum, dass Schweizer Firmen den Zug zu verpassen
scheinen. An der kürzlich abgehaltenen Energiekonferenz Ipec in Teheran seien Vertreter vieler westeuropäischer Länder vor Ort gewesen, allerdings kaum
jemand aus der Schweiz. Die Iraner hätten ihm zu verstehen gegeben, dass man nicht auf die Schweizer warten werde. Jürg Meier