Typische Schwierigkeiten beim Lernen

1- 16. Typische Schwierigkeiten beim Lernen
Beim Lernen ergeben sich häufig ganz typische Sorgen und Nöte des Lernenden. Dabei geht es meist um
emotionale Schwierigkeiten mit dem Lernstoff oder der Stoffmenge, um Lernstörungen durch Kränkungen,
um den Umgang mit Fehlern oder um Lern- und Prüfungsangst. Tauchen solche emotionalen Probleme mit
dem Lernen auf, gibt es verschiedene Möglichkeiten, konstruktiv mit diesen umzugehen.
1. Der Stoff ist scheinbar kaum zu bewältigen
Viele Menschen erleben zu Beginn einer Lernepisode Phasen, in denen sie den Eindruck haben, dass der
zu lernende Stoff unermesslich ist und neigen zur Entmutigung. Das anfängliche „Lernstolpern“ wird aber wie
beim Eislaufen mit zunehmender Lernerfahrung zu einem „Lerngleiten“ und es werden mit der Zeit nicht nur
lineare, sondern exponentielle Fortschritte gemacht.
•
Man lernt zu lernen: zunehmend geschickterer Umgang mit eigenen Kapazitäten und Verwendung
wirkungsvoller Strategien
• Man lernt, die Aufmerksamkeit auf relevante Stellen zu lenken: zunehmend bessere Diskriminierung
von relevanten und weniger relevanten Inhalten
• Man erwirbt Vorwissen: damit wird das Lernen zunehmend automatischer und leichter, da sich für
neuen Stoff immer mehr Anknüpfungspunkte finden
Hat man dies im Hinterkopf, kann man optimistisch mit den ersten (wenn auch mühsamen) Schritten
beginnen. Nicht entmutigen lassen!
2. Braucht man das alles wirklich?
Solche Abwehrhaltungen einem neuen Lernstoff gegenüber schleichen sich meist unbemerkt ein, auch wenn
der Inhalt wissenswert wäre. Man wertet den Lernstoff ab, weil man keine Lust hat, sich damit zu
beschäftigen - man will sich die Mühe ersparen.
Mögliche Denkmodelle, um diesen Abwehrhaltungen zu begegnen:
•
•
Mentalität eines Reisenden aneignen: um das Ziel zu erreichen, muss man vielleicht auch durch
langweilige Steppen ziehen; klagt man über die öde Strecke, fällt es schwer durchzuhalten; mit Geduld
kommt man leichter ans Ziel
Es gibt Stärke in der Rebellion, aber auch in der Anpassung: an die Hitze der Wüste oder die Kälte
des Pols muss sich auch der mutigste Abenteurer anpassen; eine Rebellion ist hier absurd
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3. Unsicherheiten reduzieren
In manchen Lernsituationen fällt der Lernbeginn schwer, weil wichtige Fragen noch offen sind.
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Man weiß nicht, wie man lernen soll:
o Lerntechniken und Lernstrategien müssen oft erst gelernt werden
Man weiß nicht, was man lernen soll:
manchmal werden Prüflinge über den Prüfungsinhalt im Unklaren gelassen
•
sinnvoll sind dann Probeprüfungen oder Prüfungsbeisitze, Fallsammlungen von
Prüfungsfällen, Fragenkataloge, Informationen von ehemaligen Prüflingen usw.
Man weiß, was zu lernen ist, hat aber die Materialien nicht:
relevante Bücher können verliehen, Skripte von Freunden nicht auffindbar sein usw.
o
Hier muss energisch gehandelt werden: Notfalls ein Buch kaufen (und später wieder
verkaufen), keine Fotokopien ohne Abbildungen verwenden, Internet- Antiquariate nutzen
o Aber Vorsicht: der Drang, möglichst viel Vorbereitungsliteratur zu sammeln, kann als
Vorwand dienen, noch nicht mit dem Lernen zu beginnen!
