Manuskript Beitrag: Das Geschäft mit Altkleidern – Auf den Spuren krimineller Händler Sendung vom 1. März 2016 von Jörg Brase, Anna Feist und Herbert Klar Anmoderation: Sie haben Hosen, Jacken oder Schuhe, die Sie nicht mehr tragen, die aber zu schade sind, um sie einfach wegzuwerfen? Womöglich gehen Sie dann zu einem dieser Container, die in vielen Städten an jeder Ecke stehen. Da werden Sie die Kleidung los und denken, zugleich helfen Sie Bedürftigen. Doch wer in Deutschland auf diese Weise spendet, sollte wissen, dass hinter der vermeintlich guten Sache des Öfteren gewissenlose Geschäftemacher stecken. Unsere Reporter waren einer deutschen Firma auf der Spur, die schmutzige Schuhe nach Afrika verkauft. Jörg Brase, Anna Feist und Herbert Klar über Müll - Made in Germany. Text: Auf ihrer Internetseite wirbt die Firma Boex mit ihren SecondHand-Schuhen. Und Firmenchef Christian Müller hat sich ganz den karitativen Zwecken verpflichtet, heißt es. Alte Schuhe werden gesammelt, sortiert und weiterverkauft. Geschäfte machen und dabei Gutes tun, so die Botschaft. Boex gehört nach eigenen Angaben zu den größten Alttextil-Firmen Deutschlands, handelt weltweit. Der Hafen von Mombasa in Kenia. Hier warten Kunden von Boex auf einen Container voller Gebrauchtschuhe, der gerade angekommen ist. Auch Vertreter der Deutschen Auslandshandelskammer sind dabei, denn sie haben den Verdacht, dass die Ware nicht in Ordnung ist. Und tatsächlich: O-Ton Farah Abey Mohamed, Kaufmann: Kein Mensch zieht so etwas noch an. Der Typ denkt wohl, Kenia sei ein Mülleimer. Der macht Kenia zu einer Mülltonne, wo man seinen Dreck ablädt. Das hier ist keine Handelsware. Auf welchem Markt soll ich das verkaufen? Kaufmann Farah Mohamed hat 360 Säcke Top-Second-HandSchuhe bestellt. Doch das, was dann wirklich kam, muss im Hafen bleiben – entscheiden die Behörden. O-Ton Robert Ngombo, Kenya Bureau of Standards KEBS: Meine Entscheidung lautet, diese Lieferung ist nicht geeignet, um auf den kenianischen Markt zu gelangen. O-Ton Chris Wegner, Deutsche Auslandshandelskammer Kenia: Mein Eindruck, und mir wurde auch gesagt von den anderen Teilnehmern, das sind Schuhe, die selbst von den ärmsten Leuten hier nicht mehr getragen werden können. Und den Eindruck habe ich eindeutig auch. Das ist im Prinzip Schrott. Man hat euch damals in Deutschland bessere Schuhe gezeigt, bevor ihr sie gekauft habt? O-Ton Farah Abey Mohamed, Kaufmann: Klar, als wir bei ihnen in der Lagerhalle waren - viel bessere Qualität! Nicht mal annähernd so schlecht wie das hier. Deshalb haben wir damals das Geld bezahlt. Vorkasse ist üblich. Sein Schaden: über 30.000 Euro. Wir fahren nach Hanau bei Frankfurt zum Boex-Lager. Wollen herausfinden, was an den Vorwürfen der kenianischen Geschäftsleute dran ist. Wir geben uns als interessierte Kunden aus, drehen mit versteckter Kamera. Im Lager empfängt uns Firmenchef Christian Müller und präsentiert uns stolz seine besten Second-Hand-Schuhe. Wir fragen, ob wir beim Beladen der Container dabei sein dürfen und so die Qualität kontrollieren können. O-Ton Christian Müller, Geschäftsführer Boex, Wortprotokoll: Ja, natürlich können Sie dabei sein. Wir sind einer der größten Exporteure, wir arbeiten sehr transparent. Wir informieren Sie rechtzeitig, wann die Container beladen werden. Das hatte Müller auch Kenianern versprochen. Wir fragen nach: Wir hätten von afrikanischen Kunden gehört, dass er solche Zusagen nicht einhält. Stimmt das? O-Ton Christian Müller, Geschäftsführer Boex, Wortprotokoll: Ach, die Afrikaner sind da sehr eigen. Afrikaner halt. Das ist alles Quatsch. Meine Kunden sind zufrieden. Nairobi. In der kenianischen Hauptstadt lädt die Deutsche Auslandshandelskammer zu einem Treffen von BoexGeschädigten. Sie fürchtet um den Ruf der deutschen Wirtschaft. Allein in Kenia meldeten sich bisher ein Dutzend Betroffene Schadenssumme rund 150.000 Euro. O-Ton Ingo Badoreck, Leiter Deutsche Auslandshandelskammer Kenia: Wir sind als deutsche Wirtschaft hier sehr gut angesehen. Und so ein Fall beschädigt natürlich die gute Reputation, die wir als deutsche Wirtschaft haben, in diesem Land, nachhaltig. Im guten Glauben an Qualität aus Deutschland haben die Kaufleute schon weitere Abnehmer gefunden. Das Geld ist nun verloren. O-Ton Dickson Kimani Kamau, Kaufmann: Ich konnte die