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MITTWOCH, 09. MÄRZ 2016
DEUTSCHLANDS WIRTSCHAFTS- UND FINANZZEITUNG
2
THEMEN DES TAGES
Der US-Konzern Amazon drängt
ins Paketgeschäft. In München hat
die Deutsche Post fast ein Drittel
des Marktanteils verloren.
Post-Chef Appel beobachtet den
neuen Konkurrenten intensiv.
Amazon-Lieferung
(Montage): Erfolgreiches Pilotprojekt.
Shutterstock [M]
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F
rank Appel ist verhalten optimistisch. „Das
ist eine Herausforderung und weckt zugleich unseren sportlichen Ehrgeiz“, kommentierte
der Chef der Deutschen Post
kürzlich den Vorstoß seines
Großkunden Amazon, Pakete
selbst zuzustellen. Er wisse sehr
genau, sagte er dem Handelsblatt, wie anspruchsvoll dieses
Geschäft sei.
Amazon schreckt vor dieser
Herausforderung jedenfalls
nicht zurück. In München hat
der US-Versandhändler ein erstes Pilotprojekt zum Angriff auf
die Deutsche Post gestartet – offenbar mit Erfolg. „Die Mengen, die DHL an unsere Poststellen liefert, sind um 25 bis 30
Prozent eingebrochen“, berichtet Ekkehard Hahn. Der Unternehmer aus Frankfurt ist Chef
der Dienstleistungsfirma Mail
Professionals, die bundesweit
Poststellen für Firmenkunden
betreibt. Der DHL-Rückgang,
sagt er, gehe allein auf das Konto des „Amazon-Lieferdienstes“. Mit dem neuen Anbieter
stellt das Internetkaufhaus Bestellungen nun selbst zu. Die
Deutsche Post kommentiert die
Zahlen nicht.
Der Wettkampf um den Paketdienst in Deutschland könnte
noch härter werden. Bisher sind
es erst 240 Lieferwagen von
sechs Subunternehmen, die der
US-Konzern in München im Einsatz hat. Dabei wird es kaum
bleiben. „Wir wissen, dass wir
Logistik sehr gut können“, sagte
Amazons Europa-Logistikchef
Roy Perticucci im Interview mit
dem Handelsblatt. „Warum sollten
wir daraus also nicht ein Infrastruktur-Angebot machen, das andere nutzen können?“
Entscheidet Amazon-Chef Jeff
Bezos, das Pilotprojekt in ganz
Deutschland auszurollen, droht
dem Großkunden Deutsche Post
im boomenden Paketgeschäft ein
herber Rückschlag. Der Marktanteil von fast 50 Prozent wäre kaum
zu halten. Denn heute versendet
Bedeutung wächst
DHL-Paketumsatz in Mrd. Euro*
4,48 Mrd. €
4,01
Anteil am
Konzernumsatz
9,7 %
10,2 %
2014
2015
9 Monate
9 Monate
*inkl. E-Commerce und Ausland
Handelsblatt | Quelle: Unternehmen
Angriff auf
die Post
Jens Koenen, Joachim Hofer,
Christoph Schlautmann
Frankfurt, Luxemburg, Düsseldorf
das US-Onlinekaufhaus von den
1,15 Milliarden Paketen, die
Deutschlands Haushalte jährlich
erreichen, nahezu jedes siebte vorzugsweise mit der Post. Appel
dürfte das Beispiel Großbritannien
Warnung genug sein. Auf der Insel
hatte ein ähnlicher Angriff Amazons 2014 zur Folge, dass der angestammte Pakettransporteur Royal
Mail seine Wachstumsprognose
halbieren musste.
Aufsichtsrat und Vorstand beobachten die Pläne des neuen
Konkurrenten genau, berichten
Insider. Die Führungsgremien der
Deutschen Post wollen die weitere
Entwicklung „intensiv beobachten“, konkrete Maßnahmen seien
in der nächsten Zeit nicht geplant.
