Immobilienblase: Falscher Alarm der UBS

Wirtschaft
32
9. August 2015 | sonntagszeitung.ch
Kakaoplantage
in der Elfen­
bein­küste:
Anstieg der
Kinderarbeit
in den letzten
Jahren um
59 Prozent
Foto: Keystone
Auf Kakaoplantagen nimmt
die Kinderarbeit zu statt ab
Schokoladenhersteller scheitern mit dem Ziel, die Ausbeutung von Minderjährigen zu eliminieren
Cornelia Krause
Zürich Ein Abkommen zwischen
Regierungen und der Schokoladenindustrie vor fast 15 Jahren
sollte die Wende für westafrikanische Kinder bringen: Ziel war es,
Kinderarbeit auf Kakaoplantagen
in ihrer schlimmsten Form bis
2005 auszumerzen. Die Frist ist
längst verstrichen, nun zieht eine
Studie im Auftrag der US-Regierung eine bittere Bilanz.
Die Zahl der in der Industrie arbeitenden Kinder im westlichen
Afrika ist in den vergangenen Jahren nicht gesunken, sondern gar
noch gestiegen. In der Erntesaison
2013/14 arbeiteten in Ghana und
der Elfenbeinküste mehr als 2,2
Millionen Kinder zwischen fünf
und 17 Jahren in der Kakaoproduk­
tion, wie aus der Studie der Tu­lane
University in New Orleans hervor-
geht. Das sind 443 000 mehr als
2008/09. Dabei entwickeln sich die
Länder auseinander: In der Elfenbeinküste stieg die Kinderarbeit um
59 Prozent. In Ghana ging sie hingegen um 4 Prozent zurück. In beiden Ländern verrichten fast alle betroffenen Kinder noch immer gefährliche Arbeiten, beispielsweise
ernten sie Kakaoschoten mit Macheten oder schleppen schwere Säcke mit Bohnen und Insektiziden.
Dass mehr Kinder als zuvor Arbeit in den Plantagen verrichten,
beruht unter anderem auf der Tatsache, dass der Kakaoanbau in den
Ländern stark zunimmt. In Ghana
stiegen die Produktionsmengen im
Vergleich zu 2008/09 um 36 Prozent, in der Elfenbeinküste um
mehr als 40 Prozent. Wachsende
Bevölkerungszahlen und politische
Unruhen trugen ebenso zur negativen Entwicklung bei. «Grund­
sätzlich sind die Ergebnisse wenig überraschend», sagt Antonie
­Fountain, Direktor von Voice, dem
Netzwerk europäischer Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften, dem auch die Erklärung
von Bern angehört. «Sie zeigen,
dass die Massnahmen von Industrie und Regierungen dem Problem
bei weitem nicht gewachsen sind.»
bekämpfung sowie eine systematische Erfassung der Kinderarbeit.
Auch müsse ­
allen Kindern ein
Schulbesuch ermöglicht werden.
Die Studie sorgt für Diskus­
sionen bei den grossen Schweizer
Schokoladeproduzenten. Einzelne
Firmen, etwa Barry Callebaut und
die Migros-Tochter Chocolat Frey,
wollen sich aber nicht dazu äussern
und verweisen an Verbände wie die
internationale World Cocoa Foundation oder Chocosuisse. «Die 2,2
Millionen betroffenen Kinder zeigen, dass es weiterhin ge­meinsame
Anstrengungen von ­Industrie und
Politik braucht, um dieses vielschichtige Problem zu lösen», sagt
Chocosuisse-Direktor Urs Furrer.
Allerdings entdeckt er in der
Studie auch positive Entwicklungen. Zwar seien die absoluten Zahlen zur Kinderarbeit alarmierend.
Der Anteil des mit Kinderarbeit
Die Schoggi-Industrie
räumt Defizite ein
Die Bemühungen der Firmen, die
Produktivität der Plantagen und
damit auch die Einkommen der
Bauern zu verbessern, seien zu
kurz gedacht. Denn je produktiver
die Plantage, desto mehr Arbeits­
kräfte – also auch Kinder – kämen
zum Einsatz. Zudem würden viele Dörfer mit den bisherigen Massnahmen nicht erreicht. Fountain
fordert mehr Mittel zur Armuts-
produzierten Kakaos sei im Verhältnis zur gestiegenen Produk­
tionsmenge jedoch gesunken.
