Hausbesitzer verschenken Millionen

Wirtschaft
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22. Mai 2016 | sonntagszeitung.ch
Hausbesitzer verschenken Millionen
Bei der Erneuerung ihrer Hypothek stellen viele Eigentümer keine Preisvergleiche an
Erneuerungen machen drei Viertel des Hypothekargeschäftes aus.
Jahr für Jahr dürften in der Schweiz
rund 100 Milliarden Franken an
Hauskrediten verlängert werden,
schätzt Stefan Heitmann. Würden
die Besitzer konsequent verhandeln, könnten sie pro Jahr mindestens 240 Millionen Franken sparen, so die Studie.
Im Schnitt verliert ein Haushalt, der bei der Refinanzierung
der Hypothek keine Vergleichs­
offerten einholt, über die gesamte
Laufzeit 14 000 bis 18 000 Franken oder, umgerechnet auf ein Jahr,
2150 bis 2800 Franken. Rechnet
man diese Differenz auf den gesamten Hypothekarbestand von
rund 900 Milliarden Franken hoch,
fliessen Jahr für Jahr 1,5 bis 2 Milliarden Franken unnötigerweise
an die Kreditinstitute.
Jürg Meier
Zürich Mitte April wurde im
Schweizer Hypothekarmarkt ein
neuer Rekord gemessen. Die Zinskosten für Laufzeiten bis zu 7 Jahren fielen auf den niedrigsten jemals gemessenen Stand. Viele
frischgebackene Hausbesitzer finanzieren ihr Traumhaus so billig
wie nie zuvor. Etwas anders sieht
es allerdings bei Kunden aus, die
bereits ein Haus haben und ihre
Hypotheken jetzt erneuern. Sie
verschenken bei der Verlängerung
Millionen. Das zeigt eine Studie
des unabhängigen Beratungsunternehmens Moneypark, an dem auch
die SonntagsZeitungs-Herausgeberin Tamedia beteiligt ist.
Grund dafür ist die Trägheit der
Eigentümer. 85 Prozent von ihnen
verlängern ihre Hypothek bei ihrer
Hausbank. Mehr als zwei Drittel
dieser Gruppe schliessen den Vertrag ab, ohne eine Offerte bei der
Konkurrenz einzuholen. Als besonders vertrauensselig erweisen
sich die Frauen. Mehr als drei Viertel von ihnen verzichten auf eine
Vergleichsofferte.
Falsches Vertrauen
in die Hausbank
Sparen bei den Lebensmitteln,
aber nicht bei der Hypothek
Terrassenwohnungen in Muhen AG: Wer seine Hypothek erneuert, muss Offerten einholen
Foto: Key
Anteile am Hypo-Markt
In Prozent
17,3
S
47,5
Rest
Raiffeisen
CS
Giampiero Brundia von der Hypothekenbörse rät dazu, sich 6 bis 9 Monate vor Ablauf der Hypothek um eine Verlängerung zu kümmern. Sonst
ist die Gefahr gross, dass man Kündigungstermine verpasst. Danach gilt
es gemäss Moneypark, mindestens drei Vergleichsofferten einzuholen. Dabei soll man verschiedene Anbieter berücksichtigen, gerade bei
längeren Laufzeiten auch Versicherungen. Eine erste Orientierung bieten
die Zinssätze, welche viele Finanzinstitute im Internet publizieren. Allerdings handelt es sich dabei um Richtpreise. Die tatsächlichen Sätze
können je nach Finanzkraft der Kunden tiefer oder höher liegen. Viele
Hypothekarkunden lassen sich vom vermutet hohen Aufwand eines Anbieterwechsels abschrecken. Ein guter Teil des Papierkrams wird aber
von der ­neuen Bank oder von den Vergleichsdienstleistern übernommen.
UB
Wie man seine Hypothek richtig ablöst
ZKB
Die finanziellen Folgen sind
enorm. Die rekordtiefen Zinsen
täuschen darüber hinweg, dass es
zwischen den günstigsten und den
teuersten Anbietern markante
Unterschiede gibt. Anfang April
lag der tiefste Zinssatz bei den von
Moneypark vermittelten Fünfjahres-Festhypotheken bei 0,71 Prozent. Die öffentlich publizierten
Angebote der vier grossen Hypothekaranbieter in der Schweiz (siehe Grafik) lagen dagegen bei 1,12
Prozent. Die fünf teuersten Anbieter im Markt offerierten für die
gleiche Hypothek gar Zinssätze
von durchschnittlich 1,66 Prozent.
Mit anderen Worten: Wer für
eine Hypothek von 500 000 Franken den günstigsten Anbieter
wählte, zahlte über die gesamte
Laufzeit 23 000 Franken weniger
als jener Kunde, der das teuerste
Angebot unterschrieb.
Während der Wettbewerb bei
der Vergabe von Neuhypotheken
immer stärker spielt, sieht es im Geschäft mit der Ablösung bestehender Hypotheken anders aus.
Moneypark erhalte sehr viele
­
­Anfragen für neue Hypotheken,
aber relativ wenige für die Ablösung von bestehenden Hauskrediten, sagt Moneypark-Chef Stefan
Heitmann.