Man weiß nicht, wie detailliert gelernt werden muss:
auch wenn die Prüfungsliteratur mit dem Prüfer verabredet ist, können Unsicherheiten bestehen bleiben
o
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(z.B. Müssen die Beispiele auch gelernt werden? Gehört die Einleitung mit zum Stoff? Muss man alle
Jahreszahlen wissen oder nur die wichtigsten?); hilfreich:
o
o
o
In der Gruppe lernen (bietet eine Orientierung)
Selbstkritik üben (hat man überwiegend mit „gut“ oder „sehr gut“ abgeschnitten hat man
alles richtig gemacht; bei einem „ausreichend“ muss das eigene Lernverhalten verändert
werden)
Ehemalige Prüflinge nach Vorbereitungszeit, Freiheitsgrad der Prüfungen,
Fragensammlungen, Skripten usw. befragen
4. Anfangen können
Manche Studenten scheitern nur deshalb an Prüfungen, weil sie einfach mit dem Lernen nicht beginnen
können. Dafür kann es verschiedene Gründe geben:
•
Lernen am Erfolg:
man hat in der Schulzeit die Erfahrung gemacht, dass man schon irgendwie durchkommt, wenn man nur
in der letzten Nacht vor der Prüfung heftig lernt
Problem: in der Universität ist die Lernstoffmenge größer oder man hat in der Vorlesung
nicht alles verstanden
o Sinnvoll: einen strikten Lernplan mit Selbstbelohnungen erstellen
Tiefer liegende Ursachen:
man fürchtet sich davor, trotz Lernens zu scheitern und dann als nicht begabt genug da zu stehen. Die
o
•
Tendenz mit dem Lernen gar nicht erst anzufangen, wird umso größer sein, je mehr Zweifel man daran
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haben muss, hohe Erwartungen überhaupt zu erfüllen. Hier ist es sinnvoll:
o
o
o
Erwartungen zu reduzieren (sich auch über mittlere Ergebnisse oder Bestehen freuen)
den eigenen Selbstwert nicht von Prüfungsleistungen abhängig zu machen
die Paradoxie zu verstehen, dass man sich erst recht durch die Angst vor einer
mittelmäßigen Note in die Gefahr eines wirklichen Scheiterns bringt.
5. Langeweile bewältigen
Häufig stellt sich beim Lernen Langeweile ein. Tipps gegen Langeweile:
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Verschiedene Aufgaben erledigen (z.B. Karteikarten anfertigen, sich Graphiken für einen Text
überlegen) und die Aktivitäten abwechseln
Zeitweise von „geordneten“ Lernsystemen abweichen (z.B. nicht nur strikt eine Aufgabe nach der
anderen bearbeiten, sondern die Aufgabe wechseln, aus einem anderen Buch lernen)
Einen Stoff nicht einfach nur immer wieder durchlesen, sondern aktive Lernstrategien verwenden
(z.B. die PQ4R- Strategie; siehe Text 1-11 „Die PQ4R- Lernstrategie“)
Beim Lernen nicht nur still sitzen, sondern zwischendurch herumlaufen (Lernstoff mit bestimmten
Bewegungen verbinden), den Stoff laut aufsagen oder kalte bzw. heiße Getränke zu sich nehmen
(Weckreize)
6. Erfolgserlebnisse planen
Gerade wenn mehrere Misserfolge aufeinander folgten, hat man meist keine Lust mehr (oder sogar einen
Widerwillen), sich auf einen erneuten Lernversuch einzulassen. Daher müssen erste Lernschritte so geplant
werden, dass sie mit größter Sicherheit ein Erfolg werden:
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•
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Anforderungen reduzieren: schwierige Aufgaben in kleine Schritte zerlegen (z.B. nur wenige Vokabeln
lernen, bei Texten die Seitenzahl reduzieren, bei Verständnisaufgaben zunächst Gliederungen oder
Mind Maps (siehe Text 1-7 „Mind Maps“) anfertigen)
Mit leichten Aufgaben beginnen
Sich selbst für das Lösen einer Aufgabe belohnen
Sich selbst zugestehen, langsam und wenig strahlend zu sein
7. Kränkungen durch Korrektur ertragen
Fehlerkorrekturen durch einen Experten sind für das Lernen notwendig, jedoch gleichzeitig immer eine
Kränkung. Scheinbar muss erst mit zunehmender Lernerfahrung im Laufe des Lebens gelernt werden, mit
dieser Unterlegenheitssituation umzugehen.
Wie kann man Kränkungen vermindern?