Auch nehme in den Ländern die
Zahl der Kinder zu, die die Schule besuchten. In das gleiche Horn
bläst die World Cocoa Founda­tion.
Sie räumt aber ebenso ein: «Die
Zahlen zeigen, dass die bisherigen
Bemühungen von Regierungen
und Industrie nicht ausreichen.»
Lindt & Sprüngli und Nestlé
verweisen auf eigene Nachhaltigkeitsprogramme und Bemühungen, die Kinderarbeit bei ihren Produzenten einzudämmen. Man werde die Studie genau anschauen und
­gegebenenfalls Massnahmen für
die eigenen Programme ableiten.
Die Zeit läuft, sollte man meinen: Bis 2020 wollen Industrie und
Regierungen die Kinderarbeit um
70 Prozent reduzieren, so das
­aktuelle Ziel.
Immobilienblase: Falscher Alarm der UBS
Die effektiv bezahlten Preise würden keine Überhitzung anzeigen, widersprechen Experten
Zürich Die UBS warnte diese Wo-
che, die Gefahr einer Immobilienblase steige. Die Eigenheimpreise
für Private haben laut dem Index
der Grossbank unverhältnismässig
stark zugenommen. Es könne noch
längst keine Entwarnung gegeben
werden. Andere Immobilienexperten sehen die Lage viel ­entspannter.
Stefan Heitmann, Chef des Finanzberaters Moneypark, sagt, die
Zeiten des überdurchschnittlichen
Preiswachstums auf dem Immobilienmarkt seien vorbei. «Die Prognosen der UBS bestätigen sich in
der Praxis nicht. Wir sehen keine
landesweiten Anzeichen einer Blase», sagt Heitmann. Die UBS analysiert im Immobilienblasenindex
die in Inseraten ausgeschriebenen
Preise. In der Realität werde heute aber häufig deutlich weniger bezahlt, so Heitmann. Diese Differenz ist im Index der UBS nicht berücksichtigt.
Massnahmen wie antizyklischer
Kapitalpuffer greifen
In einer Auswertung von 2000
­abgeschlossenen Neuhypotheken
zeigt Moneypark, dass die durchschnittlichen Kaufpreise gesunken
sind. Private kaufen demnach eher
günstigere ­Objekte.
Je nach Segment und Region
sind die Preise unter Druck. Besonders in den oberen Kategorien sowie
in vielen ehemaligen Hotspot-Re­
gionen wie Zürichsee, Genfersee
und Engadin stellt Moneypark rück­
läufige Preise fest. Zudem seien die
Kreditinstitute bei der Vergabe von
Krediten vorsichtiger geworden.
«Die Banken sind zu Rosinenpickern mutiert», sagt Heitmann.
Auch andere Beobachter sehen
eine Beruhigung im Markt. Im
zweiten Quartal habe sich das
Die Preise sinken
1271
Durchschnittlicher
Kaufpreis einer
Immobilie in
1000 Franken
1117
962
933
943
903
2013
2014
930
927
932
2015
SoZ mav; Quelle: Moneypark
Wachstum der Immobilienpreise
abgeschwächt, sagt Thomas Rieder, Immobilienexperte der Credit
Suisse. «Die Gefahr einer Immobilienblase hat abgenommen. Die
Regulierungsmassnahmen greifen.» Dazu gehört der vom Bundesrat eingeführte antizyklische
Kapitalpuffer, der von Banken
mehr Eigenmittel für Wohnbauhypotheken verlangt. Die Gefahr einer von Spekulanten fabrizierten
Blase bestehe hierzulande kaum,
sagt Rieder. «In der Schweiz fehlt
das spekulative Element. Käufer
erwerben Wohneigentum meistens
für den Eigengebrauch und nicht,
um sie mit Gewinn abzustossen.»
Dass die Spezialisten der UBS
die Lage auf dem Schweizer Immobilienmarkt dramatischer sehen, kann den Kundenbetreuern
der Bank laut Stefan Heitmann von
Moneypark nur recht sein. «Die
UBS ist bei Hypotheken oft teurer
als die Konkurrenz. Deren Bankberatern kommt es entgegen, wenn
von einer Immobilienblase die
Rede ist. So können sie ihre hohen
Preise und tiefen Immobilienbewertungen eher rechtfertigen»,
sagt er.
Erich Bürgler