Noch verlasse man sich auf die eigene Stärke, heißt es im Konzern.
Doch es wäre gefährlich, Amazon
zu unterschätzen.
Schwerpunkt Seiten 4, 5
Kassenärzte im Visier
der Wirtschaftsprüfer
Die Aufsicht über Deutschlands
mächtigste Ärzteorganisation, die
Kassenärztliche Bundesvereinigung, wird verschärft. Auf Betreiben von Gesundheitsminister Gröhe sollen Zwangsgelder verhängt
werden, wenn Vorgaben der Aufsicht nicht umgesetzt werden.
Wirtschaftsprüfer sollen die Finanzen kontrollieren. Seite 9
Experten sehen Chinas
Wachstumsziel in Gefahr
Der Außenhandel der zweitgrößten Volkswirtschaft ist im Februar
unerwartet stark eingebrochen.
Auch das Wachstum des weltgrößten Automarkts schwächte sich
weiter ab. Experten gehen davon
aus, dass Peking ohne Konjunkturprogramme sein Wachstum nicht
stabilisieren kann. Seite 11
Ein gespaltener Konzern
probt den Neuanfang
20 000 Mitarbeiter erleben auf der
VW-Betriebsversammlung einen
geteilten Konzern. Auf der einen
Seite Konzernchef Matthias Müller,
der die Mitarbeiter beruhigen will.
Auf der anderen der von BMW eingekaufte Markenchef Herbert
Diess, der mit aller Kraft die schwache Marge aufmöbeln will. Seite 14
Bad Bank für
private Banken
Der Bundesverband deutscher
Banken kann mit der EIS Einlagensicherungsbank flexibler und früher
eingreifen, sollten Mitglieder in eine
Schieflage geraten. Zudem kann
das neue Institut Geldhäuser technisch abwickeln, die der Einlagensicherungsfonds stützen musste.
Seite 28
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Hohe Forderungen der Türkei
Politiker warnen vor zu großen Zugeständnissen an Ankara.
D
ie Forderungen der türkischen Regierung auf dem Gipfel mit der EU
haben in der Großen Koalition für
Unmut gesorgt. Politiker von Union und
SPD warnten davor, einen zu hohen Preis
für das türkische Engagement bei der Bewältigung der Flüchtlingskrise zu zahlen.
Das Land sei nicht „in dem Zustand“, in
die EU aufgenommen zu werden, sagte
SPD-Chef Sigmar Gabriel. Auch für Bayerns Innenminister Joachim Herrmann
(CSU) ist ein EU-Beitritt die „rote Linie“.
Der türkische Premier Ahmet Davutoglu hatte überraschend hohe Bedingun-
gen für die Unterstützung seines Landes
bei der Aufnahme von Flüchtlingen gestellt. Unter anderem forderte er sechs
statt der zugesagten drei Milliarden Euro
Hilfszahlungen durch die EU, zudem sollten die EU-Beitrittsverhandlungen mit
der Türkei beschleunigt werden und Türken schneller als geplant Visafreiheit erlangen. Für Flüchtlinge, die Ankara aus
Griechenland zurücknimmt, sollten die
EU-Staaten der Türkei zudem Flüchtlingskontingente abnehmen.
Waren sich die EU-Länder auf dem
Gipfeltreffen noch uneins über den Um-
gang mit der Türkei, schaffen einige nun
umso schneller Tatsachen: Am Dienstagabend verkündeten Slowenien und Serbien, ab Mittwoch ihre Grenzen für Menschen ohne Pässe oder gültige Papiere zu
schließen. Damit riegeln sie die Balkanroute für Flüchtlinge weiter ab, über die
im vergangenen Jahr mehr als eine Million Menschen nach Westeuropa gelangten. Kroatien, das zwischen Serbien und
Slowenien liegt, will offenbar nachziehen
und dieselbe Regelung anwenden. HB
Berichte, Leitartikel Seiten 6, 7, 12
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