Schuhsäcke schon weiterverkaufen, bevor sie geliefert wurden. Weil die Kenianer so viel Vertrauen in das deutsche Rechtssystem haben, in deutsche Firmen, deutsche Produkte. Sie vertrauen allem, was Deutsch ist. Normalerweise können sie das auch, versichert uns in Hamburg der Sprecher des Verbandes für Sekundärrohstoffe, Andreas Nissen. Auch er handelt mit Altkleidern. O-Ton Andreas Nissen, Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung: Wenn sich Exporteur und Importeur darüber einig sind, was für ein Geschäft sie abschließen wollen, geht normalerweise der Kunde in Kenia zu einer Kontrollgesellschaft und diese Gesellschaft begutachtet die Ware, ob sie der vertraglichen Bezeichnung entspricht, ob sie in Ordnung ist, und überwacht dann letztendlich auch die Verladung der Ware in den – ja, in der Regel - Container nach Afrika. Wer gebrauchte Schuhe nach Kenia einführen will, benötigt ein sogenanntes COC-Qualitätszertifikat. Das soll sicherstellen, dass die Ware kein Müll ist. Doch bei unserem Besuch hat Boex-Chef Müller von solchen Zertifikaten und staatlichen Kontrollen nichts erzählt. Wir fragen, wie wir denn sicher sein können, dass tatsächlich die gesehene Qualitätsware verladen wird und kein Müll? Und dass mit Verschiffen alles in Ordnung geht? O-Ton Christian Müller, Geschäftsführer Boex, Wortprotokoll: Machen Sie sich keine Sorgen. Ich kümmere mich darum. Wir haben einen eigenen Qualitätsprüfer. Der kontrolliert das. Wir fahren nach Sachsen-Anhalt, wollen den Qualitätsprüfer von Boex aufsuchen. Unter der genannten Adresse finden wir ein Büro für Kfz-Prüfung. Niemand öffnet. Telefonisch bestätigt uns der Autosachverständige, er arbeite für Boex. Wie aber kann er als Kfz-Sachverständiger Schuhe prüfen? - Keine Antwort. In solchen Containern werden Schuhe gesammelt. Mehr als 1.000 davon hat Boex nach eigenen Angaben aufgestellt. Doch dafür braucht man eine Genehmigung. Die holt Boex offenbar nicht immer ein. Beispiel Gemeinde Markkleeberg in Sachsen: O-Ton Daniel Kreusch, Pressesprecher Stadtverwaltung Markleeberg, Sachsen: Wenn ein Unternehmen ein Altkleidercontainer auf einem Bürgersteig aufstellt, so wie die Firma Boex es getan hat, dann bedarf das einer Sondernutzungserlaubnis. Und diese Sondernutzungserlaubnis hat die Firma Boex nicht eingeholt. Und demzufolge war das Aufstellen illegal. Ein Container bringt im Jahr etwa 5.000 Euro. Schnelles Geld. Deshalb werden häufig Container illegal aufgestellt – nicht nur von Boex, beklagt der Fachverband. O-Ton Andreas Nissen, Bundesverband Sekundärrohstoffe und Entsorgung: Diese illegal aufgestellten Container, das ist natürlich eine Methode, um viel Geld zu verdienen. Sie investieren eigentlich nichts und greifen einfach Ware ab und verkaufen die. Leuna. Hier hat Boex in einem Lager gebrauchte Schuhe sortiert und für den Export nach Afrika verpackt. Doch die Behörden hatten etwas zu beanstanden. Offenbar konnte Boex weder lückenlos nachweisen, wo die Schuhe herkommen, noch wo sie hin geliefert werden. Schriftlich heißt es, Zitat: „Der Landkreis Saalekreis … hat die Boex Vertriebsgesellschaft mbH seit 2011 mehrfach … aufgefordert, aussagekräftige Unterlagen zum Zwecke des Nachweises von Herkunft und Verbleib … einzureichen.“ Dubiose Geschäfte, mangelnde Qualität. Wir konfrontieren den Boex-Chef mit den Vorwürfen. Er bestreitet die und teilt uns schriftlich mit, Zitat: „Generell gilt, dass wir an unsere Kunden keinen „Müll“ liefern.“ Inzwischen ermittelt die Staatsanwaltschaft Frankfurt gegen Boex wegen des Verdachts des Betruges und geht gegen die Verantwortlichen vor. Sie teilt uns mit, Zitat: „... dass u.a. bundesweit mehrere Objekte durchsucht und Maßnahmen der Gewinnabschöpfung getroffen worden sind.“ Soll heißen: Vermögen wurde sichergestellt. Boex-Chef Müller wirbt im Internet unterdessen weiter mit seinem angeblich karitativen Engagement. Zur Beachtung: Dieses Manuskript ist urheberrechtlich geschützt. Der vorliegende Abdruck ist nur zum privaten Gebrauch des Empfängers hergestellt. Jede andere Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtgesetzes ist ohne Zustimmung des Urheberberechtigten unzulässig und strafbar. Insbesondere darf er weder vervielfältigt, verarbeitet oder zu öffentlichen Wiedergaben benutzt werden. 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