Auch Giampiero Brundia,
­Geschäftsführer der Hypotheken­
börse, beobachtet das Phänomen.
«Hausbesitzer fahren nach
Deutschland, um Lebensmittel billiger einzukaufen. Danach schliessen sie bei ihrer Hausbank eine
Hypothek ab, bei der sie Tausende Franken verlieren.»
Quelle: Moneypark
16,7
10,6
7,9
Viele Hypothekarkunden machen
den Fehler, dass sie sich gar nicht
oder viel zu spät um die Refinanzierung ihrer Hypothek kümmern.
Doch Heitmann nimmt auch die
Banken in die Pflicht. «Viele Kunden handeln im guten Glauben,
dass ihnen ihre Hausbank konkurrenzfähige Angebote macht. Doch
die Banken tun nichts d
­ ergleichen»,
erklärt er. Daraus ergebe sich «ein
lukratives Geschäft für die Kreditinstitute».
Gemäss der Studie von Moneypark gehen über 50 Prozent der
Kunden, die ihrer Hausbank treu
bleiben, davon aus, dass sie von
ihr ein gutes Angebot bekommen
haben. Ein anderes Ergebnis der
Erhebung zeigt jedoch, dass die
Hausbesitzer mit dieser Vermutung falsch liegen. Von den Kunden, die die Bank wechseln, geben
zwei Drittel als Grund die «tieferen Zinsen beim neuen Anbieter»
an. Nur wer seine Hausbank also
mit Konkurrenzofferten unter
Druck setzt, kann laut Heitmann
kompetitive Angebote erhalten.
Oftmals werden bestehende
Kunden gar noch bestraft, wie Giampiero Brundia sagt. «Sie haben
bei Abschluss der Hypothek für
den Kauf des Hauses sehr attraktive Konditionen erhalten, weshalb
die Institute versuchen, bei der
Verlängerung ein möglichst gutes
Geschäft zu machen.»
Dass es die Kunden den ­Banken
bei der Refinanzierung viel zu
leicht machen, zeigt auch ein Blick
über die Grenze. Während in der
Schweiz weniger als 3 Prozent der
Hypotheken über Vermittler wie
Moneypark, die Hypothekenbörse oder Hypoplus vergeben werden, liegt dieser Anteil in Deutschland oder Frankreich bei 60 Prozent oder mehr. In den USA und
Grossbritannien werden gar weniger als 10 Prozent der Hypotheken
direkt über eine Bank vergeben.
Kofler & Karriere
Die Männer und der Ermotti-Test
Kürzlich lauschte ich dem Referat eines Start-up-Gründers,
dessen Outfit weder dem Anlass noch seinem fortgeschrittenen Alter würdig war. Bin ich
zu konservativ? Liliana F. aus A.
Überhaupt nicht. Diese vom Silicon Valley inspirierte, «anything
goes»-Mentalität ist ein zuneh-
mendes Ärgernis. Mir ist ein Auftritt von Jan Bredack in Erinnerung, Gründer der ersten veganen
Supermarkt-Kette Deutschlands.
Der Mann ist Mitte 40 und hat ein
stattliches Bäuchlein (trotz veganer Ernährung!). Doch statt wie
seine Vorredner im Anzug, trat
Bredack in Cargohosen und
einem Hoodie auf, das sich heftig
über dem Bauch spannte. Interessanterweise war ich als Frau die
Einzige, die den infantilen Look
kritisierte, während die Kollegen
den Deutschen bewunderten.
«Weil er so ne supercoole Geschäftsidee hatte, darf er auch
ein bisschen nachlässig herumlaufen», so der Tenor. Ob sie bei
einer Frau, die in Jogginghosen
und Kapuzenshirt referiert hätte,
ähnlich tolerant gewesen wären?
Männer haben sich einfach
noch nicht recht daran gewöhnt,
dass sie im Geschäftsleben nicht
mehr nur nach ihrer Position, sondern auch nach ihrem Äusseren
bewertet werden. Das zeigt die
hohe Durchfallquote bei meinem
kleinen Ermotti-Test. Wann immer
ich die attraktive Erscheinung des
UBS-Chefs lobe, löst das bei den
Kollegen einen kleinen Shitstorm
aus. «Zu geschniegelt» oder «och,
der ist von nah gar nicht so
schön» wird dann beleidigt
­gemault, und ich muss grinsen.
Karin Kofler,
Autorin Wirtschaft
Wir Frauen sind uns daran gewohnt, dass die Wirtschaftsbühne auch ein Laufsteg ist und wir
im Wettbewerb mit Schönheiten
wie Yahoo-Chefin Marissa Mayer
sind. Also dürfen wir uns auch an
beleibten Männern im Hoodie
stossen. Darum, liebe Frau F.: Ihr
Stil-Hilferuf ist gerechtfertigt. Ihre
Augen haben Besseres verdient.
Haben Sie ein Problem im Büro,
schreiben Sie an karin.kofler@
sonntagszeitung.ch