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Lehrenden, die sich besserwisserisch und überlegen aufspielen, eine höfliche Rückmeldung
geben (z.B. „Habe ich Sie durch meinen Fehler beleidigt?“)
Den Kränkungs- und den Informationsaspekt einer Korrektur unterscheiden
Verstehen, dass auch der Korrektor Kränkungen erfährt; ein Misserfolg eines Lernenden kränkt
immer auch die Erfolgserwartungen des Lehrers
Sich selbstbestimmte Lernsituationen suchen, in denen keine Fremdkorrektur durch andere
Menschen erfolgt, sondern man für sich lernt und das Lernergebnis selbst bewerten kann
Am Computer lernen (der Computer ist geduldig, merkt sich keine Niederlagen usw.) (siehe Text 1-15
„E- Learning“) oder Bücher mit Lerninstruktionen verwenden
8. Das Selbstwertgefühl stärken
Wer ein gutes Selbstwertgefühl besitzt, kann leichter Kritik ertragen und Selbstkritik üben.
Zur Stärkung des Selbstwertgefühls kann man
•
•
sich vor einem neuen Lernprojekt auf eigene Erfolge und Bewältigungen von Aufgaben besinnen
(z.B. eine Liste erstellen)
sich mit eigenen Autosuggestionen immunisieren (z.B. „Jeder Fehler ist ein Schritt zum Erfolg.“,
„Man kann über mich lachen, weil ich ein Anfänger bin; wenn ich es einmal kann, werde ich Anfänger
höflich behandeln.“, „Ich kann viel, aber bei jedem Fehler lerne ich noch mehr.“)
9. Sich konzentrieren
Konzentration bezieht sich auf die Fähigkeit, eine Zeitlang die Aufmerksamkeit auf einen eng umgrenzten
Bereich des Wahrnehmungs- und Bewusstseinsfeldes zu lenken.
Mögliche Ursachen für mangelnde Konzentrationsfähigkeit können sein:
•
Emotionaler Stress (z.B. Sorgen, Prüfungsangst; siehe Texte 4-1 „Was ist Prüfungsangst“; 4-2
„Prüfungsangst verstehen und bewältigen“; 4-3 „Allgemeine Techniken zur Bewältigung von
Prüfungsangst“; 4-4 „Spezielle Verhaltenstipps bei Prüfungsangst“)
• Langweiliger Lernstoff
• Geistige Unter- oder Überforderung
• Mangelndes Funktionstraining (d.h. Konzentrieren wurde nicht gelernt)
• Zu wenig Wechsel des Lernstoffs oder Lernwegs
• Chaotischer Arbeitsplatz
• Motivations- oder Interessenmangel
Die Konzentrationsfähigkeit kann erhöht werden durch
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kleine Arbeitsschritte (die Lernarbeit in so kleine Lernphasen einteilen, wie man sich konzentrieren kann
(z.B. 10 Min., 30 Min.))
regelmäßige Lernpausen (siehe Text 1-4 „Lernpausen“)
verbesserte Arbeitsbedingungen (z.B. Bewegungen beim Lernen, Kaugummikauen, Lernen im Stehen)
aktive Lernstrategien (z.B. PQ4R- Lernstrategie; siehe Text 1-11 „Die PQ4R- Lernstrategie“; Mind Maps;
siehe Text 1-7 „Mind Maps“)
Entspannungstraining (siehe Text 1-5 „Entspannung“)
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Lernweg- und Lernstoffwechsel
Funktionsübungen
Günstige körperliche Voraussetzungen (z.B. ausreichend Schlaf, regelmäßige Sauerstoffzufuhr im
Arbeitsraum, genügend Flüssigkeitszufuhr, Bewegung als Ausgleich)
10. Einen Plan einhalten
Lernpläne sind Vorsätze und werden durch zu viele Ausnahmen schnell machtlos und vergessen. Um einen
Lernplan einhalten zu können, kann es hilfreich sein Regelungen zu finden, wie mit Barrieren umgegangen
wird:
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Innerlich ein Gutscheinheft z.B. für drei Ausfall- Termine anlegen
Nicht eingehaltene Lernzeiten auf Reservetermine oder Freizeit (z.B. Wochenende, eine Stunde früher
aufstehen) legen; dies ist unangenehm und wirkt als „Strafe“ für den Ausfall
Regelmäßige Pausen (siehe Text 1-4 „Lernpausen“) und Freizeit einplanen
Nach: Schuster, M. & Dumpert, H.- D. (2007). Besser Lernen. Heidelberg: Springer.
Keller, G. (2005). Lerntechniken von A bis Z. Bern: Huber.
Bearbeiter: Vera Onckels und Siegfried Preiser
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